Grüne, CDU und SPD in Baden-Württemberg für Versorgungswerk
Eine Mehrheit des baden-württembergischen Landtags aus Grünen, CDU und SPD hat sich dafür ausgesprochen, dass die Abgeordneten über ein Versorgungswerk – und nicht über die staatliche Rentenversicherung – abgesichert werden. Selbstredend müssen unsere Parlamentarier auf Landes- und Bundesebene vernünftig abgesichert werden, das steht für mich außer Frage. Aber kurios war der Weg in Baden-Württemberg auf jeden Fall, der nun zu dieser Entscheidung – gegen FDP und AfD – führte. Irgendwie ist es schon skurril, dass Bündnis 90/Die Grünen und die SPD allen Erwerbstätigen – so auch Beamten, Selbständigen und Politikern – die staatliche Rentenversicherung empfehlen, doch sich selbst dann gerne anderweitig absichern, selbstverständlich mit Hilfe unserer Steuergelder! Ist das die Kultivierung der Widersprüche als Politik-Ersatz?
Handstreich gescheitert
Ein kurzer Blick zurück: Die Abgeordneten hatten im Landtag von Baden-Württemberg 2008 Einsicht gezeigt und beschlossen, dass sich die Abgeordneten selbst um ihre Altersversorgung kümmern müssen. So wurden ja auch die Bürgerinnen und Bürger seit Jahren belehrt: Sorge selbst und rechtzeitig für dein Alter vor! Die Regelung trat dann 2011 in Kraft, und damit kein Abgeordneter am Hungertuch nagen muss, bekamen sie alle selbstverständlich einen finanziellen Zuschlag, der deutlich über dem Höchstbeitrag für die Rentenversicherung liegt. 2017 merkten die Abgeordneten, dass die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank ihre private Alterssicherung gefährdet – und innerhalb einer Woche peitschten sie die Rückkehr zu einer staatlichen Absicherung im Landtag durch! Verwundert rieben wir Bürger uns die Augen, denn so schnell geht es in einem Landesparlament im Regelfall nie!
Der Aufschrei der Bürgerschaft zwang die Befürworter der handstreichartigen Rückkehr zur staatlichen Absicherung zur Umkehr. Doch bedauert wurde nicht der Inhalt des neuen Gesetzes, sondern nur die Art und Weise, wie dieses im Landtag vorangetrieben wurde. Nun gab es nicht nur Arbeitskreise, sondern auch eine Kommission mit Fachleuten. Und siehe da: Jetzt läuft es doch wieder in die angedachte Richtung: Eine Sonderlösung für die Abgeordneten in Baden-Württemberg, die bereits ihren Kollegen in Nordrhein-Westfalen und Brandenburg besser gefällt als die Deutsche Rentenversicherung.
Wachsweiche Grundsätze
Damit könnte ich gut leben, wenn uns nicht gerade die Grünen und die SPD immer wieder mit blumigen Worten die Deutsche Rentenversicherung ans Herz legen würden. Aber wenn es zum Schwur kommt, dann flüchten sich die Politiker in Bund und Ländern gerne in eine eigenständige staatliche Absicherung über dem normalen Rentenniveau oder in ein Versorgungswerk. Da keimt dann schnell der Verdacht auf, dass manche Politiker den eigenen Ratschlägen zutiefst misstrauen. Bündnis 90/Die Grünen verkündet auf der Internetseite der Bundestagsfraktion: „Nach unserer Überzeugung ist eine gesetzliche Rentenversicherung, die alle einbezieht, Ausdruck einer solidarischen und inklusiven Gesellschaft. Soziale Gerechtigkeit heißt für uns, alle, die sich in einer vergleichbaren wirtschaftlichen Situation befinden, sind auch in der Alterssicherung gleich zu behandeln.“ Komisch nur, dass die Grünen in Baden-Württemberg dann für eine Sonderlösung – ein Versorgungswerk für Landtagsabgeordnete – stimmten. Und dabei schrieben die Bundes-Grünen weiter: „Auch Politikerinnen und Politiker wollen wir sofort in die Rentenversicherung aufnehmen.“
Als der Sozialverband VdK eine Einbeziehung von Selbständigen, Beamten und Politikern in die Deutsche Rentenversicherung propagierte, sprang ihm die damalige SPD-Chefin Andrea Nahles bei. Kein Wunder, dass sich die Präsidentin des VdK, Verena Bentele, heute über den Sonderweg in Baden-Württemberg, der mit Unterstützung der SPD beschritten wird, wundert: „Die für Baden-Württemberg geplante Neuregelung ist inakzeptabel, weil die Abgeordneten sich auf diese Weise weiterhin der solidarischen gesetzlichen Rentenversicherung entziehen.“
Politikverdrossenheit Vorschub geleistet
Während meines Soziologiestudiums hatte ich noch gelernt, dass eine kognitive Dissonanz entsteht, wenn zwei Wahrnehmungen, Wünsche oder Absichten einander widersprechen. Dies werde als unangenehm empfunden! Im Regelfall stimmt das in der Tat, doch manche Politiker scheinen ein solch unangenehmes Gefühl problemlos verdrängen zu können!
Es gibt Parlamentarier, die es trefflich verstehen, uns Bürgern die eigenen Widersprüchlichkeiten als Politik-Ersatz zu vermitteln. Eine Weile mag das gut gehen, aber auf Dauer führt ein solches Verhalten zu noch mehr Politikverdrossenheit. Politiker sollten uns nur dann gute Ratschläge erteilen, wenn sie diese selbst beherzigen.
2 Antworten auf „Staatliche Rentenversicherung für alle! Nur nicht für Abgeordnete?“