Wenn es Nacht wird im Gärtchen

Ein kleines Stück Natur für tierische Gäste

Mit gerade mal 30 Quadratmetern wäre unser kleiner Garten im städtischen Umfeld kaum erwähnenswert, wenn da nicht so viele tierische Gäste rund um die Uhr vorbeischauen würden. Tagsüber finden sich Grün- und Buchfinken, Blau- und Kohlmeisen, Amseln, Spatzen, Wald- und Türkentauben, sowie Eichelhäher, Elstern und Eichhörnchen ein. Mauerbienen haben ein sonniges Plätzchen gefunden. Sehr verwundert waren wir, als sich dank einer Wildkamera auch ein Blick in das Nachtleben öffnete: Bis zu drei Igel gleichzeitig tummeln sich im Garten, Steinmarder, Dachs und Fuchs statten uns Besuche ab. So wurde uns noch bewusster, dass es auf jedes Fleckchen Natur ankommt, denn die nächtlichen Besucher scheinen das angebotene Futter für die stachligen Gäste und insbesondere das Wasser zu lieben.

Ein schlanker Marder trinkt aus einer mit Wasser gefüllten Tonschale.
Dieser Steinmarder eilt in manchen Nächten gleich mehrfach zur Wasserstelle. Längst sind viele Tümpel, Weiher oder Bäche nicht nur im städtischen Bereich verschwunden. (Bild: Ulsamer)

Tiere brauchen mehr Wasserstellen

Viele Tiere, die heute in Gärten und Parks oder auf Friedhöfen leben, haben der ausgeräumten und monotonen Agrarlandschaft und dem Einheitsforst den Rücken gekehrt, und im ‚befriedeten‘ Gebiet der Stadtlandschaften droht ihnen auch kein Abschuss. Trotz einiger Schottergärten und dem noch zu häufigen Kurzhaarschnitt für den Rasen sind urbane Grünflächen zu einem Rückzugsort für Wildtiere geworden: Und wer einen Feldhasen sehen möchte, der findet ihn nicht selten schneller in einem städtischen Park, als auf einem Mais- oder Rapsacker bzw. auf sieben Mal im Jahr gemähtem Dauergrünland, das mit einer artenreichen Wiese nichts mehr zu tun hat.

Drei Igel, zwei davon unter einem kleinen Dach am Futter- bzw. Wasserschälchen. Der dritte kommt gerade angelaufen.
Nacht der offenen Tür: Drei Igel im kleinen Garten. Unser Gartentor ist immer offen und zu Nachbars Garten konnten wir nach Absprache ein Loch in den Zaun schneiden. (Bild: Ulsamer)

Igel seien im Grunde Einzelgänger, so sagen manche Fachleute, die sich nur in der Paarungszeit zusammenfinden, doch in unserem Minigärtchen treffen häufig zwei oder drei Igel aufeinander, ohne ersichtliches Konkurrenzverhalten, und dies gerade auch auf der Suche nach einer Wasserstelle. Tümpel und Weiher oder gar Bäche sind aus der Agrar- und Forstlandschaft weitgehend verschwunden, und im städtischen Bereich sind Fließgewässer verdolt und künstlerisch gestaltete Brunnen für Eichhörnchen, Vögel, Marder, Fuchs oder Dachs meist nicht erreichbar. Und wenn ich mich in unserem Stadtteil umsehe, dann gibt es in zu wenigen Gärten auch nur eine winzige Vogeltränke. Der Zugang zu Wasser wird jedoch im Zeichen der Erderwärmung und damit verbundener Dürreperioden nicht nur für uns Menschen zu einem immer drängenderen Problem, sondern gerade auch für die Wildtiere. So sind unsere Vogeltränke und zwei kleine Schalen mit Wasser zu einem Anziehungspunkt für Vögel und Eichhörnchen am Tag, für Igel und Marder bei Nacht geworden.

Ein Fuchs hält inne. Er steht in einem Garten. Im Vordergrund ein kleines Dach, darunter Futter für die Igel.
Ob der Fuchs Ausschau nach den Mäusen gehalten hat? (Bild: Ulsamer)

Durchlässigkeit erhöhen

Versteckmöglichkeiten lassen sich in einem kleinen städtischen Gärtchen nur beschränkt schaffen, und so helfen zwei Igelhäuser bei der Quartiersuche. Zumindest in einem überwinterte bereits ein Igel, ein stachliger Kollege zog ein Erdloch unter einer Kiefer vor, in das er eifrig Blätter als Kälteschutz eintrug. Und hin und wieder zieht sich jetzt im Sommer auch ein Igel als Tagesgast in eines der Häuschen mit Heu und Stroh zurück. Die Haselnuss-Schlehen-Weißdornhecke, eine buschige Kiefer und zwei mit Efeu bewachsene Eschen helfen eher den Vögeln am Tage als Versteck und Nahrungsquelle. Marder und Fuchs – und natürlich Katzen – zieht es immer wieder in eine Ecke, in der Mäuse einen Unterschlupf gefunden haben und das Vogelfutter in ihre Gänge eintragen. Als Tierfreund leide ich dann mit den vierbeinigen Jägern ebenso wie mit den grau-braunen Futtersammlerinnen.

