Die Zerstörung der Ozeane stoppen!
Die Ozeane und ihre Nebenmeere bedecken zwar rd. 70 % der Erdoberfläche, doch trotz ihrer gewaltigen Ausdehnung leiden sie unter dem menschlichen Zugriff: Überfischung und Vermüllung können dazu führen, dass bald mengenmäßig mehr Plastik als Fisch in den Meeren schwimmt. Und werden die freilebenden Fische knapp, dann sollen Fischfarmen für einen Ausgleich sorgen, deren Hinterlassenschaften allerdings nicht nur die Wasserqualität gefährden, sondern auch die wilden Artgenossen bedrohen. Zwar nimmt die maritime Öl- und Gasförderung mit ihren Problemen für die Natur in europäischen Gewässern ab, doch dafür machen sich Windenergieanlagen breit, deren Auswirkungen auf Meerestiere wie Delfine und Vögel nicht unterschätzt werden dürfen. 90% des Welthandels werden über die Meere abgewickelt, und so ist es kein Wunder, dass bei all dem Lärm im Meer Wale Orientierungsschwierigkeiten bekommen. Die Erderwärmung, vor allem durch den Ausstoß großer Mengen von Kohlendioxid verursacht, lässt nicht nur das Eis in den Polarregionen abschmelzen. Diese große Kohlendioxidmenge führt auch zu einer Versauerung des Meerwassers, was wiederum nicht nur Korallenriffe schädigt, sondern zusätzlich alle Meereslebewesen, die wie Muscheln oder Schnecken auf ein Kalkskelett angewiesen sind. Während ich dies schreibe, beschleicht mich wieder das Gefühl, dass der Mensch dabei ist, nicht nur die Landfläche – gerade auch durch eine ständige Intensivierung der Landwirtschaft und Flächenversiegelung – zu zerstören, sondern dass dies – weniger auffällig – in den Ozeanen gleichermaßen der Fall ist.

Bleiben bald die Netze leer?
Im Bereich der Europäischen Union gelten zwar Fangquoten, die eine Überfischung verhindern sollen, doch die zulässigen Mengen liegen meist über wissenschaftlich vertretbaren Grenzen. Und die Fangflotten weichen immer stärker in andere Gebiete aus, so z. B. vor die afrikanische Küste, um dort die Netze auszuwerfen, und damit gefährden sie dort gerade auch die Ernährung der einheimischen Bevölkerung und die Arbeitsplätze der Fischer, die mit ihren kleinen Booten gegen riesige Trawler und Fabrikschiffe nicht ankommen. So mancher arbeitslose Fischer wird sich dann mit seiner Familie gen Europa aufmachen und so die Migrationsströme verstärken. „Deutschland hat bei Fisch nur einen Selbstversorgungsgrad von rund 25 Prozent“, so das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, daher ist es von größter Bedeutung internationale und wirklich bindende Abkommen zum Fischfang voranzutreiben, denn regionale Übereinkünfte – wie in der EU – sind natürlich wichtig, doch werden sie die Fischbestände nicht sichern können.
In den letzten Jahren hat China die größte Fischfangflotte der Welt aufgebaut, und ihre Schiffe schalten auch gerne mal Ortungssysteme ab, um ungestört in Schutzgebieten die Netze auswerfen zu können. So berichtete ‚Der Spiegel‘: „Dass derzeit Hunderte, überwiegend chinesische Fischereischiffe vor der Küste der unter Naturschutz stehenden Galapagosinseln unterwegs sind, hat die Regierung Ecuadors bereits im August beunruhigt. Damals klagte das Land über das undurchsichtige Vorgehen der Chinesen.“ Nicht nur der Corona-Virus, sondern auch Fischereischiffe werden zu ungebetenen ‘Gästen’ aus China.

