Was haben Mario Draghi, Wolfgang Schäuble & Konsorten gemeinsam?
Auf den ersten Blick erscheinen die Aussagen von Mario Draghi, dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), und dem früheren deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble wenig gemeinsam zu haben. Der eine ist als ‚Bruder Leichtfuß‘ des billigen Geldes bekannt, der andere erschien bis vor kurzem als knausriger Kassenwart. Aber beide haben mehr gemeinsam als man landläufig annimmt, denn Draghi sorgte mit seiner Nullzinspolitik dafür, dass die Schuldzinsen, die der Bund für seine Schulden zu bezahlen hat, drastisch zurückgingen. Und gerade diese sinkende Zinslast erlaubte es Schäuble, sich als Meister des Sparens preisen zu lassen ohne wirklich die Ausgabenbremse einzuschalten.
In Wahrheit nämlich verdankte Wolfgang Schäuble die schwarze Null im Bundeshaushalt lediglich der roten Null des Mario Draghi: Wirklich eingespart wurde im Bundeshaushalt unter Finanzminister Schäuble nichts, auch eine Umlenkung der Budgetmittel in Richtung höhere Investitionen ist unterblieben. Ein Plus im Haushalt des Bundes ist ebenfalls nicht Folge der bundesdeutschen Finanzpolitik, sondern resultiert aus reichlich sprudelnden Steuereinnahmen.
Schwarze Null ist eine Lachnummer
Warum ich gerade jetzt dieses Thema anspreche, da Wolfgang Schäuble doch inzwischen zum Bundestagspräsidenten gekürt wurde? Ganz einfach: Auch während des Herantastens an eine Koalitionsregierung aus CDU, CSU, FDP und Bündnis90/Die Grünen wurde ein – vorläufiges – Bekenntnis zur schwarzen Null abgelegt. Aber auch in diesem Zusammenhang sprach keiner der beteiligten Verhandler die ungeliebte Realität aus: Es gibt in Wahrheit gar keine nachhaltige schwarze Null im Bundeshaushalt und auch keine Verteilungsspielräume wie immer wieder lauthals verkündet wird.
Folgen wir diesem Gedankengang, dann wird auch verständlich, warum die Regierung unter Angela Merkel und ihr Finanzminister Schäuble niemals versucht haben, auf politischem Weg die widersinnige Geldschwemme der EZB einzudämmen. Schnell wird dann auf die Unabhängigkeit der EZB verwiesen, doch es wurden noch nicht einmal deutlich Bedenken geäußert. Aber warum auch, wenn man doch durch die Geldschwemme einen schwächelnden EURO-Kurs erreicht, der die Exportindustrie begünstigt, und parallel der Bundeshaushalt in Sachen Zinsen entlastet wird.
Sind wir Sparer der Politik gleichgültig?
Bei einer Analyse der Parteiprogramme für die Bundestagswahl wurde deutlich, dass weder CDU noch CSU oder die SPD auf eine veränderte Politik der EZB drängen. Ihnen scheinen die geprellten Sparer egal zu sein, die Jahr für Jahr viele Milliarden an Zinsen verlieren und deren Vermögen so Schritt für Schritt enteignet wird. Von der Linken konnte man hier ohnehin keine sinnvollen Aussagen erwarten, da ihnen private Vermögen generell als verdächtig gelten. Lediglich die FDP und die AfD forderten eine Neuausrichtung der EZB, wobei die AfD mit der EZB natürlich am liebsten gleich die ganze Europäische Union loswerden möchte. So bleibt bei diesem Themenbereich nur die FDP, die auf europäischer Basis aus grundsätzlichen finanzpolitischen Überlegungen heraus ein Ende der Geldschwemme und der Nullzinspolitik der EZB fordert.
Mal sehen, ob hiervon etwas in die zukünftige Regierungspolitik einfließen wird, wenn sich Union, FDP und die Grünen zu einer solchen zusammenraufen können. Aber jeder möchte gerne regieren, auch wenn dafür manche Grundüberzeugung über Bord geworfen werden muss. Hier hat die Union unter Angela Merkel ja die größte Übung, erinnert sei nur an die Ehe für alle oder den Ausstieg aus der Kernenergie.
