Wasserfälle Allerheiligen – zugänglich und naturnah

Auf den Spuren Mark Twains im Schwarzwald

Einen Ausgleich zwischen der Natur und den menschlichen Wünschen zu schaffen, fällt oft schwer, vor allem und gerade bei Gewässern. Werden sie umfassend erschlossen und touristisch genutzt, dann leiden Bäche, Seen oder Flüsse. Die Wasserfälle Allerheiligen im Nationalpark Schwarzwald sind seit 180 Jahren für Besucher auf voller Länge erlebbar, und dennoch haben sie ihre natürliche Schönheit erhalten. Sie sind ein positives Zeichen dafür, dass sich bei gutem Willen Natur und Mensch durchaus verbinden lassen. Bereits im 19. Jahrhundert beschrieb der Verleger Karl Baedeker, der die Reiseliteratur modernisierte, in seinem 1853 in Koblenz erschienenen Reiseführer „Allerheiligen und die schönen Büttensteiner Wasserfälle“. Er trug dazu bei, dass die Zahl der Reisenden zunahm, die nicht nur die Wasserfälle, sondern auch die Klosterruine Allerheiligen besuchten. 25 Jahre später wanderte der US-Schriftsteller Mark Twain, bekannt u. a. für seine Abenteuergeschichten von Tom Sayer und Huckleberry Finn, entlang der Wasserfälle zum Kloster. Karl Baedeker und Mark Twain schilderten die Wasserfälle von Allerheiligen im Nordschwarzwald so eindrucksvoll, dass nicht nur zu ihrer Zeit, sondern bis heute zahlreiche Wanderer die Kaskaden besuchen. Die Wasserfälle Allerheiligen, die über kleine Brücken und Steinstufen erklommen werden können, stürzen über sieben Stufen rund 90 Meter in die Tiefe, und das Plätschern und Gurgeln des Wassers in der tief eingegrabenen Schlucht schafft eine ganz eigene Atmosphäre. Ein Besuch lohnt sich!

Links führen steinerne Stufen mit einem Geländer nach oben, parallel zum Wasserfall.
Zum Glück muss man heute nicht mehr – wie um 1840 – über Leitern klettern, um die Wasserfälle Allerheiligen in ganzer Länge erkunden zu können. (Bild: Ulsamer)

Statt Leitern gibt’s Stufen

Während der Zeit des Klosters Allerheiligen, das von 1192 bis zu seiner Säkularisierung 1803 durch Markgraf Karl Friedrich von Baden bestand, waren die Wasserfälle sich selbst überlassen. Auf die Geschichte des Klosters, dessen Landbesitz sich der Markgraf einverleibte, und die heutige Nutzung der im 19. Jahrhundert entstandenen Gästehäuser bin ich in meinem Blog zuvor schon eingegangen: ‚Kloster Allerheiligen: Abgebrannt, geplündert und verstaatlicht. Historische Orte müssen besser geschützt werden‘. Die Schlucht mit den Wasserfällen wurde erst 1840 durch Forstmeister Eichrodt, den damaligen Leiter des Forstamts Achern, und Forstaufseher Ernst Mittenmeier, der ab 1838 in Allerheiligen tätig war, für Wagemutige erschlossen. Um 1840 ging es auf einem engen Trampelpfad am Lierbach entlang, und die sieben Felsstufen, über die das Wasser jeweils einige Meter in die Tiefe fällt, mussten mit Hilfe von Leitern überwunden werden. Als 1842 die badische Hofkammer 100 Gulden zur Verfügung stellte, konnte der Weg ausgebaut werden, und nicht nur Abenteuerlustige konnten anschließend zu den Wasserfällen und bis zum Kloster Allerheiligen gelangen. Heute führen zahlreiche Treppen die Besucher entlang der Wasserfälle, so nahe, dass man das Wasser zu spüren meint, aber andererseits ausreichend entfernt, dass der Blick auf den Wasserfall frei bleibt. Die Wegeführung ist wirklich gelungen, und der Eingriff in die Natur fällt kaum auf. Man sollte jedoch gut zu Fuß sein, um die rund 100 Höhenmeter zu überwinden. Beeindruckend sind die steilen Hänge der Schlucht, die sich 100 Meter gen Himmel erheben. Nur dank der hohen jährlichen Niederschläge und des starken Gefälles in Richtung Oberrheinebene ist es dem Lierbach, der bis auf Höhe des Klosters Grindenbach heißt, gelungen – trotz des relativ kleinen Einzugsgebiets – sich tief in den Untergrund einzugraben.

