Vernebelt der Feinstaub jetzt auch das Denken?
Kann man denn guten Gewissens noch in Stuttgart leben oder gar hinziehen, so werde ich immer häufiger gefragt. Lange habe ich solche Fragen eher als Scherz eingestuft, doch inzwischen gibt es wirklich Menschen, die auf eine Stelle in Stuttgart und der Region verzichten, weil sie durch Überschriften aufgeschreckt werden wie „Stuttgart ist schmutzigste Stadt Deutschlands“ (Stuttgarter Zeitung), „Nicht nur im Stuttgarter Kessel. Rekordverdächtige Feinstaubwerte“ (SWR) oder „Wo Deutschlands Luft am schmutzigsten ist /Zu viel Feinstaub in Stuttgart…“ (Spiegel Online). Und natürlich darf auch der Chef der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, im Deutschlandfunk erklären: „Wir sind jetzt im elften Jahr, in dem Stuttgart die schmutzigste Stadt Deutschlands ist und die Grenzwerte reißt.“ Bundesumweltministerin Barbara Hendricks meint dazu im SWR-Hörfunk (23.2.2017): „Stuttgart ist in einer Notsituation.“
Somit darf sich Stuttgart nicht nur mit dem Ehrentitel „Stauhauptstadt“ schmücken, sondern die Erfinder der Kehrwoche wohnen auch noch in der „schmutzigsten Stadt Deutschlands“.
Wenn man wie ich in Stuttgart geboren ist und auch lange Jahre dort gewohnt hat und seit Jahren eben dort auch arbeitet, dann ergreifen einen beinahe schon depressive Gefühle. Diese verschwinden jedoch schnell wieder, wenn ich durch die großen Parkanlagen spaziere oder die Königstraße besuche, eine der meistfrequentierten Einkaufsmeilen in Deutschland, im Übrigen eine 1,2 km lange Fußgängerzone.
Gottseidank: Trotz Feinstaub immer älter
Natürlich ist es auch mein Anliegen, in einer gesunden Umwelt zu leben, aber das sich ständig erhöhende Alarmgeschrei stimmt mich nachdenklich. „Feinstaubalarm“ wird zum Kampfbegriff, wo Grenzwerte nicht eingehalten werden, da scheint bereits das Totenglöcklein zu läuten. Glaubt man der Europäischen Umweltagentur, dann „verursacht Feinstaub pro Jahr etwa 430.000 vorzeitige Todesfälle in der EU.“ (Spiegel Online, 24.4.2015)
Zum Glück scheinen die Alterungsvorgänge der Menschen nicht mit der Feinstaub-Meßstation am Stuttgarter Neckartor verbunden zu sein, und dies gilt auch für andere Messstellen, ansonsten könnte ich mir kaum erklären, warum die Lebenserwartung seit Jahren, ja Jahrzehnten in Deutschland steigt – und Baden-Württemberg dabei eine Spitzenstellung einnimmt: Die durchschnittliche Lebenserwartung von neugeborenen Mädchen liegt in Baden-Württemberg bei 83,9 Jahren, bei Jungen beträgt sie 79,4 Jahre (Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 4.3.2016). Und die Lebenserwartung in Stuttgart liegt nach der gleichen Quelle sogar noch über dem Landesdurchschnitt.
Soll dies als Entwarnung verstanden werden? Nein! Selbstredend müssen wir alles tun, um Umweltbelastungen weiter zu verringern, aber mit Augenmaß.
Am Neckartor: Messstelle mit Feinstaubfangwand
Generell müsste auch eine Vergleichbarkeit der Messstellen in Deutschland und der EU angestrebt werden. Ich habe wissentlich noch keine Messstelle gesehen, die mit der am Neckartor in Stuttgart uneingeschränkt zu vergleichen wäre: Stuttgart liegt im Talkessel, keine Ringstraße um Stuttgart, Hauptverkehrsstraße (B 14) mitten durch die Stadt, vielbefahrene Kreuzung mit Ampelregelung, von Verflüssigung des Verkehrs keine Rede …, und die Messstelle eingezwängt in eine Gebäudeecke, so daß nun wirklich jedes Feinstaubkörnchen dort einen Besuch abstattet.
Schicken Sie mir doch mal Fotos von Messstellen in Ihrer Umgebung.
Gegenmaßnahmen wurden bisher eher zögerlich angegangen, die Diskussion konzentrierte sich immer zuerst auf Appelle, das eigene Fahrzeug stehen zu lassen, stattdessen den ÖPNV zu nutzen. Das Errichten einer Mooswand an der B 14 wird von vielen eher belächelt: Warum eigentlich? Wenn die kleinen Pflänzchen einen entsprechenden Appetit verspüren und Feinstaub „verspeisen“, dann kann dies ebenso ein Beitrag zu einer geringeren Feinstaubbelastung sein wie häufigeres (Nass-)Reinigen der Straßen. Ein Gutteil des Feinstaubs kommt schließlich nicht aus dem Auspuff, sondern macht sich als Abrieb von Reifen und Bremsen bzw. Aufwirbelungen auf den Weg zum Menschen und natürlich zur Messstelle. Nach zehn Jahren hat die Stadtverwaltung in Stuttgart einen zweiten Versuch gestartet, mit modernen Spezialfahrzeugen den Feinstaub mit Hilfe von Wasser ins Fahrzeug zu saugen. Besser spät als nie, kann ich hier nur sagen. Es geht schließlich um jedes Mikrogramm!
