13. August 1961 – die Mauer zerschneidet Deutschland
Noch am 15. Juni 1961 hatte der damalige DDR-Staats- und Parteichef Walter Ulbricht in einer Pressekonferenz verkündet: “Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!” Leider handelte es sich dabei nur um eine Fake News, eine politische Lüge des SED-Chefs, um von den längst laufenden Vorbereitungen für den Mauerbau in Berlin und die Verstärkung der Grenzanlagen auf voller Länge zwischen der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und der Bundesrepublik Deutschland abzulenken. Das sozialistische Regime riegelte am 13. August 1961 den Ostteil Berlins hermetisch ab und errichtete dort in den folgenden Wochen eine Mauer – ganz Deutschland wurde nun noch brutaler geteilt! Die Zonengrenze wurde im DDR-Jargon zum “antifaschistischen Schutzwall” stilisiert, doch in Wahrheit zu einem sozialistischen Bollwerk gegen den Freiheitswillen der eigenen Bürger ausgebaut. Familien wurden auseinandergerissen, Dorfgemeinschaften und Stadtteile zerschnitten: Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) versuchte, den Strom der Menschen zu stoppen, die in den freien Teil Deutschlands flüchteten. Blicken wir 2019 auf die Mauer zurück, dann ist sie inzwischen länger gefallen als sie Bestand hatte! Dennoch können wir noch viele Lehren aus diesem Ereignis ziehen.
Der Westen gewann die Abstimmung mit den Füßen
Deutschland wurde von der SED-Führung geteilt, um das eigene politische und wirtschaftliche Unvermögen zu beschönigen: Die Abstimmung mit den Füßen, die der demokratische und marktwirtschaftliche Westen für sich entschieden hatte, wurde durch eine brutale Grenze unterbunden. Und wer sich durch Mauern und Zäune auf fast 1400 km, durch über 250 Beobachtungstürme, 144 Bunker und 260 Hundelaufanlagen nicht abschrecken ließ, der wurde unter Beschuss genommen. 150 bis 250 Menschen haben – je nach Quelle – an dieser Grenze den Tod gefunden, Tausende wurden abgefangen und wanderten ins Gefängnis. In Berlin-Hohenschönhausen wurden sogenannte „Republikflüchtlinge“ eingekerkert und gequält: Auf einer schiefen Ebene mit den Armen nach oben gefesselt und im eiskalten Wasser stehend, das war noch die ‚harmlosere‘ Art der SED- Foltermethoden.
Als am 9. November 1989 die Mauer fiel, war die sozialistische DDR wirtschaftlich und politisch am Ende – die Umwelt zerstört. Dank der Milliardenzahlungen der Steuerbürger – ‚Solidaritätszuschlag‘! – konnte der größte Teil des SED-Unrats zwischenzeitlich beseitigt werden, doch die Herrschaft des Sozialismus entfaltet bis heute ihre Zerstörungswirkung in manchen Denkstrukturen.
Wahrheit unter den Teppich gekehrt
Die politische und juristische Aufarbeitung der zahllosen Menschenrechtsverletzungen in der DDR kam zu kurz, dies empfinden gerade die Mitbürgerinnen und Mitbürger in besonderer Weise, die zu Opfern des sozialistischen Unrechtsstaats wurden. Damit stehen auch unsere Forderungen an andere Staaten auf wackligen Beinen, denen die deutsche Politik immer mal wieder eine systematische Aufarbeitung und Bestrafung des Unrechts ans Herz legt. Eine Wahrheitskommission hätte uns gleichfalls gut zu Gesicht gestanden! Das sachorientierte und engagierte Wirken der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur ist wichtig, doch hätten die Täter, die Unrecht über ihre Mitbürger brachten, zur Rechenschaft gezogen werden müssen.
