Keine Besserung im Reich der Ursula von der Leyen
Warum gibt es eigentlich in der bundesdeutschen Politik Bereiche, in denen es nicht richtig vorwärtsgeht? Liegt es am Budget? Fehlt es am richtigen Führungspersonal? Mangelt es am politischen Willen zur Neuausrichtung? Zumeist gibt es auf komplexe Fragen keine einfachen Antworten, und so ist dies sicherlich auch im Verteidigungsbereich. Aber kann es sein, dass der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels auch im neuen Wehrbericht für das Jahr 2018 vermelden muss „Die Verwaltung des Mangels bleibt Alltag.“ Und diese Aussage bezieht sich wiederum nicht nur auf die warme Unterwäsche, sondern auf nicht einsatzbereite Panzer, Flugzeuge oder U-Boote. Wenn nichts läuft, dann liegt es vielleicht am Geldmangel: Aber für 2019 sind über 43 Mrd. EURO vorgesehen, im Vorjahr lag der Etat immerhin bei 38,5 Mrd. EURO. Doch trotzdem muss die warme Unterwäsche nach dem Manöver zurückgegeben werden, damit der nächste Kamerad nicht friert. Ersatzteile sind Mangelware. Was macht die Verteidigungsministerin eigentlich so mit den Budgetmilliarden? Dabei wimmelt es doch von gut bezahlten Beratern: Wissen die auch keinen Ausweg aus dem Chaos? Dann sollte allerdings endlich auch die Frage erlaubt sein, ob Ursula von der Leyen die richtige Besetzung als Verteidigungsministerin ist?
„Kaum einsatzbereite LEOPARD 2“-Panzer
Diese Frage habe ich schon mehrfach gestellt und bereits nach der letzten Bundestagswahl mit einem eindeutigen Nein beantwortet. Und nicht nur ich bezweifle, dass Ursula von der Leyen eine Problemlöserin im Verteidigungsministerium ist, sondern sie ist Teil des Problems. Nun lässt sich ein schwerfälliger ‚Dampfer‘ wie das Verteidigungsressort nicht von heute auf morgen umsteuern, doch immerhin steht sie nun schon fünf Jahre am Ruder. Besserung indessen scheint nicht in Sicht. Nicht nur die Wehrberichte werfen ein negatives Licht auf die Verteidigungsministerin, sondern auch die kritischen Einschätzungen des Bundesrechnungshofs. Die Verteidigungsministerin steht zwar bis zur Hüfte im Berater- und Mangelsumpf, doch die im Grunde fundamentale Kritik des Wehrberichts empfindet sie mal so als „Ansporn“. Ein sonniges Gemüt ist zwar von Vorteil, wenn man als Verteidigungsministerin unter Dauerfeuer der Kritiker liegt, wobei damit aber noch kein einziges Problem gelöst ist. „Ob’s brennt oder kracht, Ministerin von der Leyen lacht“, so hatte ich einen vorhergehenden Blog-Beitrag überschrieben, und leider hat sich die Lage in der Bundeswehr noch immer nicht nachhaltig gebessert.
„In allen Bereichen mangelt es an Material“, so der Wehrbericht 2018. „Kaum einsatzbereite LEOPARD 2, teure Nachrüstungsprogramme für den neuen Schützenpanzer PUMA, keine Tanker bei der Marine im zweiten Halbjahr 2018, ein großer Teil der U-Boote defekt, weniger als die Hälfte der EUROFIGHTER und TORNADOs flugfähig und auf ein Minimum reduzierte Munitionsbestände – diese Lage wirkt sich nicht nur auf Einsatz und einsatzgleiche Verpflichtungen aus, es leiden vor allem Ausbildung und Übung.“ Schon alleine dieser Satz stellt der Verteidigungsministerin ein desaströses Zeugnis aus. Doch irgendwie scheint dies keine Rolle zu spielen, solange Ursula von der Leyen das Vertrauen von Bundeskanzlerin Angela Merkel genießt.
