SPD-Geschacher um Amt des Wehrbeauftragten

Hans-Peter Bartels wurde für Eva Högl abserviert

Die Aufblähung des Deutschen Bundestags und die wachsende Bürokratie in den Bundesbehörden habe ich immer wieder kritisiert, aber es gibt natürlich auch Ämter mit wichtigen Funktionen, und dazu gehört beispielsweise der Wehrbeauftragte. Er ist nicht nur der ‚Kummerkasten‘ der Soldatinnen und Soldaten, sondern unterstützt den Bundestag bei der Kontrolle des Verteidigungsbereichs, er hält der Verteidigungsministerin, ihrem Ministerialapparat und der militärischen Führung einen Spiegel vor: und was sie zu sehen bekommen, das ist leider nicht immer schön! Hans-Peter Bartels deckte in seinem jährlichen Wehrbericht schonungslos Mängel bei Material und Beschaffung, aber auch Probleme bei Ausbildung oder Nachwuchsgewinnung auf. Ohne mit Bartels zu sprechen, servierte der SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Rolf Mützenich, seinen Parteifreund Bartels ab und hob die Rechtspolitikerin Eva Högl auf den Schild. Aber Mützenich und seine Kollegen im Fraktionsvorstand brüskierten gleich noch den Vorsitzenden des Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, der auch Interesse am Amt des Wehrbeauftragten gezeigt hatte, derart, dass er nach 21 Jahren sein Bundestagsmandat niederlegte. Postengeschacher gehört leider zur Politik, aber das Amt des Wehrbeauftragten hätte nicht zum Spielball der SPD-Fraktion werden dürfen, und die CDU/CSU-Fraktion spielte mit.

Eva Högl mit großem Blumenstrauß.
Der Blumenstrauß für Eva Högl nach ihrer Wahl im Deutschen Bundestag zur Wehrbeauftragten fiel größer aus als der Zuspruch bei den Abgeordneten. Auf Högl entfielen am 7. Mai 2020 von 656 abgegebenen Stimmen lediglich 389, 92 Stimmen bekam der AfD-Abgeordnete Gerold Otten. Das magere Wahlergebnis von Eva Högl zeigt deutlich die Zurückhaltung im Deutschen Bundestag: Am 18. Dezember 2014 hatten von 598 Abgeordneten 532 für Hans-Peter Bartels, ihren Vorgänger, gestimmt. (Bild: Deutscher Bundestag / Achim Melde)

Eva Högl mit gut besoldetem Job abgefunden?

Die Unionsfraktion unterstützte dieses üble Spielchen, was darauf hindeutet, dass Bundeskanzlerin Merkel und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer auf eine pflegeleichtere Wehrbeauftragte hoffen, die sich weniger auf die Materiallage konzentriert. Als frühere SPD-Obfrau im NSU-Untersuchungsausschuss wird sich Eva Högl vielleicht eher um rechtsextremistische Umtriebe in der Bundeswehr kümmern und nicht so intensiv fragen, warum Panzer nicht rollen, Schiffe nicht auslaufen und Flugzeuge Mangels Ersatzteilen nicht fliegen können. Dass wir uns richtig verstehen: das Letzte, was wir brauchen, sind extremistische Gruppen in der Bundeswehr, aber auch hierum kümmerte sich Bartels. So kommt Benjamin Konietzny bei n-tv zu dem Schluss: „Es hätte viele gute Gründe für eine weitere Amtszeit von Hans-Peter Bartels gegeben. Der 58-jährige SPD-Politiker hat den Job als Wehrbeauftragter des Bundes vor fünf Jahren angetreten und ist beliebt in der Bundeswehr. Es ist nicht leicht, jemanden zu finden, der ihm nicht bescheinigen würde, gute Arbeit zu machen. Das gilt insbesondere für seine Zielgruppe, die Soldaten.“

Nachwuchsprobleme und Defizite beim militärischen Material belasten die Bundeswehr, und Hans-Peter Bartels sprach diese Mängel in seinen Wehrberichten immer konkret an. (Bild: Ulsamer)

