Angela Merkel muss auch auf das Kanzleramt verzichten
Eigentlich ist es ein Trauerspiel, aber die Berliner GroKo eignete sich im hessischen Landtagswahlkampf schon als Schreckgespenst, und dieses trieb den Grünen die WählerInnen scharenweise zu. Und auch die AfD profitierte – wie in Bayern – von der Politik der Bundeskanzlerin. Angela Merkel hatte es mit ihrer Flüchtlingspolitik ab 2015 geschafft, der AfD einen ungewollten Auftrieb zu verschaffen. Wenn Angela Merkel jetzt nach mehreren Niederlagen ankündigt, nicht mehr als CDU-Bundesvorsitzende zu kandidieren, dann löst dies allerdings keines der Probleme der Christdemokraten. Auch die bayerischen Christsozialen können nur hoffen, dass bald das Kanzleramt neu besetzt wird. Ganz nebenbei wäre es aber an der Zeit, Horst Seehofer ebenfalls aufs Altenteil zu schicken, denn seinen wortgewaltigen Ankündigungen gerade beim Thema Flüchtlinge folgten keine Taten. Und wenn ich mir rückblickend den Fall Hans-Georg Maaßen nochmals betrachte, dann wäre es für die SPD am besten, sie würden sich auch nach einer neuen Frontfrau für ihr Politorchester umsehen. Bei der Kurzfrist-Beförderung von Maaßen hatten sich die beiden Parteichefinnen auf einen Deal des CSU-Vorsitzenden eingelassen, der ihre politische Reputation zerstörte.
Die Denkzettel bei Wahlen galten der Kanzlerin
Die CDU muss im Bund einen echten Neuanfang wagen, und dies ohne Angela Merkel als Bundeskanzlerin. Tut sie dies nicht, dann flattern bei den Wahlen 2019 die nächsten Denkzettel ins Haus. Bei der Wahl in Hessen haben viele WählerInnen ihren Denkzettel doch nicht an die CDU-Vorsitzende Angela Merkel verschickt, sondern an die Bundeskanzlerin Angela Merkel. Wer dies noch immer nicht verstanden hat, der ist blind für die politischen Realitäten. Selbst Volker Bouffier meinte im Hessischen Rundfunk, das desaströse Wahlergebnis für die CDU in Hessen sei ein „Weckruf nach Berlin. Die Menschen haben kein Vertrauen mehr in diese Regierung“. Die WählerInnen wollten der Bundesregierung einen Denkzettel verpassen, so 73 % der abgewanderten CDU-Wähler, bei den früheren SPD-Wählern waren es immerhin 53 % – nach einer Umfrage von Infratest dimap im Auftrag der ARD.
Nehmen wir diese Aussagen der WählerInnen Ernst, und wir sollten es tun, dann ist doch völlig klar, dass der Abgang von Angela Merkel als CDU-Vorsitzende vielleicht in der eigenen Partei zu einigen Lockerungsübungen führen könnte, doch die CDU würde bei den nächsten Wahlen wieder abgestraft. Will die CDU dies verhindern und nicht noch weitere Wählergruppen verlieren, dann muss auch das Kanzleramt eine neue politische Führung bekommen. Im nächsten Jahr werden die WählerInnen vielfältige Gelegenheiten haben, ihren Unmut über die Politik von Bundeskanzlerin Merkel per Stimmzettel auszudrücken: Wahlen zum Europaparlament, zur Bürgerschaft in Bremen, zu den Landtagen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen sowie Kommunal- und Regionalwahlen in zehn Bundesländern. Nur ganz unpolitisch denkende Menschen können annehmen, dass das Pendel in Richtung CDU ausschlägt, wenn die Grundgegebenheiten ähnlich bleiben. Und es wäre politisch geradezu verhängnisvoll, wenn nicht Europa, landes- oder kommunalpolitische Fragen im Vordergrund bei den Wahlentscheidungen stünden, sondern wieder die inhaltliche Politik und der Politikstil von Angela Merkel