„Vor allem die Fischgründe des Nordatlantiks und des Mittelmeers sind mit gigantischen Schleppnetzen inzwischen praktisch leergefischt“, so Greenpeace. Der Einsatz von Schleppnetzen müsste stärker beschränkt werden, da sie mit den eingesetzten Gewichten den Meeresboden regelrecht umpflügen – und dies mehrmals jährlich. Der Beifang ist ein weiteres Problem der häufig 1 500 Meter langen Netze: Wale und Haie sterben darin. Der Bund für Umwelt und Naturschutz bemerkt dazu: „Dabei leidet oft auch die Qualität der ‚Zielart‘, da viele Fische aufgrund des starken Drucks in den Netzen zerquetscht oder verletzt werden.“ Dies alles ist für mich mehr als erschreckend, obwohl ich gerne am Meer auch mal Fisch esse. Aber wir müssen uns dafür einsetzen, dass beim Fischfang gleichfalls Qualität vor Quantität geht: wer mit brutalen Fangmethoden riesige Mengen an Fisch aus dem Wasser zieht, und dann hohe Prozentsätze an Beifang tot wieder über Bord wirft, der gefährdet den Fischbestand, ohne den Fischessern mehr auf ihren Tellern zu servieren. Längst haben immer größere Trawler die lokalen Küstenfischer an den Rand gedrängt. Die Industrialisierung ist in der Fischerei ebenso vorangetrieben worden wie in der Landwirtschaft, und dies schadet auf dem Meer und auf Äckern und Wiesen der Natur. Wenn ich daher noch Fisch esse, dann von kleinen lokalen Fischern oder zumindest mit MSC-Siegel aus dem Supermarkt.

Lachszucht: Massentierhaltung auf See
Der Fischkonsum hat von 1990 bis 2018 weltweit um 122 % zugenommen, so der aktuelle Bericht der FAO, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, mit dem Titel ‚The State of World Fisheries and Aquaculture 2020‘. Möglich wurde dies nur durch eine explosionsartige Zunahme der in Aquakulturen gezüchteten Fische, die im gleichen Zeitraum um sage und schreibe 527 % angestiegen ist. Die in Meeren und Binnengewässern gefangenen Fische nahmen dagegen nur um 14 % zu, was auch kein Wunder ist, denn die Überfischung fordert ihren Tribut. Wer nun glaubt, mit der Fischzucht den Stein der Weisen für die Ernährung der Menschen gefunden zu haben, der übersieht die Art der Fischhaltung: „Aquakultur birgt weitere Risiken wie Überdüngung, Verschmutzung, Einsatz von Antibiotika und trägt durch die Verfütterung von Fischmehl ebenfalls zur Überfischung bei“, so der NABU.

Als wir vor über 30 Jahren erstmals Fischfarmen in schottischen Buchten sahen und in unserem Schottland-Buch* darüber berichteten, da waren wir über die Dimensionen überrascht, doch der weltweite Boom der Netzkonstruktionen begann damals erst richtig. In ihnen drängeln sich jeweils hunderttausend oder mehr Lachse. Die gezüchteten Lachse haben immer weniger mit ihren freilebenden Artgenossen gemein, die den Atlantik durchqueren und so eine ganz andere Konstitution entwickeln. Die Zuchtlachse und andere Fische haben kaum Bewegungsspielraum. Ihre Exkremente vermischen sich am Meeresboden mit Futterresten: das Wasser in so mancher Bucht ist schon umgekippt. Läuse machen sich auf den Fischen breit und werden mit immer härteren Pestiziden bekämpft, was mir aus der Massentierhaltung von Hühnern, Schweinen und Rindern bekannt vorkommt. So war es nicht verwunderlich, dass wir damals Behälter mit einem Chemiecocktail zu Gesicht bekamen, der ursprünglich für Hühner gedacht war und sogar noch den aufgedruckten Hinweis trug, man dürfe den Inhalt keinesfalls in Wasser einbringen! Die chemische Keule wurde ausdifferenziert, doch sie schlägt weiter zu. Wenn wir schon Lachs aus einer Aquakultur konsumieren, dann sollten wir unbedingt auf ‚Bio‘ achten! Die wenigen verbliebenen Bestände an Wildlachs werden durch ausgebüxte Zuchtlachse gefährdet, die nicht nur Krankheiten weitergeben, sondern auch den Genpool der freilebenden Artgenossen gefährden.

Windkraft statt Ölförderung
Der Weg ins Ökozeitalter scheint in ‚europäischen‘ Meeren mit dem langsamen Übergang von der Öl- und Gasförderung zur Windkraft eingeschlagen zu werden. Dieser Weg ist sicher stimmig, wenn wir die Folgen für die Erderwärmung betrachten, denn die Verbrennung von fossilen Energieträgern lässt die Erderwärmung zunehmen und den Klimawandel galoppieren. Darüber hinaus haben Ölaustritte an Plattformen, aus Pipelines oder havarierten Tankschiffen zu Umweltkatastrophen geführt. Wenn Ölfördereinrichtungen aufgegeben werden, muss unbedingt dafür gesorgt werden, dass keine umweltschädlichen Stoffe in den Konstruktionen verbleiben.

