Lebensräume schützen statt Wildtiere einsperren
800 zoologische Einrichtungen ziehen in Deutschland jährlich rd. 45 Mio. Besucher an, und bis heute zähle ich auch dazu. Allerdings muss ich zugeben, dass mich schon lange das Gefühl beschleicht, dass Wildtiere ein anderes Leben verdient hätten. Eingesperrt hinter Gittern, Zäunen oder Glasscheiben fristen sie zumeist ein Leben, das ihrem ursprünglichen Lebensraum nicht einmal annährend entsprechen kann. Ich bin mir durchaus bewusst, dass sich die Verhältnisse in deutschen Zoos deutlich verbessert haben, denn ich erinnere mich selbst noch an Braunbären, die in der Stuttgarter Wilhelma in einer engen Mauernische unweit des Eingangs dahinvegetierten. Später sangen dort Kleinvögel ihr trauriges Lied, heute mutet kein Zoodirektor einen solchen Anblick seinen Gästen zu. Mehr Raum für die Tiere, so lautet seit Jahrzehnten die Devise, doch im Grunde bleibt es bei der Gefangenschaft von Wildtieren, die ansonsten viele Kilometer fliegen oder laufen würden, um Nahrung oder einen Partner zu finden. Jetzt kommt täglich der Tierpfleger mit vorbereiteten ‚Häppchen‘ und über eine Paarungschance bestimmt nicht die Natur, sondern das Zuchtbuch. Andererseits sehen die Besucher Tiere, die sie ansonsten nur im Fernsehen oder in Zeitschriften zu Gesicht bekämen, denn nicht jeder von uns kann – wie so mancher Politiker – in ferne Regionen jetten. Steht bei der Präsentation im Zoo der Unterhaltungscharakter im Vordergrund oder nehmen Jung und Alt wirklich mehr Wissen mit und setzen sich darauf aufbauend für den Artenschutz und den Erhalt der Lebensräume für Wildtiere ein? Tierschützer fordern immer wieder die Auflösung der Zoos, deren Leiter philosophieren dagegen über den Beitrag zur Erhaltung bedrohter Arten, den sie mit ihrer Einrichtung leisten.
Zufriedene Gefangene?
Über Sinn und Unsinn von Zoos und Tierparks kann man trefflich streiten, und bei manchen Aspekten bin ich mir selbst nicht ganz sicher, wie ich sie beurteilen soll. In letzter Zeit habe ich vermehrt den Eindruck gewonnen, dass der ein oder andere Zoodirektor uns an der Nase herumführen will. Als Tanzbär bin ich aber nicht geeignet, daher diese Zeilen und der Versuch einer Diskussion. Thomas Kölpin, Direktor der Wilhelma, des zoologisch-botanischen Gartens in Stuttgart, verkündet: „Wir brauchen mehr Zoo, nicht weniger.“ Und Kölpin meint: „Diese ‚freie Wildbahn‘, in der Tiere uneingeschränkt Freiheit genießen, ist ja sowieso ein Aberglaube.“ Das erinnert mich an so manche Aussage von Landwirten, die glauben, Schweine, Rinder und Hühner müssten sich doch in engen Massenställen wohlfühlen, denn sie hätten ja ein Dach über dem Kopf und bekämen nach wissenschaftlichen Kriterien ausgewähltes Futter und selbstredend auch Partner für die Nachzucht. Na, dann scheint ja alles paletti zu sein! Oder? Und Kölpin setzt noch eins drauf: „Es ist immer eine etwas blöde Frage, aber ich glaube, dass viele Tiere, wenn sie das entscheiden könnten, ein Leben im Zoo wählen würden.“ Deshalb wackeln manche Großkatzen vermutlich mit dem Kopf, wenn sie nach wenigen Metern in ihrem Gehege wieder umdrehen müssen, weil sie sonst gegen die Wand laufen würden! „Ein geordnetes Leben mit gutem Zugriff auf Nahrungsmittel, Paarungspartner, funktionierende soziale Gruppen – das ist doch was!“ Irgendwie erinnern mich solche fragwürdigen Aussagen an die Lobpreisungen von Diktaturen, in denen Menschen doch prima leben könnten, allerdings fehlt ihnen die Freiheit. Genau diese können auch Zootiere nicht erleben, und dabei denke ich nicht nur an Elefanten oder Löwen, sondern in der Wilhelma z.B. an eine kleine Gruppe von Basstölpeln. Vielfach werden diese im Flug majestätischen Seevögel mit Flügelspannweiten von 170-200 cm in der Wilhelma übersehen, denn sie sitzen – flugunfähig gemacht – an einem kleinen Wasserbecken gegenüber dem Bassin der Publikumslieblinge Seelöwen. Ganz anders ihre wilden Artgenossen, die jeden Tag gerne mal 50 oder 100 Kilometer fliegen, um Nahrung für die Küken heranzuschaffen. Ohne Probleme überholen sie eine Fähre und fliegen dann vor dem Bug in die gewünschte Richtung. Vermutlich übersehe ich dabei, dass die Basstölpel in der Wilhelma eigentlich ganz zufrieden sein müssten, denn sie bekommen doch regelmäßig Futter! So die schöne neue Welt der Zoodirektoren. Für mich eher ein Anblick des Jammers!