Nothilfe für Pleitestaaten und Spekulanten
Nochmals zurück zur Politik der EZB und der Frage, warum sie ihr Unwesen treiben kann, obwohl eine Vielzahl von Wissenschaftlern längst eine Abkehr von der Nullzinspolitik und der Geldschwemme fordern. Es gibt Staaten wie Italien, die ohne die EZB längst in die Pleite abgedriftet wären, und natürlich konnte die italienische Regierung schmerzhafte Strukturreformen nur vermeiden, da ihr Landsmann Mario Draghi eifrig Anleihen aufkauft und gleichzeitig die Zinsen niedrig hält. Auch wenn Draghi stets das Gegenteil behauptet, seine inzwischen zwei Billionen EURO umfassenden Anleihekäufe bringen weder Italien noch andere eher reformunwillige Staaten auf den rechten Weg zurück, ganz im Gegenteil.
Weder das Haushaltsdefizit brachte Italien in den Griff noch den maroden Bankensektor. Es muss Schluss sein, im EURO-Raum mit zweierlei Maß die Reformen in einzelnen EU-Mitgliedsstaaten zu messen: So drängte die Bundesregierung, allen voran Finanzminister Schäuble, die Griechen zu einschneidenden Sparmaßnahmen, wogegen die negative Entwicklung in Italien geflissentlich übergangen wurde. Und es ist auch kein Ausweg, die italienische Politik zu schonen, um ein weiteres Erstarken populistischer Kräfte – wie der Fünf-Sterne-Bewegung des Politclowns Beppo Grillo – zu verhindern. So ähnlich ist jetzt wieder die Argumentation der Freunde des billigen Geldes: Wenn im Frühjahr 2018 bei den Parlamentswahlen der Ex-Ministerpräsident Matteo Renzi eine Chance haben solle, eine europafreundliche Regierung zu bilden, dann dürfe dies durch eine Neuorientierung der EZB-Geldpolitik nicht gefährdet werden. Wer so argumentiert, der befindet sich auf dem Holzweg! Und in Italien allemal, denn Regierungen bleiben meist nur kurz im Amt, und während der Regierungszeit scheuen sie es, ihren Bürgerinnen und Bürgern reinen Wein einzuschenken.
Ankaufprogramm bleibt gefährlich
Geradezu aberwitzige Umfänge hat das Ankaufprogramm der EZB inzwischen erreicht. Und so wird es von vielen Medien bereits als Erfolg eingestuft, wenn ab Januar 2018 monatlich nur noch für 30 Mrd. EURO – statt wie bisher für 60 Mrd. EURO – Anleihen angekauft werden. Mit Einsicht in die Sinnlosigkeit und Gefährlichkeit seines Tuns hat diese Halbierung bei Mario Draghi aber nichts zu tun. Dem EZB-Präsidenten und seinen Helfershelfern gehen langsam aber sicher die Anleihen aus, die sie ankaufen können. Ohnehin geht es bei der halbierten Summe nur um die Nettokäufe von Anleihen, denn alle Mittel aus fälligen Anleihen werden umgehend wieder in den Kauf neuer Anleihen investiert. Die Halbierung der Summe ist somit Augenwischerei!
Die EZB hatte sich verpflichtet, um zumindest den Anschein der Verfassungsmäßigkeit ihres Tuns zu erhalten, nicht mehr als ein Drittel der Anleihen aufzukaufen, die die einzelnen EURO-Länder ausgeben. Generell darf die EZB keine Staatsfinanzierung leisten, und beim deutschen Bundesverfassungsgericht, aber auch beim Europäischen Gerichtshof, wurde eine Schwelle bei einem Drittel der möglichen Staatsanleihen angedeutet. Ich kann dies nicht nachvollziehen und hätte der EZB einen deutlich engeren Rahmen für ihr riskantes Spiel gesetzt: Selbstredend handelt es sich auch unter dieser ‚magischen‘ Schwelle um Staatsfinanzierung, wenn die EZB maroden Staaten Anleihen abkauft, die ansonsten nur noch mit hohen Risikoaufschlägen unterzubringen gewesen wären.