An der Güte seiner Arbeit hat es auch nach meiner Meinung nicht gelegen, wenn ihm der SPD-Fraktionschef Mützenich die kalte Schulter zeigte. Vielleicht war Eva Högl jetzt einfach mal dran, denn zweimal ging sie bei der Neubesetzung des Chefsessels im Justizministerium leer aus. Da ist doch eine Position mit Spitzenbesoldung gerade richtig. Und für die nächste Wahl bietet sich für die SPD eine Chance, in Berlin den glücklosen Regierenden Bürgermeister Michael Müller gen Bundestag zu verabschieden. Viele liebäugeln in der SPD damit, Franziska Giffey in Berlin auf das Pferd zu setzen, um das Rote Rathaus zu verteidigen. Dabei ist der Leidensdruck wohl schon so groß, dass die mangelnde Präzision bei der Erstellung ihrer Doktorarbeit Giffey nicht schadet und ebenso wenig, dass ihr Ehemann Dienstreisen abrechnete, die er nicht durchgeführt hatte.

Hans-Peter Bartels und zwei Soldaten der Bundeswehr in Uniform.
Gerade aus der Bundeswehr gab es keine Kritik am Wehrbeauftragten, denn Hans-Peter Bartels setzte sich engagiert für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr ein und forderte eine bessere Ausstattung mit persönlicher Ausrüstung und militärischen Gütern. (Bild: Screenshot, Facebook, 3.5.20)

Bartels war so manchem zu kritisch

Als bisheriger Wehrbeauftragter setzte sich Bartels engagiert dafür ein, dass die Bundeswehr bei Material und Personal so ausgestattet wird, dass sie auch die ihr von der Bundesregierung vorgegebenen Aufgaben lösen kann. Dabei denke ich an die Auslandseinsätze, über deren Sinn und Strategie man durchaus diskutieren sollte, doch Bundesregierung und Bundestagsmehrheit können die Bundeswehr nicht nur mit Aufträgen in die Welt schicken, sondern sie müssen auch dafür Sorge tragen, dass es nicht an allem fehlt, von warmer Winterunterwäsche über Stiefel und passende Uniformen bis zu funktionsfähigen Panzern, Hubschraubern oder U-Booten. „Verwaltung des Mangels bleibt Alltag“, so Bartels zu Zeiten von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Und für das Jahr 2019 hieß es im nächsten Wehrbericht: „An einer verbesserten Einsatzsatzbereitschaft wird politisch mit Hochdruck gearbeitet. Aber immer noch spürt die Truppe die eingeleiteten ‚Trendwenden‘ nicht wirklich.“ Auch unter Annegret Kramp-Karrenbauer lassen sich keine der ‚Trendwenden‘ erkennen. Ein kritischer Wehrbeauftragter kommt da natürlich nicht gelegen.

Ich sehe tatsächlich tiefe inhaltliche Verwerfungen zwischen Bartels und Mützenich, die nicht nur diese beiden Politiker zu trennen scheinen, sondern auch in der SPD noch aufzuarbeiten sind. Das Drängen von Bartels auf eine bessere Ausstattung der Bundeswehr wird von Mützenich wohl nicht in gleicher Weise mitgetragen. Dies sah auch Marcus Pindur im Deutschlandfunk so: „Bartels beharrte darauf, dass die Bundeswehr wieder eine volle Ausstattung erhalten müsse. Es gehe nicht um Aufrüstung, sondern um Ausrüstung, so der Wehrbeauftragte. Die Bundeswehr müsse in die Lage gebracht werden, die vielen Aufgaben, die die Politik ihr aufhalse, auch mit einer vollen Ausrüstung zu erfüllen.“ Und Pindur fuhr fort: „SPD-Fraktionschef Mützenich dagegen bezeichnet das Zwei-Prozent-Ziel der Nato, und das heißt letztlich eine ernstzunehmende Ausfinanzierung der Bundeswehr, wörtlich als einen ‚Tanz um das Goldene Kalb‘. Womit Mützenich klar sein Desinteresse an der Institution Bundeswehr formuliert hat.“

