Die Zerstörung der Ozeane muss gestoppt werden!
Die Meere bedecken 70 % der Erdoberfläche, und Algen bzw. Bakterien produzieren dort die Hälfte des Sauerstoffs in unserer Atmosphäre. Dennoch wurden unsere Ozeane bisher stiefmütterlich behandelt. Sie wurden durch menschliche Nutzungen küstennah und auf Hoher See immer mehr zum Sorgenkind. Überfischung und Vermüllung gefährden die maritime Natur ebenso wie die enorme Zunahme der Fischfarmen mit ihren Umweltproblemen. Beim Ausbau der Windparks vor der Küste wird zu wenig Rücksicht auf die Belastbarkeit des jeweiligen Gebiets genommen: Der Lärm bei der Gründung der Fundamente für die Windrotoren beeinträchtigt die Kommunikation der Wale, Zugvögel werden durch den Betrieb bei falscher Planung gefährdet. Wenn wir die Plastikflut nicht stoppen, die sich ins Meer ergießt, werden wird bald mehr Kunststoff als Fisch im Meer haben! Und zunehmend bleiben die Netze leer, weil Fische oft schon gefangen werden, ehe sie sich fortpflanzen konnten. Immer mehr Staaten und Unternehmen wollen Bodenschätze heben, die auf Hoher See bzw. in der Tiefsee liegen. Somit war es höchste Zeit für ein UN-Abkommen, dessen Schwerpunkt auf dem Schutz der Biodiversität in Hochseegebieten liegt.
Auf die Umsetzung kommt es an
Die Mitgliedsstaaten der UN haben sich nun auf ein Abkommen geeinigt, das die biologische Vielfalt in den Ozeanen außerhalb der nationalen Hoheits- oder Wirtschaftszonen schützen soll. Damit ist es möglich, Schutzzonen auf Hoher See einzurichten. Die Hochsee umfasst immerhin zwei Drittel der Meeresflächen. Zwei Jahrzehnte wurde gestritten, jetzt liegt ein Abkommen vor, das noch juristisch geprüft und dann von allen Staaten ratifiziert werden muss. Ob China und Russland wirklich mitspielen, scheint noch unklar zu sein. Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte per Twitter: „Wir haben es geschafft!“. Nun ja, sicherlich ist das Meeresschutzabkommen ein Fortschritt, doch es wird auf die Umsetzung ankommen, was sich auch beim ‘Green Deal‘ der EU zeigt, wo unter Führung von Ursula von der Leyen plötzlich die Kernkraft zur nachhaltigen Energie mutierte. Das neue Meeresschutzabkommen ist bisher eine Sammlung von Verfahrensregeln, doch der Streit wird bei der Festlegung konkreter Schutzgebiete wieder aufflammen. Ich hoffe sehr, dass sich trotz des Bandwurmnamens der Konferenz zügig greifbare Aktivitäten ergeben: ‚Intergovernmental Conference on an international legally binding instrument under the United Nations Convention on the Law of the Sea on the conservation and sustainable use of marine biological diversity of areas beyond national jurisdiction (General Assembly resolution 72/249)’.
Für die Tier- und Pflanzenwelt in unseren Meeren kommt es auf die schnelle und konsequente Umsetzung von Schutzgebieten an, und diese sind auch wichtig für die Sauerstoffproduktion in den Ozeanen. Rund ein Drittel des vom Menschen verursachten Treibhausgases CO2 werden von den Ozeanen aufgenommen. Es kommt in besonderer Weise darauf an, dass weniger Müll und andere Schadstoffe über die Flüsse in die Ozeane gelangen. Und wer die Fischerei als Nahrungsquelle für die Menschheit langfristig sichern möchte, der muss sich für einen umfassenderen Schutz der Fischgründe einsetzen. Beim Fischfang muss Qualität vor Quantität gehen: wer mit brutalen Fangmethoden riesige Mengen an Fischen aus dem Wasser zieht, und dann hohe Prozentsätze an Beifang tot wieder über Bord wirft, der gefährdet den Fischbestand, ohne den Fischessern mehr auf ihren Tellern zu servieren. Längst haben immer größere Trawler die lokalen Küstenfischer an den Rand gedrängt. Weitere Hinweise zu diesem Themenbereich finden Sie in meinem Blog-Beitrag ‚Unsere Meere: Müllteppiche statt Fischschwärme‘. Die Industrialisierung ist in der Fischerei ebenso vorangetrieben worden wie in der Landwirtschaft, und dies schadet der Natur auf dem Meer und auf Äckern und Wiesen gleichermaßen.
