Tier des Jahres 2021: Fischotter brauchen Lebensräume und Schutz!

Wildtiere haben ein Lebensrecht in unserer Natur

Die Rückkehr des in Deutschland nahezu ausgerotteten Fischotters in weitere Landstriche ist ein positives Signal, denn die Otter brauchen saubere Bachläufe und Flüsse, Seen oder Meeresküsten. So sind die geschmeidigen Wassermarder auch ein Beleg dafür, dass sich zumindest bei manchen Gewässern die Wasserqualität, und gleichzeitig die ökologische Beschaffenheit der Ufer verbessert hat. Doch kaum greifen die Otter bei Fischen zu, erhebt sich das inzwischen übliche Wehklagen von Anglern oder Teichbesitzern, die flinken Schwimmer würden Flüsse oder Fischzuchten leerfressen. Da die Otter auch Amphibien auf ihrem Speisezettel führen, wird ihnen vorschnell die Schuld am Verschwinden von Fröschen und Kröten angelastet, die aber Mangels Tümpeln und Weihern immer weniger werden. Fischotter sind für mich faszinierende Lebewesen, und daher begrüße ich sehr die Entscheidung der Deutschen Wildtierstiftung, den Fischotter als Tier des Jahres 2021 zu benennen. Dies wird hoffentlich dazu beitragen, dass durch die Renaturierung von Bachläufen weitere Lebensräume für die Otter geschaffen und vernetzt werden.

Fischotter auf den Hinterpfoten macht gewissermaßen Männchen und beobachtet die Umgebung.
Wildtiere sind besser auf der Hut: Kaum ist der Fischotter wieder in unseren Gewässern aufgetaucht, da gibt es politische Versuche in Deutschland und Österreich, Otter – unter Umgehung des ihm zugebilligten Schutzstatus – zu bejagen. (Bild: Ulsamer)

Nahrungskonkurrenten droht der Abschuss

Man sollte es nicht glauben, aber kaum tauchen Wildtiere wieder auf, die in bestimmten Regionen ausgerottet waren, da möchte der eine oder andere Politiker schon zur Flinte greifen. Und dies nicht nur in Deutschland. Immer finden sich willfährige Bürokraten, die mit juristischen Winkelzügen beim Laden des Gewehrs helfen und Lobbyisten, die das Ganze medial absichern. In Kärnten und Niederösterreich sollen Fischotter getötet werden, und in der Oberpfalz liebäugelt die Bezirksregierung damit, Otter in der Nähe von Fischzuchten mit Fallen fangen und dann erschießen zu lassen. Sollte diese Tür geöffnet werden, dann droht den geschützten Fischottern das Schicksal der Biber: In Bayern erschossen Jäger 2018 nach einer aktuellen Landtagsdrucksache aus dem Jahr 2020 doch tatsächlich 1899 Biber! Der Biber fällt Bäume, der Fischotter fängt Fische, und schon kommen Interessenvertreter und erklären, ihr Berufsstand sei am Ende, wenn die Natur nicht in ihre Grenzen zurückgeschossen würde. Egal ab Wolf, Kormoran oder eben Biber und Fischotter, wer es als Tier wagt, als ‚Nahrungskonkurrent‘ zu den Interessen mancher zweibeinigen Zeitgenossen aufzutreten, der muss mit dem Schlimmsten rechnen. Natur soll gefälligst auf anderen Kontinenten geschützt und im Fernsehen gezeigt werden, doch wehe, bisher verschwundene Wildtiere erscheinen wieder in ihrem vormals angestammten Lebensraum vor der eigenen Haus- oder Stalltüre, im Forst oder am Fischteich!

