Bayern: Volksbegehren ‚Rettet die Bienen!‘
Die industrialisierte Landwirtschaft mit Einheitsfluren und der chemischen Keule, aber auch die Zersiedelung der Landschaft und zunehmende Schottergärten in den Wohngebieten bedrohen unsere Insekten. Immer häufiger werden Bienen und Schmetterlinge zur Seltenheit, und wenn das Nahrungsangebot schwindet, dann machen auch immer mehr Vogelarten ‚schlapp‘. Wenn man mal vom Deutschen Bauernverband – und seinem Ableger in Bayern – absieht, dann setzt sich immer stärker die Erkenntnis durch: Wenn wir die Artenvielfalt bei Insekten und Vögeln erhalten wollen, dann muss gehandelt werden. Handeln ist somit auch das Motto der bayerischen Initiative ‚Volksbegehren Artenvielfalt Rettet die Bienen!‘. Und ich hoffe sehr, dass es die Initiatoren und Unterstützer schaffen, 10 Prozent der in Bayern Wahlberechtigten in die Rathäuser zu lotsen: Denn nur dort können sie mit ihrer Unterschrift das Volksbegehren durchsetzen. Fast 10 Millionen Menschen müssen dafür mobilisiert werden!
Feldgehölze und Grünland sichern
Die ÖDP hat in Bayern das Volksbegehren angeregt und dafür u.a. auch den Landesbund für Vogelschutz und die Grünen bzw. den Bund Naturschutz sowie zahlreiche weitere Unterstützer gewonnen. Der Freistaat Bayern soll sich über das Bundesnaturschutzgesetz hinaus verpflichten, „zur dauerhaften Sicherung und Entwicklung der Artenvielfalt in Flora und Fauna darauf hinzuwirken, deren Lebensräume zu erhalten und zu verbessern, um einen weiteren Verlust von Biodiversität zu verhindern“, so der Gesetzentwurf, der die inhaltliche Grundlage des Volksbegehrens darstellt. Der ökologische Landbau soll bis 2025 mindestens 20 % der Fläche umfassen und bis 2030 auf 30 % ansteigen. Wie zu erwarten gehört der Bayerische Bauernverband (BBV) zu den Kritikern der Initiative. Und auch die CSU konnte sich zu keiner Unterstützung aufraffen. Sinn macht eine solche per Gesetz vorgegebene Prozentzahl für den Ökolandbau natürlich nur, wenn sich auch das Einkaufsverhalten der Verbraucher verändert. So gibt es in Bayern derzeit mehr Öko-Milch als absetzbar wäre, doch bei anderen, ökologisch erwirtschafteten landwirtschaftlichen Erzeugnissen muss aus dem Ausland zugekauft werden. Wir alle entscheiden an der Ladentheke mit darüber, ob es ökologischer zugehen soll in unserem Land.
Zu den Forderungen der Initiative ‚Rettet die Bienen‘ gehört ein Umbruchverbot für Grünland ebenso wie der Schutz von Feldgehölzen, Hecken, Lesesteinhaufen, natürlichen Totholzansammlungen, Feldrainen oder Kleingewässern. Wer die weitere Verarmung unserer Natur- und Kulturlandschaft verhindern möchte, der muss genau diese Lebensbereiche für Insekten und Vögel, aber auch für Igel oder Kröten und Frösche erhalten. Und auch der Wald soll stärker als bisher seinen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt leisten. Für Wiesen werden Vorgaben für ein Mähregime aufgeführt, das z.B. ein immer früheres Mähen verhindern soll. Zahllose Blühstreifen sind über die Jahrzehnte verschwunden, überjährige Streifen werden zur Seltenheit – auch wenn die Europäische Union mit einem kleinen Teil der Agrarmittel per ‚Greening‘ ökologische Ansätze fördert.
Sterben die Insekten aus?