Winterbekleidung und Schutzwesten Mangelware
Zwar kann man mit den meisten deutschen U-Booten wohl nicht tauchen, aber dann wäre es natürlich schön, wenn wenigstens das Segelschulschiff der Bundesmarine in See stechen könnte. Allerdings auch hier Fehlanzeige: Die Gorch Fock liegt seit Anfang 2016 im Trockendock. Bei einem 60 Jahre alten Schiff muss schon mal an eine umfassende Überholung gedacht werden. Doch wieder nimmt das Desaster seinen Lauf. Zuerst werden die Kosten auf 10 Mio. EURO geschätzt, dann steigen sie auf 75 Mio. EURO und nun werden 135 Mio. EURO angepeilt. „Für verschwenderischen Umgang mit den Ressourcen Geld und Zeit steht nicht zuletzt der Fall ‚Gorch Fock‘. Er zeigt paradigmatisch die Diffusion von Verantwortung in einer zersplitterten Zuständigkeitskultur, wo es niemandes Aufgabe zu sein scheint zu fragen: ‚Ist das normal, wenn der Reparaturpreis sich von zehn auf 135 Millionen Euro verdreizehnfacht?‘“, so der Wehrbericht. Die Außenhaut des Schulschiffes muss fast vollständig erneuert, das Ober- und Zwischendeck ersetzt werden. Wer hat vor der Reparatur die Gorch Fock begutachtet und die Kosten geschätzt? Hoffentlich nicht der Preisprüfer, gegen den jetzt die Staatsanwaltschaft wegen Korruptionsvorwürfen ermittelt. Ausgehend vom eigenen Häuschen oder dem Auto würde ich auch gerne die Frage aufwerfen, ob denn immer ausreichend in die Erhaltung der Gorch Fock investiert wurde? Wohl kaum. Dies erinnert an den Umgang mit Teilen der Infrastruktur auch im Verkehrsbereich, wo Brücken bereits nach einigen Jahrzehnten in die Knie gehen.
„Die ‚Trendwende‘ von der Verwaltung des Mangels hin zur materiellen Vollausstattung läuft ebenfalls sehr zäh“, so der Wehrbericht 2017. Eine Folge davon war, dass nicht nur für die Auslandseinsätze, sondern auch für Großmanöver Material in allen Kasernen eingesammelt werden musste, damit zumindest die beteiligten Soldatinnen und Soldaten halbwegs ausgerüstet losziehen konnten. Man soll ja die Hoffnung nicht aufgeben, auch im Wirkungsbereich von Ministerin von der Leyen gilt dies, doch was musste ich im soeben veröffentlichten Wehrbericht 2018 lesen: „Nur unter großen Anstrengungen gelang es der Bundeswehr die 8.000 deutschen Soldatinnen und Soldaten, die im Herbst an der NATOÜbung Trident Juncture in Norwegen teilnahmen, mit Winterbekleidung und Schutzwesten auszustatten.“ Da sollten wir mit unseren Bündnispartnern vereinbaren, dass wir nur noch an heißen Tagen an Manövern teilnehmen, dann wäre zumindest das Thema mit der „Winterbekleidung“ abgehakt. Wenn allerdings bei Schutzwesten Mangel herrscht, dann läuft etwas falsch im Ressort von Ursula von der Leyen.
Unterwäsche-Tauschsystem
Auch wenn es nach Komödienstadel klingt, nochmals zurück zur Unterwäsche.
„Während eines Truppenbesuchs im Rahmen der in Norwegen durchgeführten Übung Trident Juncture wiesen Soldaten des Gebirgsjägerbataillons 232 den Wehrbeauftragten auf diese Problematik hin. In Vorbereitung auf die Übung wurden die teilnehmenden Soldaten zusätzlich mit Woolpower-Unterwäsche und Socken ausgestattet. Diese zum Teil als Leibwäsche getragenen Bekleidungsstücke sollten nach der Übung wieder abgegeben und – soweit eine Aufbereitung möglich ist – anderen Soldaten zur Verfügung gestellt werden. Ein Oberstabsgefreiter, der in Estland im Einsatz war, vermutete, dass die von ihm nach Einsatzende zurückgegebenen Woolpower-Produkte entsorgt würden. Tatsächlich werden etwa 20 Prozent als unbrauchbar ausgesondert. Der Rest wird mit zusätzlichen Kosten aufgearbeitet. Wer aber möchte gebrauchte, wenn auch aufgearbeitete Unterwäsche tragen? Diese Produkte sollten den Soldatinnen und Soldaten dauerhaft überlassen werden.“
Da kann die Verteidigungsministerin mal froh sein, dass sie sich anderweitig mit modischer Kleidung eindecken kann!
