Auch ein Freundeskreis fürs Pferd bringt keine Rettung für die Sozialdemokraten
Die SPD befindet sich weiterhin im Bund und in den Ländern im Sinkflug, doch es fehlt an einer Rückbesinnung auf die Grundwerte der SPD, an einer Orientierung an den Problemen der BürgerInnen und an den richtigen Zugpferden. Apropos Pferde: Muss Andrea Nahles, die Bundesvorsitzende der SPD, als deren Fraktionsvorsitzende im Bundestag ausgerechnet in dieser verfahrenen Situation einen parlamentarischen Freundeskreis für das Pferd mit ins Leben rufen? Und Olaf Scholz scheint ernsthaft zu glauben, dass er mit einem europäischen Arbeitslosenfonds die EU voranbringen und WählerInnen gewinnen kann. Wo leben eigentlich die beiden Berliner Führungsspitzen der SPD? Soziale Gerechtigkeit und Solidarität sollten in die tägliche Politik einfließen und nicht nur als hehre Leitsätze in Parteiprogrammen stehen. Ausgerechnet in Tagen, in denen die italienische Regierung auf dem EU-Tisch tanzt, versucht der Bundesfinanzminister den Deutschen eine europäische Umverteilung in der Arbeitslosenfinanzierung schmackhaft zu machen. Nach Bayern und vor Hessen, da frage ich mich schon, was die SPD-Führungspersonen so umtreibt. Mit dem Denken breiter Kreise ihrer potentiellen Wählerschaft hat dies allerdings wenig zu tun.

Ohne Grundwerte stolpernd in die Zukunft
Im Sommer 2018 hat die SPD ihre historische Kommission aufgelöst: Kein Wunder könnte man sagen, dass jetzt die Grundwerte der Partei und ihre Geschichte im Nebel verschwunden sind. Ganz so einfach ist die Sachlage natürlich nicht. In den letzten Jahren hat diese Kommission zwar kaum noch einer wahrgenommen, in einer Parteikrise allerdings hätte man eher auf mehr Besinnung setzen sollen. Doch es gibt ja noch die Grundwertekommission, die von Gesine Schwan geleitet wird. Sie hat zumindest Erfahrung mit Niederlagen, denn 2004 und 2009 kandidierte sie erfolglos für das Amt des Bundespräsidenten. Aber die Hinweise auf die Grundlagen der Partei kommen heute viel zu zufällig, verhallen dazuhin meist ungehört, als dass dies die Wahlentscheidung beeinflussen könnte.
Völlig daneben liegen zu viele Entscheidungen auch von Andrea Nahles: Wie konnte sie denn zustimmen, dass Hans-Georg Maaßen, der in Ungnade gefallene Verfassungsschutzpräsident, zum Staatssekretär befördert werden sollte? Bei diesem Irrweg hatten sich gleich drei Parteivorsitzende – Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Andrea Nahles (SPD) – zu einem politischen Unglücks-Trio zusammengefunden. Rätselhaft ist es für mich, warum drei hochkarätige PolitikerInnen glaubten, sie könnten einen solchen Unsinn auch noch uns – dem Volk – verkaufen. Leicht pikiert ruderten die drei dann zurück, doch dies macht einen solch gravierenden Fehler nicht ungeschehen.

Andrea Nahles: Parlamentskreis Pferd statt Kampf gegen Armut
Politik hat auch etwas mit Verkaufen zu tun, darüber scheinen sich die SPD-Fürsten nicht im Klaren zu sein. Ansonsten hätte wohl Andrea Nahles gezögert, ausgerechnet jetzt einen ‚Parlamentskreis Pferd‘ ins Leben zu rufen – wie die Bild-Zeitung zu berichten wusste. Auch wenn es in Deutschland 1,6 Millionen Reiter geben soll, den Niedergang der stolzen SPD kann man mit einem solchen Klüngel im XXL-Bundestag-Umfeld mit Sicherheit nicht aufhalten. Die Wählerschaft der SPD – und nicht nur dieser Partei – bewegt mit Sicherheit stärker die Alters- und Kinderarmut, Hartz IV, Arbeitsplätze im Zeitalter der Digitalisierung, Migration oder Bildungsgerechtigkeit. Viele BürgerInnen werden bei solchen Meldungen das Gefühl nicht loswerden, dass sich einige politische Führungspersönlichkeiten in ihr Wolkenkuckucksheim zurückgezogen haben.
Als überzeugter Europäer bin auch ich der Ansicht, dass wir mehr Gemeinsamkeit und nicht weniger in Europa brauchen. Doch in Zeiten des Brexits, der drohenden Spaltung innerhalb der EU zwischen West und Ost, Nord und Süd, dem Erstarken europafeindlicher und populistischer Parteien macht es wenig Sinn, wenn Olaf Scholz gewissermaßen aus der Hüfte schießt und einen europäischen Arbeitslosenfonds propagiert. Und wie könnte es anders sein, dies soll auch noch ein Zusammenrücken mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron ermöglichen, der doch längst glanzlos durch sein eigenes Land und Europa tingelt. Es ist eben bedeutend einfacher, mit einer neuen Bewegung die alten Volksparteien aus dem Feld zu schlagen, als eine pragmatische und zukunftsorientierte Politik umzusetzen.

