Die kleinen Paradiese sind bedroht
Frösche, Kröten und Lurche machen sich rar in unserer Landschaft, Libellen jagen immer seltener mit schnellem Flügelschlag ihre Beute, Vögel bleiben in Dürreperioden durstig: Dies ist nicht verwunderlich, denn in den vergangenen 50 Jahren sind in Deutschland rd. 75 % aller Kleingewässer verschwunden. Sie wurden zugeschüttet, um mit größeren Ackergeräten einheitliche Flächen bearbeiten zu können, sie verwandelten sich zu Holzlagerplätzen im Wald oder sie wurden im Zuge von Siedlungen oder Straßen überbaut. Im Gefolge der Flurbereinigungen, die natürlich bei der Arrondierung von bäuerlichem Besitz eine Rolle spielten, räumten Bagger und Planierraupen nicht selten auch gleich die Feldflur aus. Gebüsch, kleine Forste, Felsen und Hecken verschwanden, um großflächige Felder zu bilden – und folgerichtig hatten kleine Tümpel, Vernässungen, Moore oder mäandrierende Bäche wenig Freunde bei den Vertretern der industriellen Landwirtschaft. Die Artenvielfalt geht auf diese Weise immer schneller zurück. In den vorangegangenen Hitzejahren wurde allerdings noch augenscheinlicher, dass Tümpel, Weiher und kleinere Seen verschwunden und mancherorts schon Pfützen zu einer Seltenheit geworden sind.
Kleingewässer unter Druck
Es ist schon paradox, dass gerade die Land- und Forstwirtschaft oder Kommunen über die zunehmende Trockenheit klagen, obwohl sie dazu beigetragen haben, dass Tümpel oder Weiher, Teiche oder Seen weniger geworden sind. Selbstredend können einige Kleingewässer nicht einem klimatischen Trend entgegenwirken, der uns Dürreperioden und das eine oder andere Hochwasser bescheren wird, doch lokal und regional spielen auch überschaubare Gewässer durchaus eine Rolle. Pflanzen im Umfeld eines kleinen Sees kommen besser durch trockene Wochen, und so manches höher gelegene Moor sorgt für Trinkwasser in einem tieferliegenden See – wie wir schon in Irland selbst erleben durften. Tümpel und Weiher, aber auch Moore und Teiche können als Speicher wirken, wenn Sturzfluten vom Himmel strömen. Und Regenrückhaltebecken müssten längst so gebaut werden, dass sie Wasser nicht nur kurzfristig aufhalten, sondern auch einen Teil für trockene Tage speichern können.
Die Kleingewässer sind nicht nur weniger geworden, sondern sie werden zusätzlich durch Umwelteinflüsse in ihrer Funktion für Tiere und Pflanzen weiter bedroht. „Eine Vielzahl verschiedener Pflanzenschutzmittelwirkstoffe (PSM-Wirkstoffe) und z.T. auch deren Metaboliten sind in den Oberflächengewässern Deutschlands wie auch anderer EU-Mitgliedsstaaten regelmäßig nachweisbar. Besonders Kleingewässer sind Einträgen dieser Wirkstoffe ausgesetzt, wenn sie im Einzugsgebiet (EZG) landwirtschaftlich genutzter Flächen liegen, auf denen chemische Pflanzenschutzmittel zum Einsatz kommen“, so das Bundesumweltamt, und „Forschungsergebnisse über den Zustand kleiner Stand- und Fließgewässer in Agrarlandschaften zeigen, dass für den Naturhaushalt unbedenkliche Konzentrationen von PSM-Wirkstoffen überschritten werden und ein guter chemischer und ökologischer Zustand oftmals (noch) nicht vorliegt.“ Besonders betroffen durch Pestizid-Eintrag sind natürlich stehende Gewässer, doch generell sind auch viele Flüsse und Seen mit einem starken Zu- und Abfluss weit von einem befriedigenden Zustand entfernt. „Nur 8,2 % der Oberflächengewässer sind in einem guten Zustand“, so der WWF zur Lage in Deutschland.