Die Initiatoren des Volksbegehrens in Bayern weisen auf den katastrophalen Schwund der Insekten in Deutschland hin. Selbstredend kann sich die Wissenschaft auch irren, können Naturschützer mit ihren Analysen auch falsch liegen, und nicht jeder hysterische Alarmschrei ist berechtigt, aber wenn nahezu einhellig von sachkundigen Personen und Organisationen ein Rückgang von Insekten in Deutschland diagnostiziert wird, dann wird die Frage doch erlaubt sein, welche Zusammenhänge es mit der Landnutzung gibt. Der Entomologische Verein Krefeld, der sich seit über 100 Jahren der wissenschaftlich orientierten Insektenkunde widmet, hat in einer Langzeitstudie von 1989 bis 2016 einen Rückgang der Biomasse von Fluginsekten von über 75 % festgestellt – und dies in über 60 Naturschutzgebieten. Ganz folgerichtig ist der Schwund an Insekten auf landwirtschaftlichen Monokulturen noch dramatischer. Imker haben mir immer wieder bestätigt, dass üppig gespritzte Mais- und Rapsfelder längst zu Todeszonen für Bienen geworden sind.
Der NABU Baden-Württemberg hat über 20 Studien zusammengetragen, die allesamt den Schwund an Insekten belegen. Zu gleichen Ergebnissen kommen Langzeitbeobachtungen vom Rand der Schwäbischen Alb. Seit Jahrzehnten wird dort insbesondere der Vogelzug beobachtet, aber die Forschungsstation am Randecker Maar widmet sich auch wandernden Insekten. „Früher sind hier im Beobachtungszeitraum jeden Tag weit mehr als 1 000 Kohlweißlinge vorbeigeflogen“, unterstrich Wulf Gatter in der Stuttgarter Zeitung, und er fuhr fort: „Wenn es jetzt noch 20 sind, dann war es ein guter Tag.“ Und statt 400 Tagpfauenaugen flattert jetzt im gleichen Zeitraum nur noch ein ‚verirrtes‘ Exemplar dieser Schmetterlingsart herum – beide gehören ja kaum zu den ‚Exoten‘ unter den Faltern.
Sprühnebel: Bienen im Blindflug
„Etwa 60 Prozent aller Naturschutzgebiete sind hierzulande kleiner als 50 Hektar“, so schreibt der NABU. „Die Gebiete werden durch ihre Insellage und durch ihre langen Außengrenzen stark von ihrer Umgebung beeinflusst – äußere Einflüsse, wie der Eintrag von Pestiziden oder Nährstoffen (Eutrophierung) können nicht ausreichend abgepuffert werden. So liegt es nahe, dass durch Praktiken der intensiven Landwirtschaft der Erhaltungszustand vieler Schutzgebiete massiv beeinträchtigt wird – und nicht zuletzt der von Insekten.“ Und in Reinform bekommt man das Insektensterben dann auf vielen Agrarflächen zu spüren. So sind weder großflächige Mais- noch Rapsfelder ideale Bienenweiden, sondern eher ein Grund für ihren Absturz – und dies im wahrsten Sinne des Wortes.
Zu den zentralen Problemen, die unseren Insekten ihr Dasein verleiden, gehören der Einsatz von Insektiziden und Herbiziden als Teil der industriellen Landwirtschaft, und zusätzlich die großflächige Mahd. Mit modernen Geräten können auch 20 Hektar große Wiesen an einem Tag gemäht werden. Wenn dann noch das Gras umgehend als Winterfutter abtransportiert wird, landen viele Insekten in den mit Kunststoffbahnen verpackten Grasballen. Diejenigen, die sich zuerst noch hatten retten können, droht ein ungutes Schicksal: Sie finden keinen Unterschlupf und werden z.B. von Krähen verspeist. Gehen Sie doch mal über eine solche großflächig gemähte Wiese, Sie werden sich wundern wie wenige Grashüpfer dort wirklich noch unterwegs sind. Auch vor der Mahd erschrecke ich immer wieder über die geringe Vielfalt an Insektenarten auf solchen Wiesen.