Rechts vom Wasserfall geht die eine Wand der Schlucht steil nach oben. Dort wachsen einige Bäume.
Die Wände der engen Schlucht erheben sich bis zu 100 Meter über die Wasserfälle. (Bild: Ulsamer)

Die bis heute sehenswerten Wasserfällen von Allerheiligen beschrieb Karl Baedeker bereits 1853 in seinem Reiseführer: „Unterhalb des Klosters ist der Berg zickzackartig an 400‘ gespalten. Durch diesen Riss stürzt der Griedenbach in einer ununterbrochenen Reihe von Fällen, einige an 80’ hoch ins Thal.“ Baedekers Reisebeschreibung – mit dem für heutige Verhältnisse etwas sperrigen Titel ‚Handbuch für Reisende in Deutschland und dem österreichischen Kaiserstaat: nach eigener Anschauung und den besten Hülfsquellen (Erster Theil): Österreich, Süd- und Westdeutschland‘ – brachte Touristen zu den Wasserfällen und der Klosterruine Allerheiligen, was dazu beitrug, dass die Überbleibsel der Gebäude nicht länger als Steinbruch missbraucht wurden. Die frühen Reiseführer von Karl Baedeker werden zwar häufig zitiert, aber sie sind nur schwer im Original zu finden. Die Universität Heidelberg hat den hier zitierten Band digitalisiert. Wer vom Parkplatz der Klosterruine in Richtung der Wasserfälle geht bzw. von unten hochwandert, der dürfte über die städtisch wirkenden Gebäude neben der Kirchenruine erstaunt sein, die die Gebrüder Mittenmaier als Kurhotel 1880 errichtet hatten. Ernst Ludwig Friedrich Mittenmaier hatte bereits zuvor eine Gastwirtschaft in Allerheiligen betrieben.

Wasser schäumt und sprudelt und fällt in die Tiefe.
Der Lierbach verfügt zwar nur über ein recht überschaubares Einzugsgebiet, doch wenn sein Wasser über die einzelnen Katarakte schäumt und sprudelt, dann wird seine Kraft erkennbar. (Bild: Ulsamer)

Ein bisschen Wildnis

Wie vor ihm Karl Baedeker trug auch Mark Twain mit seiner Beschreibung des Wasserfalls Allerheiligen zu dessen Bekanntheit im 19. Jahrhundert maßgeblich bei: „Nach dem Abendessen gingen wir die Bergschlucht hinab. Sie ist wunderschön – eine Mischung von Waldlieblichkeit und rauher Wildnis. Ein klarer Wasserlauf kommt die Schlucht herabgerauscht, windet sich an ihrem Ende durch einen engen Spalt zwischen hohen Wänden und stürzt über mehrere Stufen nacheinander hinab. Wenn man die letzte hinter sich gelassen hat, gewinnt man zurückschauend einen erfreulichen Blick auf die Wasserfälle – sie erheben sich als siebenstufige Treppe von schaumigen und glitzernden Kaskaden und geben ein Bild ab, das ebenso bezaubernd wie ungewöhnlich ist.“ Mark Twains Beschreibung aus seinem Buch ‚Bummel durch Europa‘ trifft noch heute ins Schwarze. Die Wasserfälle sind in unseren Tagen ein Tor zum Nationalpark Schwarzwald, der gerne mit dem Anspruch wirbt ‚eine Spur wilder‘ zu sein, und für die Wasserkaskaden Allerheiligen ist das auf alle Fälle zutreffend.

