Baden-Württemberg hinkt hinter Regierungsverlautbarungen her
Verwunderlich ist es schon, dass in Baden-Württemberg kaum neue Windkraftanlagen errichtet werden, wo doch die Regierung aus Bündnis90/Die Grünen und CDU in ihrem Koalitionsvertrag verkündeten, man wolle in der Legislaturperiode von 2021 bis 2026 „die Voraussetzungen für den Bau von bis zu 1000 neuen Windkraftanlagen schaffen“. Bald bemerkte der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann, dass sich das politische Lüftchen trotz kräftig aufgeblasener Backen nicht recht zum Antrieb weiterer Windrotoren nutzen ließ. So sollten es statt 200 nur noch 100 pro Amtsjahr werden. Doch selbst das auf die Hälfte reduzierte Ziel scheint im Moment in weite Ferne gerückt zu sein. Folgen wir den Zahlen der Bundesnetzagentur, dann wurden in Baden-Württemberg im Jahr 2022 gerade mal 13 Windkraftanlagen neu in Betrieb genommen. Und ganz nebenbei bemerkt: Vier Anlagen wurden rückgebaut. So sind im Grunde nur neun Windenergieanlagen im ganzen Bundesland hinzugekommen. Die Entwicklung der regenerativen Energiegewinnung hinkt somit in Baden-Württemberg weiter hinter den Erwartungen einer zunehmend umweltbewussten Bürgerschaft und den vollmundigen Erklärungen der Regierungsvertreter her. Kein Wunder, dass im eigenen Ländle – „The Länd“ laut Landesregierung – an selbst produziertem Strom deutlicher Mangel besteht und Transnet als Betreiber der Übertragungsnetze im Ausland Strom zukaufen muss, obwohl sich im Norden Deutschlands die modernen Windmühlen fleißig drehen: zusätzlich fehlt die Leitungskapazität!

Die Flucht in den Wald ist ein Irrweg
Zweifellos ist Baden-Württemberg nicht das windreichste Bundesland, doch das ist nicht der Hauptgrund für den schleppenden Ausbau der Windenergie. Anfänglich konnten die Grünen die Schuld für die wenigen sich im Wind drehenden Rotoren den zögerlichen CDU-Vorgänger-Regierungen zuschieben, doch nun hält Bündnis90/Die Grünen bereits seit 2011 das Zepter in der Hand, und da sollte sich eigentlich längst der Wind gedreht haben. Fehlanzeige! Noch immer dauert die Genehmigungsphase rd. sieben Jahre, und so wurden 2022 lediglich 35 Windkraftanlagen genehmigt. Keiner weiß, ob sie alle realisiert werden, aber selbst im günstigsten Fall ist die Lücke zu den im Mai 2021 lauthals verkündeten 1000 Anlagen innerhalb der Legislaturperiode von fünf Jahren riesengroß. Ob sich die Konzentration auf landeseigene Waldflächen als Schlüssel zum Palast des Windes entpuppen wird, das wage ich zu bezweifeln. Im Grunde gehören Windkraftanlagen nicht in die ohnehin geschädigten Wälder, wobei ich vor allem an die breiten Zufahrtswege und die gewaltigen Fundamente aus Beton und Stahl denke. Weniger Einfluss auf die Natur hätten die Windenergiesysteme auf Ackerflächen, wo sich ohnehin als Folge intensiver Bearbeitung und dem Einsatz von Herbiziden, Pestiziden und Fungiziden oder der Gülleflut kaum noch ein fliegendes Insekt oder ein singender Vogel finden lässt. Hier könnte sich auch ein langfristiges Geschäftsfeld für die Landwirte eröffnen, wobei ich nicht nur an die Einnahmen aus der Pacht oder Gewerbesteueranteilen denke, sondern eher an EU-Agrarsubventionen für dauerhafte Biotope rund um die Türme bzw. Masten. Statt weitgehend nutzloser saisonaler Blühstreifen könnten hier langjährige Biotope entstehen, die auch als Trittsteine bei der Wanderung von Tieren dienen könnten.

Wer Windparks vor der Küste oder in abgelegenen ländlichen Gebieten errichtet, der muss dafür Sorge tragen, dass der Strom zum Kunden in den urbanen und industriellen Ballungszentren fließt. Leistungsfähige Verbindungen zwischen Nord- und Süddeutschland lassen noch immer auf sich warten. Stromtransporte lassen sich vermeiden, wenn möglichst nah beim Verbraucher Solardächer und Windräder für den Strom sorgen. Doch hier treibt die Bürokratie üppige Blüten – wie nahezu überall in unserem Land. Auf dem Dach unserer Doppelhaushälfte wurden zügig PV-Module installiert, allerdings warten wir noch auf das Okay des Energieversorgers (EnBW), und mal sehen, wann der entsprechende Stromzähler kommt. Es fehlt nicht nur an Windkraftanlagen, sondern auch an Stromtrassen und Speichermöglichkeiten, woran die Bundesregierungen eine Mitschuld tragen: Da mag der SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Einweihung eines Flüssiggasterminals eine „Deutschland-Geschwindigkeit“ erkannt haben, doch Eigenlob stinkt in diesem Fall besonders stark. Leider setzt sich in unserem Land die Behäbigkeit von 16 Jahren Angela Merkel (CDU) fort, was im Grunde kein Wunder ist, denn 12 Jahre war die SPD mit dabei und vier Jahre die FDP.