Nun sehe auch ich beim Zwei-Prozent-Ziel der NATO noch Diskussionsbedarf, denn zuerst müssen Gefährdung und Strategie besprochen werden, denn daraus resultiert ja u.a. der Finanzbedarf. Die SPD kann allerdings nicht Auslandseinsätzen zustimmen, dann jedoch nicht für eine auskömmliche Finanzierung der Bundeswehr mit Sorge tragen. Bartels habe Bundesregierung und Bundestag immer wieder auf ihre Verantwortung für die Bundeswehr hingewiesen, so Pindur. „Die SPD dagegen setzt unter ihrem Fraktionsvorsitzenden Mützenich die Segel auf einem Kurs ins verteidigungspolitische Nirvana.“ Da werden ihn Saskia Esken und Norbert-Walter Borjans gerne begleiten. Und ich hatte wirklich gehofft, dass nach dem Abgang von Andrea Nahles die SPD wieder sicher Fuß fassen würde.

FDP kritisiert Aufstellung von Eva Högl.
Nicht nur die FDP kritisierte den Umgang mit Hans-Peter Bartels und die Präsentation von Eva Högl als neuer Wehrbeauftragten. (Bild: Screenshot, Twitter, 29.4.20)

Parteitaktische Winkelzüge

Nicht nur Bartels hätte gerne als Wehrbeauftragter weitergemacht, sondern Interesse zeigte auch Johannes Kahrs, doch Mützenich favorisierte Eva Högl. Die Kompetenz in Sachen Bundeswehr ist bei Bartels und Kahrs zwar deutlich stärker ausgeprägt als bei Eva Högl, der Rechtspolitikerin. So schreibt Sabine Müller aus dem ARD-Hauptstadtstudio über die Berufung Högls: „Denn wie bitter muss das sein: Erst war sie die Frau, die Posten, für die sie mehr als qualifiziert war, wegen sozialdemokratischer Binnenlogik nicht bekam. Jetzt muss sie gegen den Ruf anarbeiten, die Frau zu sein, die aus sozialdemokratischer Binnenlogik einen Posten bekommt, für den sie nicht qualifiziert ist.“ Aber inhaltliche Kenntnisse und bisheriges Interesse an einer bestimmten Materie spielen nicht nur bei der Entscheidung für Eva Högl wohl keine Rolle im politischen Leben. Ansonsten wäre sicherlich niemand auf den Gedanken gekommen, Anja Karliczek zur Bundesministerin für Bildung und Forschung zu berufen! Und da die Koalitionspartner ähnlich handeln, traf auch die Mützenich-Aktion bei CDU und CSU auf keinen Widerstand.

Eigentlich ist es schade, wenn wichtige Aufgaben nicht nach den Vorkenntnissen oder der Kompetenz vergeben werden, sondern nach parteitaktischen Gesichtspunkten. Als Wahl- und Steuerbürger sehe ich dies mit immer größerem Missfallen! In einer Demokratie sollten Qualifikation und persönliches Interesse und Empathie für ein Amt ausschlaggebend sein und nicht parteipolitische Winkelzüge.

Eine Antwort auf „SPD-Geschacher um Amt des Wehrbeauftragten“

  1. Der Wehrbeauftragte ist “Kummerkasten” der Bundeswehr..??

    Wenn die Bundeswehr einen Kummerkasten braucht, und dieser auch die Wertschätzung der Bundestagsabgeordneten für die Bundeswehr Wiederspiegeln soll, dann reicht ein einfacher Mülleimer.

    Ich sehe nicht, dass sich bei der Bundeswehr irgendwas zum besseren gewendet hätte – Wehrbeauftragter hin oder her.
    Als ich dort meinen Wehrdienst ableistete (1985) war alles alt und kaputt oder es gab bestimmte Dinge gar nicht.
    Und so ist es offenbar auch heute noch, wenn die Berichte von Herrn Bartels stimmen.

    Warum sich die SPD bei dieser Personalien so öffentlichkeitswirksam selber demontiert, ist mir völlig unverständlich.
    Wenn man allerdings Parteimitglieder und Wähler vergraulen möchte, dann kann man es kaum besser machen.

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