Ein General als Retter im Corona-Desaster?
Der Kampf gegen die Coronapandemie in Deutschland bietet ein Bild des Jammers, und dies gilt sowohl für die scheidende Regierung unter Angela Merkel als auch für die mit den Hufen scharrende neue Truppe unter Olaf Scholz, dem bisherigen Vizekanzler. Apropos Truppe: Jetzt soll ein General der Bundeswehr das Impfchaos lichten, doch ob das gelingen kann, hängt vor allem wieder von den politischen Entscheidungsträgern in Bund, Land, Kreisen und Kommunen ab. Wenn jetzt Generalmajor Carsten Breuer zum Leiter des Krisenstabs im Kanzleramt ernannt ist, löst das allein sicher nicht die Kurzsichtigkeit, Ideenlosigkeit und Handlungsschwäche der Politik.
Mangelverwaltung à la Bundeswehr
Der aus dem Amt scheidende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ist für mich zwar der politische Rohrkrepierer des Jahrzehnts, doch auch in den Bundesländern wird zu viel palavert, gerne der Zeigefinger gen Berlin gerichtet, aber im Grunde werden die eigenen Entscheidungskompetenzen zu spät und wenig zielgerichtet genutzt. Auffällig ist, dass die politische Farbe der Landesregierungen keine Rolle zu spielen scheint, denn die Zahl der Sprechblasen übertrifft leider ihr zielgerichtetes und nachhaltiges Handeln: Ob Schwarz, ob Grün, Gelb, Rot oder tief Rot, es mangelt an Orientierung und konsequentem Handeln. Mal fehlt der Impfstoff generell, dann vor Ort, dann reichen die Impfkapazitäten nicht aus, gerne wartet man auf die Entscheidungen der Ständigen Impfkommission, dann wieder auf Aussagen der Europäischen Arzneimittel-Agentur, …, so stolpert die deutsche Politik hinter der Corona-Pandemie her. Das Desaster wurde von der ersten Minute an von den politischen Entscheidungsträgern angerichtet, die bereits wissenschaftlich fundierte Warnungen vor einer Sars-Pandemie aus dem Jahr 2013 geflissentlich überhört hatten, um anschließend blauäugig zwei Jahre durch die Coronapandemie zu stolpern. Die Zivilisten sind außer Tritt geraten. Und was soll hier ein General ausrichten?
Ich möchte meine kritischen Eingangssätze richtig verstanden wissen: Wenn es einem General gelingen sollte, das Schiff im Kampf gegen das Coronavirus wieder auf Kurs zu bringen, wäre dies ein gewaltiger Fortschritt. Aber so richtig mag ich daran nicht glauben, denn mal ganz ehrlich, die Bundeswehr ächzt seit Jahr und Tag unter einer überbordenden Bürokratie, die sich auch bei der Ausschreibung des neuen Sturmgewehrs austoben durfte. Und warum fehlte es unter Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen selbst an warmer Unterwäsche für Wintereinsätze? Im Jahresbericht 2020 der Wehrbeauftragten Eva Högl von der SPD hieß es: „Das Verteidigungsministerium beziffert die materielle Einsatzbereitschaft aller 69 Hauptwaffensysteme mit Stand Dezember 2020 auf 74 Prozent gegenüber knapp 71 Prozent im Juni 2020. Der Bundeswehrverband hingegen
sieht die Einsatzbereitschaft aktuell bei maximal 50 Prozent.“ Von der Bundeswehr lernen, heißt, den Mangel zu verwalten. Ob dies gegen die weltweite Seuche hilft?
