Rundfunkbeitrag: Mehr Information statt Unterhaltungsflut

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk braucht eine Neuorientierung

Wieder einmal liegt das Thema ‚Rundfunkbeitrag‘ beim Bundesverfassungsgericht, und die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hoffen wieder auf die Unterstützung der Richter in den scharlachroten Roben. Streitpunkt ist die Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent pro Monat. Nach meiner Meinung sollte aber nicht um einen Euro pro Monat gestritten werden, sondern eine offene Debatte über die Aufgaben der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten geführt werden! Das ist längst überfällig. Dabei geht es mir nicht um eine Abschaffung der vom Bürger finanzierten Hörfunk- und Fernsehsender, sondern um eine Profilschärfung. Für mich stellt sich – vereinfacht gesagt – die Frage, ob ich gezwungen werden kann, einen Zwangsbeitrag dafür zu leisten, dass beispielsweise der Leichtmatrose Florian Silbereisen mit dem ‚Traumschiff‘ in fernen Gewässern herumschippert?

Formular für die Anmeldung einer Wohnung bei der GEZ wegen des Rundfunkbeitrags.
Wer per Gesetz Beiträge für den Rundfunk einziehen darf, der muss auch zur gesellschaftlichen Debatte über Strukturen und Programme bereit sein. Mir geht es dabei nicht um eine Abschaffung der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, sondern um eine stärkere inhaltliche Konzentration auf Information und Bildung. (Bild: Screenshot, rundfunkbeitrag.de, 25.1.2021)

Politik drückt sich um Entscheidungen

Nun, Geschmäcker sind bekanntlich verschieden, dessen bin ich mir bewusst, aber ich muss auch keinen Zwangsbeitrag für notleidende Kinos oder Buchhandlungen leisten, sondern ich bin Kunde und kaufe Tickets oder Lesestoff. Und für unsere Tageszeitung haben wir uns selbst entschieden. Nur bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bin ich kein Kunde, sondern pro Wohnung ist im Regelfall ein Beitrag zu leisten. Deutschland steht mit einer solchen Regelung nicht alleine, denn in Irland gelten ähnliche Regelungen. Ich würde ungern auf die ARD-Tagesschau oder ZDF heute verzichten, und dies gilt z.B. für Phoenix gleichermaßen, das mich immer wieder live und voll umfänglich in den Bundestag oder auch ins britische Unterhaus mitnimmt. Gerade während der heftigen Brexit-Diskussionen war ich froh, im Originalton lauschen zu dürfen und nicht nur auf verkürzte Berichte angewiesen zu sein.

Selbstredend benötigen Journalisten und technische Mitarbeiter eine solide finanzielle Basis, was für alle Medien zutrifft. Aber ist es vertretbar, dass ARD, ZDF & Co. pro Jahr über 8 Mrd. Euro aus Rundfunkbeiträgen verfügen, und die 86 Cent pro Monat und Wohnung würden um die 400 Mio. Euro zusätzlich in die Kassen der Sendeanstalten spülen. Da sieht man mal wieder, auch Kleinvieh macht Mist, man muss nur sicherstellen, dass möglichst viele mitmachen. Dafür hat bisher die Politik Sorge getragen, denn der Beitrag gilt pro Wohnung, es sei denn, es werden bestimmte Sozialleistungen bezogen. Gescheitert ist die von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) vorgegebene Erhöhung des Rundfunkbeitrags vorläufig am Landtag von Sachsen-Anhalt, denn dort revoltierte die CDU-Fraktion, die seit Jahren eine andere Regelung fordert. Zum Politspektakel wurde das Ganze dadurch, dass auch die AfD gegen die Erhöhung stimmen wollte, und was sollte nun die CDU/SPD/Grüne-Regierung in Sachsen-Anhalt tun, um ein gemeinsames Votum von CDU und AfD zu verhindern? Ministerpräsident Reiner Haseloff wusste ‚Rat‘ und zog die Abstimmung über das Gesetz kurzerhand zurück: Seine Landesregierung war ‚gerettet‘ und die Damen und Herren am Karlsruher Verfassungsgericht hatten mehr Arbeit auf dem Tisch. So verabschiedete sich mal wieder die Politik aus der Entscheidungsfindung und überließ diese der Justiz. Im Grunde hätten die Bundesländer gemeinsam mit der Bundesregierung längst eine offene Debatte über die zukünftigen Schwerpunkte der öffentlich-rechtlichen Sender führen müssen.