Der Wilhelma-Chef Kölpin ist mit seinen abwegigen Aussagen nicht allein, denn wie heißt es auf der Internetseite des Münchner Tierparks Hellabrunn: „Die begrenzten Anlagen im Tierpark scheinen – verglichen mit der Natur recht klein zu sein.“ Sie scheinen nicht so, sie sind es! „In Dokumentationen staunt man über kilometerlange Wanderungen, die einige Tierarten auf der Suche nach Nahrung, Fortpflanzungspartnern oder einem neuen Revier auf sich nehmen. Dies ist in Zoos nicht möglich. Um das zu bewerten, müssen gleichwohl die Ursachen dieses Verhaltens betrachtet werden. Dass ein Tier sich bewegt, dient zum größten Teil dem Zweck, Nahrung zu finden und diese aufzunehmen. Im Zoo ist die Nahrungszufuhr gesichert. Auch der Fortpflanzungspartner befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft. Sieht man sich die Anatomie und Physiologie der Tiere an, lässt sich erkennen, dass Tiere großartige Energiesparer sind. Alle Körperfunktionen sind darauf ausgelegt, so wenig Energie wie möglich zu verbrauchen und auf diese Weise die Menge an benötigter Nahrung gering zu halten. Für Zootiere gibt es – genau wie für Wildtiere – keinen Grund, mehr Energie zu verbrauchen als nötig. Also bewegen sie sich nur so viel, wie notwendig ist.“ Wenn man solchen Phrasen glaubt, dann ist der Zoo ein Paradies für Wildtiere: Warum herumlaufen, wenn das Futter angereicht oder mal im Gehege versteckt wird? Nach dieser These dürfen sich die bereits angeführten Basstölpel glücklich schätzen, dass sie nicht mehr auf dem Meer überwintern und sich bei stürmischem Seegang auf der Jagd nach Fischen in die Tiefe stürzen müssen. Nun bin ich weder Zoologe noch Wildtierökonom, aber jedes Jahr haben wir für einige Monate Schafe auf unserer Weide. Wenn sie zu uns auf die Wiese mit allerlei Blümchen kommen, müssten sie nach der These von Kölpin oder Hellabrunn gleich hinterm Tor anhalten und dort das grüne Gras fressen, denn dies würde Energie sparen. Das Gegenteil ist richtig und natürlich lange bekannt: Die Schafe bewegen sich auf der ganzen Fläche, fressen mal hier, mal dort. Und die Weiden unseres benachbarten Schafhalters sind noch größer, und dort das gleiche Verhalten. Aber Elefanten, Antilopen, Zebras oder Bisons sollen sich im Zoo besonders wohlfühlen, weil sie sich nicht groß bewegen müssen? Wer diese These vertritt, der will uns alle für dumm verkaufen.
Zugeteiltes Gehege als Revier?