Zusätzliche Tümpel und Weiher schaffen
Die noch vorhandenen Kleingewässer müssen erhalten oder renaturiert werden. Voraussetzung dafür ist u.a. „ein mindestens zehn Meter breiter Gewässerrandstreifen als Schutz vor den schädlichen Pestiziden und Gülle der Landwirtschaft“, betonte Laura von Vittorelli, Gewässerexpertin beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Darüber hinaus ist es unerlässlich, weitere Tümpel, Weiher, Teiche oder kleinere Seen in unserer ausgeräumten Landschaft zu schaffen. Wir müssen Fehler vergangener Jahrzehnte berichtigen! Und dies ist nicht unmöglich, was Professor Peter Berthold gemeinsam mit der Heinz Sielmann Stiftung belegt, die seit 2004 am Bodensee an einem Biotopverbund arbeiten, der gerade auch das Anlegen neuer Stillgewässer beinhaltet. In unseren Wäldern müssen Kleingewässer und Vernässungen ebenfalls geschützt, und die Verrohrung des Forsts muss beendet werden. Es ist geradezu auffällig, wie über die Jahre mit immer gewaltigeren Rohren versucht wurde, das Regenwasser möglichst schnell und gezielt in den nächsten Bach abzuleiten. Aus heutiger Sicht zumindest, der falsche Weg. Wer über Dürre klagt, der muss auch den Umgang mit dem Wasser ändern.
Nicht nur Amphibien und Libellen freuen sich an Stillgewässern über neuen Lebensraum, sondern Vögel und viele Säugetiere können dort gleichfalls ihren Durst stillen. Ist die Fläche des Gewässers und der Uferbereiche größer, dann bietet sich in Schilf und Hecken, in Steinhaufen und Totholz neuer Lebensraum für bedrohte Tierarten, so z. B. auch für Eidechsen. Damit wird deutlich: Es reicht nicht, ein steriles Kleingewässer inmitten einer Agrarwüste zu erhalten! Auch das Umfeld muss stimmen. Tümpel haben für Frösche und Kröten den Vorteil, dass ihr Laich weniger durch Fische bedroht wird, da sie hin und wieder trockenfallen. Molche finden sich in Wassergräben und Tümpeln, sogar mit Wasser gefüllte Fahrspuren genügen oft für die Entwicklung der Kaulquappen – wenn es nicht am notwendigen Regennachschub fehlt. Aufhören muss das Aussetzen von Fischen oder Schmuckschildkröten, die ihren zweibeinigen Besitzern nicht mehr gefallen, denn sie greifen in die Biotopentwicklung ein.
Biber gestalten neue Paradiese
Störche und Graureiher erfreuen sich auf Kosten der Amphibien ebenfalls am Futterangebot in Tümpeln und Weihern, an Seen und Bachläufen oder auf vernässten Wiesen. Gibt es Fisch zum ‚Mittagessen‘, dann taucht selbstverständlich auch der Kormoran auf, der zum Leidwesen der Angler und Fischzüchter keinen Unterschied zwischen natürlichen Gewässern und Fischteichen macht. Und der Kormoran hat gegenüber dem Storch dazuhin den Nachteil, dass er ein schwarzes Federkleid trägt und daher manche Zeitgenossen überaus negativ auf seine Anwesenheit reagieren, selbst wenn sie ihn primär nicht als Nahrungskonkurrenten sehen. Ob weiß oder schwarz, ob am Rand des Weihers oder darin aktiv, all diese Tiere haben ein Lebensrecht in unserer Welt – und wir müssen ihren Lebensraum schützen! Naturfreunden zaubern die zurückgekehrten Fischotter ein Lächeln ins Gesicht, doch Besitzer von Fischteichen bekommen Sorgenfalten. Es ist natürlich leicht schizophren, wenn über Jahrzehnte das Fehlen von Fischottern, Bibern oder Wölfen beklagt wird, doch kaum sind sie zurück, da werden die politischen Büchsenspanner aktiv und so mancher Jäger legt willig auf die Zuwanderer an. Schutz für die gezüchteten Fische bieten Elektrozäune, darüber hat auch die Aktion Fischotterschutz gearbeitet. Und bei notwendigen Maßnahmen sehe ich – wie beim Herdenschutz – uns Steuerzahler in der Pflicht! Hier ist im Übrigen jeder Euro besser angelegt als bei EU-Flächensubventionen für Landwirte, die weder auf Nachhaltigkeit noch auf Ökologie abzielen.