Sir Simon Rattle dirigiert. Er hat eine blonde 'Mähne' und trägt ein schwarzes Hemd.
Der Intendant des Bayerischen Rundfunks, Ulrich Wilhelm, begrüßte den Vertragsabschluss mit dem Stardirigenten Sir Simon Rattle mit den Worten: “Sir Simon Rattle ist sehr innovativ, er ist jung geblieben.” Das ist schön für Sir Simon mit 65 Lebensjahren und das BR-Symphonieorchester, doch wäre es nicht eher die Aufgabe einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt, einem an Jahren jüngeren Dirigenten, vielleicht auch einer Dirigentin, eine Chance – sprich einen Fünfjahresvertrag – zu geben? (Bild: Screenshot, br.de, 20.1.2021)

Politische Debatten nicht blockieren

Die kurz in Sachsen-Anhalt und dann in der ganzen Republik aufgeflammte Diskussion verlagerte sich im Schwerpunkt schnell weg von den Rundfunkbeiträgen und hin zu einem Streit über die vermutete Nähe der CDU in Sachsen-Anhalt zur AfD. Damit versuchten interessierte Kreise auch einen Riegel an der Tür vorzulegen, die zu einer sachgerechten Debatte über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk geführt hätte. Doch wer so handelt, der spielt der AfD in die Hände, denn es kann nicht sein, dass die AfD nur ein kontroverses Thema besetzt und schon darf darüber nicht mehr gesprochen werden, ohne dass man in die rechte Ecke gerückt wird. Die Probleme liegen tiefer, darauf geht auch Markus Brauck im ‚Spiegel‘ ein: „ARD und ZDF haben selbst viel dazu beigetragen, dass Kritik an ihnen auf breite Resonanz stößt: weil sie sich bis heute weigern, endlich jene grundlegende Kritik ernst zu nehmen, die ihnen nicht nur aus dem rechten Spektrum entgegenschlägt. Der Unmut quillt seit Jahren aus allen Ecken der Gesellschaft“. Die Rundfunkanstalten und die politischen Gruppierungen, die in ihren Rundfunkräten sitzen, haben sich bisher um eine inhaltliche Diskussion über die Aufgaben der vom Bürger finanzierten Sendeanstalten gedrückt. Gerne fordern Journalisten in ARD und ZDF mehr Transparenz von allen Organisationen, nur nicht vom eigenen Arbeitgeber.

Die Intendanten berufen sich stets auf ihren verfassungsrechtlich geschützten Auftrag, und wenn alles nichts hilft, dann erfolgt der Verweis aufs Grundgesetz. Nun bin ich Soziologe und kein Jurist, doch ein Blick in unser Grundgesetz lässt auf den ersten Blick gewiss nicht erkennen, dass die Organisationsstruktur der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und damit ihr Wunsch nach mehr Geld vom Beitragszahler sakrosankt wäre. Nur gut für die Verteidiger überholter Senderstrukturen, dass kaum jemand nachliest, wenn als Schutzschild der Artikel 5 unseres Grundgesetzes erwähnt wird. Denn dort heisst es: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“ Dass diese Grundsätze richtig sind, steht für mich außer Frage. Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, und wo sie nicht gilt, säße ich  wegen des einen oder anderen in den letzten Jahrzehnten geschriebenen Artikels vermutlich längst im Knast. Ausgehend von den wenigen zitierten Sätzen in unserer Verfassung ist zum Rundfunk so manche juristische Abhandlung entstanden, doch was uns fehlt ist eine sachliche und zukunftsorientierte Debatte über die Inhalte und Strukturen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, da dieser zu einem Großteil durch Zwangsbeiträge finanziert wird. Damit sind jedoch die privaten Anbieter nicht aus der Gesamtdiskussion entlassen, ebenso wenig wie andere Medienschaffende, denn auch für sie gilt der politisch gesetzte Gesamtrahmen beginnend beim Grundgesetz.

Seite der ZDF-Mediathek zum Thema Bildung.
Begrüßenswert wäre eine gemeinsame Mediathek der öffentlich-rechtlichen Sender, wobei ich den Eindruck habe, dass in der ZDF-Mediathek Sendungen oder Themenfelder besser auffindbar sind. (Bild: Screenshot, zdf.de, 24.1.2021)

Strukturreformen umsetzen

Die öffentlich-rechtlichen Sender müssen sich fragen lassen, ob sie sich nicht stärker auf ihren Bildungsauftrag und hier besonders auf die politische Bildung konzentrieren sollten. Unterhaltungsprogramme werden dabei unerlässlich sein, um Zuschauer und Zuhörer oder auch Internetnutzer an die Sendeanstalten zu binden. Wenn ich mir die üblichen Programme anschaue, dann habe ich allerdings den Eindruck, dass die Unterhaltungswelle zu Lasten von Information, Dokumentation, Kultur und Bildung übers Land rollt. Teilweise laufen in mehreren dritten Programmen die gleichen Filme oder Shows – gleichzeitig oder leicht zeitversetzt. Und zahlreiche Talk-Runden zeichnen sich durch reges Plaudern ohne tiefergehende Inhalte aus, konsequentes Nachfragen unterbleibt ohnehin zumeist. Wäre es da nicht besser, Sender zusammenzulegen, um sich auch inhaltlich zu verbessern? Müssen ARD und ZDF ähnliche Programme anbieten? Was dem ZDF seine „Friesland“-Krimireihe ist, das ist dem Ersten „Nord bei Nordwest“ – Unterhaltung mit Lokalkolorit, sympathischen Protagonisten und einer Melange aus Polizeiarbeit und Komödie. Diese Serien heben sich noch positiv ab von dem in die Jahre gekommenen „Tatort“ – was ich nicht nur auf manche Darsteller beziehe. Neue Ideen oder mehr Realitätsnähe sind Mangelware, es reicht höchstens zu mehr Klamauk oder tiefe Einblicke in das Seelenleben der Kommissare! In die TV-Flucht haben mich aber auch die zahlreichen ‚Kriminalkommissarinnen‘ getrieben, die leichte bis schwere autistische Züge kennzeichnen. ‚Helen Dorn‘, ‚Hannah Zeiler‘ in die ‚Toten vom Bodensee‘ oder ‚Kommissarin Winnie Heller‘. Schauspielerisch bringen Anna Loos, Nora Waldstätten und Lisa Wagner gewiss eine gute Leistung, und ich weiß, dass Krimis keine Dokus sind, aber wöchentlich teilweise mehrfach auf sich selbst bezogene und kaum zur Teamarbeit fähige Kommissarinnen, das ist dann doch zu viel. Und männliche Pendants finden sich zuhauf. „Sörensen hat Angst“ bringt Bjarne Mädel als psychisch angeschlagenen Ermittler, auch das gibt es im realen Leben, aber ganz gewiss nicht in der Summierung wie bei ARD und ZDF. Und so stellt sich für mich wieder die Frage: Warum wird dies durch Zwangsbeiträge finanziert, produziert und unter die Zuschauer gebracht?

Bisher ist in Deutschland eine Neustrukturierung der Bundesländer gescheitert, obwohl sich manche wirtschaftlich nicht selbst über Wasser halten können und ohne den früheren Länderfinanzausgleich oder höhere Bundeszuschüsse unter ihren Schulden zusammengebrochen wären! Da sind die Landesrundfunkanstalten innerhalb der ARD tatsächlich schon weiter: Bei 16 Bundesländern gibt es neun Rundfunkanstalten. Eine weitere Konsolidierung wäre gewiss sinnvoll, denn ob Bremen oder das Saarland mit jeweils weniger als einer Million Einwohner wirklich eigene Sendeanstalten benötigen, das wage ich zu bezweifeln. Selbstredend soll die lokale und regionale Berichterstattung bei einer Zusammenlegung nicht leiden, im Gegenteil, aber das Auseinanderschalten von Programmen zu bestimmten Zeiten und Schwerpunkten ist eine eingeübte Praxis. ARD und ZDF sollten zu stärkerer Kooperationen finden, wie sie bei Phoenix, ARTE, 3sat, KiKa oder Deutschlandradio bereits praktiziert werden. Die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit fordert auch die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) in ihrem 22. Bericht: „Die Kommission erwartet, dass die Anstalten größte Anstrengungen unternehmen, um die erkennbaren Wirtschaftlichkeitspotenziale zu realisieren. Im Hinblick auf die ARD erwartet die Kommission, dass die Kooperationen zwischen den Rundfunkanstalten – soweit rechtlich zulässig und wirtschaftlich sinnvoll – deutlich ausgeweitet werden.“ Genau hier sehe auch ich einen Ansatzpunkt zur Einsparung von Finanzmitteln, die dann in die Qualität investiert werden könnten. Und die KEF-Mitglieder führen weiter aus: „Allerdings wird die Hebung der Potenziale so lange unvollständig bleiben, wie der gesetzliche Auftrag, die Programmstruktur und das Programmvolumen aus der Betrachtung ausgeklammert werden.“ Hier aber ist die Politik gefordert, die eine offene gesellschaftliche Debatte anregen muss.

Küstenszene aus Schottland mit dem Text: . „Ganz schön schottisch, ganz schön eigen“.
Die Information über gesellschaftliche, kulturelle, wirtschaftliche und politische Entwicklungen in Deutschland, Europa und der Welt müssen der Markenkern der öffentlich-rechtlichen Sender sein. Doch bei vielen Dokumentationen frage ich mich schon, welcher Zuschauerkreis erreicht werden soll und ob die Inhalte das reale Leben in der jeweiligen Region auch nur ansatzweise aufgreifen. „Ganz schön schottisch, ganz schön eigen“, so der vielversprechende Titel einer Doku von Diana Zimmermann. Wer sich allerdings mit der ZDF-Korrespondentin im Vereinigten Königreich im Januar 2021 zu einer „Eine Reise ans Ende Britanniens“ aufmachte, der landete in einem Kuriositätenkabinett. Und dies ausgerechnet jetzt, wo sich viele Schotten die Unabhängigkeit und eine Rückkehr in die EU wünschen. Etwas mehr Information zur gegenwärtigen Situation in Schottland* hätten wir uns gewünscht, da wir uns über Jahre intensiv mit dieser Region beschäftigt haben, und wer Schottland auf skurrile Typen und Randthemen reduziert, der vermittelt ein schiefes Bild. (Bild: Screenshot, zdf.de, 23.1.2021)

Qualität statt Quantität

Der Auftrag der öffentlich-rechtlichen Sender liegt bei einer „Grundversorgung“, die Information, Bildung, Kultur und Unterhaltung einbezieht. Die Prioritätensetzung bedarf einer umfassenden gesellschaftlichen Diskussion, die heute auch die Unterhaltungsflut in den privaten Sendern und das Sportangebot bei Pay-TV-Sendern berücksichtigen muss. Was bei den privaten Anbietern eher zu kurz kommt, ist die umfassende Berichterstattung über politische und gesellschaftliche Themen. Hier muss der Schwerpunkt der öffentlich-rechtlichen Sender liegen! Dabei darf die Qualität durchaus noch ansteigen.

