Linke und Grüne verheddern sich im Klein-Klein
In Stuttgart wurde Dr. Frank Nopper im zweiten Wahlgang zum Oberbürgermeister gewählt: Die CDU jubelt in Baden-Württemberg, SPD und Grüne schauen etwas bedröppelt drein, denn sie haben auf die falschen Personen gesetzt. Die SPD muss sich schon fragen lassen, was sie in der Landeshauptstadt so treibt: Ihr Mitglied Marian Schreier, Bürgermeister in Tengen (Kreis Konstanz), fand kein Wohlgefallen bei den Stuttgarter Genossen, die sich für den Fraktionsvorsitzenden im Gemeinderat, Martin Körner, als OB-Kandidaten entschieden. Am ersten Wahlsonntag allerdings ging Körner mit nur 9,8 % der Stimmen unter. Die Grünen floppten mit Veronika Kienzle ebenfalls beim ersten Wahlgang (17 %) – und ihre Kandidatin warf das Handtuch. So war der Weg für Frank Nopper frei, der – verfolgt von Marian Schreier und Hannes Rockenbauch, einem linkslastigen Stuttgart 21-Gegner – mit 42,3 % der abgegebenen Stimmen im zweiten Wahlgang den Chefsessel im Stuttgarter Rathaus erklomm. Die Zersplitterung des selbsternannten ‚öko-sozialen Lagers‘ ebnete dem bisherigen Backnanger Oberbürgermeister den Weg zurück in seine Geburtsstadt Stuttgart.
Grüne Hoffnungsblasen sind zerplatzt
Zur Ehrenrettung der Kandidatin von Bündnis 90/Die Grünen muss gesagt werden, dass Veronika Kienzle durch ihren grünen Parteifreund Fritz Kuhn keinen politischen Schub verspürte, sondern im Gegenteil: Die Bilanz von Noch-Oberbürgermeister Kuhn nach einer Amtsperiode ist mehr als mager. Gerade bei Verkehr oder Wohnen hat er wenig bewegt, im Kulturbereich hinterlässt er die umstrittene Sanierung des Opernhauses für eine Milliarde Euro, die er mit Hilfe der grün-schwarzen Landesregierung an der Bürgerschaft vorbei betrieb. Die Planungen für die Nachnutzung der durch Stuttgart 21 freiwerdenden Flächen kam auch nicht richtig voran, so dass der Chefredakteur der Stuttgarter Zeitung, Joachim Dorfs, seinen Kommentar mit „Das Jahrzehnt als Zeiteinheit“ betitelte. Er schrieb: „Über 6000 Wohnungen sollten dort entstehen. Aus heutiger Sicht muss man feststellen: Wohnraum, der vielleicht (!) ab 2037 gebaut werden kann, ist kein Argument gegen Wohnungsmangel.“
Immer häufiger gewann auch ich den Eindruck, dass sich nicht nur bei Fritz Kuhn, sondern in weiten Teilen der Stadtverwaltung eine gewisse Schläfrigkeit durchgesetzt hatte. „Offenbar hat sich in Stuttgart das Jahrzehnt als kleinste Zeiteinheit für Veränderungen etabliert“, um nochmals Chefredakteur Dorfs zu zitieren. Er stellte an den neuen Oberbürgermeister eine klare Forderung: „Auch er wird die Verwaltung nicht im Handumdrehen verändern können. Aber den Willen, Projekte schnell zu entscheiden und zügig durchzuziehen, den muss er seiner Verwaltung deutlich einimpfen.“ Dies scheinen die WählerInnen der Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle, die hauptamtlich im Staatsministerium tätig ist, wohl nicht zugetraut zu haben. Und die Diskussion, ob sie Eurythmie studiert oder eine Ausbildung in diesem Bereich absolviert habe, ließ auch beim einen oder anderen wohlmeinenden Bürger Zweifel aufkommen, ob sie die Stadtverwaltung auf Vordermann bringen kann. Eines ist klar, der grüne OB Fritz Kuhn war für Kienzle eine Belastung, und schon im Vorfeld der Wahl hatten sich überregional bekanntere Grüne – wie Landtagspräsidentin Muhterem Aras oder Ex-Grünen-Häuptling Cem Özdemir – flugs verdrückt, als es um die richtige Kandidatin oder den zugkräftigsten Bewerber ging. So haben die Grünen nach Freiburg mit Stuttgart in Baden-Württemberg bereits die zweite Großstadt verloren.
