Regenwasser braucht mehr Raum

Auwälder, Bäche, Flüsse, Moore und Tümpel renaturieren

Seit es Menschen gibt, ist Hochwasser für sie eine Bedrohung für Leib und Leben, Hab und Gut – eine Binsenweisheit. Doch nach jeder Flutwelle, die Menschen mit sich reißt und Dörfer oder Städte unter Wasser setzt, ziehen Politiker mal für eine Stunde Gummistiefel an und versprechen schnelle Hilfe. Kaum sind die Fluten verebbt, lässt das Interesse in Politik und Medien sowie in der Bürgerschaft schnell wieder nach, die Gummistiefel wandern zurück in den Keller, denn andere Themen drängen in den Mittelpunkt. Hinweise, da habe erneut der Klimawandel zugeschlagen, nutzen den jetzigen und zukünftigen Betroffenen und den Steuerzahler wenig. Der Klimawandel verschärft die Probleme, führt zu häufigerem Starkregen und Überschwemmungen, doch die Fehler in der Landnutzung gehen weit zurück. Selbst nach den jüngsten Überflutungen in Süddeutschland, die denen in anderen Bundesländern folgten, kann sich die Bundesregierung unter Olaf Scholz nicht zu einer Pflichtversicherung für Elementarschäden durchringen, weil die FDP es mal wieder jedem Bürger überlassen will, ob er sich absichert oder nicht. Der Steuerzahler kann es dann durch Soforthilfen richten. Im Ahrtal starben 2021 durch eine Flutwelle und die zögerliche Alarmierung 135 Menschen, und 9 000 Gebäude wurden zerstört, doch die Mehrheit der Häuser wird erneut an alter Stelle errichtet oder von Grund auf saniert, obwohl selbst Experten nicht wissen, wann sich ein solch katastrophales Unwetter wiederholt. Wo sich in früheren Jahrhunderten Bäche und Flüsse bei Starkregen in Auen ausbreiten konnten, stehen heute Wohnhäuser, Gewerbe- und Industrieansiedlungen. In Deutschland gibt es bekanntlich Bebauungs-, Flächennutzungs- und Regionalpläne, daher liegt das bis heute anhaltende Versagen nicht beim einzelnen Häuslebauer oder dem Gewerbetreibenden, der eine Erweiterungsfläche für seinen Betrieb sucht, sondern bei der Politik, die sich darum drückt, die letzten Überschwemmungsflächen freizuhalten und nach Zerstörungen die Bewohner an gewässerfernen Stellen anzusiedeln. Ganz anders, wenn es um die Erweiterung eines Tagebaus ging, da wurden ganze Dörfer von der Landkarte gestrichen und mit dem Zusatz ‚Neu‘ anderswo angesiedelt. Warnungen gab es längst, als der Klimawandel noch nicht in aller Munde war, doch die Begradigung von Bächen, die Kanalisierung von Flüssen, das Zerstören von Auwäldern und Mooren, das Zupflastern der Flussauen ging ungebremst weiter. Auf diese planerischen und politischen Fehlleistungen packt der Klimawandel zudem Sturm und Starkregen sowie Überflutungen obendrauf.

Im Vordergrund braunes Flusswasser, das Freiflächen überflutet hat, aus denen Büsche und Bäume ragen. Im Hintergrund eine Kirche mit weißem Turm und rotem Ziegeldach, die auf einem Hügel steht.
Über Jahrtausende waren unsere Vorfahren im Umgang mit Flüssen und Bächen vorsichtiger und errichteten ihre Ortschaften zumeist an einer höhergelegenen Stelle, um sicher vor Hochwasser zu sein. (Bild: Ulsamer)