So blieben Bespitzelung, unrechtmäßige Inhaftierungen, Kindesentzug aus politischen Gründen und Erschießungen an der innerdeutschen Grenze zumeist folgenlos. Unrecht wird jedoch nicht zu Recht, wenn man es unter den Teppich kehrt. Und der Linkspartei, die aus der Asche der SED entstand, wurde es so leichtgemacht, ihre Wurzeln zu vertuschen.
Aber noch immer gibt es Orte, in denen die deutsch-deutsche Trennung bis heute deutlich spürbar ist. In Berlin haben sich die meisten Narben im Stadtbild geschlossen, Mauerreste erheben sich nur noch an wenigen Stellen aus dem Alltagsleben. Ganz anders in Mödlareuth. Der Westteil dieses kleinen Ortes lag in Bayern, der Ostteil in Thüringen und zwischen den Ortsteilen verlief nicht nur der schmale Tannbach, sondern urplötzlich auch eine Mauer. „Little Berlin“, tauften es die US-Amerikaner. Gerade in solch einer kleinen Gemeinde bleibt der Widersinn des sozialistischen Mauerbaus besonders erkennbar.
Wenn Geschichte zum Klamauk verkommt
Doch nochmals zurück nach Berlin: Immer häufiger habe ich dort den Eindruck, dass für den rot-rot-grünen Senat, und leider auch für viele Berliner und Touristen, die deutsche Geschichte von Teilung und Wiedervereinigung kaum noch eine Rolle spielt. Das Brandenburger Tor wird bei allerlei Events zur Staffage degradiert: Ausgerechnet das Brandenburger Tor – für mich ein Symbol von Trennung und Wiedervereinigung – wird bei solchen Ereignissen hermetisch mit Bauzäunen, Gittern und Sichtschutzfolien abgeriegelt und auch noch mit Klo-Häuschen verunziert. In die East Side Gallery, eine der letzten größeren erhalten gebliebenen Abschnitte der Mauer, werden – um ein weiteres Beispiel zu nennen – für Immobilienprojekte Schneisen geschlagen und so eines der wenigen Überbleibsel der von der sozialistischen SED-Regierung errichteten Mauer zerstört. Für Die Linke, für mich zu erheblichen Teilen Nachfahrin der SED, mag dies keine Rolle spielen, doch was würde wohl der frühere Regierende Bürgermeister von Berlin und spätere Bundeskanzler Willy Brandt zu solch einer Geschichtsvergessenheit sagen?
Die Berliner Mauer wird schon mal zu einem ‚netten‘ Hintergrund für eine ‚Hen Party‘, einen Junggesellinnen-Abschied, an der East-Side-Gallery radeln fahrbare Bierbänke mit ziemlich angesäuselten jungen Männern vorbei, und am Checkpoint Charlie salutieren Fake-Soldaten vor Touristen. Nun muss man sich nicht tagtäglich Gedanken über die Berliner Mauer machen, die die sozialistische DDR-Regierung schuf, um die Flüchtenden aufzuhalten, die ihr Heil im freien Westen suchten, aber ein wenig Respekt könnte dann doch nichts schaden. Respekt vor den Menschen, die sich aus den Fenstern in der Bernauer Straße abseilten oder unter Lebensgefahr in den Westen sprangen, ehe diese Fluchtmöglichkeit auch versperrt wurde. Historische Orte sollten selbst 30 Jahre nach dem Ende der DDR nicht als Kulisse für Klamauk missbraucht werden.
Wiedervereinigung: Historische Chance genutzt
Wer die Gemeinde Mödlareuth und ihr Deutsch-Deutsches Museum heute besucht, in Berlin nachdenklich die Bernauer Straße entlanggeht oder am Checkpoint Charlie und am Brandenburger Tor für einen Moment das aktuelle Gewusel ausblendet, der spürt die Bedrückung in den Jahren der Trennung und freut sich umso mehr, dass Deutschland wieder zusammengewachsen ist und auch die Teilung Europas überwunden werden konnte. Ein historischer Fortschritt, den es zu erhalten gilt! Dazu haben die Bürgerinnen und Bürger in den mittel-osteuropäischen Staaten und in der DDR maßgeblich beigetragen, doch ohne den Generalsekretär der KPdSU Michail Gorbatschow und den verstorbenen Bundeskanzler Helmut Kohl hätte es das Zeitfenster nicht gegeben, das die Wiedervereinigung ermöglichte, dessen müssen wir uns bewusst sein.