Die SPD setzte aufs falsche Pferd
Die SPD verspielte ihre Chancen, als sie mit Martin Körner auf die falsche Karte setzte und auch im zweiten Wahlgang nicht bereit war, sich hinter den jungen Bürgermeister Marian Schreier zu stellen, der als einziger Gegenspieler mit fast 37 % Frank Nopper wirklich gefährlich werden konnte. Als ich vor wenigen Jahren Marian Schreier in Tengen traf, war er kurz zuvor zum Bürgermeister der Kommune mit 4600 Einwohnern gewählt worden, die den Titel Stadt trägt. Ich habe einen sehr guten Eindruck mitgenommen, denn er ist zugewandt und dabei sachorientiert und zielstrebig. Und so war für mich auch klar, dass es ihn auf Dauer nicht im Hegau halten wird. So gesehen ist sein 2. Platz in Stuttgart absolut kein Debakel für ihn, ganz im Gegenteil: sein ausgezeichnetes Ergebnis als Einzelkandidat wird ihm in der Politik viele Türen öffnen, obgleich die Stuttgarter SPD zu lange grummelte und sich nicht auf den „Jungen“ als Kandidaten einigen konnte.
Hannes Rockenbauch hat es auch im zweiten Anlauf – nach 2012 – erwartungsgemäß nicht ins OB-Amt geschafft. Wer heute noch von einer Umwidmung der Tunnel und Baugruben palavert, die für den neuen unterirdischen Hauptbahnhof in Stuttgart und den Anschluss an die Schnellbahntrasse nach Ulm errichtet wurden, der kann wohl kaum ernsthaft Oberbürgermeister einer Stadt werden wollen. Nach meiner Meinung passt Rockenbauch daher auch zu den Ewiggestrigen, die gegenüber dem Hauptbahnhof in einer Hütte für das Ende von Stuttgart 21 streiten, obwohl sich dieses Mammutprojekt langsam dem Abschluss nähert. Als Oberbürgermeister meiner Geburtsstadt hätte ich mir Rockenbauch nun wirklich nicht vorstellen können, der sich für die Dauermahnwache einen Glaspavillon gewünscht hatte. Kritik am Ablauf des Gesamtvorhabens Stuttgart 21 ist mehr als berechtigt, darauf bin ich auch schon eingegangen, doch kilometerlange Tunnel für die innerstädtische Logistik nutzen zu wollen, ist nun wirklich absurd! Und ein eindeutiger Volksentscheid zugunsten von Stuttgart 21 wurde selbst vom grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann akzeptiert.
CDU hatte mit Frank Nopper das richtige Händchen
Wer sich mit Veronika Kienzle, Marian Schreier und Hannes Rockenbauch näher beschäftigt, der erkennt schnell, dass die kurzfristig ins Spiel gebrachte Konzentration auf einen Kandidaten zum Scheitern verdammt war. Die Personen und ihre politischen Aussagen sind zu unterschiedlich. Der Anlauf, eine gemeinsame inhaltliche Grundlage zu schaffen, blieb ebenfalls im Unkonkreten stecken. Und so war der Weg frei für Frank Nopper, den ich als engagierten Oberbürgermeister kenne. Mag Stuttgart auch 10mal größer sein als sein bisheriger Wirkungskreis, die Große Kreisstadt Backnang, so hat er dort gezeigt, wie sich eine Kommune voranbringen lässt. Beruflich hatte ich mit Dutzenden von Bürgermeistern und Oberbürgermeistern zu tun, und ich kann den Eindruck nicht verhehlen, dass die Amtsträger in den kleineren Kommunen zumeist näher an den Menschen und den Problemen ihrer Gemeinde dran waren. So hoffe ich, dass Frank Nopper sich dies auch im Stuttgarter Rathaus erhalten kann.