Von Mooren und Überschwemmungsflächen

Nicht nur der Kampf gegen den Klimawandel wird mit halbherzigen Mitteln geführt, sondern die Anpassung an die Veränderung des Klimas kommt noch zögerlicher voran. Ein bisschen Renaturierung hier, ein Schild Naturschutzgebiet dort, das wird nicht reichen. Natürlich ist es schwierig, in einem relativ dicht besiedelten Land Flächen zu finden, die wieder in einen naturnahen Zustand gebracht werden können, doch bei Starkregen benötigt das Regenwasser mehr Raum. Wer frühere Moorflächen renaturieren will, der kann ein trauriges Lied davon singen, wie stark der Widerstand bisheriger Flächennutzer ist. Bis heute wurden über 90 % der Moorflächen in Deutschland entwässert und kamen unter den Pflug bzw. wurden aufgeforstet oder als Siedlungs- und Verkehrsflächen mit Beton und Asphalt überdeckt. Überdies werden weiterhin Moore abgebaut, um als torfhaltige Gartenerde in Blumenbeeten zu enden. Es ist deswegen höchste Zeit, die noch vorhandenen Moore konsequenter zu schützen und frühere Moorflächen zu renaturieren. Moore sind im Kampf gegen die Erderwärmung von größter Bedeutung, weil sie CO2 binden. Moore bestehen bis zu 95 % aus Wasser, daher verglich sie bereits der Naturforscher Alexander von Humboldt mit gewaltigen Schwämmen. Und wie ein Schwamm, so können die Moore das Wasser auch wiederholt abgeben und tragen damit zum Wasserhaushalt in der jeweiligen Landschaft bei. Moore können bei starkem Regen bis zu einem Meter aufschwimmen und gewaltige Wassermassen binden. Wären die Moore in Deutschland durch die industrielle Landwirtschaft, den Straßen- und Siedlungsbau nicht so zusammengeschrumpelt, dann könnten sie deutlich mehr zur Vermeidung von Überschwemmungen beitragen. Politische Absichtserklärungen gibt es reichlich, auch beim Moorschutz, doch es fehlt an konsequentem Handeln. Mehr dazu finden Sie in meinem Beitrag ‚Eine Strategie rettet noch kein Moor. Moore binden CO2 und stärken Wasserhaushalt‘.

Ein Binnenschiff fährt auf dem Rhein, im Hintergrund die Anlagen eines Chemieunternehmens.
In den Flussauen – wie hier am Rhein – sind Industrie und Wohngebäude immer weiter vorgerückt, daher gibt es bei Hochwasser viel zu wenig Überflutungsflächen. (Bild: Ulsamer)

In Deutschland fehlt es nicht nur an Mooren, die Regenwasser aufnehmen könnten, sondern an Freiflächen entlang von Bächen und Flüssen gleichermaßen. In früheren Jahrhunderten waren Menschen vorsichtiger im Umgang mit Gewässern: Im Regelfall betrieb nur der Müller seine Geschäfte am Bach oder Fluss, da er dessen Kraft für den Antrieb seiner Mühle benötigte. Der Ortskern aber mit Kirche, Rathaus, Handwerkern und Wohnungen wurde auf einer höhergelegenen Position angelegt. Dort waren die Bewohner vor Hochwasser sicher. Ganz anders zeigt sich die Landschaft in unseren Tagen, denn ebene Flächen für die Bebauung mit Wohnhäusern oder die Ansiedlung von Industrie und Gewerbe lockten an die Flussufer. Fortschrittsgläubig hielten viele Zeitgenossen Flüsse für gezähmt und Bäche ohnehin für harmlos, doch seit Jahren, ja Jahrzehnten, zeigen Überflutungen, dass aus einem kanalisierten und begradigten Fluss schnell ein reißender Strom werden kann. Selbst kleine Bäche verlassen springflutartig ihre betonierten und viel zu kleinen Rinnen, die direkt an Wohngebäuden vorbeiführen. Hoffentlich trägt eine Auswertung des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) endlich dazu bei, dass sich die Entscheidungsträger gerade im kommunalen Bereich dazu durchringen, Bebauungspläne zu revidieren, um auf diese Weise neue Gebäude in potenziellen Überschwemmungsgebieten und auf Hochwassergefahrenflächen zu untersagen. „Der Hochwasser-Check bietet eine Risikoeinschätzung für 22,4 Millionen Adressen in Deutschland und basiert auf Zahlen der regionalen Hochwasserämter und der deutschen Versicherungswirtschaft“, so der GDV. Mehr als 320 000 Gebäude liegen in vom Hochwasser gefährdeten Zonen. Völlig unverständlich ist es für mich, dass z. B. im Ahrtal – mit wenigen Ausnahmen – die Gebäude abermals dort errichtet werden, wo sie die tödliche Flut weggeschwemmt hat. Zukunftsorientiert ist eine solche Handlungsweise wohl kaum, weder im Sinne der Bewohner noch der Steuerzahler. Wer Bächen und Flüssen mögliche Überschwemmungsflächen entzieht, der muss sich nicht wundern, wenn sich die Schäden bei Starkregen erhöhen. Um vom politischen Versagen abzulenken ist manchen Politikern keine Finte zu billig, so ‚entlarvte‘ der baden-württembergische CDU-Landwirtschaftsminister Peter Hauk laut SWR den wahren Schuldigen an den Überschwemmungen im Tierreich: “An vielen Gewässern verringert der Biber mit seinen Dämmen notwendigen Retentionsraum”. Fachleute sagen zwar das Gegenteil, denn der Biber schafft mit seinen Dämmen eine naturnähere Landschaft, die mehr Wasser aufnehmen oder den Abfluss zumindest bremsen kann, doch dies ficht Hauk & Co. nicht an, die gerne auch auf Wölfe anlegen lassen.

