Elon Musk zwischen Genie und Wahnsinn
Wenn Elon Musk in Brandenburg die Natur plattwalzen und schon mal eine Fabrik hochziehen lässt, obwohl Tesla noch keine endgültige Baugenehmigung erhalten hat, zeigt sich Bundeskanzlerin Angela Merkel begeistert von dieser Dynamik. Kommt der Tesla-Gründer nach Deutschland, wird ihm politisch und medial der rote Teppich ausgerollt, obwohl er betont: „Wenn der gesamte Verkehrssektor elektrifiziert wird, brauchen wir die doppelte Menge an Strom. Dazu müssen wir die Kapazitäten von Wind-, Solar- und Atomkraftwerken erhöhen”, so vermeldet ‚Die Welt‘, die sich zu seinem bevorzugten Propagandablatt entwickelt hat. Da müssten eigentlich so manchem Öko-Aktivisten die Ohren klingeln, der Elon Musk wegen seiner Elektroautos schon als Mitkämpfer für eine nachhaltigere Zukunft betrachtet. Doch selbst wenn Musk sein sechstes Kind mit dem so eingängigen Namen „X Æ A-12“ bedenkt und uns Erdenbürger auffordert, uns „zu einer raumfahrenden Zivilisation, zu einer Multi-Planeten-Spezies“ zu entwickeln, kommen in der Politik keine kritischen Nachfragen auf. All überall wird Musk als „Visionär“ hofiert, und man kommt sich schon ganz klein vor, wenn man es wagt, am goldenen Heiligenschein des zweitreichsten Mannes der Welt zu kratzen. Da mögen die Aktienkurse von Tesla explodieren, die Space X-Raketen in den Himmel zischen, doch noch ist nicht entschieden, was letztendlich Bestand haben wird: Genie oder Wahnsinn?
Elon Musk stolpert über Hitler und Corona
Ganz besonders in Herz geschlossen hat wohl Mathias Döpfner, der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG, Elon Musk, denn ansonsten wäre dieser wohl kaum mit dem Axel Springer Award geehrt worden. Verbunden war die Auszeichnung mit einem vierseitigen Interview in der ‚Welt am Sonntag‘: Döpfner sprach selbst mit Musk – gewissermaßen ein Tête-à-Tête der Milliardäre, denn Friede Springer, die Witwe des Unternehmensgründers, hat Döpfner große Aktienanteile übertragen. Was wohl Axel Springer von der Ehrung für Elon Musk gehalten hätte? Springer setzte sich seinerzeit ganz besonders für die Annäherung von Deutschland und Israel nach dem Völkermord an den Juden ein, und Musk nutzt ausgerechnet Adolf Hitler für fragwürdige PR-Aktivitäten. Wenig Verständnis kann ich dafür aufbringen, wenn Elon Musk per Twitter Adolf Hitler als Fonds-Manager auftreten lässt, der, dem Wahnsinn nahe, sich darüber empört, dass Tesla 5000 Fahrzeuge die Woche produziert und so seine Pläne durchkreuzt. Musks ‚Hitler‘ hatte auf das falsche Pferd gesetzt und an der Börse gegen Tesla gewettet: „If Tesla doesn’t go bankrupt soon I’ll lose everything“, so die Untertitel zu Auszügen aus dem Film ‚Der Untergang‘. Bezeichnend ist es auch, dass Elon Musk nicht Stalin oder Mao Tse-tung für seine fragwürdige Parodie auswählte, sondern Adolf Hitler: Musks Angriffsziel ist die deutsche Automobilindustrie. Eine solch abstruse Hitler-Persiflage, die dem millionenfachen Tod nicht gerecht wird, den Adolf Hitler über die Welt brachte, scheint beim Medienunternehmen Springer niemanden zu stören.