Eine braune Weinbergschnecke und eine grau-braune Maus sitzen auf Resten von Vogelfutter, z. B. Haferflocken.
Maus und Weinbergschnecke lassen sich bei Nacht Reste vom Vogelfutter schmecken. (Bild: Ulsamer)

Ein kleiner Totholzhaufen bietet Schutz für kleine Tiere. Was häufig fehlt ist die Durchlässigkeit zwischen den Gärten, und so bin ich froh, dass wir nach einem Gespräch mit unserem Nachbarn den Maschendrahtzaun so weit öffnen konnten, dass zumindest Igel hindurch schlüpfen können. Im urbanen Bereich gibt es noch zahlreiche Chancen, um den Lebensraum für Wildtiere zu verbessern, und dazu zählt auch das Ende von sterilen Schottergärten, ein Verbot von Mährobotern, die immer wieder Igel schwer verletzten und Amphibien häckseln, der absolute Verzicht auf den Unkrautvernichter Roundup, das giftige Blaukorn als Dünger und Schneckenkorn zur Bekämpfung der schleimigen Gäste: Hornspäne und Kaffeesatz tun’s auch!

Ein Dachs läuft langsam durch einen nächtlichen Garten.
Ein seltener Besucher in unserem kleinen Garten: der Dachs. (Bild: Ulsamer)

Zuflucht in der Stadt

Wenn sich heute Füchse, Dachse, Waschbären, Marder oder Igel und Feldhasen in den Städten heimisch fühlen, dann ist dies ein deutliches Zeichen dafür, dass es auf landwirtschaftlich genutzten Äckern und Wiesen oder im Forst noch weniger Lebenschancen für Wildtiere gibt als im urbanen Bereich. Wo sollen sich Wildtiere denn in einer ausgeräumten Landschaft oder in forstlichen Monokulturen ein Versteck suchen und genügend Nahrung finden? Da bleiben im Grunde nur die Landflucht und die Anpassung an menschliche Stadtbewohner, und zumindest knallt dort nicht gleich die Flinte.

Ein Steinmarder steht auf den Hinterbeinen und macht gewissermaßen 'Männchen'.
So hat auch ein Steinmarder einen besseren Überblick: Zumindest zwei Marder statten unserem Minigärtchen ihren Besuch ab. Sie sind gut an der Schwanzform zu unterscheiden, denn einer ist viel buschiger als der andere. (Bild: Ulsamer)

Fuchs und Dachs, Marder und Igel kommen ja nicht des nachts in unser kleines Gärtchen, weil sie uns Menschen nahe sein wollen, sondern sie wählen das kleinere Übel, inzwischen ist das die Stadt. Ist dies nicht eine Perversion? Aber Wasser, Nahrung und ‚Unterkunft‘ bieten eher städtische Gärten und Parkanlagen oder Friedhöfe mit altem Baumbestand. Und so bekommen auch wir mit unserem Minigärtchen, das wir sich so naturnah wie möglich entwickeln lassen, nächtliche Besucher, die relativ ungestört Wasser und Futter finden.

Zwei Igel nahe beieinander. Einer trinkt aus einer Tonschale Wasser.
Manche Igel trinken lieber aus dem Blumenuntersetzer als aus der Vogeltränke. Ich würde mir wünschen, dass mehr Nachbarn Wasser für Wildtiere anbieten. Mit der zunehmenden Erderwärmung und verlängerten Dürreperioden wird der Zugang zu Wasser für die Wildtiere noch wichtiger. (Bild: Ulsamer)

Wir Stadtbewohner müssen unseren Teil dazu beitragen, dass die Natur in unseren Gemeinden eine Überlebenschance hat. Jeder Quadratmeter zählt, der nicht mit Schotter bedeckt und ohne Gift ist. Mähroboter haben in Gärten nichts zu suchen, und in Parkanlagen muss Schluss sein mit häufigem Mähen! Wir brauchen für Mensch und Tier mehr Grün in unseren Städten. Städtische Wohnviertel sind zur Zuflucht für viele Wildtiere geworden: Helfen wir den wilden Gästen beim Überleben! Bei Tag und Nacht!

 

Ein Marder geht durch einen Garten. Er ist in voller Länge zu sehen.
Der Steinmarder bevorzugt offenes Gelände mit Büschen und Bäumen. Als Kulturfolger lebt er nun auch in der Nähe der Menschen. In der Stadt wird auch nicht auf ihn geschossen. (Bild: Ulsamer)

 

Ein Marder schaut nach einem Igel.
Wessen Augen leuchten denn da? Friedliche Koexistenz zwischen Marder und Igel – oder negieren sie sich ganz einfach? (Bild: Ulsamer)

 

Zwei Igel hintereinander. Der vordere frisst aus einer Tonschale.
Igel sind nach Meinung von Experten Einzelgänger, die ihr Revier allein beanspruchen, doch in unserem kleinen Garten treffen immer wieder zwei oder drei friedlich aufeinander. Selbst ‚Anstehen‘ am Futternapf klappt scheinbar! (Bild: Ulsamer)

 

Grau-brauner Igel transportiert Blätter im Maul.
Unser Garten ist so klein, dass wir es kaum glauben wollten, als zum ersten Mal ein Igel nachmittags begann, Blätter zu sammeln und sich unter einer Kiefer in einer kleinen Höhlung sein Winterquartier einzurichten. (Bild: Ulsamer)

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