Bei Vorhaben auf Hoher See ist nach Ratifizierung des Abkommens eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgesehen. Bergbauprojekte in der Tiefsee müssten dann auf den ökologischen Prüfstand – selbstverständlich küstennahe Eingriffe ebenfalls. Entscheiden über die Einleitung einer solchen Umweltverträglichkeitsprüfung wird jedoch der Staat, der das Projekt federführend angehen möchte. Die Suche nach Schlupflöchern wird mit Sicherheit professionell betrieben, indem die Auswirkungen auf die Natur und die anderen Länder als minimal eingestuft werden. Wer dringend erforderliche Mineralien oder Grundstoffe für Medikamente auf Hoher See beschaffen möchte, wird immer politische Mitstreiter finden, die gerne mal ein oder gleich beide Augen zudrücken. Dies gilt auf dem Land wie im Meer: Mehr Windkraftanlagen müssen her, was richtig ist, doch dann wird vorschnell der Artenschutz reduziert. Und statt auf ohnehin mit Pestiziden und Gülle belastete Äcker zu bauen, soll sich der Schwerpunkt – zumindest in Baden-Württemberg – auf ohnehin bedrohte Waldflächen konzentrieren. Ein weiteres Negativbeispiel war die unzureichende Umweltverträglichkeitsprüfung für das Tesla-Werk in Brandenburg. Statt Tiere und Pflanzen ein Jahr lang zu kartieren, wurden im Dezember Begehungen durchgeführt: Eidechsen lassen sich dann natürlich nicht blicken!
Der Kampf beginnt erst
Den von den Vereinten Nationen erreichten Minimalkonsens in Sachen Meeresschutz auf Hoher See möchte ich keinesfalls kleinreden, doch wer die politischen Prozesse kennt, weiß, dass die Eigeninteressen von Staaten, Unternehmen und Lobbyisten erst richtig tangiert werden, wenn es um die Ausweisung konkreter Schutzgebiete geht. Wer möchte schon gerne öffentlich gegen Natur- und Umweltschutz oder den Erhalt der Biodiversität in den Ozeanen zu Felde ziehen? Aber der Streit wird ganz andere Dimensionen erreichen, wenn konkret auf Fischfang oder unterseeischen Bergbau in wirtschaftlich interessanten Regionen verzichtet werden soll. Können Schifffahrtsrouten verlegt werden, um Walen ungestörte Wanderungsmöglichkeiten zu verschaffen? Industrielle Fischerei, Tiefseebergbau oder Bohrungen nach Öl und Gas haben in echten Schutzgebieten nichts verloren!
Große Worte genügen beim Schutz der Hohen See nicht! Wer als Politiker in New York oder Montreal zusagt, dass ein Drittel der Land- bzw. Meeresfläche geschützt werden sollen, der muss auch tatkräftig und zukunftsorientiert handeln: Die Ozeane benötigen Schutz. Ökologie und Nachhaltigkeit müssen die Grundsätze für wirtschaftliches Handeln sein! Im Zusammenspiel des UN-Abkommens zum Schutz der Biodiversität in den Meeren außerhalb der einzelstaatlichen Gerichtsbarkeit und der Übereinkunft in Montreal zum Schutz von einem Drittel der Land- und Meeresfläche, lässt sich viel erreichen, aber nur bei gutem Willen und nachhaltigem Engagement aller Beteiligten. Es reicht nicht ein grünes Pflaster aufzukleben. Wo Schutz draufsteht, muss er auch im Sinne von Natur und Mensch drin sein! Das Abkommen zur Einrichtung von Schutzgebieten auf Hoher See darf keine leere ‚Verwaltungsvereinbarung‘ sein, sondern der Vertrag muss weltweit schnell ratifiziert und durch die Festlegung konkreter Schutzzonen umgesetzt werden. Nur dann bringt er Vorteile für die Biodiversität in den Ozeanen und ist keine Leerformel.
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Während beim Pkw jedes Mikrogramm an Abgas oder Feinstaub mit aller Macht gejagt wird, schippern so manche Fähren oder Containerschiffe als Dreckschleudern über die Weltmeere. (Bild: Ulsamer)
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