Aber nicht nur in geschichtlichen Dimensionen verirrte sich Elon Musk, sondern auch beim Thema Corona. „The coronavirus panic is dumb“, twitterte Musk am 6. März 2020, und ich dachte, das sei im Originalton Donald Trump, dem ich die Aussage, die Coronavirus-Panik sei schlicht bescheuert, eher zugetraut hätte. Aber nein, sie stammt vom viel gelobten Elon Musk! Und ganz im Stil des abgewählten US-Präsidenten Trump riet Musk dazu, mal „chloroquine“ (ein Malariamittel) gegen Covid-19 auszuprobieren. Hätten die beiden Twitter-Spezialisten Elon Musk und Donald Trump recht behalten, dann würde es heute gar keine Covid-19-Fälle mehr in den USA geben, denn am 19. März setzte der Tesla-Prediger folgenden Tweet ab: „Based on current trends, probably close to zero new cases in US too by end of April“. Sind Musk und Trump Brüder im Geiste? Inzwischen hat das Coronavirus fast 16 Millionen US-Bürger infiziert und nahezu 300 000 Menschen getötet. Manchmal wäre es besser, wenn Elon Musk mal nachdenken würde, ehe er twittert. Und dazu hätte ich auch Donald Trump dringend geraten.
Flucht vor der Börsenaufsicht zum Mars?
Mit dem Twittern ist das bei Elon Musk generell so eine Sache: „Am considering taking Tesla private“, was im August 2018 nicht mehr oder weniger bedeutet hätte, als dass Tesla von der Börse genommen worden wäre. Die US-Behördenaufsicht fand dies nun gar nicht lustig, wenn ein Unternehmenschef völlig unabgestimmt solche kursrelevanten Aussagen macht. Der Vorwurf der Marktmanipulation stand im Raum und führte dazu, dass Musk zwar Chief Executive Officer bleiben konnte, seine Position als Chairman musste er bei Tesla allerdings aufgeben. Ihm wurde vergeblich verordnet, kursrelevante Themen nur über Twitter anzusprechen, wenn diese von einem Juristen zuvor gegengelesen wurden. Doch was kümmert so etwas ein ‚Genie‘ wie Elon Musk? Im Grunde ist es ihm egal, und daher geriet er 2019 wegen zweifelhafter Aussagen zu Produktions- und Verkaufszahlen wieder mit der SEC (United States Securities and Exchange Commission) aneinander. Ich bin mir fast sicher, dass ein deutscher Unternehmer, der so freihändig mit Informationen umgeht, in den USA bereits gesiebte Luft geatmet hätte.
Aber was soll ein in ganz anderen Sphären lebender Elon Musk mit solch irdischen Einwänden der Börsenaufsicht? Mit Space X macht sich der Milliardär daran, das Weltall zu erobern. Und niemand sollte Musk nur als privaten Unterstützer einer flügellahmen NASA verstehen, denn er hat ja ‚Großes‘ vor: „Ich halte es für wichtig, dass sich die Menschheit zu einer raumfahrenden Zivilisation, zu einer Multi-Planeten-Spezies entwickelt.“ (Welt am Sonntag) Musk möchte nicht nur selbst ins All fliegen, sondern auch gerne auf dem Mars beerdigt werden, wo er bereits Städte entstehen sieht. Natürlich kann es nie schaden, sich neue Ziele zu setzen. So sprach John F. Kennedy von einer „New Frontier“, doch es ging ihm in erster Linie um Verbesserungen gerade bei den Bürgerrechten und im Sozialsystem und erst in zweiter Linie um den Flug zum Mond. Elon Musk sieht im angestrebten Ausgreifen ins Weltall dagegen eine Rückfallposition, wenn die Menschheit unseren Globus zugrunde gerichtet hat. „Es geht darum, sicherzustellen, dass unsere Zivilisation in einem Worst-Case-Szenario, etwa im Falle eines dritten Weltkriegs oder eines globalen thermonuklearen Krieges, bei dem vielleicht die gesamte Zivilisation auf der Erde zerstört würde, zumindest woanders weiterexistieren kann.“ Das klingt für mich schon ein wenig als Freifahrkarte für alle, die das Leben in unserer heutigen Welt gefährden! Wir müssen – im Gegensatz zu Musks Idee – alles, wirklich alles tun, um den Frieden zu erhalten, Natur und Umwelt zu fördern und die Erderwärmung zu stoppen!