Heute Neuwagen – morgen „Schrottmühle“?
Letztendlich kann man die Grenzwerte, die Politiker im EU-Parlament beschlossen und Politiker im Bundestag in deutsches Recht umgesetzt haben, nicht wegdiskutieren und die Messstelle am Neckartor wird wohl kaum an einen objektiveren Platz versetzt werden können, an dem sich auch mehr Menschen zu Fuß bewegen. Daher müssen konsequent wirklich alle Chancen genutzt werden, sei es durch dauerhaftes Putzen mit neuesten Geräten, durch Mooswände usw. oder eine echte Verflüssigung des Verkehrs durch entsprechende Ampelschaltungen! Auch andere Verursacher, z.B. Komfortholzheizungen müssen stärker ins Blickfeld genommen werden, aber es ist natürlich einfacher, Fahrverbote zu verhängen als durch die Straßen zu gehen und nach Rauch von Komfortheizungen Ausschau zu halten. Wenn ich mich konsequent an die Tempoangaben auf den elektronischen Anzeigetafeln bei der Anfahrt zum Neckartor halte, dann muß ich häufig feststellen, ich komme dennoch nicht bei Grün, sondern bei Rot an der Kreuzung an. Es bleibt also noch viel zu tun.
Fahrverbote können nur das letzte Mittel sein: Allerdings müssen diese mit Weitsicht geplant und langfristig angekündigt werden. Ganz so forsch, wie dies Ministerpräsident Winfried Kretschmann am 21. Februar ankündigte, sollte dies nicht der Fall sein. Wenn ab 2018 an „Alarmtagen“ nur noch Dieselfahrzeuge mit Euro 6 in die Stadt einfahren dürfen, dann ist dies die eine Seite der Medaille, doch z.B. Euro 5-Fahrzeuge, die bis 2015 üblich waren, gleich mit Schrottmühlen zu vergleichen, das geht nicht: „Ich kann auch nicht mit ‘ner Schrottmühle zum TÜV gehen und dann komme ich nicht durch und sage, ihr verbietet mir’s Autofahren.“ (SWR Aktuell, 21.2.2017). Viele Bürgerinnen und Bürger können sich nicht alle paar Jahre ein neues Fahrzeug mit neuester Technik kaufen!
Trotz Feinstaub nach Stuttgart
Als geborener Stuttgarter kann ich nur sagen: Lassen Sie sich nicht irritieren! Kommen Sie nach Stuttgart. Schauen Sie doch mal in den Parks und Museen vorbei, werfen Sie einen Blick von den Oberen Anlagen auf die Messstelle, schlendern Sie über die Königstraße, fahren Sie auf den Fernsehturm und genießen den Blick auf eine Stadt, die so gar nicht den Titel „Schmutzigste Stadt Deutschlands“ verdient.
Also, als schwäbische Hausfrau, sauge ich fast täglich, da sich noch zwei Hunde in meinem Haushalt aufhalten. Wenn ich da in den Auffangbehälter sehe, bzw. diesen leere stehe ich, in meiner Wohnung, in einer Feinstaubwolke. Wir alle produzieren Feinstaub auch ein Politiker wie Winfried Hermann wenn er sportlich mit seinem Fahrrad unterwegs ist. In einem kürzlich ausgestrahlten Interview mit Herrn Hermann, konnte ich mal wieder feststellen, mit wie vielen Worten Politiker nichts sagen können. Unsere politischen Vertreter, sollten als gutes Beispiel vorangehen. Wenn z.B. ein Großteil der Fahrzeuge einer “Bundesanstalt” über 25 Jahre alt sind, und diese einmal quer durch Stuttgart gefahren werden müssen um zur dortigen “Zentralwerkstatt” gebracht zu werden, zu allem Übel auch noch an besagter Messstelle vorbeifahren müssen, müsste diese sofort Alarm auslösen. Kurz, solange der BUND selbst, solche Dreckschleudern durch Deutschland fahren lässt, solange sollten unsere Politiker den Ball schön flach halten.
Stuttgart hat es vor sehr vielen Jahrzehnten verpasst, geeignete Straßen um Stuttgart herum zu bauen. Zudem wurde der Bauboom nicht eingedämmt, so dass an vielen Stellen Bäume gepflanzt oder kleine Parkanlagen hätten entstehen können. Aus welcher Richtung der Wind pustet, ist schon längst erforscht, somit könnten schon lange entsprechende Schneisen dafür sorgen, dass sich die Luft im Kessel Stuttgarts bewegt und abtransportiert werden kann.
Zudem sollten sich die Verantwortlichen Gedanken über den ÖPNV machen. Die Preise des VVS sind nicht dafür geeignet den PKW stehen zu lassen. Andere Städte in Deutschland die ich schon bereist habe und dort den ÖPNV genutzt habe, sind wesentlich günstiger, übersichtlicher und Fahrgastfreundlicher.
Warum soll nun das letzte, kleinste Glied in dieser Kette die Zeche dafür bezahlen müssen? Ich bin sehr dafür unsere Umwelt zu schützen wo immer es geht, aber bitte mit Sinn und Verstand.
Und wie oben erwähnt, leidet zudem das Image der Stadt Stuttgart unter diesen immer währenden Schlagzeilen “Feinstaubalarm”. Schade.