Am 9. November 2019 jährt sich zum 30. Mal der Fall der Berliner Mauer. So wurde dieser Novembertag erneut zu einem ‚Schicksalstag‘ der deutschen Geschichte. 1918 entstand am 9. November die erste Republik auf deutschem Boden. Aber nur 20 Jahre später begann der NS-Pogrom – wiederum am 9. November – gegen die jüdischen Mitbürger, der in einen bestialischen, organisierten Massenmord und die Grauen des Zweiten Weltkriegs führte. Die demokratischen Kräfte der Weimarer Republik hatten es nicht vermocht, dem Machtanspruch der Nationalsozialisten geschlossen entgegen zu treten.
Ein Blick auf die heutige politische Lage in Europa und der Welt führt uns leider vor Augen, dass in diesen Tagen keine Chance auf die Wiedervereinigung bestehen würde. Um so wichtiger ist es, dass wir dankbar für das Ende der Teilung sind und in Deutschland und Europa auf Zusammenarbeit setzen. Wie wir bei der Europawahl gesehen haben, gibt es noch viel zu tun, und die anstehenden Wahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen lassen befürchten, dass AfD und Linke gestärkt werden könnten. Wir müssen in Deutschland und Europa mehr miteinander reden, den gedanklichen Austausch pflegen, auch kontrovers. Doch die Politik muss Probleme lösen, anstatt über diese nur oberflächlich zu palavern. Dass die Berliner Mauer gefallen und der Eiserne Vorhang sich gehoben hat, muss Ansporn sein, aus der Geschichte zu lernen und gemeinsam in die Zukunft zu gehen.
Wo sind die Beweise für die angeblichen geheimen Pläne für den Mauerbau? Die westlichen Nachrichtendienste jedenfalls hatten sie offenbar nicht .
Vielmehr hat der demokratische Senator James William Fulbright aus Arkansas am 30.Juli 1961 in einem Fernseh- Interview kundgetan: (Stand übrigens am 27.12.1993 im “Spiegel”.)
“I don’t understand why the East Germans don’t just close their border, because I think they have the right to close it.”
Danach stand das Zitat als Dreispalter auf der Titelseite des “Neuen Deutschland”.
Möglicherweise ist Ulbricht erst dadurch zur Umsetzung einer Idee animiert worden …
Übrigens hätte Fulbright mit Sicherheit diese Äußerung nicht getan, wenn die USA damals den Mauerbau nicht als akzeptablen Weg gesehen hätten, die Berlin-Krise zu entschärfen.
Sehr geehrter Herr von Thile, glauben Sie ernsthaft, dass die SED wie aus dem Nichts die Mauer erbauen ließ? Und dafür die Idee auch noch aus dem freien Westen brauchte? Die Fluchtbewegung ließ sich nach Meinung der SED nur mit einer Mauer, Zaun- und Selbstschussanlagen stoppen. Die USA, das Vereinigte Königreich und vielleicht auch Frankreich wollten mit Sicherheit keinen offenen oder gar militärischen Konflikt mit der damaligen UdSSR, aber mit dem Mauerbau wurde im Grunde der Konflikt nicht entschärft. Mit freundlichen Grüßen Lothar Ulsamer
Wie ich schon schrieb, kann eine derartige Idee durchaus schon bestanden haben.
In Fulbrights Äußerung könnte man nun endlich eine politische Legitimation gesehen haben.
Und daß man in der DDR quasi über Nacht durchaus einiges aus dem Boden stampfen konnte, habe ich während meiner beruflichen Tätigkeit beim DDR-Fernsehen mehrfach erlebt.
Grüße!