Sogar Stiefel gibt es …
Nicht nur die Unterwäsche sollte sitzen, sondern natürlich auch die Stiefel: „Gute Nachrichten sind im Berichtsjahr zumindest in Sachen Kampfstiefel zu vermelden. Die neuen Stiefel scheinen endlich den modernen funktionellen Anforderungen an verschiedene Temperatur- und Nutzungsbereiche gerecht zu werden. Leider trübt das Ausgabeverfahren die Freude etwas. Rekruten, so die Wahrnehmung vieler dienstälterer Soldaten, würden bei der Ausgabe von Nachfolgemodellen bevorzugt behandelt.“ Soweit nochmals der Wehrbericht. Die Situation bei Stiefeln hat sich somit leicht verbessert: eine der wenigen Fortschrittsmeldungen aus der Bundeswehr-Mangelverwaltung! Diese Verwaltung des Mangels erinnert mich an das Technische Hilfswerk (THW), das vor rd. 50 Jahren zumindest materialmäßig noch in den Kinderschuhen steckte. Nicht nur ich habe mir als Helfer in diesem Falle selbst geholfen und Stiefel gekauft, da die Kleiderkammer leer war. Aber das THW schaffte schnell den Umschwung und kassiert für sein Beschaffungswesen heute ein Lob des Wehrbeauftragten Bartels: „Lernen lässt sich vom zivilen Bereich, etwa vom kreativen Beschaffungsmanagement der Bundespolizei beim schnellen Zulauf neuer Grenzschutzschiffe, vom Lean Management des Technischen Hilfswerks“ und „von Streitkräften befreundeter Nationen, die manchmal mit deutlich weniger finanziellem Aufwand gute Lösungen finden“.
„Bewährtes verschlimmbessert“
Wenn die Mißstände ein Ausmaß wie bei der Bundeswehr annehmen, dann liegt dies nicht an der einzelnen Soldatin oder am einzelnen Soldaten, und gleiches gilt auch für die Zivilmitarbeiterinnen und -mitarbeiter. So heißt es im Wehrbericht 2018: „Einfaches wird verkompliziert, Bewährtes verschlimmbessert, ineffizienter Personaleinsatz, unnötige Arbeitsaufträge oder sinnlose Arbeitsschritte. So kamen die Trendwenden Personal, Material und Infrastruktur im Berichtsjahr nur zögerlich voran. Es bleibt dabei: Mehr Tempo durch effektivere Organisation ist unverzichtbar, wenn die Reformen zu einem Erfolg werden sollen.“ Änderungen lassen sich nur durch eine effektivere Organisation erzielen, und letztendlich müssen hier die Anstöße von der Führungsspitze ausgehen oder zumindest durchgesetzt werden. Mängel lassen sich in Großorganisationen nie gänzlich vermeiden, aber wenn es von der Unterwäsche bis zum U-Boot nicht funktioniert, dann muss die Ministeriumsspitze ausgewechselt werden. Ein Privatunternehmen mit dieser Performance wäre längst bankrott.
Es genügt eben nicht, Beraterheere zu beschäftigen, sondern strukturelle Reformen müssen von der Ministerin angepackt werden. Eine effektive Beschaffung muss dafür Sorge tragen, dass zumindest die vorhandenen militärischen Großgeräte auch eingesetzt werden können: Es kann doch nicht sein, dass fehlende Einzelteile zum Stillstand führen und zwar sowohl zu Wasser, in der Luft und auf dem Lande. Und wenn der Bundespräsident, die Kanzlerin und zahlreiche Minister abwechselnd mit Flugzeugen der Flugbereitschaft, die auch zum Wirkungsbereich der Verteidigungsministerin gehören, irgendwo auf diesem Globus stranden, dann machen wir uns vor der halben Welt lächerlich.
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