Bei dem derzeit vorangetriebenen Ausbau der Windenergie im maritimen Bereich bekommen wir grünen Strom, und dies ist unerlässlich, wenn wir die Erderwärmung bei 1,5 bis 2 Grad stoppen wollen, doch bei der Errichtung der Windkraftanlagen müssen stärker als bisher die Auswirkungen auf die Natur insgesamt und vor allem auf die Tierwelt berücksichtigt werden. „Auch Offshore-Windenergieanlagen bergen Risiken für marine Ökosysteme, besonders, wenn sie an ungünstigen Standorten gebaut werden. Studien zeigen schädliche Auswirkungen auf Meeressäuger, Vögel, Fische und den Meeresboden.“, unterstreicht der NABU. Beim Einrammen der Fundamente für Windkraftanlagen entsteht trotz Verbesserungen ein Schalldruck, der bei Schweinswalen zu zeitweiliger Schwerhörigkeit führen kann. Viele Meeresbewohner – wie Delfine und Wale – haben ein sehr sensibles Gehör, und nutzen Schall zur Orientierung, zum Finden von Artgenossen und für das Aufspüren von Fischschwärmen. Nicht nur die Delfine, sondern auch andere Walarten sind von dieser akustischen Vermüllung betroffen: seltene Wale finden ihre potentiellen Paarungspartner nicht mehr, da ihre Laute im technischen Lärm untergehen. Der Strom aus Windkraftanlagen im Meer mag im besten Sinne ‚grün‘ sein, denn zur Erzeugung werden keine fossilen Stoffe herangezogen, doch so richtig ökologisch ist er nur, wenn bei Planung, Bau und Betrieb der Anlagen zusätzlich die Tierwelt – z. B. Zugvögel – berücksichtigt werden.

Die Plastikflut steigt
Weltweit landen rund 10 Mio. Tonnen Kunststoffe jedes Jahr im Meer! China nimmt hier über den Jangtsekiang einen unrühmlichen Spitzenplatz ein. Die Forscher des Helmholtz Zentrums für Umweltforschung (UFZ) „haben zudem berechnet, dass die zehn Flusssysteme mit der höchsten Plastikfracht (acht davon in Asien, zwei in Afrika) – in denen zum Teil hunderte Millionen Menschen leben – für rund 90 Prozent des globalen Plastikeintrags ins Meer verantwortlich sind.“ Da fallen die europäischen 200 000 bis 500 000 Tonnen, die sich jährlich in unseren Meeren sammeln, fast nicht mehr auf. Doch wir Europäer müssen selbstredend zuerst vor unserer eigenen Haustüre kehren und die Vermeidung von Plastikgegenständen sowie das Recycling intensivieren. Selbstverständlich sollte es längst sein, dass wir Kunststoffprodukte – z. B. aus Gelben Säcken – komplett in Deutschland oder zumindest innerhalb der EU recyclen.

Zusätzliche Probleme macht der verstärkte Einsatz von Mikroplastik in unterschiedlichen Erzeugnissen wie Peelings oder Zahncreme. Auf diese Weise „gelangen auch Mikroplastikpartikel in Gewässer und die Ozeane. Im Meer sind gerade diese kleinen Partikel ein großes Problem, da sie von den Meerestieren mit Nahrung, zum Beispiel Plankton, verwechselt werden. So konnten in Muscheln, die Planktonfiltrierer sind, diese kleinen Plastikpartikel nachgewiesen werden“, betont der WWF. Man sieht: es geht nicht nur um die Umwelt, die Natur oder einzelne gefährdete Tierarten, sondern auch um uns Menschen. Reste von Kunststoffflaschen an den Stränden oder treibende Plastiktüten im Wasser sind nicht nur optisch ein Alarmsignal, sondern sie sind gewissermaßen nur die sichtbaren Vertreter der Plastikflut, denn die kleinen Teilchen am Spülsaum oder gar Mikroplastik stechen nicht gleichermaßen ins Auge. Wir brauchen zur Reduzierung des Plastikmülls ein europaweites Pfandsystem für alle Plastikflaschen, Verbote für Einwegartikel aus Kunststoff, welches die EU vorantreibt, und eine hohe Sicherheitsleistung für Fischernetze, um gegebenenfalls mit diesen Geldern verlorengegangene Netze bergen zu können. Bei Handelsverträgen und anderen Abkommen beispielsweise mit asiatischen und afrikanischen Partnern muss auf Aktivitäten zur Begrenzung des Plastikmülls gedrängt werden. Es macht wenig Sinn, hier strenge Recycling-Gesetze voranzutreiben oder gar an Stränden selbst Plastikmüll aufzusammeln und ihn über die eigene Mülltonne zu entsorgen, wenn anderswo Lkw-weise der Müll in Flüsse gekippt wird, die ins Meer münden!

