Die genetische Vielfalt schwindet
In Deutschland war der Luchs bereits im 19. Jahrhundert vom Menschen ausgerottet worden, und so ist es ein Erfolg, wenn heute wieder rd. 150 Luchse durch unsere verbliebenen Wälder pirschen. In einer von Verkehrswegen zerschnittenen und urbanisierten Landschaft mit ausufernden Städten und Industriegebieten tun sich die Pinselohren jedoch schwer, in andere Luchsgebiete zu wandern. Und eine häufig deckungslose Agrarlandschaft erschwert es auch jungen Luchsen, die heimatliche Region zu verlassen, um sich ein eigenes Revier zu suchen. Wenn der Austausch zwischen den kleinen Luchspopulationen kaum stattfinden kann, dann schwindet die genetische Vielfalt weiter, die bei ausgewilderten Luchsen ohnehin relativ gering ist. Nicht nur zum Internationalen Tag des Luchses, der am 11. Juni begangen wird, sollte unsere Gesellschaft mehr für die Luchse tun, um ihnen dauerhaft ein Leben in unseren Wäldern zu ermöglichen.
Grünbrücken und Trittsteine fehlen
Auf die schwierige Lage des Eurasischen Luchses (Lynx lynx) in unserem Land bin ich bereits in meinem Blog-Beitrag ‚Luchse: Heimkehrer auf leisen Pfoten‘ eingegangen, daher möchte ich an dieser Stelle auf die Wanderungsprobleme der Luchse und die daraus resultierende schwindende genetische Vielfalt eingehen. Neben dem Verlust an Luchsen durch Verkehrsunfälle und Wilderei ist die Gefahr der Inzucht ein weiteres Problem für die Ausbreitung des Luchses. So berichteten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung sowie des LOEWE-Zentrums für Translationale Biodiversitätsgenomik und weitere internationale Mitstreiter im Fachjournal ‚Biological Conservation‘ über die mangelnde genetische Vielfalt bei ausgewilderten Luchsen. „Fast alle wieder angesiedelten Luchspopulationen haben eine deutlich geringere genetische Vielfalt als die natürlichen Vorkommen. Zusätzlich ist in den wiedereingeführten Populationen Inzucht verbreitet; am stärksten ausgeprägt ist sie in den Luchsbeständen mit der geringsten Anzahl von Gründerindividuen“, unterstrich Dr. Sarah Müller.
Wer dauerhaft eine Luchspopulation in Deutschland und umliegenden Staaten erhalten möchte, der muss es Luchsen erleichtern, auch über größere Distanzen zu wandern. Dies ist über Agrarflächen, in der selbst Hecken und Bauminseln zu einer Seltenheit geworden sind, und durch Forste mit Monokulturen nicht einfach. Mögen weitere Waldgebiete für Luchse geeignet sein, so fehlen doch Trittsteine zwischen diesen Gebieten. Mehr Grünbrücken über Verkehrswege könnten nicht nur bei Luchsen Todesfälle verhindern. Die Ausweisung von Wildtierkorridoren darf nicht allein auf dem Papier erfolgen, sondern muss auch die Sicherung und Wiederherstellung naturnaher Flächen beinhalten. Noch konsequenter muss gegen Wilderer vorgegangen werden. „Die Erfolgsgeschichte Luchs hat eine Einschränkung: Der Luchsbestand hierzulande wächst nur langsam“, betonte Moritz Klose, Programmleiter Wildtiere beim WWF Deutschland.
Luchse gehören zu unseren Wäldern
Die zerschnittene Landschaft hält insbesondere Luchsweibchen davon ab, über längere Strecken zu wandern. Einzelne männliche Luchse sind auf ihren Streifzügen in Baden-Württemberg unterwegs, doch sie finden kein Weibchen zur Familiengründung. Die Auswilderung weiblicher Luchse wird zwar seit langer Zeit diskutiert, allerdings regt sich stets Widerstand.
Es gilt, weiter für Akzeptanz des Luchses zu werben, denn der größten Katze Europas steht ein Platz in unserer Natur zu. Wir müssen konsequenter als bisher naturnahe Wälder erhalten und wieder schaffen, und dies kommt nicht nur dem Luchs und anderen Wildtieren, sondern auch Menschen zugute. Wohin uns eine falsche Forstpolitik geführt hat, das können wir auffallend, aber nicht ausschließlich im Harz beobachten, wo große Flächen mit Fichten absterben. Wenn wir die Durchgängigkeit in unserer zerschnittenen Landschaft für Wildtiere wie den Luchs wieder verbessern, dann hilft dies Flora und Fauna insgesamt.
Zum Beitragsbild
Wer die Vielfalt in unserer Natur fördern möchte, der muss sich auch für Luchse oder Wölfe einsetzen und darf ihnen ihr Lebensrecht in unseren Wäldern nicht absprechen. Die Aufnahme entstand im Alternativen Wolf- und Bärenpark im Schwarzwald, der sich um Tiere aus schlechter Haltung kümmert. In den Freigehegen finden sie ein neues tiergerechtes Zuhause. Der Wolf- und Bärenpark in Bad Rippoldsau-Schapbach ist immer einen Besuch wert. (Bild: Ulsamer)
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