Inzwischen soll genügend Impfstoff vorhanden sein, doch nicht rechtzeitig und im gewünschten Umfang in den Arztpraxen! Das merken wir bei der Terminierung unserer eigenen Booster-Impfung mehr als deutlich, was mich fatal an die Jagd nach dem ersten Impftermin erinnert. Die politischen Entscheider lernen zu langsam! Vielleicht hätte die neue Bundesregierung unter Olaf Scholz besser einen Logistikexperten von Amazon abwerben sollen, da kommen die Päckchen fast immer an! Uniformträger und Zivilisten haben dagegen bei der Bundeswehr einen Umschwung bei der Materiallage nicht nachhaltig und keinesfalls zügig erreicht: „Verbesserungen in der Breite erfolgen nur langsam und sind vielfach kaum erkennbar.“ Dieses Marschtempo wird bei der Bekämpfung von Corona nicht ausreichen. Und wie heißt es im Wehrbericht weiter: „Der Jahresbericht beschreibt die bekannten, seit Jahren bestehenden und leider weiterhin aktuellen Probleme der Bundeswehr: zu wenig Material, zu wenig Personal, zu viel Bürokratie.“ Das letzte was wir bei der Eindämmung der Coronapandemie aus dem chinesischen Wuhan benötigen sind allerdings Bürokraten! Davon gibt es genügend, die dann auch noch per Fax korrespondieren und am Wochenende keine aktuellen Infektionszahlen liefern können.
Dilettanten und Ahnungslose
Das Impfen kam durch die Querschüsse von Jens Spahn & Co. immer wieder ins Stocken: Da entdeckte Spahn im Keller Moderna-Impfdosen, die abzulaufen drohten, und flugs wollte er sie schnell loswerden, indem er BioNTech für die niedergelassenen Ärzte in der Menge begrenzte. Hatte die Bundesregierung nicht betont, dass nicht benötigte Impfstoffe umgehend Staaten zur Verfügung gestellt würden, die sich diese auf dem Weltmarkt nicht beschaffen können? Zwar hat sich die SPD ausgerechnet in der momentanen Krisensituation noch nicht geoutet, wer im neuen Kabinett Gesundheitsminister werden soll, aber ob es wirklich besser wird in der Zukunft? Wir alle können es nur hoffen! Karl Lauterbach wäre als fachkundiger Mahner in Sachen Pandemie sicherlich keine schlechte Wahl, obwohl sein Weltuntergangsblick ganz schön nerven kann, doch könnte er als Minister auch das Impfen konkret in Fahrt bringen? Und viele Stimmen meinen, das Gesundheitsressort werde eine Frau besetzen. Nun gut, wer immer den Chefsessel im Gesundheitsministerium einnimmt, es bleibt ein vielstimmiger und dissonanter Chor in Bund und Land, aus dem wir Bürgerinnen und Bürger die wichtigsten Informationen heraushören sollen. Eine konsequente Informationspolitik ist nicht nur in Berlin, sondern auch auf Länderebene Mangelware. Da ist es wieder, das Wort Mangel, das uns durch die ganze Pandemie begleitet, und allein in Deutschland haben dies 100 000 Mitbürgerinnen und Mitbürger mit ihrem Leben bezahlt.
Ganz neu ist die Idee, einen General an die Spitze eines Krisenstabs zu setzen nicht, denn der italienische Ministerpräsident Mario Draghi, der sich als Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) zum größten Zinsräuber aller Zeiten mauserte, hat bisher ausnahmsweise ein glückliches Händchen gehabt, als er General Francesco Figliuolo beauftragte, die Impfaktion in Italien auf Vordermann zu bringen. Mit einer Gänsefeder am Hut hat er dies auch bisher gut geschafft. Erfolgreich kann General Breuer nur sein, wenn die neuen Koalitionäre aus SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP geschlossen hinter ihm stehen. Wird das wohl so sein? Wollte die FDP nicht eben noch die Glocken zum Freedom Day läuten, an dem alle Corona-Restriktionen fallen? In der Opposition klagte die FDP im Frühjahr 2021 gegen die Bundesnotbremse und verlor vor dem Bundesverfassungsgericht, jetzt muss sie als baldige Regierungspartei selbst auf die ‚Bremse‘ treten, um die Pandemie aufzuhalten. Es ist nicht lange her, da meinte Markus Söder „Ich bin gegen eine Impfpflicht.“ Olaf Scholz betonte: „Es wird keinen Lockdown mehr geben.“ Wer als Politiker in einer mörderischen Pandemie vorschnell wichtige Mittel aus seinem Instrumentenkasten verbannt, der gibt ein falsches Signal an die Bevölkerung. Dies gilt auch für die in den Startlöchern stehende neue Bundesregierung, die mit ihrem Infektionsschutzgesetz ordentlich daneben langte. Werden denn nun die alten Dilettanten von der nächsten Crew der Ahnungslosen abgelöst?
Impfpflicht eine Gewissensentscheidung?