In Gefangenschaft lebende Wildtiere sollen sich einerseits – glaubt man Kölpin & Co. – in Zoos und Wildparks wohlfühlen, weil sie keine Feinde oder Hunger zu befürchten haben, andererseits sind sie eine „Reservepopulation“, dienen der Arterhaltung und eignen sich bestens zur Auswilderung. „Mit adäquaten Auswilderungsprogrammen ist es jedoch sehr wohl möglich, Tiere aus menschlicher Obhut auf das Leben in der Wildnis vorzubereiten“, so der Tierpark Hellabrunn. Selbstverständlich ist es möglich, Wildtiere so aufzuziehen, dass sie ausgewildert werden können, doch dies sind eher Einzelfälle und in Anbetracht der Besucherscharen in Zoos kaum umsetzbar. Wer auf wenigen Quadratmetern statt auf Quadratkilometern als Zootier lebt, der dürfte sich schwertun, plötzlich ohne freundlichen Pfleger auskommen zu müssen und auf sich selbst gestellt zu sein. Was mich hauptsächlich ärgert ist die Tatsache, dass in einem einzigen Text völlig widersprüchliche Aussagen – wie bei Hellabrunn – gemacht werden, denn dort heißt es: „Tiere sind es gewohnt, in ihren Revieren zu leben und verlassen angestammte Bereiche nur unter Zwang, wie zum Beispiel zur Futter- und Partnersuche, oder wenn sie von ranghöheren Tieren vertrieben werden.“ Da frage ich mich, warum man Vögeln die Flügel stutzt oder Elefanten und Löwen in ein Gehege steckt, wenn sie dort doch gar nicht wegwollen. „Dabei bemisst sich ihre Reviergröße daran, dass all ihre Bedürfnisse, insbesondere ausreichend Futter und Geschlechtspartner dort vorhanden sind.“ Nach dieser Logik müsste in der industriellen Landwirtschaft ein 100 Kilogramm schweres Schwein glücklich sein, wenn es einen Quadratmeter Platz hat, denn für Futter ist gesorgt und ehe die Muttersau in den Kastenstand gesperrt wird, kommt der Tierarzt zur Besamung vorbei. „Deshalb ist die Einrichtung der Tieranlagen so gewählt, dass die Tiere sich wohlfühlen, ihre Bedürfnisse erfüllt sind und sie ihre Anlage als ihr Revier annehmen. So haben sie keinen Grund, diese zu verlassen.“ Irgendwie erinnert mich diese Aussage an Politiker, die uns Bürgern vorschreiben wollen, wie viele Quadratmeter Wohnraum uns denn zusteht und ob wir in einer Doppelhaushälfte oder im Wohnsilo unsere Zukunft sehen.
Glauben Zoodirektoren wirklich daran, dass sich in menschlicher Obhut vom Aussterben bedrohte Wildtiere so lange erhalten lassen, bis die zerstörten Lebensräume wieder zur Verfügung stehen? Scheinbar tun sie dies, wenn man den Aussagen führender Köpfe folgt. Zitieren wir erneut Kölpin, der über die Asiatischen Elefanten in einem Interview mit dem Wilhelma-Magazin sagt: „Ich bin der festen Überzeugung, dass sein Überleben von der europäischen Zoo-Population abhängen wird. … Vielleicht noch nicht 2050, aber 2100 könnte die Situation in Asien sich wieder entspannen, sodass größere Flächen renaturiert werden und wieder Wälder für Elefanten da sind – nur gibt es dann womöglich keine Elefanten mehr.“ Schon die zeitliche Perspektive lässt für mich erkennen, dass die Zoos keine Arche Noah für bedrohte Wildtiere sein können. Wer soll denn eine steigende Zahl von Wildtieren, die auf Roten Listen landen, gewissermaßen in Obhut nehmen und über ein Jahrhundert oder mehr weiter züchten? Da helfen kein Zuchtbuch und der eifrige Austausch von Zootieren, Inzucht wird sich so nicht verhindern lassen. Tiere, denen es in ihrem bescheidenen Gehege nach Meinung der Zooverantwortlichen zu gefallen scheint und die sich aus Faulheit – pardon zur Energieeinsparung – nicht über weite Strecken selbständig bewegen wollen, fühlen sich plötzlich wohl, wenn sie auf menschliches Geheiß zur Arterhaltung in der Transportkiste um den Globus reisen. Spätestens an dieser Stelle endet mein Verständnis für Zoodirektoren, die öffentliches Geld akquirieren und ihre Stelle sichern wollen, indem sie über Arterhaltung palavern und doch eher an die Eintrittsgelder denken.