Antikriegsfilm als Baby-Entertainment
Die schräge Sicht auf die Probleme unserer Tage wird auch überdeutlich, wenn er auf die Bevölkerungsentwicklung zu sprechen kommt. “Viele argumentieren damit, dass die Erde überbevölkert ist. Das ist total falsch.“ Dass Hunderte von Millionen unserer Mitmenschen unter Unterernährung leiden oder in unzureichenden Wohnverhältnissen vegetieren müssen, das ist Musk bisher nicht aufgefallen, obwohl er in seiner Jugend in Südafrika lebte. „Warst du mal auf dem Land oder hast von einem Flugzeug aus beobachtet, wie es unten auf der Erde aussieht? Nehmen wir an, du würdest eine Kanonenkugel fallen lassen, wie hoch wäre die Wahrscheinlichkeit, dass sie jemand trifft? Mehr oder weniger: null Prozent.“ Mit einer solch abstrusen ‚Argumentation‘ gravierende Probleme der Bevölkerungsentwicklung zu leugnen, das ist wirklich ein geistiger Tiefschlag. Elon Musk irrte nicht nur bei der Einschätzung der Coronapandemie, sondern dies gilt für die Nutzung der endlichen Ressourcen durch eine wachsende Erdbevölkerung gleichermaßen.
Und damit die US-Bevölkerung zumindest nicht gleich ausstirbt, hat Elon Musk sechs Kinder in die Welt gesetzt. Natürlich wirbt er auch bei seinen Freunden für mehr Nachwuchs. Prinzipiell keine schlechte Idee, doch kümmert er sich überhaupt um seine Nachkommen? Schon die Namensgebung seines jüngsten Sohnes lässt mich am Verstand von Mutter und Vater zweifeln. Oder würden Sie, liebe Leserinnen und Leser, ihr Kind mit dem Namen „X Æ A-12“ bedenken? Diesen hübschen Zungenbrecher haben sich die kanadische Sängerin Grimes und Elon gemeinsam ausgedacht – wie sie berichten -, ohne sich sicherlich zu überlegen, was später Spielkameraden dazu sagen. Aber zur Abhärtung durfte der sechsmonatige Sprössling schon mal ‚Apocalypse Now‘ sehen, einen Antikriegsfilm, der den Vietnamkrieg blutig in Szene setzt. Da kann man von Glück sagen, dass Musks Kinder nicht ständig unter seiner Fuchtel leben, denn er ist dabei seine Villen zu verkaufen. „Ich brauche nur ein Haus, wenn meine Kinder da sind. Also werde ich eins mieten.“ Ansonsten scheint sich Elon Musk nicht um seine Kinder zu kümmern, denn der Egozentriker „mag … es, einfach in der Fabrik oder dem Büro zu schlafen“. Da werden sich die deutschen Arbeitnehmer und Gewerkschafter ja freuen, wenn der Ober-Boss Tag und Nacht über sie wacht.