Dunkle Gewitterwolken am Himmel über grünen Bäumen. die einen Fluss mit braunem Wasser begrenzen bzw. bereits darin stehen.
Wenn die Flüsse schon übervoll sind und das nächste Unwetter heraufzieht, dann helfen nur Überschwemmungsflächen, die bewusst freigehalten oder freigemacht werden. (Bild: Ulsamer)

Flüsse: Freiflächen statt Einengung

Die bereits erwähnte Flutwelle im Ahrtal, aber auch andere Überschwemmungen treffen die Anwohner heute besonders hart, weil die Menschen immer näher an Fließgewässer herangerückt sind. Dies ergibt sich beispielsweise aus Untersuchungen, die Thomas Roggenkamp und Jürgen Herget, Geografen der Universität Bonn, seit 2012 zur Ahr vorangetrieben haben. Natürlich können die Abflussmengen der Ahr nach Starkregen für die historischen Ereignisse nur rekonstruiert werden. In gleicher Weise trifft das auch auf die Flut vom 14. Juli 2021 zu, da die Pegel von der Flutwelle zerstört wurden. „In der historischen Einordung zeigt sich, dass es sich bei dem Hochwasser vom Juli 2021 um eine Wiederholung des Hochwassers vom Juli 1804 handelt“, so Roggenkamp in der FAZ, wobei jeweils im Sommer ein Starkregen das Hochwasser auslöste. „Trotz vergleichbarer Abflussgrößen erreichte das Hochwasser vom Juli 2021 größere Wasserstände als 1804. In Dernau lag der Wasserstand ca. 1,5 Meter oberhalb des Wasserstandes von 1804. Die heute dichtere Bebauung des Hochwasserbetts verkleinert die durchströmte Fläche und ließ die Wasserstände lokal überproportional ansteigen.“ Diese Feststellung verweist auf die an die Ahr herangerückte Bebauung, aber auch auf Brücken usw., an denen sich mitgeschwemmtes Treibgut wie Baumstämme, Fahrzeuge oder Hausteile verkeilen können. Professor Herget unterstrich in den VDI-Nachrichten: „Wir haben mit einer dichter gewordenen Bebauung im Talboden die Fläche, die der Hochwasserwelle zur Verfügung stand, reduziert. Deshalb musste der gleiche Abfluss zwangsläufig zu einem höheren Wasserstand führen.“ Doch das Ahrtal steht nicht allein, wenn es darum geht, dass menschliche Behausungen immer näher an den Fließgewässern errichtet wurden: Sie sind somit nicht nur bei Hochwasser akut gefährdet, sondern sie verschärfen die Auswirkungen, weil sie den Abfluss des dramatisch angestiegenen Hochwassers behindern. Professor Heget wirft eine wichtige Frage auf: „Wie sinnhaft ist ein Wiederaufbau der Siedlungen im Tal, wenn die doch im Hochwassergebiet stehen? Das ist eine rein politische Entscheidung. Fachwissenschaftlich ist die Antwort eindeutig: Da gehört keine Siedlung hin.“ Nun können wir sicherlich nicht alle seit der Industrialisierung in Flussauen gebauten Fabriken oder Stadtteile verlegen, allerdings müssen wir dann an anderer Stelle großflächige Überschwemmungsflächen neuerlich herstellen. Dies wird überwiegend auf Kosten der Landwirtschaft gehen und bei den Bewirtschaftern von Äckern und Wiesen sicherlich keine Freude auslösen, doch die Alternativen sind – gerade im Zeichen des Klimawandels – immer zahlreichere und heftigere Überflutungen im Zuge von Starkregen.

Bäume stehen und liegen teilweise im Wasser. Im Bild der Auwald Taubergießen.
Bei einer Kahnfahrt durch das Naturschutzgebiet Taubergießen in der Oberrheinebene kann man auf naturverträgliche Weise erleben, wie die Auwälder einst entlang der großen Flüsse ausgesehen haben. Ihnen kam bei Hochwasser eine ausgleichende Funktion zu. Das Naturschutzgebiet wurde 1979 unter Schutz gestellt und umfasst knapp 1 700 Hektar. (Bild: Ulsamer)

Der Bau einiger Regenrückhaltebecken wird die Gefahren in der Fläche nicht auffangen können, obwohl sie an der einen oder anderen Stelle selbstredend wichtig sind. Wer auf zusätzliche Dämme nahe an Flüssen setzt, der muss erklären, wohin er das Niederschlagswasser denn lenken will. