Guérande: In der heutigen Salzgewinnung wird Geschichte lebendig
Meer, Sonne und Wind müssen zusammenspielen, dann können in den Salzgärten um Guérande in der Bretagne die Salzbauern von Hand das weiße Gold ernten. Frühe Formen der Salzgewinnung aus Meerwasser soll es in der Bretagne bereits vor 2 700 Jahren in der Keltenzeit gegeben haben, aber auch die Römer nutzten das Meersalz für ihre Küche. Die heutige Form der Salzgärten bei Guérande, eine gute Stunde von Nantes entfernt, geht auf das 10. Jahrhundert zurück. Das Salz brachte Reichtum in die Region, was sich an der Stadtbefestigung in Guérande ablesen lässt, die im 14. und 15. Jahrhundert entstand und den historischen Stadtkern bis heute umschließt. Zwar ist Salz in unseren Tagen kein knappes Gut mehr wie bei Kelten oder Römern, doch das in Handarbeit gewonnene bretonische Salz, nicht zuletzt das Fleur de Sel, findet Abnehmer in nah und fern, und die Salinen ziehen Touristen und Watvögel zugleich an.

Das weiße Gold
Auf rd. 2 000 Hektar finden sich auf der Halbinsel Guérande Salzgärten, deren Grundrisse auf das 10. Jahrhundert zurückgehen. Die Römer legten in der Bretagne im 3. Jahrhundert Meerwassersalinen an und nutzten die Lagune als Speicher. Schon in der Eisenzeit spielte das Meersalz eine wichtige Rolle bei der Haltbarmachung von Speisen. Die Kelten erkannten nicht nur, wie sich das Salz des Meeres in der Bretagne gewinnen lässt, sondern bauten Salz – wie im österreichischen Hallstatt – in Bergwerken ab. Die Salzgewinnung reicht dort vermutlich 7000 Jahre zurück. Zumindest ab 1500 v. Chr. ist der Salzbergbau durch archäologische Funde belegt. In jenen Zeiten, aber auch im Mittelalter, war Salz eine echte Rarität und kein Allerweltsartikel wie heute beim Discounter. In meinem Blog-Beitrag ‚Als ein Körnchen Salz noch eine Kostbarkeit war. 7000 Jahre Salzgewinnung im österreichischen Hallstatt‘ finden Sie weitere Informationen zu diesem Thema.

Den Salzbauern – Paludiers – in der Bretagne ist es gelungen, ihre hochwertigen Erzeugnisse so zu positionieren, dass sie nach Rückgängen der Nachfrage am Ende des 19. und im 20. Jahrhundert am Markt bestehen können. Dies gilt für das eigentliche Meersalz, das sich durch Verdunsten des Wassers am Boden der Bassins absetzt, genauso wie für das Fleur de Sel, die Salzblume, die an heißen und windstillen Tagen an der Oberfläche von Hand abgeschöpft wird. Manche Stimmen sagen, Ostwind müsse zuvor über das von der Sonne erhitzte Wasser wehen, damit sich die Salzkristalle an der Oberfläche bilden. Meersalz ist das weiße Gold geblieben, als das es gerade auch im Mittelalter galt, obwohl die Nachfrage nach Meersalz durch das bergmännische Gewinnen von Salz zurückgegangen ist. Heute wird dazuhin weniger Salz für die Haltbarmachung von Speisen benötigt, denn Konserven und Tiefkühltruhe haben bei bestimmten Aufgaben dem Salz den Rang abgelaufen.

Das weiße Gold erlaubte es der Stadt Guérande im Mittelalter, die zu Reichtum gekommenen Bürger mit einer 1 400 Meter langen Stadtmauer zu schützen. Vier Stadttore regelten den Zutritt, wobei der Torbau Saint-Michel heute das Stadtmuseum beherbergt. Von hier aus können Teile der Stadtmauer begangen werden, vor denen noch Segmente der früheren Wassergräben zu sehen sind. Guérande verdiente an der Salzgewinnung und dem Abtransport, bis der eigene Hafen verlandete und andere Orte zum Beladen der Schiffe zum Zuge kamen. Die Salzgärten sind eine eigene Welt, in der Natur und Nutzung durch den Menschen weitgehend harmonieren, und auf diese Weise bleibt Platz für Pflanzen und Vögel. Für historisch interessierte Besucher ist nicht nur Guérande interessant, sondern gleichermaßen die Salzgärten, wo Geschichte lebendig wird: „Die ersten Spuren der Salinen von Guérande reichen bis in die Eisenzeit zurück. Doch erst später, im Jahr 945, entwarfen die Mönche der Abtei von Landévennec die heutige Architektur der Salzgärten von Guérande, indem sie die Bewegung der Gezeiten, die Windrichtung und die Sonnenstrahlen studierten“, so heißt es auf der Internetseite der Genossenschaft der Salzbauern ‚Le Guerandais‘. Die Genossenschaft und unabhängige Salzbauern bewirtschaften die Salinen auf der Halbinsel Guérande. Die Methoden der Salzgewinnung wurden in den zurückliegenden 1 000 Jahren weiter verfeinert, im Grunde allerdings dominiert die handwerkliche Arbeit.

Die Natur behutsam nutzen
Die 2 000 Hektar Salzgärten liegen in den Gemeinden Guérande, Batz-sur-Mer, Mesquer, Le Croisic und La Turballe. Das Meerwasser, das aus dem Atlantik in die Bucht von Le Croisic strömt, hat einen Salzgehalt von 25 g/l. Es wird durch Kanäle in den tiefgelegenen Bereich des Geländes – die Sümpfe von Guérande – geleitet und jeweils in einem ersten Sammelbecken aufgefangen. Dort beginnt die Verdunstung des Meerwassers, und die Schwebstoffe setzen sich ab. Je nach Bedarf leitet der Salzbauer das Meerwasser durch ein ausgeklügeltes System an Becken und Kanälen bis zu den eigentlichen Verdunstungsbecken. Erst dort erreicht das Salz im Wasser eine Konzentration von 200 bis 280 Gramm pro Liter, und das Salz kann geerntet werden. Dieser Prozess und die Instandhaltung sowie Reinigung der Becken umfasst den Jahreslauf der Salzgewinnung. Die Abhängigkeit von der Natur, von Ebbe und Flut, von Stürmen, von Wind, Sonne und Hitze ist groß, und zieht sich als roter Faden durch die Geschichte der Salzbauern in der Bretagne.

Natürlich ist die Gewinnung von Meersalz in zahlreichen Bassins ein Eingriff in die Natur, doch haben wir den Eindruck gewonnen, dass es ein Miteinander von Natur und Salzbauern gibt, das Platz lässt für zahlreiche Vögel, die in den Salinen nicht nur nach Futter suchen, sondern auch ein Ruheplätzchen finden. Historisch ist es interessant, dass das heutige Layout der Salinen dem vor einem Jahrtausend entspricht und noch immer die Handarbeit beim Abschöpfen des Fleur de Sel oder dem Ernten des Meersalzes vom tonigen Grund der Becken überwiegt. Durch die Zunahme der heißen Tage ist in den letzten Jahren der Salzertrag gestiegen, wie sich dagegen langfristig zunehmende Stürme oder lange Hitze- und Regenperioden auf die Salzbauern und die Salinen auswirken, wird sich erst noch zeigen. Kelten und Römer nutzten das weiße Gold, das aus dem Meerwasser gewonnen werden konnte, im Mittelalter brachte die Ernte und der Verkauf von Meersalz Reichtum nach Guérande, heute bieten die Salinen neue Eindrücke für Touristen und einen Zwischenstopp für Zugvögel. Geschichte, Tourismus, Natur und Meersalz sind eine Verbindung eingegangen, die hoffentlich auch in der Zukunft im Gleichgewicht bleibt.




Zum Beitragsbild
Die Schubkarre steht nicht von ungefähr neben dem Haufen aus Meersalz, denn dieses wird – wie in historischen Zeiten – von Hand in den Salinen von Guérande gewonnen. Am Rande bemerkt: Zwar spielt in Jean-Luc Bannalecs Roman ‚Bretonisches Gold‘ Kommissar Dupin die Hauptrolle, doch werden viele Aspekte der Salzgewinnung anschaulich geschildert. (Bild: Ulsamer)