Bagger walzen die Natur nieder
An Elon Musk kann man exemplarisch erkennen, dass die Befürwortung von Elektrofahrzeugen nicht mit einem ausgeprägten Verständnis für Natur und Umwelt gleichgesetzt werden kann. Diesem Missverständnis scheinen aber manche Öko-Aktivisten anzuhängen, die Elon Musk schon als E-Auto-Messias betrachten. Im brandenburgischen Grünheide lässt Musk eine sogenannte ‚Gigafactory‘ für Tesla-Fahrzeuge aus dem Boden stampfen – ohne Rücksicht auf die Natur! Und Angela Merkel klatscht mal wieder an der falschen Stelle Beifall: „Es freut mich, dass Brandenburg mit Tesla zeigt, wie man mit unseren Gesetzen und Fördermöglichkeiten auch in kurzer Zeit Dinge durchsetzen kann“, betonte die Kanzlerin in einem Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND), zu dem ebenfalls die ‚Märkische Allgemeine‘ gehört. Die Vorgehensweise beim Genehmigungsverfahren für Tesla halte ich allerdings für skandalös – im Gegensatz zur Kanzlerin -, die vermutlich noch nie einen Planungs- und Genehmigungsprozess nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz selbst begleitet hat. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz, nach dem die Genehmigung für die Tesla-Fabrik vorgenommen werden soll, setzt bewusst hohe Ansprüche: „Zweck dieses Gesetzes ist es, Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu schützen und dem Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen vorzubeugen.“ Bei einem weitläufigen Projekt in Baden-Württemberg habe ich die Herausforderungen am eigenen Leib erfahren, die dieses Gesetz vorgibt, doch mein damaliger Arbeitgeber und ich haben alle Vorgaben Punkt für Punkt im Austausch mit der Verwaltung, und selbstverständlich mit Umwelt- und Naturschutzverbänden sowie der Bürgerschaft abgearbeitet. Und ich halte diese Vorgehensweise auch für richtig, obwohl man selbstredend über einzelne Aspekte kritisch nachdenken sollte.
Ganz anders läuft das Tesla-Projekt in der Mark Brandenburg. Ich habe den Bericht zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchgelesen und den Anhang zu artenschutzrechtlichen Fragen ebenso. Beides ist eine Farce. Man kann doch nicht nur im Dezember eine Begehung durchführen! Üblich ist es, Tiere und Pflanzen über eine Vegetationsperiode – also ein Jahr – zu erfassen. Und mal ganz ehrlich, wie sollen denn Eidechsen in der kalten Jahreszeit kartiert werden? Igel haben es sich – sofern vorhanden -, dann ebenfalls in einem Winterquartier gemütlich gemacht. Kein Wunder, dass zu vielen Pflanzen und Tieren auf dem Tesla-Gelände keine detaillierten Angaben gemacht werden konnten. „Es wurden Habitate mit hoher und mittlerer Eignung als Lebensraum für Zauneidechsen eruiert“, hieß es lapidar. Wie sollen dann vor dem Anrollen der Vollernter oder Bagger Eidechsen abgefangen und in Sicherheit gebracht werden, wenn man nicht weiß, wo sie leben?
Abstrus ist der Satz im UVP-Bericht: „Es wird vermutet, dass der Vorhabenstandort Vögeln als Brutgebiet dient.“ Dieses ist bei einer Fläche von 300 Hektar – überwiegend Waldfläche – nun wirklich eine Binsenweisheit! Und im angehängten „Artenschutzrechtlichen Fachbeitrag“ von „Arcadis – Design & Consultancy for natural and built assets“ kann man lesen: „Die zu rodende Fläche wurde 02.12.2019 bis 10.12.2019 im Bereich der zu rodenden Flächen Phase I und Phase IB und in den übrigen Bereichen größtenteils (ca. 80% der Fläche) begangen, um abzuschätzen, welche artenschutzrechtlich relevanten Arten dort in welchen Populationsgrößen siedeln.“ Das ist wirklich ein Schlag in die Magengrube jedes Naturschützers: Zugvögel sind weg, Fledermäuse im Winterquartier, Blühpflanzen kaum noch erkennbar! So bleibt mein Fazit: Die Umweltverträglichkeitsprüfung und der Artenschutzrechtliche Beitrag sind vollkommen unzureichend, und daran ändert es auch nichts, wenn während der Rodungs- und Bauphase weitere Begehungen erfolgen, denn dann sind Habitate bereits zerstört! Die Begeisterung der Bundeskanzlerin für eine solche Vorgehensweise kann ich nicht verstehen, es sei denn, sie hat den Umgang mit der Natur aus ihrer Jugendzeit in der DDR so verinnerlicht, dass sie Umweltsünden für vernachlässigbar hält, wenn Industriebauten hochgezogen werden. Geradezu lächerlich ist es, wenn Elon Musk in der ‚Welt am Sonntag‘ sagt „Und ich investiere sehr viel Zeit darin, mich durch die Genehmigungsverfahren zu kämpfen.“ Die Politik in Brandenburg und im Bund deckt ein Verfahren, das am Rande der Legalität verläuft, nach meiner Meinung die Natur opfert, denn eine umfassende „Zustandsanalyse Tiere, Pflanzen und biologische Vielfalt“ ist unterblieben, und damit ist auch klar, dass Schutz- und Ausgleichsmaßnahmen nicht zielgenau sein können.