Die CDU war gut beraten, auf Nopper zu setzen und nicht wie 2010 gewissermaßen einen Kandidaten ‚einfliegen‘ zu lassen, der zwar aus Stuttgart stammte, aber Kommunalpolitik zuvor eher aus der Ferne betrachtet hatte. Vor acht Jahren sollte der Medienunternehmer Sebastian Turner ‚metropolitan atmosphere‘ nach Stuttgart bringen und scheiterte am eher biederen grünen Fritz Kuhn, allerdings mit einem etwas höheren Prozentsatz als Frank Nopper ihn erzielen konnte. Nopper, Schreier und Rockenbauch wurden im Übrigen auch in Stuttgart geboren, wobei dies in einer Stadt mit hohem Migrationsanteil sicherlich nicht mehr ausschlaggebend ist. Viele Wähler dürften jetzt auf die Erfahrung von Frank Nopper gesetzt haben, und diese billigten sie auch Marian Schreier zu, der mit dem Slogan „Der Junge kann das“ antrat.
Mehr Dynamik wichtig
Die CDU hat in Stuttgart gezeigt, dass sie mit einem sachkundigen und erfahrenen Kommunalpolitiker, der – wie Frank Nopper – auf die Menschen zugeht, doch noch ‚Großstadt kann‘. Dies könnte ihr auch für die im März 2021 anstehende Landtagswahl Auftrieb geben. Die Christdemokraten dürfen nicht aus den Augen verlieren, dass erst die Zerstrittenheit der Gegenkandidaten den Weg für Nopper ins Stuttgarter Rathaus freimachte. Aber so ist es nun mal in der Politik: Die Schwäche des Dreigestirns Kienzle, Körner, Rockenbauch wurde zur Stärke von Frank Nopper und ließ Marian Schreier zu einem überregional bekannten Polit-Talent aufsteigen.
Ich hoffe sehr, dass Frank Nopper die Verwaltung in Stuttgart auf Vordermann bringt und gemeinsam mit dem Gemeinderat neue Prioritäten bei Verkehr, Wohnen, Integration, Kultur, Sicherheit und Sauberkeit setzen kann. Eine eigene politische Mehrheit hat er im Gemeinderat nicht, doch bei kommunalen Vorhaben sollten sich Gemeinsamkeiten über Parteigrenzen hinweg finden lassen.
Sehr geehrter Herr Dr. Ulsamer,
eine eigne Parteimehrheit hat der neu gewählte Oberbürgermeister von Stuttgart im Stadtrat, wie Sie zurecht feststellen, nicht. Dies stellt für die Stadt Stuttgart keinen Nachteil dar. Städtische Projekte sind glücklicherweise selten parteipolitisch veranlasst oder idiologisch gesteuert.
Dies ermöglicht sinnvolle Mehrheiten, insbesondere bei unterschiedlichem Abstimmungsverhalten innerhalb der Fraktionen, wenn die Entscheidung nach sachbezogenen Diskussionen getroffen wird.
Voraussetzung ist, dass die Damen und Herren im Stadtrat ihr Handeln am Wohl er Stadt orientieren und nicht den Blick darauf richten, welche Auswirkungen das eigene Handeln, auf die Landespolitik haben könnte.
Bei der Wahl galt wie auch sonst, wo zwei sich streiten, freut sich der Dritte.
Als SPD-Anhänger bin ich nicht über das Wahlergebnis begeistert, bin mir aber sicher, dass die Bürger der Stadt Stuttgart einen kompetenten Oberbürgermeister und keinen Parteipolitiker ins Amt gewählt haben.
Mit freundlichen Grüßen aus Immensingen, einer kleinen Gemeinde in der der Gemeinderat nicht nach Parteizugehörigkeit handelt.
Gerhard Walter
Ich kann Ihnen, sehr geehrter Herr Walter, nur zustimmen. Und Immendingen ist für mich ein besonders positives Beispiel, das ich im Rahmen eines Projektes kennenlernen durfte. Im Gemeinderat stand immer – wie Sie zurecht schreiben – das Wohl der ganzen Kommune im Vordergrund. Ich wünsche der ganzen Gemeinde Immendingen weiterhin alles Gute.