Olaf Scholz: Vor dem Schwarzen Block nach Berlin geflüchtet
Eine europäische Rückversicherung für die nationalen Arbeitslosenversicherungen würde Sinn machen, wenn sich die wirtschaftlichen Gegebenheiten bereits angenähert hätten und die Reformwilligkeit in allen EU-Mitgliedsstaaten gleich ausgebildet wäre. Ansonsten wird aus einem solchen Fonds sehr schnell ein Umverteilungsmechanismus, der die Reformwilligkeit – z.B. in Italien – noch weiter erlahmen lässt. So hat auch die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihrer beispiellosen Billionen-EURO-Geldschwemme und ihrer Nullzinspolitik nicht zu mehr Reformen oder einer Stabilisierung in Italien geführt, sondern ganz im Gegenteil. Die italienische Regierung von Fünf-Sterne-Bewegung und Lega tanzt jetzt auf dem EU-Tisch und versucht, sich weiter mit noch mehr Schulden im Staatshaushalt durchzumogeln. Wer die Regierung in Rom kritisiert, der müsste eigentlich Mario Draghi attackieren, den Präsidenten der EZB, der seinen italienischen Landsleuten den Eindruck vermittelte, Reformen seien unnötig, da sie die EZB schon vor der Staatspleite bewahren werde.
Olaf Scholz hat sich, seit er Hamburg verlassen hat, bereits mit der Idee im linken Lager beliebt gemacht, das Rentenniveau in Deutschland bis 2040 zu garantieren, und nun will er noch ein anderes Lieblingspferd der Linken aufsatteln und eine EU-weite Arbeitslosenversicherung einführen. Da werden sich die ArbeitnehmerInnen und UnternehmerInnen aber freuen, die in Deutschland gemeinsam so reichlich in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt haben, dass deren Rücklagen heute über 20 Milliarden EURO betragen. Soll dieses Geld jetzt europaweit vergemeinschaftet werden oder möchte Olaf Scholz das Steuersäckel aufschlitzen? Eigentlich ist dies egal, denn immer bezahlen die Bürgerinnen und Bürger. Damit ich nicht falsch verstanden werde: Wenn es wirklich die Europäische Union stärken könnte, dann würde ich gerne zustimmen. Es ist jedoch ein schwerer Fehler, zu glauben, dass immer mehr Finanztöpfe Europa voranbringen würden. Und wenn Umverteilung und das Stopfen von Kreditlöchern den Ausschlag bei der Europabegeisterung geben würden, dann müssten die Griechen an der Spitze liegen. Doch dies kann wirklich kein politisch denkender Mensch behaupten.
Nochmals zurück zu Olaf Scholz, dem Finanzminister, der wie sein Vorgänger, Wolfgang Schäuble, von der schwarzen Null im Bundeshaushalt schwärmt und dabei ganz vergisst, dass der ausgeglichene Haushalt vor allem der Nullzinspolitik von Mario Draghi zu verdanken ist. Würden realistische Zinsen für Kredite verlangt, dann müsste der Finanzminister sein wahres Können beweisen. Aber solange wir SparerInnen die Zeche bezahlen – keine Zinsen und schwindendes Kapital -, da lässt es sich in Berlin bequem über den Haushalt ‚wachen‘. Mit dem Wache schieben ist es bei Olaf Scholz eh so eine Sache! Ich würde mir nicht zu viel von ihm versprechen. Als der Schwarze Block und andere Anarchisten und linksextremistische Gewalttäter in Hamburg ganze Stadtviertel verwüsteten, saß er im erlauchten Kreis der G 20-Häuptlinge in der Elbphilharmonie. Gut bewacht war er dort, vielen seiner BürgerInnen erging es viel schlechter. Vor dem Happening der Gewalt hatte er noch in die Welt hinausposaunt, in Hamburg seien alle Einwohner sicher. Wenn Olaf Scholz in gleicher Weise auf unser aller Geld achtet, dann schon mal gute Nacht!