Meist wird es für Wildtiere gefährlich, wenn von politischen Stellen ‚Managementpläne‘ erstellt werden, die vordergründig die Lebensräume der wieder zugewanderten Tiere schützen sollen, doch viel zu selten werden eigenständige Rechte der Natur zugebilligt. Bei unseren österreichischen Nachbarn sind die Fischotter in Kärnten und Niederösterreich den Landesregierungen ein Dorn im Auge, obwohl auch sie durch die Fauna-Flora-Habitat Richtlinie (FFH) der EU geschützt sind. Aber gewiefte Politiker finden immer ein Hintertürchen und schon darf auf Biber oder Fischotter angelegt werden. Die Bezirksregierung in der bayerischen Oberpfalz ist seit einiger Zeit dabei, genau dieses Türchen aufzustoßen, um es dann zu einem Tor zu erweitern. „Pilotvorhaben zur Entnahme einzelner Fischotter als ultima ratio zum Schutz der oberpfälzer Teichwirtschaft“, so lautet der Titel einer Ergänzung von 2020 zum ‚Fischotter-Managementplan Bayern‘ aus dem Jahr 2013. „Entnahme“ wiederholt sich begrifflich auch im weiteren Text, und schon dieses Wort bringt mich auf die Palme: Ein ‚entnommenes‘ Tier ist anschließend im Regelfall mausetot. Und genau so ist es in der Oberpfalz angedacht. Ich habe alles Verständnis der Welt für die Betreiber von Fischteichen, doch kann ich dem verschwurbelten Text der Bezirksregierung der Oberpfalz nicht folgen, die für meinen Geschmack vorschnell erklärt, dass „zumutbare Alternativen nicht gegeben sind“. Ob die sehr effektiven, speziellen Elektrozäune wirklich sachgerecht gegen Fischotter eingesetzt wurden, kann ich aus der Ferne nicht entscheiden, allerdings erinnert die Argumentation stark an Wolfsangriffe auf Weidetiere, denn auch dort stellt sich häufig heraus, dass Schutzmaßnahmen unzureichend oder gar nicht erfolgten.

Ein Fischotter schwimmend. Leichte Wellen laufen seitlich ab. Er hat das Gesicht ab der Nase über Wasser.
Fischotter sind gewandte Schwimmer und können fünf bis acht Minuten tauchen. Ihr Pelz, den die Menschen lange besonders begehrten, hilft ihnen mit bis zu 70 000 Haaren pro Quadratzentimeter gegen Kälte und Nässe. (Bild: Ulsamer)

Fischotter & Co. werden verleumdet

Und wenn die Sachargumente ausgehen, dann erfolgt beim Wolf wie auch beim Fischotter der Griff ins ansonsten wenig genutzte Archiv kultureller Begriffe: „Gerade für die nördliche Oberpfalz hat die Teichwirtschaft einen hohen, insbesondere identitätsstiftenden Stellenwert – als Erwerbsquelle, aber auch als Kulturlandschaft zur Erhalt der Artenvielfalt. Immer mehr Teichwirte sehen sich jedoch dazu veranlasst, ihre Weiher leer stehen zu lassen oder zumindest nicht mehr zur Fischproduktion zu nutzen.“ Als Soziologe, der im Nebenfach Empirische Kulturwissenschaften studiert hat, freut es mich natürlich, wenn die Politik – hier die Bezirksregierung Oberpfalz – die Kultur im weiteren Sinne nicht vergisst, zumindest in der Kombination „Kulturlandschaft“, denn in Corona-Tagen ist davon ansonsten wenig zu spüren. Kaum greift ein Fischotter zu, da beißt er auch noch kraftvoll in den „identitätsstiftenden Stellenwert“ der Teichwirtschaft und die Kulturlandschaft werde zerstört. Wird nicht etwas zu sehr übertrieben, nur um den Abschussbefehl zu ermöglichen? Die Kulturlandschaft scheint auch immer sofort zu leiden, wenn ein Wolf auftaucht und Schäfer über den neuen – alten – Feind klagen. Nur merkwürdig, dass im Bundestag die CSU gemeinsam mit ihrer Schwesterpartei CDU gegen die Weidetierprämie stimmte, die in der Mehrheit der EU-Staaten bezahlt wird. Ist der Schießbefehl billiger als Schutzmaßnahmen oder die Weidetierprämie? Die Kulturlandschaft wird weniger durch Fischotter oder Wolf bedroht, sondern von Politikern gefährdet, die diesen Begriff nur in Sonntagsreden gebrauchen oder wenn er im Kampf gegen Wildtiere instrumentalisiert wird!