Draghi: Inflationsprophet auf Abwegen
Wer die stereotypen Verlautbarungen der EZB liest, dem fällt auch auf, dass bei den bis September 2018 terminierten Anleihekäufen wieder das Schlupfloch offengelassen wurde, diese „erforderlichenfalls darüber hinaus“ fortzusetzen. Unverdrossen kommt von den Gelddruckern der EZB das fadenscheinige ‚Argument‘, erst wenn die Inflation sich bei 2 % festsetze, sei man im EURO-Raum auf dem richtigen Weg.
Draghi scheint noch immer zu glauben, dass man durch die Flutung der Märkte mit billigem Geld die Wirtschaft in den lahmen Volkswirtschaften in Gang bringen könnte und daraus würde dann durch eine steigende Nachfrage auch die Inflation erhöht. Aber ist dieser Gedanke in einer globalisierten Welt noch nachvollziehbar? Viele deutsche Bürgerinnen und Bürger erhöhen ihre Sparrate, um z.B. ihre Alterssicherung trotz fehlender Zinsen zu erhalten, und handeln so gar nicht im Sinne Mario Draghis – aber sie handeln vernünftig. Selbst höhere Investitionen der Unternehmen oder auch die Ausgabefreudigkeit vieler Konsumenten führen nicht zu einer Verknappung der Güter und einer steigenden Inflation, denn weltweit gibt es eine Vielzahl von Anbietern, die den Mehrbedarf abdecken. Und in hart umkämpften Konsummärkten – man denke nur an den Lebensmittelsektor, vor allem in Deutschland – führt eine höhere Nachfrage nicht unmittelbar zu höheren Preisen, häufig ist das Gegenteil richtig. Vielleicht lebt der EZB-Präsident in seiner eigenen Welt, die aber nichts mit einer modernen Wirtschaft zu tun hat. Vielleicht sollte Mario Draghi nicht ständig auf Italien schielen, sondern die globalen Strukturen betrachten. Von einem ehemaligen Investmentbanker sollte man das eigentlich erwarten dürfen, aber gerade seine Investmentkumpels haben ja die letzte Finanzkrise durch ihr egoistisches und spekulatives Verhalten ausgelöst.
Nächster Akt des Trauerspiels
Auch die abgewählte Bundesregierung unter Angela Merkel hatte diesem sachfremden Inflationsziel nicht widersprochen, denn für Finanzminister Schäuble und die ganze Regierungsmannschaft war es doch so gemütlich, wenn ohne eigenes Handeln eine schwarze Null den Bundeshaushalt ‚schmückte‘. Bestürzend ist es, dass sich bei aller Unterschiedlichkeit der möglichen neuen Koalitionäre, wieder Einigkeit bei der schwarzen Null zeigte. Da alle beteiligten Parteiunterhändler gerne mehr Geld ausgeben wollen, um ihre Klientel zu erfreuen, kann dies ja nur heißen, dass die Zeiten des billigen Geldes immer noch nicht zu Ende gehen.
Wen schert es schon, so möchte ich fragen, wenn Sparer nicht nur ihrer Zinsen beraubt werden, sondern auch (Lebens-) Versicherungen und Pensionskassen immer mehr in Bedrängnis gebracht werden? Spekulanten haben Hochkonjunktur, die Sparer dagegen büßen nicht nur für die durch sie nicht verursachte Finanzkrise, sondern sie dürfen auch noch die Suppe auslöffeln, die ihnen Mario Draghi einbrockt – und dies assistiert durch die Finanzminister der EURO-Staaten. Werden nicht in weiten Bereichen der Aktien- und Immobilienmärkte die Blasen von morgen erzeugt? Und wenn sie platzen, dann hat die EZB nicht nur ihre finanzpolitische ‚Munition‘ verschossen, sondern auch längst ihren guten Ruf verloren. Sie ist nicht der Hüter einer stabilen Währung, sondern die EZB verhindert mit ihrer Trickserei Reformen, Stabilität und Zukunftsorientierung im EURO-Raum.