Wertebezogene Rückbesinnung und Zukunftsorientierung
Der personelle Neuanfang darf nicht beim Vorsitz der CDU enden, sondern muss auch eine Neuorientierung in der Bundesregierung einschließen – und dazu braucht es eine andere Bundeskanzlerin oder einen Bundeskanzler. Sollte dies die CDU nicht aus eigener Kraft und gerade noch rechtzeitig schaffen, dann wird dies die Wählerschaft bei der nächsten Bundestagswahl von ganz alleine besorgen. Ich glaube allerdings kaum, dass dann noch die CDU im Kanzleramt etwas zu sagen haben wird. Schon alleine der Selbsterhaltungstrieb muss jetzt die CDU zu weitergehenden Veränderungen führen. Und um eine Rückbesinnung auf die christlich-demokratischen Werte wird die CDU auch nicht herumkommen. Die ungeordnete Flüchtlingspolitik mit teilweisem Staatsversagen hat viele Wählerinnen zur AfD getrieben, mangelnde Zukunftsorientierung sowie ein planloser Umwelt- und Naturschutz hat verärgerte CDU-WählerInnen in die Arme von Bündnis 90/ Die Grünen geführt. Und wer sich gar an der sozialen Marktwirtschaft orientiert, der kann höchstens bei der FDP andocken, wobei dort das Attribut ‚sozial‘ doch eher kleingeschrieben wird. Nach den christlichen Grundwerten, die sich doch noch – zumindest als Buchstabe – im Parteinahmen finden, mag ich schon gar nicht mehr fragen.
Als positives Zeichen für einen Willen zur Veränderung konnte man mit einigem guten Willen den Wechsel an der Spitze der Unionsfraktion im XXL-Bundestag interpretieren. Obwohl mir dabei Volker Kauder leidtat, denn er hatte die Speere des Unmuts auf sich gezogen, die eigentlich Bundeskanzlerin Merkel galten. Allerdings ließ sein Nachfolger Ralph Brinkhaus keine Gelegenheit aus, sich zu Merkel zu bekennen. Sein Gerede, es passe kein Blatt Papier zwischen ihn und Angela Merkel sollte man nicht zu wörtlich nehmen, denn in vielen Fällen waren solche Aussagen der Anfang vom Ende eines gemeinsamen Wegs. Und diese Wegkreuzung zeichnet sich mehr als deutlich ab. Wer sich zu eifrig zur Politik der Kanzlerin bekannte, der kann schnell ebenfalls zum Auslaufmodell werden. Ein Neubeginn funktioniert nur mit frischen und ehrlichen Kräften.
Friedrich Merz würde neue Akzente setzen
Zwar kommen die Interessenten an der Nachfolge von Angela Merkel im CDU-Vorsitz zunehmend aus der Deckung, doch wird es noch viel Gerangel um MitstreiterInnen geben, um dann beim CDU-Parteitag am 7./8. Dezember in Hamburg die Oberhand zu behalten. Nicht verwunderlich ist es, dass Annegret Kramp-Karrenbauer, die frühere saarländische Ministerpräsidentin und jetzige CDU-Generalsekretärin ihr Interesse an einer Nachfolge von Angela Merkel als CDU-Vorsitzende erklärte, und sie ist die Lieblingskandidatin der jetzigen Parteichefin. Jens Spahn hielt auch mit seinem Interesse nicht hinter dem Berg: er gilt als Vertreter des eher konservativen Flügels, was sich mir bisher in marktwirtschaftlichen Fragen (Thema Krankenversicherungen) allerdings nicht erschlossen hat. Und seine Äußerungen zu den Hartz VI-Sätzen ließen vermuten, dass sein soziales Gewissen eher unterentwickelt ist. Eine Bereicherung ist es zweifellos, dass Friedrich Merz, der einstige Fraktionsvorsitzende der Union im Deutschen Bundestag seinen Hut in den Ring geworfen hat. Ihm würde ich eine Stärkung der sozialen Marktwirtschaft zutrauen, wovon gerade auch der Mittelstand profitieren könnte.
