‚Schöne‘ Brunnen nutzen Vögeln wenig
Nicht nur in der warmen Jahreszeit benötigen Vögel dringend Wasser, doch in Dürrezeiten hängt ihr Schicksal oft nicht an einem seidenen Faden, sondern von einigen Tröpfchen Wasser ab. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, liebe Leserinnen und Leser, aber mir fallen immer wieder die zahlreichen Brunnen und Wasserspiele in unseren Städten auf, die architektonisch gelungen oder künstlerisch wertvoll sein mögen, vielleicht sogar unter Denkmalschutz stehen, doch das Wasser ist weder für Vögel noch andere Wildtiere in den urbanen Quartieren erreichbar. Offene Bäche haben sich ebenso rargemacht wie Tümpel oder Weiher, und so fehlt es Vögeln nicht nur an Nistmöglichkeiten und Insekten als Futter für die Küken, sondern auch an Wasser. Richtiggehend betroffen machte mich daher bei einer Stadtwanderung eine junge Drossel, die mit viel Körperbeherrschung und Einfallsreichtum einzelne Spritzer von einem Brunnen auffing und dabei in akuter Gefahr schwebte, in den Brunnen zu stürzen.
Brunnen ohne Nutzen
Bei historischen Brunnen ist das Landen am und nicht im lebensrettenden Nass meist sehr schwierig, doch als sie aufgestellt wurden, gab es in den Städten noch deutlich mehr offene Wasserstellen. Gleiches lässt sich in den ländlichen Regionen feststellen, wo so mancher Bach in ein Betonkorsett gezwängt, selbst der Feuerlöschteich überbaut, oder Vernässungen und Tümpel trockengelegt wurden. Wasser ist dann für Vögel kaum erreichbar, es sei denn, sie sind Enten, die gefahrlos in einem ‚künstlerisch‘ aufgepeppten Betonbecken landen können. Aber auch Igel, Eichhörnchen oder Feldhasen, die sich in die Städte geflüchtet haben, tun sich bei der Suche nach Wasser schwer. Städtische Brunnen vermitteln zwar dem Passanten das Gefühl, erfrischendes Wasser sprudle durch die nicht selten tristen Städte oder bilde einen Kontrapunkt zu trostlosen und menschenleeren ‚Aufmarschplätzen‘. In unseren Städten fehlen oft Stadtbäume und vielfältige, naturnahe Parks, aber auch für Wildtiere erreichbares Wasser.
Manchmal frage ich mich, wenn ich moderne Wasserflächen zwischen Trutzburgen aus Beton und Glas erblicke, ob einige Architekten keinen einzigen Gedanken an die Mitbewohner unserer Städte verschwenden? Wildtiere scheinen in den Plänen, die mit Genehmigung der politischen Entscheider in Behörden und Gemeinderat umgesetzt werden, keine Rolle zu spielen. Kein Wunder, könnte man sarkastisch sagen, selbst die Bedürfnisse der Menschen werden kaum berücksichtigt. Wer heute noch weitläufige Plätze mit Steinplatten, Pflaster oder Asphalt bedeckt, und nicht an Bäume denkt, der scheint nichts von der Erderwärmung mitbekommen zu haben. Ja, es geht nicht nur um die durstige und badefreudige kleine Drossel, die der Anlass zu diesem kurzen Blog-Beitrag war, sondern um alle Bewohner der Städte – einschließlich der Menschen. Da wird die letzte Baulücke zu geklotzt und ein neues Baugebiet quert die Frischluftschneise, Regenwasser verschwindet im Untergrund bis der Starkregen ganze Straßen überschwemmt, denn es fehlen Überflutungsbrachen. Viel zu lange ging es in unseren Städten, aber auch auf land- und forstwirtschaftlichen Flächen nur darum, das Wasser möglichst schnell abzuleiten, und dem Regenwasser wurden Flächen für die Versickerung genommen, auf denen sich mal eine Pfütze oder ein Tümpel bilden konnten. So ist das Wasser schnell weg – und die Tiere bleiben durstig zurück.
Zugänge zum Wasser schaffen
Urbanität hieß zu lange, die Natur zu verdrängen und sich im städtischen Glanz der Glasfassaden selbst zu bespiegeln. Natur wurde für zu viele Mitbürger etwas, das man im Naturkundemuseum oder im Zoo betrachtet, und wenn ein Fuchs durch die Straßen läuft, greifen nicht wenige Zeitgenossen zum Telefon, um die Polizei zu alarmieren, weil sie ihn für einen Wolf halten. Ich würde mir wünschen, dass Entscheider in unseren Kommunen nicht nur am Sonntag in blumigen Reden auf die Natur zu sprechen kommen, sondern bei planerischen und baulichen Beschlüssen an die Wildtiere denken. In vielen historischen Brunnen würde eine Schale genügen, um ein wenig Wasser gefahrlos für Vögel erreichbar zu machen. Ein Teil des Wassers könnte bei modernen Gebilden außen abfließen und erst nach einem Zwischenstopp im Abflussrohr verschwinden.
Nicht aus den Augen verlieren dürfen wir auch die Chancen, die sich in privaten Gärten bieten: Schon ein kleines Vogelbecken kann helfen. Ich frage mich, warum so wenige Gartenbesitzer in unserer Umgebung Wasser bereitstellen. Ist es ihnen zu viel Mühe, das Wasser möglichst täglich zu wechseln und hin und wieder die Vogeltränke zu putzen? In unserem Mini-Garten mit gerade mal 25 Quadratmetern besuchen nachts Igel die Tränke, tagsüber schauen Eichhörnchen, Meisen, Spatzen, Amseln, Tauben, aber auch Eichelhäher und Elstern vorbei. Wenn wir das Gezwitscher nicht missen wollen, dann müssen wir alle gemeinsam den gefiederten Freunden und anderen Wildtieren helfen.
Vögel haben Durst, und dies gilt gleichermaßen für Igel, Eichhörnchen, Hasen und Füchse oder – die wenig beliebten – Waschbären. Auch Schmetterlinge, Wild- und Honigbienen oder Hummeln brauchen an heißen Tagen Wasser. Städte und Gemeinden sollten es den tierischen Mitbewohnern erleichtern, an das Wasser der Brunnen oder Wasserspiele zu gelangen. Nicht jedes moderne Betonquadrat mit etwas Wasser darin leistet einen Beitrag zu einer lebenswerten Stadt. Es ist höchste Zeit, das Wohl der Wildtiere mehr in den Blick zu rücken, denn wo es Tieren gut geht, geht es meist auch den Menschen gut! Mögen die Fotos der jungen Drossel den einen oder anderen Gemeinderat oder Behördenmitarbeiter anregen, den Zugang zum Wasser für unsere gefiederten Freunde zu erleichtern.
3 Antworten auf „Unsere gefiederten Freunde leiden Durst“