Wasserknappheit wird zur Bedrohung in Deutschland
In den letzten Jahrzehnten schienen Dürre und Wassermangel eher Stichworte, die in afrikanischen Staaten diskutiert wurden, doch mehr und mehr hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass wir beim Süßwasser auch in Mitteleuropa aus der Überflussgesellschaft in eine Mangelwirtschaft abgleiten. Ganze Regionen drohen auszutrocknen, Quellen versiegen, Fernwasserversorger nehmen keine neuen Kommunen auf, und Waldbrände nehmen an Zahl und Intensität zu. Wer beim Klimawandel nur an die Erderwärmung denkt, der vergisst, wie bedrohlich Wasserknappheit und Artenschwund sind. Verschärfte Konflikte zeichnen sich nicht nur zwischen Staaten um den Zugang zu Wasser ab, sondern in gleicher Weise zwischen den Nutzern innerhalb der Länder: Private Haushalte und Landwirtschaft sowie Gewerbe- und Industrie greifen auf die lebensnotwendige Ressource Wasser zurück. Am Rückgang des verfügbaren Süßwassers ändern in Deutschland einige verregnete Monate nichts, dies belegen erschreckende Analysen des Global Institute for Water Security an der Universität der kanadischen Provinz Saskatchewan ebenso wie des GeoForschungsZentrums (GFZ) in Potsdam. Mögen auch die konkreten Verlustzahlen auseinandergehen, der Weg scheint unweigerlich zur Wasserknappheit zu führen. Es wird nicht reichen, wie die Bundesregierung eine Wasserstrategie zu präsentieren, sondern es muss schnell und konsequent gehandelt werden, wenn in Zukunft sicheres Wasser für alle bereitstehen soll.
Strategien genügen nicht
Das verfügbare Wasser wird in Deutschland weniger, ausgerechnet in einer Zeit, die erkennbar mehr Hitzetage bringt und längere Dürreperioden. Damit steigt trotz bisheriger Einsparungen der Bedarf an Süßwasser gerade auch in der auf Bewässerung angewiesenen Landwirtschaft. In manchen Bundesländern kann Oberflächen- und Grundwasser noch kostenlos für die Bewässerung von Feldern genutzt werden. Aber in den Ställen leben durstige Bewohnerinnen: Eine Milchkuh benötigt pro Tag zwischen 50 und 200 Liter Wasser! Nicht übersehen dürfen wir bei der bisherigen Entwicklung, dass die Industrie durch entsprechende Kreislaufverfahren Brauchwasser eingespart hat, und dies gilt ebenso für Privathaushalte und das Kleingewerbe, die 1991 nach Angaben des Umweltbundesamts 144 Liter pro Kopf und Tag verbrauchten, 2022 waren es 125 Liter. Diese Verbrauchsreduzierung darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich hierbei lediglich um Wasser für Körperpflege, Kochen und Trinken oder Wäschewaschen und Putzen handelt. Große Teile des Wasserverbrauchs haben wirtschaftlich stärker entwickelte Gesellschaften in andere Staaten verlagert, in denen ihre Kleidung hergestellt oder Obst und Gemüse angebaut werden. Beziehen wir solche Erzeugnisse mit ein, dann entfallen auf jeden Bundesbürger pro Tag rd. 7200 Liter Wasser. Nicht selten werden gerade Gurken oder Himbeeren in Spanien erzeugt, wo das Wasser bereits heute knapp ist. Diese Tatsache macht eine gesamteuropäische Vorgehensweise sinnvoll, die aber nur Erfolg haben wird, wenn die Verbotsbürokraten in Brüssel nicht zum Zuge kommen, sondern Fachleute. Wer noch nicht einmal einen tragfähigen Kompromiss für die Abschaffung der Zeitumstellung finden kann, der wird auch keine Wasserstrategie erarbeiten und umsetzen können.