Wenn Demokratie und Diktatur verschwimmen
Elon Musk ist – vornehm ausgedrückt – zumindest eine schillernde Persönlichkeit. Und seine politischen ‚Einsichten‘ sollten die deutsche Politik hellhörig machen, wenn sie schon seine Trump-nahen Äußerungen zur Corona-Pandemie oder sein Ärger mit der US-Börsenaufsicht nicht hellhörig macht. Aber völlig daneben sind auch andere Aussagen zu politischen Themen. „Meiner Erfahrung nach ist die chinesische Regierung für die Menschen in China sehr zugänglich.“ Da können die Uiguren sicherlich ein Lied davon singen, allerdings eher einen Trauermarsch pfeifen, denn sie landen zu hunderttausenden in Umerziehungslagern. „Wenn ich mich mit chinesischen Regierungsbeamten treffe, zeigen sich diese bezüglich des Wohlergehens der Bevölkerung jedenfalls immer sehr bemüht.“ Gilt dies nach Meinung von Elon Musk auch für friedliche Kritiker des kommunistischen Systems oder Vertreter der christlichen Untergrundkirche, die reihenweise hinter Gitter wandern? „Obwohl es in China nur eine Art Einparteiensystem gibt, ist man – und das erscheint fast ironisch – sehr um das Wohl der Menschen besorgt.“ Vielleicht sollte Musk mal Tibet besuchen: Dort zerstört das chinesische System systematisch die Kultur! Und seine politischen Ausführungen gipfeln in der Feststellung: „Möglicherweise reagiert man dort sensibler auf die öffentliche Meinung, als ich es von den USA her kenne.“ Elon Musk hat eine verschrobene und zugleich gefährliche Sicht unserer Welt, in der Demokratie und Diktatur verschwimmen! Es wird den westlichen Demokratien nichts anders übrigbleiben, als mit China Handel zu treiben und einen möglichst positiven Dialog zu schaffen, doch dürfen wir die politischen Gegensätze nicht unter den Teppich kehren – wie dies Elon Musk versucht. Elon Musks Freude am US-System ist vielleicht auch etwas erkaltet, seit ihn die Börsenaufsicht einbremste.
Seine Partner in Politik und Verbänden, in Verwaltung und Gewerkschaften sind gut beraten, wenn sie Vorsicht walten und sich nicht durch den völlig überzogenen Börsenwert von Tesla blenden lassen. Wenn Tesla heute an der Börse mehr Wert ist als Toyota, Volkswagen, Daimler und BMW zusammen, dann ist dies Börsianern geschuldet, die sich in den Bann von Elon Musk ziehen lassen. Tesla verkaufte 2019 etwas weniger als 400 000 Fahrzeuge, die anderen genannten Hersteller aber 27 Mio.! Börsenkurse orientieren sich immer an der zukünftigen Entwicklung, doch vielleicht fallen auch den Aktionären in den nächsten Jahren noch die Unterschiede auf. Und Elon Musk wird mit seinen politischen Aussagen und persönlichen Kapriolen auf Dauer selbst dafür sorgen, dass sich ernsthafte Anleger nach einem anderen Tesla-Chef umsehen. Alles andere würde mich sehr wundern.