Fischotter, halb auf dem Rücken liegend und nach vorne blickend.
Fischotter mögen es auch mal gemütlich. Doch: Fischotter waren in Deutschland nahezu ausgerottet, und dazu haben vier Faktoren maßgeblich beigetragen. 1. Die Jagd wegen seines begehrten Pelzes. 2. Seit dem Konstanzer Konzil im 15. Jahrhundert galt er – genau wie der Biber – als zugelassene Fastenspeise. 3. Der Mensch betrachtete den Otter als Nahrungskonkurrenten, da auch er gerne beim Fisch zubiss. 4. Viele Gewässer waren verschmutzt oder wurden zunehmend zu Betonrinnen. (Bild: Ulsamer)

Der armselige Versuch mancher Angler und Politiker, die die Fischotter auf dem Kieker haben, scheitert, wenn sie den Fischotter als Zerstörer der Fischpopulationen darstellen wollen: „Der Fischotter ernährt sich größtenteils von Fischen. Er erbeutet hierbei überwiegend kleine Fischarten und darunter oft langsame und geschwächte Tiere“, so der NABU. „Somit trägt der Fischotter dazu bei, dass die Fischbestände gesund bleiben. Neben Fischen macht der Otter auch vereinzelt Jagd auf junge Blesshühner, Enten, Bisam- und Wasserratten, Froschlurche, Krebstiere, Mäuse und Würmer.“ Sollte es in bestimmten Flüssen oder Seen weniger Fische geben, dann liegt dies nicht an den Fischottern, sondern an den Eingriffen des Menschen. Der österreichische WWF betont daher völlig zurecht: „Der Rückgang der Fischbestände liegt an der Verbauung unserer Fließgewässer durch Wasserkraftwerke, Flussbegradigungen und deren schlechten ökologischen Zustand. Nur noch etwa ein Drittel der heimischen Flüsse und Bäche sind natürlich oder naturnah.“ Leider finden wir dies bei unseren Wanderungen auch in deutschen Landen immer wieder bestätigt. Und die Behauptung, der Otter würde so viele Amphibien vertilgen, dass sie ausgerottet würden, ist ebenso ein Polit-Märchen: Weniger Amphibien sind nicht die Folge scharfer Fischotterzähne, sondern der Rückgang resultiert aus der Trockenlegung von Feuchtgebieten, dem Zuschütten von Tümpeln, der Begradigung und Verbauung von Bächen. Die Zahl der Tümpel, Weiher, Moore und Feuchtwiesen ist nicht nur in Deutschland, sondern in weiten Teilen Europas immer weiter zurückgegangen!

Fischotter mit geöffnetem Maul, die vorderen Zähne sind erkennbar.
Den wirtschaftlichen Interessen einzelner Gruppen darf die Natur nicht bedingungslos unterworfen werden! Fischteichbesitzer, Angler, Jäger, Förster oder Weidetierhalter melden sich zwar lautstark zu Wort und finden offene Ohren bei manchen Politikern, doch sie dürfen nicht die Eigenrechte der Natur in Frage stellen! Wir sollten uns über die Rückkehr von Fischotter & Co. freuen und nicht schon wieder Überlegungen zu seiner Dezimierung zulassen. (Bild: Ulsamer)

Fast ausgerottet – und weiter schutzbedürftig

In der Vergangenheit setzten sich die Jäger mit ihren Otterhunden gleich aus mehreren Gründen auf die Spur des Fischotters: Sein Pelz war begehrt, denn auf einem Quadratzentimeter Haut drängeln sich bis zu 70 000 Haare. Da werde ich richtig neidisch, denn bei mir hilft nur eine dicke Wollmütze auf dem Kopf! Gejagt wurde der Fischotter, der größte Marder Deutschlands, – wie bereits angesprochen – als Nahrungskonkurrent, der den Menschen Fische wegschnappte. Diese Sichtweise mag ja vor allem in zurückliegenden, von Armut und Nahrungsknappheit betroffenen Zeiten vielleicht noch zutreffen, doch sicher nicht heute, wo Nahrungsmittelüberfluss herrscht. Und zu guter Letzt konnte der Otter auch – nach Meinung der kirchlichen Auslegung – lange an ansonsten fleischlosen Freitagen und in der Fastenzeit verspeist werden, da er wegen seines Lebens im und am Wasser, ebenso wie der Biber, kurzerhand als ‚Fisch‘ eingestuft wurde. So war es nicht verwunderlich, dass der Fischotter in Deutschland bis auf kleine Restpopulationen ausgestorben war.

