Als die SED Deutschland, Gemeinden und Familien zerschnitt
Der 13. August 1961 brachte tiefgreifende Veränderungen für die Menschen in Deutschland: Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) trennte mit menschenverachtenden Grenzanlagen den von ihr okkupierten Teil Deutschlands, die DDR, vom freien Westen noch schärfer ab. Die Berliner Mauer ist zum Glück für Deutschland und Europa bereits länger gefallen als sie die Menschen in Ost und West trennen konnte! Trotz aller Probleme, die nach der Wiedervereinigung zum Vorschein kamen, und die letztendlich auf das wirtschaftliche Versagen der SED zurückzuführen sind, ist für mich noch immer der 9. November 1989 ein Tag der Freude: Der Versuch der SED war gescheitert, aus dem eigenen Land ein Gefängnis zu machen. Nicht nur die innerdeutsche Grenze war Geschichte, die das sozialistische Regime ab 1961 mit Mauern, Zäunen, Minenfeldern und Selbstschussanlagen zu einem monströsen Bauwerk gegen Freiheit und Demokratie umgeformt hatte, sondern auch der Eiserne Vorhang wurde aufgezogen, der Europa geteilt hatte. Wenn eine Regierung das eigene Volk mit barbarischen Zwangsmaßnahmen – wie dem Schießbefehl – am Weglaufen zu hindern versucht, dann hat es im Grunde bereits versagt.
Walter Ulbricht als Herr der Fake News
Noch am 15. Juni 1961 hatte der damalige DDR-Staats- und Parteichef Walter Ulbricht in einer Pressekonferenz verkündet: “Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!” Leider handelte es sich dabei nur um eine Fake News, eine politische Lüge des SED-Chefs, um von den längst laufenden Vorbereitungen für den Mauerbau in Berlin und die Verstärkung der Grenzanlagen auf voller Länge zwischen der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und der Bundesrepublik Deutschland abzulenken. Das sozialistische Regime riegelte am 13. August 1961 den Ostteil Berlins hermetisch ab und errichtete dort in den folgenden Wochen eine Mauer – ganz Deutschland wurde nun noch brutaler geteilt!
Die Zonengrenze wurde im SED-Jargon zum „antifaschistischen Schutzwall“ stilisiert, doch in Wahrheit war sie ein perverses sozialistisches Bollwerk gegen den Freiheitswillen der eigenen Bürger. Familien wurden auseinandergerissen, Dorfgemeinschaften und Stadtteile zerschnitten: Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) versuchte, den Strom der Menschen zu stoppen, die in den freien Teil Deutschlands flüchteten. Blicken wir 2021 zum 60 Jahrestag des Baus der Mauer zurück, dann ist dieses Bauwerk der Unmenschlichkeit inzwischen länger gefallen als sie Bestand hatte! Dennoch können wir viele Lehren aus dem Bau und dem Fall der Berliner Mauer und der anderen Grenzanlagen ziehen.
Die Abstimmung mit den Füßen
Deutschland wurde von der SED-Führung geteilt, um das eigene politische und wirtschaftliche Unvermögen zu beschönigen: Die Abstimmung mit den Füßen, die der demokratische und marktwirtschaftliche Westen für sich entschieden hatte, wurde durch eine brutale Grenze unterbunden. Und wer sich durch Mauern und Zäune auf fast 1400 km, durch über 250 Beobachtungstürme, 144 Bunker und 260 Hundelaufanlagen nicht abschrecken ließ, der wurde unter Beschuss genommen. Mehrere Hundert Menschen haben an dieser Grenze den Tod gefunden, Tausende wurden abgefangen und wanderten ins Gefängnis. In Berlin-Hohenschönhausen wurden sogenannte „Republikflüchtlinge“ eingekerkert und gequält: Auf einer schiefen Ebene mit den Armen nach oben gefesselt und im eiskalten Wasser stehend, das war noch die ‚harmlosere‘ Art der SED- Foltermethoden.