Nicht nur reden – handeln!
In einem überbürokratisierten Land, wo sich der Bürger als Lakai des Staates mit dem Zusammentragen von Daten für die Grundsteuer beschäftigen muss, die in unterschiedlichen staatlichen Dateien längst vorhanden sind, da geht es folgerichtig auch bei regenerativen Energien mehr als zäh voran. Genehmigungshürden ließen sich schneller überwinden, wenn die Landesregierung oder Regierungspräsidien schlagkräftige Teams zusammenstellen würden, die kleinere Kommunen, teilweise nicht sehr leistungsfähige Landratsämter oder Vereine, die Bürgerwindräder bauen wollen, mit Sachwissen und Arbeitskraft unterstützen würden. Eine ‚Task Force Erneuerbare Energien‘ – wie in Baden-Württemberg – reicht nicht. Bei so manchem industriellen Projekt, das ich durch politische Kontakte vorangebracht habe, musste ich feststellen, dass teilweise die Ressourcen in der öffentlichen Verwaltung sehr begrenzt sind. Dies ist auch eine Folge falscher politischer Rahmensetzungen, die Behörden zwangsläufig aufblähen, doch schlagkräftiger werden sie dadurch nicht. Die Regulierungswut nimmt ihre Anfänge nicht in lokalen Amtsstuben, sondern im Bundestag, in Länderparlamenten und den jeweiligen Regierungen und gerade auch bei der EU. So beklagten sich die kommunalen und unternehmerischen Spitzenverbände in einem offenen Brief in deutlichen Worten beim baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann: „Die Zeit eines ungebremsten Draufsattelns bei Standards, Rechtsansprüchen und staatlichen Leistungszusagen ist vorbei. Wir brauchen einen Wandel hin zu einem modernen Zukunftsstaat mit verlässlichen und umsetzbaren Zusagen.“ Zurecht wenden sie sich gegen die Regulierungsflut, die letztendlich unser Land einzwängt, ja stranguliert, und die Bürger daran hindert, ihre wahren Kräfte zu entfalten. „Die Folge sind lähmende Behäbigkeit und ein empfundener Stillstand.“ Und dies zeigt sich auch bei der Windkraft, wobei andere Bundesländer die Sache bei gleichen Vorgaben des Bundes deutlich besser machen.

In unserem Land – und das gilt für ganz Deutschland – gibt es zu viele Regulierer und zu wenige Kümmerer, die sich der Realisierung von Projekten konsequent annehmen. Dabei denke ich an Windkraftanlagen, aber auch an die Rheinschiene, wo die Ausbaupläne der Bahn noch nicht einmal im Schneckentempo vorankommen. Der Erweiterung der Schieneninfrastruktur fehlt in Deutschland jede Dynamik, so dass wir die deutschen Zulaufstrecken für den Gotthardtunnel der Schweiz, der bereits 2016 eröffnet wurde, bis heute nicht fertigstellen konnten. Und der Netzausbau für die Durchleitung des Windstroms von der Nordsee nach Süddeutschland hat ebenfalls einen Wackelkontakt. Ich bin mir der Probleme durchaus bewusst, die sich bei der Realisierung von Verkehrswegen oder industriellen Ansiedlungen stellen, doch ergeben sich nach meinen persönlichen Erfahrungen zumeist Lösungswege, wenn man mit großer Offenheit auf die Anwohner bzw. Betroffenen zugeht und gemeinsam das Projekt vorantreibt. Bürgerbeteiligung darf kein leeres Wort sein und sich auch nicht auf wenige Bürgerinnen und Bürger beschränken, wie es die baden-württembergische Landesregierung seit einiger Zeit propagiert. Bei der geplanten milliardenteuren Sanierung des Opernhauses in Stuttgart praktizierte die Landesregierung eine „dialogische Bürgerbeteiligung“, die auf noch nicht einmal 50 zufällig im ganzen Bundesland ausgewählte Teilnehmer begrenzt wurde. So wird echte Bürgerbeteiligung ausgehebelt und letztlich kein Frieden gestiftet, kein gesellschaftlicher Konsens erzielt, sondern Unfrieden und Politikverdruss geschaffen.

Ohne den Ausbau der Windenergie in Baden-Württemberg ist die Energiewende nicht zu schaffen, es sei denn, man verlässt sich auf den Zukauf von regenerativ erzeugtem Strom. Dafür reichen jedoch die Stromnetze bei weitem nicht aus, wenn z. B. der Autoverkehr nahezu vollständig elektrifiziert werden soll. Die grün-schwarze Landesregierung muss ihre Anstrengungen vervielfachen, angesichts der selbst gestellten Ziele, die es zu erreichen gilt. Es ist nicht genug, wenn die Mitglieder der Landesregierung nur die Backen aufblasen, es muss jetzt innovativ und zukunftsorientiert gehandelt werden. Mit Johann Wolfgang von Goethe möchte ich ausrufen: „Der Worte sind genug gewechselt, Laßt mich auch endlich Taten sehn. Indes ihr Komplimente drechselt, Kann etwas Nützliches geschehn.“ Verschont uns mit Sonntagsreden – handelt jetzt!

3 Antworten auf „Windkraft: Aufgeblasene Backen, aber wenig Windenergie“