Wer baut eine Kulturscheune für 450 Millionen Euro?

Explodierende Kosten beim Museum des 20. Jahrhunderts in Berlin

Kultur kostet, das ist jedem klar. Und dies trifft gerade auch auf die sogenannte Hochkultur zu. Kulturnationen neigen dazu, besonders eifrig Kulturgüter zu sammeln, und ein solcher Hort an Gemälden, Zeichnungen oder Installationen drängt dann nach Präsentation. So ist das auch bei der Nationalgalerie in Berlin, die über eine interessante Sammlung zur Kunst des 20. Jahrhunderts verfügt. Kaum verwunderlich, dass die kulturbeflissenen Sammler ihre Schätze uns allen zeigen wollen. Dies ist prinzipiell richtig und keinesfalls verwerflich. Was mich irritiert ist jedoch die Bereitschaft der politischen Entscheidungsträger, nahezu jeden Preis für die notwendigen Baulichkeiten zu akzeptieren. Bei Kitas oder Spielplätzen, aber auch bei kleineren Kunstprojekten wird gerne mal jeder Euro dreimal umgedreht, doch bei Prestigevorhaben dürfen es gerne mal einige hundert Millionen mehr sein.

Visualisierung des Entwurfs. Das Gebäude ähnelt von der Konstruktion einer Scheune. GRoße Glasflächen sind integriert.
Kulturscheune oder Hangar, so bezeichnen viele Berliner das geplante Museum des 20. Jahrhunderts. Und dieser Bau soll nach neuesten Berechnungen 450 Millionen Euro kosten? Die Architekten Herzog & de Meuron entwarfen im Übrigen auch die Elbphilharmonie in Hamburg: dort steigerten sich die Kosten letztendlich auf das 11fache der ursprünglichen Summe. (Bild: Herzog & de Meuron, bundesregierung.de)

„Kulturnation“ durch Geldausgeben?

Natürlich bin ich mir bewusst, dass man über Architektur ebenso trefflich streiten kann wie über die einzelnen Kunstwerke, die später gezeigt werden. Wenn ich mir aber den Entwurf von Herzog & de Meuron für das geplante Museum des 20. Jahrhunderts in Berlin anschaue, dann verstehe ich schon, dass die Berliner ihn als Hangar oder Kunstscheune bezeichnen. Zugeben muss ich, dass ich mein Arbeitsleben überwiegend in der Industrie verbracht habe, wo der Kostenrahmen bei Bauvorhaben deutlich stringenter eingehalten wird. Aber wie der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags den Kostenanstieg von einstmals 200 Millionen EURO auf nun 450 Millionen durchwinken konnte, das ist mir ein Rätsel. Wie wollen die Abgeordneten es einer Rentnerin mit kleinem Einkommen erklären, dass sie in den Tafelladen gehen muss und ein Geschenk für die Enkel kaum noch drin ist, wenn gleichzeitig ein Museum – nach jetziger Berechnung – bei den doppelten Kosten landen wird.

Vielleicht liegt die Spendierfreude mancher Abgeordneten daran, dass der Bundestag auch selbst personell aus allen Nähten platzt: Statt der vorgesehenen 598 Volksvertreter drängeln sich dank Überhang- und Ausgleichsmandaten 709 Abgeordnete in unserem XXL-Parlament. Doch zurück zum Museum des 20. Jahrhunderts. “Mit dieser Entscheidung haben die Abgeordneten den Anspruch Deutschlands als große Kulturnation untermauert”, erklärte Kulturstaatsministerin Monika Grütters nach der Sitzung des Haushaltsausschusses. Etwas ketzerisch möchte ich anmerken: Hoffentlich erschöpft sich unsere „Kulturnation“ nicht im Geldausgeben für die Hochkultur, die einen überschaubaren Anteil der Bürgerschaft letztendlich anspricht. Mir ist auch die Aussage von Jacques Herzog, einem der Chefs des Baseler Architekturbüros, in der ‚Welt am Sonntag‘ zu einfach: „450 Millionen Euro sind im internationalen Vergleich realistisch und fair. Wenn man das nicht ausgeben will, kann man das Museum nicht bauen.“ Selbstredend könnte man auch Museen bauen, bei denen zuerst wirklich der Kostenrahmen fixiert wird, und dann müssen die Entwürfe für Architektur und inhaltliche Präsentation entsprechend gewählt werden.

Das Opernhaus in Stuttgart, davor ein See mit einer Fontäne. Es regnet.
Das Opernhaus in Stuttgart ist in die Jahre gekommen, und es wurde – wie es scheint – viel zu lange an der Instandhaltung gespart. Jetzt sollen die Sanierung und Erweiterung eine Milliarde Euro kosten. Hochkultur hat ihren Preis, aber wir dürfen auch andere kulturelle und soziale Aufgaben nicht vernachlässigen. (Bild: Ulsamer)

Mehr Kostenbewusstsein zwingend

Wenn ich die Namen der federführenden Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron höre, dann fällt mir ein, dass die gleichen Planer auch die Elbphilharmonie entworfen haben. Und diese entwickelte sich bekanntlich zu einem Millionengrab. Ursprünglich wurden in Hamburg 77 Millionen eingeplant, doch am Ende stiegen die Kosten auf 866 Millionen Euro. Hoffentlich ist das kein schlechtes Omen für Berlin und das Museum des 20. Jahrhunderts. Aber die öffentliche Hand tut sich ja ohnehin schwer mit der Pünktlichkeit und den Kosten bei Bauvorhaben. Leider gilt das nicht nur für kulturelle Vorhaben: Am BER – dem Flughafen Berlin Brandenburg – wird seit 2006 gewerkelt. Dort scheint bisher nur die Benennung nach Willy Brandt geklappt zu haben.

Gewissermaßen vor meiner Haustüre hat sich jetzt der Vorhang für ein weiteres kulturpolitisches Spektakel gehoben: Sanierung und Erweiterung des Opernhauses der Staatstheater Stuttgart sollen         rd. eine Milliarde Euro verschlingen! Die baden-württembergische Landesregierung von Grünen und CDU unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann und die Stadt Stuttgart mit dem grünen Oberbürgermeister Fritz Kuhn äußerten sich schon mal wohlwollend, doch es grummelt gehörig in der Bürgerschaft. Mal sehen, wie dieses Schauspiel schließlich endet. Eines ist allerdings klar: Kleinere oder größere Reparaturen, sowie kontinuierliche Sanierung und – wo notwendig – Erweiterungen hätten erst gar nicht einen solchen Investitionsstau entstehen lassen.

In einem Land, in dem die Armut unter Kindern und Senioren zunimmt, in dem Tafelläden ‚boomen‘, viele Kinder ohne Frühstück in Kindergarten und Schule kommen, da würde ich mir wünschen, dass architektonische Prestigevorhaben mit einem erträglichen Preislimit versehen werden. Und bei aller Freude an Hochkultur, es darf weder der Budgetposten für Soziales noch für die Alltags- oder Subkultur geschmälert werden. Etwas mehr wirtschaftliches Denken könnte bei staatlichen Kulturprojekten wirklich nicht schaden. Nicht jede Kulturscheune muss eine halbe Milliarde Euro kosten!

 

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