Blühstreifen wurden zur Seltenheit
Über Jahrzehnte wurde das Grünland zugunsten von Ackerflächen vermindert, und damit verschwanden ebenso viele Magerwiesen, die noch eine gewisse Vielfalt an Blühpflanzen auszeichnete. Brachflächen sind – nicht zuletzt durch den erhöhten Flächendruck – gleichfalls verschwunden, Blühstreifen an Ackerflächen sind inzwischen ebenfalls Mangelware. Aber auch Stickstoffeintrag oder Überweidung tragen zum Rückgang der Insekten bei. Nicht vergessen dürfen wir bei nachtaktiven Insektenarten die Lichtverschmutzung in unseren städtischen Bereichen, die sie nicht selten das Leben kostet.
Seit vielen Jahren fahren wir immer wieder mal durch Frankreich, Großbritannien und Irland, oder in den Süden Europas, und überall tritt das gleiche Phänomen auf: Auch nach vielen Kilometern ist die Windschutzscheibe noch sauber, denn Insekten finden ihr trauriges Ende kaum mehr am Fahrzeug. Somit ist leicht erkennbar, dass der Insektenschwund auch in den anderen Regionen voranschreitet, die durch die EU-Agrarpolitik ‚gesegnet‘ sind.
Ohne Insekten darben auch die Vögel
Natürlich gehen nicht nur die Insekten zurück, sondern Vögel finden ebenso immer weniger Nahrung. Lassen wir nochmals den NABU zu Wort kommen: „Wir beobachten seit Jahren in Deutschland und Europa stark zurückgehende Vogelbestände vor allem im Agrarbereich. In Deutschland ist, wie eine aktuelle Untersuchung des NABU zeigt, in den letzten zwölf Jahren die Anzahl der Brutvogelpaare um 15 Prozent zurückgegangen. Mit Sicherheit sind diese Einbußen auf den Rückgang der Insektenfauna zurückzuführen; fast alle betroffenen Arten füttern zumindest ihre Jungen mit Insekten. Dieser erneute ‚stumme Frühling‘ ist in vielen Regionen unseres Landes traurige Wirklichkeit geworden.“ Das gleiche Problem gilt auch für die nachtaktiv Insekten jagenden Fledermäuse: Ihr Schutz bringt wenig bis gar nichts, wenn sie aus dem Winterquartier herausfliegen und mangels Nahrung verhungern.
Weitere Tiere – wie z.B. Feldhasen oder Igel – finden ebenfalls immer weniger Lebensräume in einer ausgeräumten Landschaft, in der viele Hecken nicht nur großflächigen, einheitlichen Feldern, sondern z.B. auch dem Weinbau zum Opfer gefallen sind. Es grenzt dann ans Lächerliche, wenn das Fehlen von Rebhühnern und Feldhasen den Füchsen zugeschoben und zur großen ‚Fuchs-Jagd‘ geblasen wird.
Das verschlissene grüne Mäntelchen der EU-Agrarpolitik
Auch wenn Vertreter des Deutschen Bauernverbands weder durch das Insektensterben noch den Schwund im Vogelreich zu beeindrucken sind, immer mehr Menschen geht dieser Verlust an Artenvielfalt nahe. Dennoch scheint die Neugestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik in der Europäischen Union – zumindest aus Sicht der Natur – zum Flopp zu werden: Statt mehr ‚Grün‘ in den Subventionsrichtlinien droht das Gegenteil! Bezeichnend war es, dass Jean-Claude Juncker als EU-Kommissionspräsident in seiner Rede zur Lage der Europäischen Union (EU) nicht auf die Neugestaltung der Agrarrichtlinien einging. Die Lobbyisten der Agrarindustrie werden alles daransetzen, dass die Geldflüsse in die industrielle Landwirtschaft nicht versiegen.
Wenn unsere Gärten und Parks nicht zur Arche Noah für Insekten und Vögel, vielleicht auch für Igel, Eichhörnchen oder Feldhasen werden sollen, dann brauchen wir eine Neuausrichtung der industriellen Landwirtschaft: Die von der EU per Gießkanne verteilten rd. 50 Mrd. EURO jährlich an Agrarsubventionen plus weitere Förderung der Staaten und Regionen müssen neu fokussiert werden, wenn wir Insekten und Vögeln eine wirklich signifikant verbesserte Lebensgrundlage erhalten wollen. Das ist nicht nur ein Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt bei Pflanzen und Tieren, sondern trägt auch zu einer gesunden Umwelt für uns Menschen bei. Die beständige Intensivierung der Landwirtschaft muss gestoppt und umgekehrt werden, denn sie benötigt als Grundlage eine Flut von Insektiziden und Pestiziden. Und das Nitrat verunreinigt unser Trinkwasser!