Als am 9. November 1989 die Mauer fiel, war die sozialistische DDR wirtschaftlich und politisch am Ende – die Umwelt zerstört. Michail Gorbatschow machte als Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und Staatspräsident den Weg frei für die Wiedervereinigung. Dank der Milliardenzahlungen der Steuerbürger in West und Ost – ‚Solidaritätszuschlag‘! – konnte der größte Teil des SED-Unrats zwischenzeitlich beseitigt werden, doch die Herrschaft des Sozialismus entfaltet bis heute ihre Zerstörungswirkung in manchen Denkstrukturen.
Mangelhafte politische Aufarbeitung
Die politische und juristische Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen in der DDR kam zu kurz, dies empfinden gerade die Mitbürgerinnen und Mitbürger in besonderer Weise, die zu Opfern des sozialistischen Unrechtsstaats wurden. Damit stehen auch unsere Forderungen an andere Staaten auf wackligen Beinen, denen die deutsche Politik immer mal wieder eine systematische Aufarbeitung und Bestrafung des Unrechts ans Herz legt. Eine Wahrheitskommission hätte uns gleichfalls gut zu Gesicht gestanden! Das sachorientierte und engagierte Wirken der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur ist wichtig, doch hätten die Täter, die Unrecht über ihre Mitbürger brachten, zur Rechenschaft gezogen werden müssen.
So blieben Bespitzelung, unrechtmäßige Inhaftierungen, Kindesentzug aus politischen Gründen und Erschießungen an der innerdeutschen Grenze zumeist folgenlos. Unrecht wird jedoch nicht zu Recht, wenn man es unter den Teppich kehrt. Und der Linkspartei, die aus der Asche der SED entstand, wurde es so leichtgemacht, ihre Wurzeln zu vertuschen.
Aber noch immer gibt es Orte, in denen die deutsch-deutsche Trennung bis heute deutlich spürbar ist. In Berlin haben sich die meisten Narben im Stadtbild geschlossen, Mauerreste erheben sich nur noch an wenigen Stellen aus dem Alltagsleben, und der Berliner Senat lässt sogar weitere Lücken in die letzten Mauerteile schlagen. Ganz anders in Mödlareuth. Der Westteil dieses kleinen Ortes lag in Bayern, der Ostteil in Thüringen und zwischen den Ortsteilen verlief nicht nur der schmale Tannbach, sondern urplötzlich auch eine Mauer. „Little Berlin“, tauften es die US-Amerikaner. Gerade in solch einer kleinen Gemeinde bleibt der Widersinn des sozialistischen Mauerbaus besonders erkennbar. Zu häufig wird in politischen Kommentaren von der Berliner Mauer gesprochen, doch das Unrechtsregime der SED hatte aus der ehemaligen Demarkationslinie ein fast unüberwindbares ‚Bollwerk‘ gemacht, das so manches Mal mitten durch Häuser verlief.
Geschichte verkommt zum Klamauk
Doch nochmals zurück nach Berlin: Immer häufiger habe ich dort den Eindruck, dass für den rot-rot-grünen Senat, und leider auch für viele Berliner und Touristen, die deutsche Geschichte von Teilung und Wiedervereinigung kaum mehr eine Rolle spielt. Das Brandenburger Tor wird bei allerlei Events zur Staffage degradiert: Ausgerechnet das Brandenburger Tor – für mich ein Symbol von Trennung und Wiedervereinigung – wird bei solchen Ereignissen hermetisch mit Bauzäunen, Gittern und Sichtschutzfolien abgeriegelt und auch noch mit Klo-Häuschen verunziert! In die East Side Gallery, eine der letzten größeren erhalten gebliebenen Abschnitte der Mauer, werden – um ein weiteres Beispiel zu nennen – für Immobilienprojekte Schneisen geschlagen und so eines der wenigen Überbleibsel der von der sozialistischen SED-Regierung errichteten Mauer zerstört. Für Die Linke, für mich zu erheblichen Teilen Nachfahrin der SED, mag dies keine Rolle spielen, doch was würde wohl der frühere Regierende Bürgermeister und spätere Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) zu solch einer Geschichtsvergessenheit im rot-rot-grünen Senat sagen?