Angela Merkel: Grundwerte dem Machterhalt geopfert
Wir brauchen in Europa nicht mehr Umverteilung, sondern mehr Wettbewerb. Darin eingeschlossen ist auch die Forderung nach einer Stärkung der wirtschaftlichen Basis in den Mitgliedsstaaten, die bisher schwächeln, doch dafür gibt es bereits entsprechende Fonds der EU. Sicherlich könnte dort bei der Effizienz nachgeschärft werden, leider ist dies ein Thema, um das sich die EU-Kommission mit ihrem müden Präsidenten Jean-Claude Juncker nicht ausreichend gekümmert hat. Ein Beweis dafür sind auch seine flügellahmen Reden zur Lage in der EU, die höchstens als Nebelgranaten eingesetzt werden können.
Wenig tröstlich ist es für mich, dass auch die Union von einem Fettnäpfchen ins andere stolpert. Unter Angela Merkel wurden längst alle Grundüberzeugungen dem Machterhalt geopfert: Je nach Bedarf wurden die Atommeiler abgeschaltet, dann mal kurz die Wehrpflicht ‚ausgesetzt‘ oder die Ehe für alle eingeführt. Parteitaktik hat längst einen auf die Grundwerte der Partei bezogenen Kurs ersetzt. Und die immer wieder schön geredete Flüchtlingswelle, die die ‚Wir schaffen das‘-Kanzlerin 2015 ungeordnet ins Land rollen ließ, hat ihre Wählerbasis weiter erodieren lassen. Die SPD hat leider ebenfalls keinen Beitrag zu einer geordneten Migration geleistet. Für viele BürgerInnen geht es nicht um den Zuzug von Flüchtlingen, sondern um die ungeordnete Vorgehensweise. Mit ‚Wir schaffen das‘ sind weder personelle Engpässe noch Ausstattungsprobleme beim Bundesamt für Migration (BAMF) noch in den aufnehmenden Gemeinden, Schulen, Kindergärten oder bei Sprachkursen zu beseitigen. Dass es nicht schlimmer gekommen ist, verdanken wir dem großen Engagement zahlloser Menschen, die sich freiwillig oder in ihrer beruflichen Funktion der Flüchtlinge angenommen haben, doch die Gastgeberin hat über ‚Wir schaffen das‘ hinaus keinen nennenswerten Beitrag geleistet. Und eine konstruktiv-kritische Debatte hat Merkel immer verhindert.

Neues Führungspersonal braucht die SPD
Die sozialdemokratische Partei, die Christdemokraten und die Christsozialen sind nach meiner Meinung auch weiterhin wichtig für die politische Entwicklung unseres Landes. Der Höhenflug der Grünen kann darüber nicht hinwegtäuschen. Aber ein Blick in andere europäische Länder zeigt, dass SPD und Union sehr schnell den Weg anderer sozialdemokratischer oder christdemokratischer Parteien gehen werden, wenn sie nicht endlich aus ihrer inhaltlichen Lethargie aufwachen und dazuhin ihr Führungspersonal erneuern. Im Berliner Tagesspiegel brachte es der holländische Politikwissenschaftler und Sozialdemokrat René Cuperus auf den Punkt: „… die SPD hat keine starke Führung. In dieser schnelllebigen Zeit brauchen die Sozialdemokraten frisches Personal, neue Leute. Andrea Nahles ist eine Frau des Apparats. Heute haben in Europa Politiker wie Emmanuel Macron oder Sebastian Kurz Erfolg. Die SPD kann da nichts bieten. Die Grünen erneuern ihr Personal, haben frischere Leute an der Spitze, die Kontakt mit den gesellschaftlichen Trends der Gegenwart halten“. In diesem Zitat kann man getrost SPD auch durch CDU ersetzen – und leider liest es sich dann immer noch richtig.
Die SPD ist zu wichtig für Deutschland als dass man sie schon aufgeben könnte und dürfte. Aber den Umschwung wird die SPD nicht mit Meckern über die kleinste GroKo aller Zeiten erreichen, in die sie ihr Parteifreund, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, gezwungen hatte. Ein netter Freundeskreis für das Pferd oder ein Schnellschuss zur europäischen Arbeitslosenversicherung gewinnen die verlorengegangenen WählerInnen auch nicht zurück. Es ist eigentlich unglaublich, dass sich Politprofis wie Andrea Nahles – ‚Bätschi‘, ‚eins in die Fresse‘ – und Olaf Scholz in der Politik-Arena bewegen, als wären sie den ersten Tag dabei. Vielleicht sollten sie – und die Unionisten – doch mal zu Sebastian Kurz in unser österreichisches Nachbarland schauen: Er hat die fußlahme ÖVP wieder auf Vordermann gebracht. Und dies ist mir allemal lieber als eine Bewegung à la Macron oder eine Fünf-Sterne-Bewegung des Komikers Beppe Grillo.
3 Antworten auf „SPD: Im Galopp in eine europäische Arbeitslosenversicherung“