Nicht vergessen dürfen wir die Libellen, die – je nach Art – sowohl an fließenden als auch an stillen Gewässern leben, für ihre Larven aber auf alle Fälle Wasser benötigen. Doch bei entsprechender Gestaltung können sich zahlreiche andere Insekten oder Vögel ebenso ansiedeln. Hecken und Steinriegel bieten Raum für Igel, Feldhasen oder Eidechsen. Die Pflanzenwelt ist gleichfalls artenreich: Schilf, Rohrkolben, Kleine Wasserlinse, Gewöhnlicher Wasserhahnenfuß, oder auch Teich- und Seerosen könnten beispielhaft genannt werden. Mehr schätzen sollten wir unbedingt einen Landschaftsgestalter auf vier Beinen: den Biber. Dieser schafft mit seinen Dämmen neue Wasserflächen und damit Lebensräume für Libellen und andere Tiere. Ja, er fällt mit seinen scharfkantigen Nagezähnen auch Bäume und setzt mal eine Wiese unter Wasser, doch die Vorteile für die Natur überwiegen. Und vom Biber geprägte Flächen wirken bei Starkregen ausgleichend und vermindern die Überschwemmungsgefahr.
Landschaft muss vielseitiger werden
Die letzten drei Jahre haben gezeigt, dass wir zunehmend mit Hitze- und Dürreperioden rechnen müssen, und immer mal wieder prasselt dann zu viel Regen auf einmal vom Himmel. Vor diesem Hintergrund spüren wir noch deutlicher, dass uns Tümpel, Weiher, Teiche und Seen fehlen, aber auch Moore und Vernässungen, die ausgleichend wirken könnten. Unsere Landschaft verarmte strukturell und wurde für die industrielle Landwirtschaft sowie Einheitsforste brutal ‚optimiert‘. Die Versiegelung für Städte, Industrie und Verkehrswege wurde zu rücksichtslos vorangetrieben. Und für die Tesla-Ansiedlung im brandenburgischen Grünheide werden heute noch die Gesetze zurechtgebogen: Dort wird das Bundes-Immissionsschutzgesetz leider zur Farce. Unser Wohlstand hängt – keine Frage – auch mit einer modernen Industrie und Infrastruktur zusammen, doch wenn wir unsere Lebensqualität sichern wollen, dann müssen wir bei allen Entscheidungen stärker als bisher Natur und Umwelt berücksichtigen.
Kleingewässer sind nicht nur für Kröten, Frösche, Molche oder Vögel und viele andere Tiere wichtig, sondern sie können auch einen Beitrag zu einem ausgeglichenen Wasserhaushalt leisten. Dies gilt ebenso für Moore, die noch immer in Deutschland und Europa nicht ausreichend geschützt werden, genauso wie für Bäche und Flüsse, denen man über Jahrhunderte ein zu enges Korsett verpasst hat, so dass Auwälder zur Seltenheit geworden sind. Wir brauchen eine breite politische Initiative, die sich für den konsequenten Erhalt von Tümpeln und Seen einsetzt, die Renaturierung von Mooren und Vernässungen vorantreibt und zur Anlage von weiteren Weihern und Teichen beiträgt. Jede sachgerechte Chance sollte genutzt werden, um mehr Wasserflächen in unserem Land zu schaffen! Unsere Landschaft muss wieder vielfältiger werden!
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