Lebensräume erhalten
Wildtieren können wir nur helfen, wenn wir für den Erhalt ihres Lebensraums kämpfen – hier und überall in der Welt! Einen kleinen finanziellen Beitrag zu Schutzprojekten leisten manche Zoos mit einem Euro, den sie mit dem Eintrittsgeld kassieren. Das mag das Image heben, im Verhältnis zu den Gesamtmitteln der deutschen Zoos ist es andererseits wenig. Neben Artenschutz und Erholung beanspruchen die Zoos, sich für Forschung und Umweltbildung einzusetzen. Hier hat sich vieles getan, das möchte ich nicht leugnen, man denke nur an die ‚Zooschulen‘, doch ob Zoos wirklich dafür geeignet sind, die Entfremdung von der Natur aufzuhalten, das bezweifle ich: Mit der Natur haben Zootiere nun mal wenig zu tun. Natürliches Verhalten lässt sich nur sehr eingeschränkt beobachten, was in gleichem Maße für Besucher und Forscher zutrifft, obwohl Wilhelma-Direktor Kölpin unterstreicht: „Intensive Langzeitbeobachtungen sind in der Natur in dieser Form gar nicht möglich.“ Das mag sein, doch das bei in Gefangenschaft lebenden Tieren beobachtete Verhalten lässt sich nur schwer auf deren wilde Verwandte übertragen. Deshalb gewann die britische Verhaltensforscherin Jane Goodall ihr Wissen über Schimpansen nicht im Zoo, sondern in deren natürlichem Lebensraum.
Heiko Werning beklagt im Wilhelma-Magazin zurecht das Artensterben und nennt Vaquita-Schweinswale, Loa-Frösche und die Jangtse-Riesenweichschildkröten: „Die einzige Chance, sie zu retten, wäre gewesen, sie rechtzeitig in menschlicher Obhut zu züchten. Doch die Menschheit hat versäumt, solche Reservepopulationen aufzubauen.“ Wenn rd. eine Million Arten laut Weltbiodiversitätsrat (IPBES) vom Aussterben bedroht sind, dann dürfte sich jeder verheben, der versucht, diese zu züchten. Auch in Europa landen immer mehr Tier- und Pflanzenarten auf den Roten Listen, darauf bin ich bereits mehrfach eingegangen, so z. B. in meinem Blog-Beitrag ‚Tieren und Pflanzen beim Aussterben zusehen? Rote Listen: Die Biodiversität schmilzt dahin‘. Ich bin mir der Probleme bewusst, doch die einzige Lösung, um das Artensterben zu stoppen, ist die Erhaltung der Lebensräume für Tiere und Pflanzen. Hier hätte ich mehr als salbungsvolle Reden sowohl von der Bundesregierung unter Beteiligung der Grünen oder der EU im Zeichen des von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen propagierten Green Deals erwartet. Wer jedoch die Herausnahme von lediglich vier Prozent der Agrarfläche aus der Produktion nicht umsetzt und den Einsatz von Glyphosat um ein Jahrzehnt verlängert, der beschleunigt das Artensterben!
Tiere sind Mitlebewesen
Einzelne Projekte zur Züchtung von Wildtieren, die dann wieder ausgewildert werden können, hatten positive Effekte, auf die Zooverantwortliche gerne hinweisen. Wisent, Przewalski-Pferd oder Waldrapp können in Europa genannt werden. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs lebten noch rd. 30 Przewalski-Pferde in menschlicher Obhut, u. a. im vormals erwähnten Tierpark Hellabrunn. In der Mongolei und weiteren Regionen gibt es heute Auswilderungen und wieder Bestände in Schutzgebieten. Werden Waldrappe flügge und von ihren menschlichen Begleitern gen Süden geführt, fallen sie nicht selten im Winterquartier Vogeljägern zum Opfer. Und verirrt sich mal ein Wisent aus Polen nach Brandenburg, dann wird er auf behördliche Anordnung hin erschossen. Was uns fehlt, ist somit nicht die Nachzucht von gefährdeten Tieren, sondern eine veränderte Einstellung vieler Menschen, die leider Wildtieren keinen ausreichenden Lebensraum zubilligen. So habe ich in diesem Blog kürzlich die Frage gestellt: ‚Lebensrecht für Wildtiere in der Natur. Nur hinter Gittern eine Zukunft?‘ Völlig absurd ist es, wenn die für den Naturschutz zuständige Bundesministerin Steffi Lemke zwar die Einfuhr von Jagdtrophäen aus Afrika einschränken möchte, doch in Deutschland „Schnellabschüsse“ von Wölfen als Großtat preist – sogar als Mitglied von Bündnis 90/ Die Grünen! Hierzu finden Sie weitere Ausführungen in ‚Ministerin Lemke: Wölfe abschießen, Elefanten schützen. Die grüne Doppelmoral ist politisch gefährlich‘. Als Wölfe nach Deutschland zurückkehrten, auf leisen Pfoten und ohne Nachzucht, wurde das als Erfolg des Naturschutzes gefeiert, doch kaum überwindet ein Wolf einen unzulänglichen Zaun und reißt ein ‚Nutztier‘, da steht er mit ministeriellem Segen auf der Todesliste.