Das Wasser fällt über den härteren Fels in einen Gumpen, ein breites Becken, das der Bach selbst geschaffen hat.
In der Mitte des 19. Jahrhunderts – so z. B. in Karl Baedekers Reiseführer – wurden die Wasserfälle in Allerheiligen noch Büttensteiner Wasserfälle genannt oder die ‚Sieben Bütten‘. Damit wurde Bezug genommen auf die Gumpen bzw. Auskolkungen, die sich jeweils unterhalb der einzelnen Katarakte gebildet haben. (Bild: Ulsamer)

Die Wasserfälle von Allerheiligen haben trotz der frühen touristischen Erschließung ihren Charme behalten: Der Lierbach ist ein naturnaher Wasserlauf geblieben! Für mich sind die Wasserfälle auch ein Symbol dafür, dass wir naturnahe Bäche und Flüsse erhalten und verbaute Gewässer – wo immer möglich – wieder naturnäher gestalten müssen. Eine Wanderung entlang der Wasserfälle und zum Kloster Allerheiligen lohnt sich auf jeden Fall!

 

Ein Tor aus Baumstämmen mit einem kleinen Ziegeldach und einem hölzernen Schild mit der Aufschrift "Allerheiligen Wasserfälle. Nationalpark Schwarzwald".
Die Wasserfälle Allerheiligen sind zugleich ein Eingangstor in den 2014 gegründeten Nationalpark Schwarzwald. Parkmöglichkeiten bieten sich sowohl am unteren Einstieg an der von der Stadt Oppenau kommenden K 5370 als auch beim Kloster Allerheiligen. Die K 5370 führt weiter bis zur B 500, der Schwarzwaldhochstraße. Wer heute der einst gerühmten Panoramastraße folgt, der trifft leider auf mehrere seit langen Jahren leerstehende Hotels. Mehr dazu in: ‘Schwarzwaldhochstraße im Tief? Hotelruinen versperren den Blick in die Zukunft‘ (Bild: Ulsamer)
Wasser fällt über härteren Fels nach unten, zuerst als schmaler Strom, dann sich verbreiternd.
Die Urkraft des Wassers zeigt sich bei den Wasserfällen Allerheiligen, die der im Grunde kleine Lierbach geschaffen hat. (Bild: Ulsamer)
Links ein Rundturm aus Natursteinen mit einem spitzen Dach. Rechts die Reste der Wand der Klosterkirche Allerheiligen. Die Steine leuchten leicht rötlich.
Bei einer Wanderung entlang der Wasserfälle bietet sich ein Abstecher zur Klosterruine Allerheiligen an. Das Kloster der Prämonstratenser bestand von 1192 bis 1803 und überlebte Großbrände und Plünderungen bis es 1802/1803 Markgraf Karl Friedrich von Baden ‚säkularisierte‘, sprich, er verleibte sich die Besitzungen ein. 600 Jahre Klostergeschichte fanden ein jähes Ende. Auf das Kloster Allerheiligen und die Nutzung der angrenzenden Gebäude bin ich in meinem Artikel ‚Kloster Allerheiligen: Abgebrannt, geplündert und verstaatlicht. Historische Orte müssen besser geschützt werden‘ eingegangen. (Bild: Ulsamer)

 

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Ein Wasserfall ergießt sich in zwei Strömen einige Meter in das tiefergelegene Wasserbecken, das der Wasserfall selbst geschaffen hat.Dort, wo sich der Lierbach über sieben Stufen rund 90 Meter in die Tiefe stürzt, zeigt sich die Landschaft so, wie viele andere Bäche aussehen könnten, wenn sie nicht für die Stromgewinnung oder andere Zwecke verbaut worden wären. Ergänzende Informationen finden Sie zu diesem Thema in meinem Blog-Beitrag: ‚Weniger Beton und mehr Natur für unsere Flüsse und Bäche‘. (Bild: Ulsamer)

 

 

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