Ein Negativbeispiel aus jüngster Zeit möchte ich hier stellvertretend erwähnen. „Ganz schön schottisch, ganz schön eigen“, so der vielversprechende Titel einer Doku der ZDF-Korrespondentin Diana Zimmermann. Und so machten wir uns im Januar 2021 mit ihr auf „Eine Reise ans Ende Britanniens“. Was nun aber in ihrem Film folgte, das war eine Aneinanderreihung skurriler Typen und Themen, die über die heutige Situation in Schottland nahezu nichts aussagen. Gerade jetzt wäre etwas mehr Tiefgang wichtig gewesen, denn viele Schotten sehnen sich nach Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich und wünschen sich eine Rückkehr in die EU: Die Schotten hatten ohnehin mehrheitlich gegen den Brexit gestimmt. Völlig unkritisch berichtete Diana Zimmermann über eine Jägerin, die im hohen Norden als eine Art Wildhüterin für Naturschutz sorge, indem sie sich um Rothirsche kümmert. Dem Zuschauer wurde vorgegaukelt, die Rothirsche würden ohne eifrige Jäger überhandnehmen. Kein Wort dazu, dass die Hirsche in Schottland von Großgrundbesitzern – wie auch Fasane – gezüchtet, im Winter gefüttert und gehegt werden, um sie dann lukrativen Jagdgästen für deren Trophäensammlung vor die Flinte zu locken. Eine Kabarettistin oder ein deutscher Internet-Zeitungsmacher durften gleichfalls ihren Senf zur Situation im heutigen Schottland dazu geben. „Große Pläne hat auch Frank Sprang. Der ehemalige Air Force-Pilot will auf der nördlichsten Shetland-Insel Unst den ersten Weltraumbahnhof des Vereinigten Königreichs errichten und bereits im Herbst diesen Jahres die ersten Telekommunikations- und Wetter-Satelliten ins All befördern“, so der Werbetext für die ZDF-Doku. Nur komisch, dass auf der gezeigten grünen Wiese außer einigen zerfallenen Weltkriegsbunkern noch nichts zu sehen war. Hier hätte eine Nachfrage bei beteiligten Firmen wirklich nichts geschadet.

Markus Lanz im Bild. Er trägt einen dunklen Anzug mit Krawatte.
„Jeden Dienstag, Mittwoch und Donnerstag bietet der Moderator eine große Bandbreite an Gästen und Vielfalt an Themen – politisch aktuell, gesellschaftspolitisch relevant, berührend, unterhaltsam“, so das ZDF über Markus Lanz. Für mich ist Lanz zunehmend ein Dampfplauderer, der kritische Nachfragen unterlässt, um seine Lieblingsgäste nicht zu vergraulen. Karl Lauterbach durfte immer wieder seine Corona-Erleuchtungen von sich geben, ohne dass Markus Lanz konkret nachgefragt hätte, warum Lauterbach auf die wissenschaftlichen Warnungen des Robert-Koch-Instituts aus dem Jahre 2013 nicht aktiv wurde, die ihm als Bundestagsdrucksache auf den Schreibtisch geflattert war. (Bild: Screenshot, zdf.de, 25.1.2021)

Sachgerechte Information statt seichter Unterhaltung

Die BBC kommt mit der Hälfte der Beiträge aus, die die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland einsammeln: Rund 4 Mrd. Euro statt 8! Und das noch werbefrei. Mit Werbung und verwandten Aktivitäten nehmen ARD und ZDF noch einige zusätzliche Milliarden ein. Um es nochmals zu unterstreichen: Mir geht es nicht um eine Reduzierung des Rundfunkbeitrags oder gar die Abschaffung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, sondern um deren Neuausrichtung nach einer offenen gesellschaftlichen Debatte. Vielleicht zeigt es sich dann auch, dass ich völlig falsch liege und eine große Mehrheit gerne ihren Rundfunkbeitrag bezahlt, um sich mit dem Leichtmatrosen – ach nein: Kapitän – Florian Silbereisen auf dem Traumschiff aus der Realität zu flüchten. Es mag sein, dass nur ich Markus Lanz für einen gewieften Dampfplauderer halte, der es bei Politikern stets vermeidet, kritische Nachfragen zu stellen. Musterbeispiel ist einer seiner Lieblingsgäste: Karl Lauterbach. Dieser darf seine jeweils jüngsten Hiobsbotschaften in Sachen Corona von sich geben, ohne dass Lanz die Frage aufwirft, warum der Untergangsapostel 2013 nicht reagiert hat, als ihm eine Bundestagsdrucksache mit dem Titel „Pandemie durch Virus Modi-SARS“ auf den Schreibtisch flatterte. Hätten Lauterbach oder Angela Merkel, Jens Spahn und Frank-Walter Steinmeier damals das Szenario des Robert-Koch-Instituts gelesen, wäre unser Land besser auf die weltweite Pandemie aus dem chinesischen Wuhan vorbereitet gewesen. Aber Markus Lanz möchte vermutlich niemanden in seiner Runde verprellen, und so bleibt es bei freundlichem Geplauder ohne gesellschaftlichen Mehrwert.