Wir brauchen eine offene Diskussion über die zukünftige Stellung und Bedeutung der Zoos und Tierparke. Dabei bin ich mir bewusst, dass 2019 bei einer Forsa-Umfrage 82 % der 1500 Befragten Zoos befürworteten und lediglich 12 % diese ablehnten. Nicht förderlich ist es für eine sachliche Debatte, wenn Heiko Werning im Wilhelma-Magazin schreibt: „‘Artgerecht ist nur die Freiheit‘, skandierten Tierrechtler, die ihr eigenes Gefühlsleben ungefragt auf andere Spezies projizierten, obschon ihnen Nashorn, Orang-Utan und Lemur-Laubfrosch angesichts der Zustände in dieser angeblichen Freiheit sicherlich den Vogel gezeigt hätten.“ Denkt man solche Sätze weiter, dann wird es mir als Sozialwissenschaftler angst und bange, denn so ähnlich argumentieren auch Regierungen, die ihren Untertanen den Freiheitswillen absprechen. „Gefühligkeit siegte über Fakten“, so Werning weiter. „Eine zoologische Einrichtung nach der anderen wurde geschlossen.“ Bei 800 großen und kleinen zoologischen Einrichtungen in Deutschland stellt sich mir die Frage, welche Gesamtzahl mit welchen Budgets Heiko Werning vorschwebt.
Ja, wir sollten über Zoos und Tierparks diskutieren und das Für und Wider abwägen. Artenschutz ist unerlässlich, doch er muss in erster Linie in den Lebensräumen der Wildtiere stattfinden. Wer glaubt, eifriges Nachzüchten von ‚Wildtieren‘ in menschlicher Obhut sei ein gewichtiger Teil der Lösung, um das Artensterben aufzuhalten, der marschiert in eine Sackgasse! Und die Züchtungsfraktion liefert den Zeitgenossen – ungewollt – Argumente, die meinen, der Schwund an Tier- und Pflanzenarten sei nicht so schlimm, denn man könne sie ja züchten und gewissermaßen im Zoo oder der Samenbank für bessere Tage ‚archivieren‘. Ein Zoo ist keine Arche Noah, denn Tiere werden dort Generation für Generation gehalten, ohne dass sie in nennenswertem Ausmaß die Freiheit erlangen. Zootiere sind wie Nutztiere in der Landwirtschaft oder Haustiere wie Hunde, Katzen, Vögel, Fische usw. Mitlebewesen, die es verdienen, möglichst artgerecht zu leben. Zoos haben sich verändert, denn statt steriler Betonstrukturen und getäfelten Wänden gibt es jetzt strukturierte Gehege, doch den Weg in die Freiheit versperren Gräben, Sicherheitsglas, Zäune und Gitter. Dürfen dauerhaft Wildtiere als Anschauungsobjekt gehalten werden? Ich neige aus ethischen Gründen immer deutlicher zu einem Nein!
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Zoos konkurrieren mit anderen Freizeiteinrichtungen, und so gilt es, mit immer neuen Attraktionen die Besucher anzulocken. Die Wilhelma setzt dabei auf eine ‚Terra Australis‘. Ob diese dauerhaft ein Publikumsmagnet sein kann, wage ich zu bezweifeln: Koalas gehören eher zu den ‚ruhigen‘ Tieren. Ergänzend können die Besucher ‚eine Tür weiter‘ im Dunkeln mit etwas Glück nachtaktive Tiere erspähen, was sicher nicht jedermanns Sache ist, denn dazu gehört Geduld und Zeit! Aber ganz nebenbei: Das Überleben der Koalas und anderer Wildtiere hängt vom Erhalt ihres Lebensraums in Australien ab und nicht von Zoos, die gerne über die Erhaltung von Arten und deren Nachzucht philosophieren. Nicht nur der Klimawandel gefährdet die Koalas, sondern auch verzögertes Eingreifen bei Busch- und Waldbränden. Mehr dazu in: ‚Australien brennt, und das Feuer wird mit einem Feuerwerk begrüßt. Premierminister Scott Morrison auf Abwegen‘. (Bild: Ulsamer)