Apropos Wasserstrategie. Eine solche hat die Bundesregierung vorgestellt, was ich ausdrücklich begrüße, doch befürchte ich, dass zu zaghaft vorgegangen wird. Strategien sind wichtig, z. B. die vor kurzem entwickelte Moorstrategie, allerdings sind die konkreten Schritte das eigentliche Problem, denn da verliert so mancher Zauderer oder Weggucker leicht die Orientierung. Dies zeigte sich z. B. bei der Ansiedlung von Tesla im brandenburgischen Grünheide, die von SPD- Ministerpräsident Dietmar Woidke und der damaligen CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel durchgedrückt wurde, obwohl die neue wasserintensive Fabrik in einer schon heute von Dürren geplagten Landschaft liegt. Zwar wird es im Zuge des Klimawandels in Deutschland im Jahresschnitt nicht unbedingt weniger Niederschlag geben, doch sintflutartiger Regen wird auf Dürren folgen, und dies trägt kaum zum Auffüllen des Grundwasserkörpers bei, sondern zu Überschwemmungen. Auch auf solche Katastrophen sind wir zu wenig vorbereitet, wie man im Ahrtal auf traurige Weise erleben musste. Zu lange wurden nicht nur die Flussauen zugebaut, sondern die Versiegelung in unseren Städten und falsche Anbaumethoden im Agrarbereich, die das Abschwemmen des Bodens erleichtern, lassen auf zunehmend häufigere Starkregenereignisse apokalyptische Szenen folgen und so manche Flutkatastrophe hat bisher wenig mit dem Klimawandel zu tun, sie ist das Resultat falschen menschlichen Handelns vor Ort. Mehr zu diesem Aspekt finden sie in meinem Blog-Beitrag ‘Naturkatastrophen’ aus Menschenhand. Die Natur braucht mehr Raum.
Erhalt und Renaturierung von Feuchtgebieten
Das sogenannte Wasserdargebot, die Menge des Oberflächen- und Grundwassers, das in einem bestimmten Gebiet genutzt werden kann, ist in Deutschland im Verhältnis zu Regionen, die seit Jahrzehnten von Dürren geplagt werden, natürlich noch hoch, doch wissenschaftliche Untersuchungen belegen klar einen Wandel zum Negativen. Wie bereits eingangs erwähnt, liegen die Wasserverluste in Deutschland bei einzelnen Studien auseinander, der Trend aber ist klar: einem in heißeren Zeiten und wegen der Bevölkerungszunahme durch Zuzug steigenden Bedarf steht ein sinkendes Potential an nachhaltig nutzbarem Süßwasser gegenüber! Der Direktor des vorstehend erwähnten Global Institute for Water Security geht nach der Auswertung von Satellitendaten davon aus, dass Deutschland rapide an Wasser verliert. „Deutschland hat in 20 Jahren Wasser im Umfang des Bodensees verloren.“ Jay Famiglietti betont: „Damit gehört es zu den Regionen mit dem höchsten Wasserverlust weltweit.“ Zugrunde liegt die Annahme, die sich auf Satellitendaten stützt, dass Deutschland jährlich 2,5 Mrd. m³ Wasser verliert. Studien des GeoForschungsZentrums (GFZ) kommen nach anderen Berechnungen auf ein jährliches Minus von 760 Mio. m³ an Wasserressourcen. Wer nun recht hat, das kann ich nicht beurteilen, doch der erschreckende Rückgang an potenziell nutzbarem Wasser ist allemal erkennbar! In zunehmenden Dürreperioden wird mehr Wasser verdunsten, welches den Menschen, Tieren und Pflanzen gleichermaßen fehlt, und das auch das Grundwasser nicht stärkt. Heftige Regengüsse bringen keine Erholung, denn es wird weder durch den ausgetrockneten und damit harten Boden den Pflanzen zufließen noch das Grundwasser anheben. Das Abschmelzen der letzten Alpengletscher und der fehlende Schnee im Winter werden in den Sommermonaten zu einem geringeren Abfluss in die im Alpenvorland liegenden Bäche, Flüsse und Seen führen.