Für Armin Laschet, den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten, kommt der Rückzug von Merkel eher zur Unzeit: Er ist gerade erst in Nordrhein-Westfalen durchgestartet, und sollte es kurzfristig auch um eine Kanzlerkandidatur gehen, dann ist dieser Schritt für ihn eigentlich zu früh– und letztendlich hat er sich stets als Merkel-Getreuer geoutet. Somit wäre mit ihm eine Neuausrichtung eher schwierig. Für alle Fälle, speziell, wenn das Getümmel in der CDU um den Parteivorsitz zu dramatisch würde, wird als Joker – wie fast immer – Wolfgang Schäuble, der jetzige Bundestagspräsident genannt. Schon allein vom Alter her wäre er eher ein Übergangskandidat mit seinen 76 Jahren, doch in jüngster Zeit fiel er mit Sticheleien gegenüber Kanzlerin Merkel mehrfach auf. Aber Konrad Adenauer wurde ja auch erst mit 73 Jahren Bundeskanzler! Die jüngeren Wählerschichten, die der CDU seit Jahren immer stärker abhandengekommen sind, würden sich allerdings mit solchen Konstellationen kaum zurückholen lassen. Mal sehen, wer noch alles in den Ring steigt, aber ich würde mit Friedrich Merz am ehesten eine Neuorientierung sehen. Und er hat auch bewiesen, dass er außerhalb des Politgewerbes erfolgreich seinen Lebensunterhalt zu verdienen vermag. Dies wird leider immer mehr zur Seltenheit in Deutschland.
Neustart darf kein Fehlstart sein
Wenn die CDU – wie ich hoffe – wieder als Volkspartei an Profil gewinnen will, dann muss sie jetzt zu einem konsequenten Neustart bereit sein. Und wenn dieser nicht zu einem Fehlstart werden soll, dann muss Angela Merkel auch auf das Kanzleramt verzichten. Ansonsten werden die WählerInnen, die in den letzten Jahren von der Fahne gegangen sind, nicht zur CDU zurückkehren. Es macht auch keinen Sinn, wenn sich die CDU – wie nach der Klatsche in Hessen – weiterhin selbst applaudiert: der Beifall muss wieder von den Wählerinnen und Wählern kommen.
Es ist ehrenwert, dass Angela Merkel jetzt doch noch eingesehen hat, dass ein Neubeginn in der CDU notwendig ist, doch sie muss sich auch zum nächsten Schritt entschließen und den Sessel im Kanzleramt freimachen. Dies ist sicherlich ein schwerer Schritt, doch vielleicht kann sie sich dann mit Horst Seehofer und Andrea Nahles treffen, die ebenfalls angeschlagen sind, und den persönlichen Rückzug einleiten sollten. Wir brauchen dynamische und zukunftsorientierte Volksparteien wie CDU, CSU und die SPD, doch diese müssen jetzt auch ihren eigenen Beitrag leisten, um wieder Menschen an sich binden zu können. Sollte sich die CDU nicht zu einem grundlegenden Wandel aufraffen können, dann wird es ihr längerfristig wie der Democrazia Cristiana ergehen, die in Italien zwischen 1945 und 1993 fast alle Ministerpräsidenten in Italien stellte und dann in bedeutungslose Grüppchen zerfiel. Parteien müssen rechtzeitig die Warnsignale verstehen oder es droht der Niedergang. Konkurrenten wie die Grünen oder auch die AfD saugen dann Partei-Flüchtlinge gerne auf. Es gibt somit nur Neuausrichtung oder Selbstaufgabe für die CDU.
Eine Antwort auf „Wahldebakel: Die CDU braucht im Bund einen echten Neubeginn“