Hauptgebäude des SWR in Stuttgart. Viel Beton und Glasscheiben. Auf dem Flachdach zahlreiche Satellitenantennen.
ARD und ZDF haben durch die Rundfunkbeiträge eine solide finanzielle Basis, doch es ist an der Zeit, über Strukturen und Programme eine breite gesellschaftliche Debatte zu führen. Der Saarländische Rundfunk sollte in den SWR integriert werden, der bereits Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz abdeckt. (Bild: Ulsamer)

Obwohl wir alle ungefragt einen Beitrag zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk leisten müssen, würde ich mir mehr sachgerechte Information wünschen und weniger seichte Unterhaltung! Qualität muss vor Quantität gehen, und dies heißt auch, dass die Zusammenlegung von Sendeanstalten nicht außen vor bleiben darf. Gleichzeitig muss und kann der Spagat gelingen, mehr lokale und regionale Berichterstattung zu ermöglichen. „Die Kommission hält es für erforderlich, weitergehende strategische Ansatzpunkte für tiefgreifende Umstrukturierungen und kostensenkende Reformmaßnahmen zu entwickeln“, so nochmals die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten. „Dazu gehört auch eine umfassende Schwachstellenanalyse durch die Anstalten. Auf deren Grundlage könnten Chancen und Risiken der Zielerreichung von Strukturprojekten verdeutlicht werden.“ Diese Sätze sollten die Intendanten der öffentlich-rechtlichen Sender und die Richter am Bundesverfassungsgericht auch berücksichtigen, wenn es um höhere Rundfunkbeiträge geht. Wenn wir schon unseren Obolus für die öffentlich-rechtlichen Sender entrichten, dann wäre es zu begrüßen, wenn sich die Intendanten und ihre Mitarbeiter offener für kritische Anmerkungen zu einem System zeigen, das leider an vielen programmlichen und personellen Verkrustungen leidet.

 

Zum Beitragsbild

Der Stuttgarter Fernsehturm aus der Ferne aufgenommen. Der oberste Teil ist eine große Antenne. Darunter ein Besucherbereich mit Glasfenstern.Seit 1956 strahlt der heutige SWR seine Programme vom Stuttgarter Fernsehturm aus. Im SWR haben die früheren Sendeanstalten für Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zusammengefunden. Nur der Saarländische Rundfunk ziert sich, obwohl im ganzen Bundesland nicht einmal eine Million Menschen leben. Aber an Strukturreformen wagen sich unsere Politiker ja auch nicht beim Zuschnitt der Bundesländer.  Der Stuttgarter Fernsehturm ist 217 Meter hoch und war der erste Turm mit einer Stahl-Betonstruktur. Nachahmer gibt es u. a. in Frankfurt und Dortmund, aber auch im südafrikanischen Johannesburg und in Wuhan, das als Ursprung der Corona-Pandemie zu einer wenig rühmlichen Bekanntheit kam. (Bild: Ulsamer)

 

Literaturhinweis

Buchcover. Die Schrift ist in ein Webmuster - Tartan - eingelegt. "Schottland, das Nordseeöl und die britische Wirtschaft. Eine Reise zum Rande Europas"*Wir haben uns vor Jahren intensiv mit Schottland beschäftigt und die dortige Situation in die gesamtbritische Entwicklung einbezogen. Vieles hat sich inzwischen verändert, aber grundsätzliche Aussagen zum Sozialsystem, zu Wirtschaft und Umwelt oder zu schottischen historischen und kulturellen Besonderheiten haben ihre Aussagekraft behalten. Im einen oder anderen Fall muss man sagen: Leider.

Cordula und Lothar Ulsamer: Schottland, das Nordseeöl und die britische Wirtschaft. Eine Reise zum Rande Europas, Kriebel Verlag, Schondorf 1991, 480 Seiten. Das Buch ist nur noch antiquarisch erhältlich.

 

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