Fischotter auf einem flachen Stein in einem kleinen See.
Der Fischotter ist von der Deutschen Wildtierstiftung zum Tier des Jahres 2021 gewählt worden. Hoffentlich trägt dies zum nachhaltigen Schutz der Fischotter und ihres Lebensraums bei. (Bild: Ulsamer)

Fischotter sind bei der Jagd auf Fische phantastische Schwimmer und Taucher, und sie sind auch gut zu Fuß unterwegs. Gerade bei ihren Wanderungen sind sie akut durch den Fahrzeugverkehr gefährdet, denn sie unterqueren Brücken ungern schwimmend im Gewässer, sondern marschieren über die Straße. Schon vor Jahren hat daher die Aktion Fischotterschutz im niedersächsischen Hankensbüttel begonnen, in ihrer Region unterhalb von Brücken eine Möglichkeit zu schaffen, damit Otter gewissermaßen zu Fuß das Bauwerk passieren zu können. Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz betont: „Abhilfe schafft da nur die ottertaugliche Umrüstung der Brücken. Nur, wenn ein Uferstreifen oder ein horizontal angebrachter Holzsteg ihm die Unterquerung der Brücke erleichtern, meidet er die Straße.“ Warum Fischotter nicht bereit sind, Brücken schwimmend hinter sich zu bringen, ist bisher ungeklärt. Aber auch im Wasser drohen Gefahren: „Gefährlich wird sein Appetit, wenn der Fischotter versucht, in aufgestellte Fischreusen zu gelangen. In den engen Garngeflechten bleibt der Fischotter stecken – er kann sich nicht mehr befreien und erstickt. Eingebaute Metallgitter, sogenannte Otterkreuze im Eingang dieser Reusen können das Eindringen von Fischottern verhindern. Auch der Reusen-Ausstieg speziell für Fischotter ist eine Schutzmaßnahme in der Fischerei“, so die Deutsche Wildtierstiftung. Solche technischen Vorkehrungen müssten generell vorgeschrieben werden, um Fischotter vor dem Ertrinken zu bewahren.

Fischotter an einem Gewässer zwischen grünem Gras.
Die Rückkehr des Fischotters ist im Grunde ein positives Zeichen, denn er scheint wieder naturnahe Bäche, Flüsse, Seen oder Küstenabschnitte zu finden. (Bild: Ulsamer)

Natürliche Lebensräume weiter bedroht

Um unsere Natur ist es nicht gut bestellt, wenn man von einzelnen Verbesserungen absieht. Dies hat auch der neueste ‚Bericht zur Lage der Natur in Deutschland‘ aufgezeigt, den die Bundesregierung vorgelegt hat. Knapp 70 % der unter dem Blickwinkel des Artenschutzes bewerteten Lebensräume weisen einen ungünstig-unzureichenden oder -schlechten Erhaltungszustand auf. Kein Wunder, dass auch 63 % der betrachteten Arten in diese negativen Kategorien fallen. Um so schöner ist es doch, wenn ausgerottete Tierarten in unser Land zurückkehren, was für den Fischotter und gleichfalls für Biber, Luchs und Wolf gilt.

Die Natur darf nicht länger nur als Wirtschaftsfaktor angesehen werden, vom Forst über Äcker und Wiesen bis zu Fischteichen, sondern sie hat einen Eigenwert. Und dies gilt genauso für den Fischotter! Wenn wir die Lebensräume des Fischotters pfleglicher als bisher behandeln, dann hilft das auch anderen Tier- und Pflanzenarten – und uns Menschen. Naturnahe Gewässer zu erhalten oder entsprechend zu renaturieren, ist ja keine freundliche Gabe für Fischotter oder Biber, sondern unerlässlich für uns alle, wenn wir in Dürrejahren nicht vollends auf dem Trockenen sitzen wollen. Die Politik darf sich nicht zum willfährigen Erfüllungsgehilfen von Fischteichbesitzern oder Viehhaltern, Anglern oder Jägern machen lassen, die aufschreien, wenn Otter, Reiher oder Kormorane Fische fangen, ein Wolf Rehe oder Schafe reißt, ein Biber Bäume umlegt oder eine Wiese unter Wasser setzt. Wir als Steuerzahler müssen den Schutz von Fischzuchtanlagen oder Weidetieren finanziell unterstützen und gegebenenfalls beim Schadensausgleich mitwirken, doch das setzt voraus, dass die Tierhalter ebenfalls ihren Beitrag zur Absicherung ihrer Bestände leisten.

Der Fischotter verdient unseren Schutz, und hoffentlich trägt seine Wahl zum Tier des Jahres 2021 dazu bei, dass dies noch mehr Bürger als bisher erkennen und sich für den Otter und andere Wildtiere einsetzen. Wildtiere haben ein Lebensrecht in unserer Natur!

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