Bei aller Kritik hoffe ich, dass die Tesla-Fabrik in Brandenburg dauerhaft Erfolg hat und viele Menschen aus der Region beschäftigt. Elon Musk ist nicht gerade als Freund der Gewerkschaften bekannt, deshalb könnte es auch sein, dass er auf preisgünstigere Mitarbeiter aus Polen setzt. Rome Aloise von der Transportgewerkschaft Teamster sagte – laut tagesschau.de – über Elon Musk: „Aus Gewerkschaftssicht hat er etwas teuflisch Geniales. Wir respektieren ihn für das, was er erreicht hat. Das Diabolische an ihm ist aber, wie er es verhindert hat, dass sich die Arbeiter hier gewerkschaftlich organisieren.” Da wünsche ich der IG Metall schon mal viel Spaß mit Elon Musk, wenn es um die Bildung eines Betriebsrats in Grünheide geht. Auch die Verwaltungen bekommen einen harten Gegner, denn in Kalifornien widersetzte er sich der Schließung seiner Fabrik im Zeichen der Corona-Pandemie, und der Sheriff musste zur Tat schreiten. Mit seiner Aussage „Die Gefahr der Panik ist immer noch viel größer als die Gefahr von Corona“ könnte Elon Musk glatt bei der AfD oder den selbsternannten ‚Querdenkern‘ andocken.
Wenn wir in Deutschland unseren Wohlstand oder – vielleicht besser gesagt – die Lebensqualität erhalten wollen, dann brauchen wir auch Industrieansiedlungen, das ist für mich keine Frage. Aber bei allen Projekten muss ein tragbarer Kompromiss zwischen den Anforderungen der Unternehmen einerseits und den Bedürfnissen von Mensch und Tier, von Natur und Umwelt, von Gesellschaft und Kultur andererseits angestrebt werden. Bei der von Tesla geplanten Fabrik kam jedoch die Umweltverträglichkeitsprüfung zu kurz. Da wurden bereits Bäume abgeholzt, obwohl es noch keine Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz gab. Elon Musk tritt für mich nicht in die Fußstapfen von Gottlieb Daimler, Carl Benz oder Robert Bosch, sondern treibt in egozentrischer und narzisstischer Weise seine Pläne voran, die von Kalifornien über Grünheide gerne mal bis zum Mars reichen. Wer in ihm einen Öko-Aktivisten im Gewand eines Unternehmers vermutet, der irrt sich gewaltig. Ob Elon Musk am Ende – nach seiner Beerdigung auf dem Mars – als Genie oder Wahnsinniger in die Geschichtsbücher eingehen wird, dies muss sich noch weisen.
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Und ein kleiner Nachschlag
Sehr geehrter Herr Dr. Ulsamer,
zurecht üben Sie Kritik an Herrn Musk. Wie sich Tesla entwickeln wird hängt davon ab, inwieweit sich die Hoffnungen der Anleger erfüllen werden und wann die Zweifel kommen werden.
Im Ergebnis wünsche ich mir, dass die Fabrik in Brandenburg gebaut werden und einen Entwicklungsbeitrag für die Region und die Elektromobilität leisten kann.
Dies ist keineswegs gesichert. Die Erwartung von Herrn Musk, “die normative Kraft des Faktischen”, werde die Justiz in ihrer Entscheidung binden, ist fahrlässig
Eine rechtskräftige Baugenehmigung liegt nicht vor. Ihre Hinweise, wie eine Umweltverträglichkeitsprüfung erfolgen müsste und wie diese tatsächlich gehandhabt worden ist, stellt aus meiner Sicht ein erhebliches Prozessrisiko dar. Es liegt sicher nicht im Wesen von Herrn Musk, zunächst abzuwarten bis eine bestandskräftige Genehmigung vorliegt. Dies würde ja bedeuten anderen die Entscheidungskompetenz für seine Pläne zuzubilligen und diese dann, nach abschließender gerichtlichen Überprüfung, zu respektieren.
Wie man es besser macht haben Sie ausgeführt. Das von Ihnen vertretene Projekt in Immendingen ist trotzdem, im Konsens mit der Verwaltung, den Umweltschutzverbänden und den Bürgern, ohne Rechtsstreit, umgesetzt worden.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Walter, Immendingen