Technische und natürliche Speichermöglichkeiten fehlen, um im großen Maßstab zusätzliches Wasser zu binden. Es ist kaum damit zu rechnen, dass in unserer Gesellschaft im nennenswerten Maßstab Staudämme gebaut werden können, wo doch bereits ein Windrad oder eine Mobilfunkantenne zu Aufruhr führen kann. Zu denken gibt auch, wie sang- und klanglos die Idee eines Speichersees im Hotzenwald von der politischen Tagesordnung verschwand, der allerdings zur Absicherung der Stromversorgung für ein Pumpspeicherwerk gedacht war. Selbst beim Bau von Hochwasserrückhaltebecken hat sich die Einsicht noch nicht durchgesetzt, diese so groß zu bauen, dass immer etwas Wasser dort verbleiben kann: Das würde vor allem der Tierwelt nutzen. Um ‚Wasserstress‘ zu vermeiden, der vorliegt, wenn mehr als 20 % des verfügbaren Wassers durch Menschen genutzt werden, müssen wir unser Verhalten gegenüber der Natur verändern. Ja, in vielen Fällen ist eine Kehrtwende von Nöten. In den zurückliegenden Jahren wurden Feuchtgebiete in großem Maßstab trockengelegt, Moore abgebaut, Tümpel und Weiher aufgefüllt, Bäche und Flüsse begradigt, nicht selten in ein Betonkorsett gezwängt. Wasser wurde nicht als wichtige Ressource geschont oder gar geschätzt, sondern alles dafür getan, es so schnell wie möglich aus Feld und Flur, aus Forst und Kommunen in dicken Rohren herauszuleiten. Zu lange haben sich die politisch Verantwortlichen darauf verlassen, dass schon rechtzeitig neuer Regen fällt oder die Bewässerungsanlagen Felder und Gärten feuchthalten.
Regenwasser muss wieder eine Chance bekommen, in der Landschaft zu versickern und so das Grundwasser aufzufüllen. Dies heißt auch, dass – wo immer möglich – versiegelte Flächen renaturiert werden müssen. In der Landwirtschaft gilt es, durch entsprechenden Anbau dafür Sorge zu tragen, dass die Böden möglichst durch Bewuchs nicht so stark austrocknen und den Niederschlag aufnehmen können. Jeder naturnahe Tümpel, Weiher, Teich oder See ist von Bedeutung, um das Niederschlagswasser möglichst lange zu halten. Mäandrierende Bäche und Flüsse können zu einem ausgeglichenen Wasserhaushalt ebenso beitragen wie die Wiedervernässung einstiger Moore und Feuchtgebiete. Statt dicker Betonröhren für den ‚Abtransport‘ des Wassers brauchen wir mehr Flächen in den unterschiedlichen Landschaftsbereichen, die Wasser speichern und wieder abgeben können. Im südirischen Kerry haben wir in den trockeneren Monaten erlebt, wie ein höher gelegenes Moor durch die Abgabe von Wasser an einen kleinen Speichersee dazu beiträgt, dass weiterhin Trinkwasser aus dem Hahn kommt. Ergänzende Ausführungen finden Sie in meinem Blog-Beitrag ‚Klimawandel: Ohne ein Moor wären wir auf dem Trockenen gesessen. Moorschutz braucht weltweit eine höhere Priorität‘. Vorhandene Feuchtgebiete müssen erhalten und Moore oder Tümpel brauchen wieder Wasser!