Hat die letzte Regierung unter Angela Merkel schon nichts für die Sparerinnen und Sparer getan, so lässt erstes Gerede von der schwarzen Null bei gleichzeitigen aufaddierten Wahlkampfforderungen in Höhe von rd. 100 Mrd. EURO Schlimmes befürchten. Auch Peter Altmaier, noch Kanzleramtsminister und geschäftsführender Finanzminister, betonte in der ARD: “Wir werden in diesem Jahr die Schwarze Null, den ausgeglichenen Haushalt, nicht nur gewährleisten können, sondern wir werden auch viele Mehrausgaben abfangen können“. Da würden steigende Zinsen zwar uns Sparer erfreuen, aber keinesfalls den Finanzminister. Was lernen wir daraus: Die Regierung scheint zu wechseln, aber leider nicht die finanzpolitische Ausrichtung! Wäre es nicht an der Zeit, auch bei den Vorausgeplänkeln für die neue Koalitionsregierung mal an uns Sparer zu denken? Selbstredend bestimmt die Bundesregierung nicht den Kurs der EZB, aber ein offenes Wort gegen die Geldschwemme und die Nullzinspolitik würde zumindest den akuten Handlungsbedarf unterstreichen.
Enteignete Sparer und marode Brücken
Wenn wir dem scheinheiligen Gerede von der schwarzen Null im Bundeshaushalt nicht länger ausgeliefert sein wollen, dann müssen wir – gerade auch jetzt nach der Wahl – Druck auf die möglichen Koalitionäre ausüben: Sie müssen zu einem echten Kassensturz gezwungen werden, der offenlegt, dass diese ominöse schwarze Null nur auf dem Rückgang der Zinsbelastung beruht. Leider hat ja nicht der Rückgang der Verschuldung unseres Landes – vom Bund über die Länder bis zu den Kommunen – zu niedrigeren Zinsausgaben geführt, sondern lediglich die Nullzinspolitik der EZB. Von Nachhaltigkeit kann daher beim Bundeshaushalt keinesfalls gesprochen werden.
Dazuhin fehlt auch eine klare Neuorientierung der Ausgaben im Bundeshaushalt: Marode Brücken und Straßen sowie eine nicht zukunftsfähige Schieneninfrastruktur sind deutliche Belege dafür. Vom unzureichenden Ausbau der Glasfasernetze oder Schulen ohne ausreichende Internetausstattung ganz zu schweigen. Wir drücken uns auch in Deutschland um eine konsequente Zukunftsorientierung in der Ausgabengestaltung – und dies nicht nur im Bund. Eigentlich ist dies ja kein Wunder, wenn sich z.B. die CDU um eine realistische Einschätzung der Lage drückt und in ihrem Programm für die Bundestagswahl 2017 allen Ernstes schrieb: „Deutschland ist weltweit Vorzeigeland für seine Infrastruktur“. Bei einer solch verqueren Weltsicht kann ich nur den Kopf schütteln!
Wir müssen uns wehren!
So haben wir bei näherer Betrachtung nicht nur enteignete Sparerinnen und Sparer dank der desaströsen EZB-Politik, sondern gleichzeitig auch noch eine falsche Ausgabenstruktur im Bundeshaushalt. Und die einen ruhen sich auf einer schwarzen Null aus, die nicht nachhaltig ist, und die anderen ‚predigen‘ von der roten Null und schwingen die Peitsche der Nullzinspolitik.
Es zeigt sich mit aller Deutlichkeit, dass die rote Null des Mario Draghi eine verwerfliche und innige Verbindung mit der schwarzen Null von Wolfgang Schäuble eingegangen ist. Und mag auch Schäuble den Stuhl im Finanzministerium mit dem des Bundestagspräsidenten getauscht haben, damit ihm ein Politiker der möglichen Koalitionspartner im Finanzministerium folgen kann, so wird wohl dennoch der Weg in die Sackgasse weiter beschritten werden. Mir bleibt am Ende nur der Aufruf an alle Sparerinnen und Sparer: Wehren wir uns jetzt und heute gegen eine falsche Politik, die uns unsere Ersparnisse raubt und gleichzeitig die Infrastruktur in unserem Land verkommen lässt.
8 Antworten auf „Rote Null trifft schwarze Null“