Die Berliner Mauer wird schon mal zu einem ‚netten‘ Hintergrund für eine ‚Hen Party‘, einen Junggesellinnen-Abschied, an der East-Side-Gallery radeln fahrbare Bierbänke mit ziemlich angesäuselten jungen Männern vorbei, und am Checkpoint Charlie salutieren Fake-Soldaten vor Touristen – zumindest in Vor-Corona-Zeiten. Nun muss man sich nicht tagtäglich Gedanken über die Berliner Mauer machen, die die sozialistische DDR-Regierung schuf, um die Flüchtenden aufzuhalten, die ihr Heil im freien Westen suchen wollten, aber ein wenig Respekt könnte dann doch nichts schaden! Respekt vor den Menschen, die sich aus den Fenstern in der Bernauer Straße abseilten oder unter Lebensgefahr in den Westen sprangen, ehe diese Fluchtmöglichkeit auch versperrt wurde. Historische Orte sollten selbst 30 Jahre nach dem Ende der DDR nicht als Kulisse für Klamauk missbraucht werden.
Die Mauer als Weckruf
Wer die Gemeinde Mödlareuth und ihr Deutsch-Deutsches Museum heute besucht, wer in Berlin nachdenklich die Bernauer Straße entlanggeht oder am Checkpoint Charlie und am Brandenburger Tor für einen Moment das aktuelle Gewusel ausblendet, der spürt die Bedrückung in den Jahren der Trennung und freut sich umso mehr, dass Deutschland wieder zusammengewachsen ist und auch die Teilung Europas überwunden werden konnte. Ein historischer Fortschritt, den es zu erhalten gilt! Dazu haben die Bürgerinnen und Bürger in den mittel-osteuropäischen Staaten und in der DDR maßgeblich beigetragen, doch ohne den bereits erwähnten Generalsekretär der KPdSU Michail Gorbatschow und den verstorbenen Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) hätte es das Zeitfenster nicht gegeben, das die Wiedervereinigung ermöglichte. Dessen müssen wir uns bewusst sein! Mehr als bedauerlich war es, dass wir auch im Westen zu wenig auf den Fall der Mauer vorbereitet waren, und so mussten wirtschaftliche Entscheidungen nicht selten ohne fundierte Pläne getroffen werden.
Ein Blick auf die heutige politische Lage in Europa und der Welt führt uns leider vor Augen, dass in diesen Tagen keine Chance auf einen Fall der Berliner Mauer, die Wiedervereinigung und das Ende der Trennung zwischen Ost und West in Europa bestehen würde. Der Bau der Berliner Mauer durch ein sozialistisches Unrechtsregime darf nicht vergessen werden, und noch mehr gilt das für den Widerstand vieler Bürgerinnen und Bürger, der sich bereits am 17. Juni 1953 in einem Volksaufstand artikuliert hatte. Dieser wurde mit Hilfe sowjetischer Panzer niedergewalzt. Eine solche Maßnahme hätte auch 1989 gedroht, wenn im Kreml nicht Michail Gorbatschow gesessen hätte. Die Teilung konnte überwunden werden, die Tore in der Mauer in Berlin oder in Mödlareuth öffneten sich, Schlagbäume gingen hoch, die Grenzanlagen wurden zur Geschichte. An der Berliner Mauer und entlang der Grenze verloren Menschen ihr Leben, die der sozialistischen DDR den Rücken kehren wollten. Gerade ihnen gilt auch unser Andenken am Tag des Mauerbaus, der sich nun zum 60. Mal jährt. Die Berliner Mauer ist im doppelten Sinne ein Weckruf: Ihr Bau war der Versuch eines Unrechtsregimes, die eigenen Bürger am Verlassen des Landes zu hindern, und die Grenzanlagen zeigten, wozu ein sozialistisches Regime in der Lage ist. Der Fall der Mauer und das Ende der Teilung ist ein Sieg für Demokratie, Rechtsstaat und Freiheitswillen und zugleich ein Weckruf, diese Werte engagiert zu verteidigen.
Umso wichtiger ist es, dass wir dankbar für das Ende der Teilung sind und in Deutschland und Europa auf Zusammenarbeit setzen. Wir müssen in Deutschland und Europa mehr miteinander reden, den gedanklichen Austausch pflegen, auch mal kontrovers.