Schutz der Meere verstärken
Unsere Ozeane dürfen nicht länger als Müllkippe missbraucht werden, und die direkte Nutzung durch Fischerei, Rohstoffgewinnung, Schifffahrt, Freizeitindustrie, Fischfarmen oder Windenergieanlagen muss so gestaltet werden, dass sie die Meere nicht überlastet. Über den Schutz der Meere wird viel geredet, doch oft wird nur ein wohlklingendes Etikett über die Wunden geklebt, die der Mensch der Natur im maritimen Bereich schlägt. ‚Natura 2000‘ klingt gut, und fast die Hälfte der Meeresfläche, auf die Deutschland direkten Einfluss hat – innerhalb der Zwölfmeilenzone und in der sich bis 200 km anschließenden Ausschließlichen Wirtschaftszone – fällt unter diesen EU-Schutzstatus: aber da wird fleißig weiter gefischt und herumgeschippert. Beschränkungen der Fischerei sind nur im EU-Geleitzug möglich, und Restriktionen für die Schifffahrt können nur gemeinsam mit der Internationalen Schifffahrts-Organisation (IMO) durchgesetzt werden. Ein Blick auf die Weltkarte zeigt überdeutlich, dass deutsche Anstrengungen zum Schutz der Meere in ‚eigenen‘ Gewässern wichtig sind, doch letztendlich lassen sich die Probleme nur im internationalen Maßstab lösen: „Bisher gibt es keinen globalen, rechtsverbindlichen Vertrag zur Einrichtung, Verwaltung und Durchsetzung von Meeresschutzgebieten auf der Hohen See“, beklagt Greenpeace. „Das geltende Seerecht konzentriert sich mehr auf die Nutzung der Ozeane als auf deren Schutz.“ Zwar gibt es Verhandlungen unter dem Dach der Vereinten Nationen, doch Regelungen müssen auch mit der Absicht geschlossen werden, diese durchzusetzen!

Bisher zeigt die Entwicklung der Meere, dass sie schmutziger und lauter werden. „Für einen Großteil der Meerestierarten spielt die akustische Wahrnehmung eine zentrale Rolle in ihrem Leben, etwa um zu kommunizieren, sich zu orientieren, Beute oder Fressfeinde zu erkennen oder die Umgebung wahrzunehmen. Doch in den Ozeanen wird es immer lauter. In den letzten 60 Jahren hat sich der Lärmpegel in manchen Regionen in jedem Jahrzehnt verdoppelt“, so OceanCare. Dazu tragen Handelsschiffe ebenso ihren Teil bei wie das Militär mit Explosivstoffen oder dem Einsatz von Sonargeräten, und zunehmend der Bau von Windkraftanlagen. Ernüchternd ist auch die Feststellung der Welternährungsorganisation FAO, dass sich 1990 noch 90 % der Fischbestände in einem biologisch nachhaltigen Zustand befanden, doch 2017 traf dies nur noch auf 65,8 % zu. Der Hunger nach Fisch oder auch der Appetit auf Fisch führen zu einer Überfischung in immer weiteren Regionen unserer Ozeane. Über die bisher angesprochenen Probleme dürfen wir gleichfalls die Einleitung ungeklärter oder unzureichend behandelter Abwässer direkt ins Meer oder über die Flüsse in die Ozeane nicht vergessen. Hier gibt es in Europa noch viel zu tun!

Wenn wir die dramatischen Veränderungen erkennen, die unsere Meere erleiden, dann müssen wir mit aller Kraft gegensteuern, und dies muss vor der eigenen Küste, aber auch in internationalen Gewässern geschehen. Wer heute als Politiker und Konsument nicht konsequent für den Schutz der Meere kämpft, der vergeht sich an der Zukunft, an der Natur und den nachwachsenden Generationen!
*Cordula und Lothar Ulsamer: Schottland, das Nordseeöl und die britische Wirtschaft. Eine Reise zum Rande Europas, Schondorf 1991, 480 Seiten



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