Wasser wird zum knappen Gut
Das kostbarer werdende Süßwasser darf nicht länger durch schädliche Einträge aus der Industrie, aus Haushalten (Medikamentenrückstände oder Mikroplastik) und gerade auch der Landwirtschaft (Pestizide, Gülle, Düngemittel) verunreinigt werden. Eine weitere Ertüchtigung der Kläranlagen ist zwingend erforderlich, doch muss es besonders darum gehen, viele gefährliche Stoffe erst gar nicht ins Wasser gelangen zu lassen. Gelingt das nicht, werden die Kosten für die Klärung der Abwässer immer schneller steigen. So mancher Bach führt vor allem in trockenen Sommermonaten mehr geklärte Abwässer als Quell- oder Regenwasser. Um Bäche und Flüsse ist es in Deutschland ohnehin nicht gut bestellt, obwohl die Schaumberge und der üble Geruch früherer Jahrzehnte verschwunden sind. „Im Jahr 2021 wurden nur 8 Prozent der deutschen Flüsse und Bäche in einen ‚guten‘ oder ‚sehr guten‘ ökologischen Zustand beziehungsweise ein ‚gutes‘ ökologisches Potenzial eingestuft“, so das Umweltbundesamt. Es ist eine absolute Blamage, dass Deutschland die Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie der EU, zu denen sich die Bundesregierung 2000 verpflichtet hatte, deutlich verfehlen wird. Bis spätestens 2027 sollten sich dann alle Gewässer in einem guten Zustand befinden – hoffentlich! An diesem Beispiel lässt sich ablesen, dass politische Vorsätze nicht ausreichen, sondern sie müssen auch gegen Widerstände umgesetzt werden!
Süßwasser wird in den nächsten Jahrzehnten zu einem zunehmend knappen Gut werden, darum müssen wir bereits jetzt alles Menschenmögliche dafür tun, um Grund- und Oberflächenwasser vor Verschmutzungen zu bewahren und das kostbare Wasser so sparsam wie möglich einzusetzen. Auf landwirtschaftlichen Flächen und im Forst bzw. Wald, aber auch in den Kommunen oder im Bereich von Industrie und Verkehrsflächen müssen wieder mehr Möglichkeiten zum Versickern und zur Speicherung für das Regenwasser geschaffen werden. Gerade in Städten und Gemeinden fehlen zumeist nicht nur naturnahe Grünflächen und Bäume, sondern auch kleine Seen, Weiher, Teiche oder Tümpel. Es kann nicht darum gehen, die letzte Baulücke zu schließen, sondern Freiräume für die Natur zu erhalten. Wer heute noch Frischluftschneisen zubaut und die Speicherfähigkeit für Regenwasser weiter reduziert, der handelt im urbanen Bereich fahrlässig und gefährdet die Gesundheit der Bürgerschaft. Die EU-Agrarpolitik muss die Flächensubventionen ohne Vorteile für Natur und Mensch aufgeben und stattdessen auf Ökologie und Nachhaltigkeit setzen! Dazu gehören dann Blühwiesen und Brachen ebenso wie zusätzliche Tümpel und Weiher, naturnahe Flussufer sowie Anbaumethoden, die den Boden und dessen Speicherfähigkeit für Wasser schützen. Und so mancher zugeschüttete Tümpel, der zu einem Holzlagerplatz wurde, sollte im Forst wieder zu einem Biotop umgestaltet werden.
Wenn wir nicht wollen, dass die Quellen versiegen und das Trinkwasser in Deutschland knapp wird, müssen wir mehr zum Schutz der Gewässer und zur Aufnahmefähigkeit des Bodens für die Niederschläge tun. Die Wasserstrategie der Bundesregierung bezieht wichtige Faktoren ein, doch nur eine zügige Umsetzung kann helfen. Der Kampf gegen den Klimawandel ist von zentraler Bedeutung, aber selbst wenn die Erderwärmung deutlich abgebremst werden kann, müssen wir gleichzeitig mehr zur Sicherung der Ressource Wasser und der Artenvielfalt tun. Hitzetage ohne Zugang zu sauberem Wasser werden für Menschen und Tiere zur Katastrophe. Wenn wir der Natur nicht wieder mehr Wasser in der Fläche lassen, werden nicht nur die Pflanzen vertrocknen, sondern auch unser Lebensstil verwelken!