Es ist mir ein Rätsel, wie Impfgegner an ihre eigenen Verschwörungstheorien glauben können, denen zufolge Bill Gates zusammen mit Politikern nach der Weltherrschaft greife, in dem uns Mikrochips bei der Impfung implantiert würden, doch warum haben führende Politiker während des Sommers diesem Unsinn nicht deutlicher Paroli geboten? Im Bundestagswahlkampf wollte jeder auch noch den böswilligsten Verschwörungstheoretiker für eine Stimmabgabe gewinnen. Der untergegangene CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet meinte: „Wenn wir im Herbst sehen, die Impfquote ist immer noch viel zu niedrig, dann muss man weiter nachdenken. Aber jetzt nicht.“ So wurde Noch-CDU-Vorsitzender Laschet in Gabor Steingarts ‚Morning Briefing‘ zu „Armin Arglos“. Dieser Beiname passt jedoch vorzüglich auf eine Vielzahl von Politikerinnen und Politikern in Bund und Land, in Landkreisen und Kommunen. Oberbürgermeister Frank Nopper sah in meiner Geburtsstadt noch einen „guten Stern“ über dem Stuttgarter Weihnachtsmarkt leuchten, obwohl die Intensivstationen bereits überliefen! Im Esslinger Landkreis werden zu zögerlich neue Impfstationen aus dem Boden gestampft, dafür hat Landrat Heinz Einiger schon mal ein Bäumchen zum Gedenken an die Covid-19-Toten gepflanzt. Ich würde mir umfassendere Aktivitäten gegen die Pandemie wünschen, damit nicht weiter viele Menschen versterben. Oder ist man im Landratsamt zu sehr mit dem angedachten Neubau beschäftigt?
Völlig abwegig ist der Vorschlag von Olaf Scholz, die Abstimmung über eine Impfpflicht für alle Abgeordneten zu einer Gewissensfrage im XXL-Bundestag zu stilisieren. Dann kann sich jeder Impfgegner und Verschwörungstheoretiker in unserem Land auch auf sein Gewissen berufen, wenn er eine Impfung ablehnt. Es liegen eindeutige wissenschaftliche Studien vor, die die Sinnhaftigkeit einer Impfpflicht nahelegen, doch Scholz möchte nicht vor dem Start der Regierung schon einen Konflikt mit seinem liberalen Koalitionspartner riskieren. Bei der Einführung einer verpflichtenden Masernimpfung vor dem Eintritt in Kita oder Schule gab es ein normales Gesetzgebungsverfahren, warum denn nicht gleichfalls mit der jetzt unausweichlich scheinenden Impfung gegen das Coronavirus? Eigentlich war von Olaf Scholz nichts anderes zu erwarten, denn wenn es hart auf hart kommt, sitzt er lieber in erlauchten Kreisen: Als der Schwarze Block ganze Straßenzüge in Hamburg plündernd und prügelnd in Trümmer legte, da ließ es sich Scholz als Erster Bürgermeister in der Elbphilharmonie mit den G20-Gästen gut gehen.
Unterlassen statt konsequentem Handeln
Wenn nun ein General den Krisenstab im Bundeskanzleramt leitet, kann er sich mit seinem uniformierten Kollegen Generalstabsarzt Hans-Ulrich Holtherm kurzschließen, der seit 2020 dem gemeinsamen Krisenstab von Gesundheits- und Innenministerium vorsteht. Zumindest hat dieser Krisenstab offensichtlich nicht dazu beigetragen, das Chaos im Kampf gegen die Coronapandemie zu lichten. Wer Generäle für die richtigen Leiter von Krisenstäben hält, der muss sich die Frage stellen, wozu wir in Deutschland ein Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe benötigen, wenn dort eine koordinierende Funktion in einer Pandemie nicht übernommen werden kann? Krisenstab hin oder her, ein General als Chef oder nicht, im Grunde haben wir seit Beginn der Pandemie – und bereits davor – kein Vollzugs-, sondern ein Entscheidungsdefizit! Wenn die Arztpraxen und Betriebsärzte den Impfstoff erhalten würden, den sie benötigen, ginge es auch schneller voran. Hätten die Entscheidungsträger die Impfzentren der Kreise und Kommunen nicht überwiegend aufgelöst, sondern umgehend in flexiblere Aktionsformen übergeführt, dann stünden größere Impfkapazitäten zur Verfügung. Wer hat denn trotz der Warnungen von Robert-Koch-Institut und Fraunhofer-Gesellschaft keine Vorsorge für eine weltweite Seuche betrieben? Die Politik! Als die wissenschaftlich fundierten Szenarien 2013 allen Bundestagsabgeordneten auf den Schreibtisch flatterten, da saßen dort der heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, die ausscheidende Bundeskanzlerin Angela Merkel, Jens Spahn, Karl Lauterbach u. a., doch was haben sie zur sachgerechten Vorbereitung auf eine Pandemie unternommen? Nichts! Im gleichen Jahr kam auch Sabine Dittmar in den Bundestag, die als gesundheitspolitische Sprecherin der SPD jetzt als Kandidatin für das Gesundheitsministerium gilt.