Folgen wir den Angaben des Europäischen Rechnungshofes, dann wird deutlich, wie dünn das grüne Mäntelchen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU ist: „Rund 72 % der GAP-Haushaltsmittel werden für Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe aufgewendet, dienen also der Einkommensstützung.“ Und auch die bisherige Neuausrichtung für das Jahr 2020 sieht der Rechnungshof kritisch: „Die Prüfer stellen fest, dass sich viele der vorgeschlagenen politischen Optionen nur unwesentlich von der derzeitigen GAP-Regelung unterscheiden. Insbesondere würde es sich beim größten Teil des Haushalts nach wie vor um Direktzahlungen an Landwirte auf der Grundlage einer bestimmten Anzahl eigener oder genutzter Hektarflächen handeln. Mit diesem Instrument können jedoch zahlreiche Umweltbelange nicht berücksichtigt werden, und es stellt auch nicht die wirtschaftlichste Art und Weise dar, um ein angemessenes Einkommen zu unterstützen.“ Solche Aussagen lassen für die nächste Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik leider wieder nichts Gutes erwarten.
Schottergärten und Glyphosat-Wüsten zerstören die Artenvielfalt
Insekten machen sich in der kalten Jahreszeit natürlich rar, und viele gefiederte Freunde sind in südlichere Gefilde entfleucht. Die Vögel, die in Deutschland bleiben, können über den Winter hoffen, dass wir Menschen sie bei der Futtersuche mit allerlei Nahrhaftem unterstützen. Doch auch im nächsten Frühjahr und Sommer steht zu befürchten, dass Insekten und Vögel in unserer industrialisierten Landschaft darben und ihre Zahl immer kleiner wird.
Wir brauchen eine Neuorientierung im landwirtschaftlichen Bereich, damit Blühstreifen vermehrt werden und überjährige Pflanzensäume den Insekten und Vögeln Unterschlupf und Nahrung bieten. Gerade auch in unseren Städten ist es an der Zeit, dass nicht die letzte Baulücke mit einem Betonklotz geschlossen wird – und dies können wir uns besonders wegen des Klimawandels nicht mehr leisten. Und wer aus seinem Vorgarten einen Steinbruch macht, der versündigt sich an der Natur: Schotter pur trägt zum weiteren Artensterben bei.
Naturschutz statt Glyphosat-Nebel
Es ist längst überfällig, den Glyphosat-Nebel zu beenden und die Nitratverseuchung von Wiesen, Äckern und Grundwasser einzudämmen. Wir müssen das leise Verschwinden von Wildbienen und Schmetterlingen jetzt stoppen. Und wer auf den Gesang unserer gefiederten Freunde nicht verzichten möchte, der muss jetzt der Zerstörung unserer Landschaft durch Zersiedelung und industrielle Landwirtschaft Einhalt gebieten.
Ich hoffe sehr, dass das ‚Volksbegehren Artenvielfalt – Rettet die Bienen!‘ die benötigten Unterschriften zusammenbekommt! Dann muss sich der bayerische Landtag mit dem Anliegen der Initiative befassen, und sollte dieser nicht angemessen reagieren, dann könnte per Volksentscheid der Naturschutz eine höhere Priorität in der Verfassung erhalten.
Wünsche mir sehr, dass endlich mal was passiert und eine Neuordnung in der Landwirtschaft von der Politik gefördert wird und nicht immer nur die Fristen verlängert werden. Die Subventionen für landwirtschaftliche Grossbetriebe müssen mehr an die Nachhaltigkeit gekoppelt sein.
Daher: Aufklärung JETZT und ÜBERALL:
Artikel: Die Ausstellung Irrweg Pestizide: Viel mehr als die Bienen retten, Autorin: Claudia Blauert
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