Selbstredend hoffe ich, dass Generalmajor Carsten Breuer mehr Stringenz in die Bekämpfung der Coronapandemie bringt. Tausende Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, die Breuer im Kommando Territoriale Aufgaben unterstehen, leisten bereits hervorragende und wichtige Arbeit bei der Bekämpfung der Pandemie. Doch die Entscheider in Bund und Ländern dürfen sich nicht länger um frühes und konsequentes Handeln drücken! Die Verantwortung für die bisherige desaströse Entwicklung bei der Eindämmung des Coronavirus trägt eine politische Kaste, die in allen Phasen der Seuche stets zu spät handelte. Wenig hilfreich waren auch Beratungsgremien wie die Ständige Impfkommission (STIKO), die viel zu oft Wochen über ausländischen Erkenntnissen brütete und damit zu einem Zeitverlust beitrug. Dies gilt nicht zuletzt für das Boostern! Von politischen Entscheidungsträgern dürfen wir Bürger erwarten, dass sie vorausschauend und mit einer gewissen Sachkenntnis agieren – nicht nur im Krisenfall. Aber mal ganz ehrlich: weder bei der Afrikanischen Schweinepest, bei Überschwemmungskatastrophen wie in Ahrweiler oder eben bei der Coronapandemie kann ich ein vorausschauendes Handeln – auf welcher politischen Ebene auch immer – erkennen, eher ein sträfliches Unterlassen! Der Fisch stinkt eben vom Kopf her, da dürfte selbst ein General wenig nutzen, schon gar nicht bei maßlos von sich überzeugten Politikerinnen und Politikern!
General Carsten Breuer kann ich bei seiner Aufgabe in unser aller Sinne nur viel Glück wünschen. Wir werden die Corona-Endlosschleife nur verlassen können, wenn die politischen Entscheidungsträger endlich konsequent handeln.
Sehr geehrter Herr Dr. Ulsamer,
wenn das Krisenmanagement einem Bürger in Uniform übertragen wird, kann das hilfreich sein, da von Herrn Breuer erwartet werden darf, dass er strategisch planen und konsequent handeln wird.
Zumindest hoffe ich, dass er sein Handeln nicht nach möglichen Reaktionen der Wählenden ausrichten wird. Der Handlungsspielraum bleibt jedoch gering, da auch ein General selbstverständlich nach Recht und Gesetz tätig sein wird.
Zurecht weisen Sie darauf hin, dass die Veraltung des Mangels bei der Bundeswehr seit Jahren gut eingeübt ist und ein General diese Fähigkeiten zu unserm Wohl nutzen kann.
Es bleibt jedoch in der Verantwortung der Politik, dass die Impfquote rasch steigen wird. Überwiegend wird zurecht vertreten, es bestehe eine moralische Pflicht dazu, sich im Interesse der Allgemeinheit impfen zu lassen. Da dies so zutreffend ist, drängt sich die Schlussfolgerung auf, dass es nicht rechtswidrig sein kann, die bisher nicht geimpften gesetzlich dazu zu verpflichten, dies jetzt unverzüglich nachzuholen, um ihre moralische Pflicht zu erfüllen. Die Gelegenheit dazu muss dann selbstverständlich auch bestehen. Vielleicht kann Herr Breuer diese Möglichkeit schaffen.
Mit freundlichen Grüßen aus Immendingen
Gerhard Walter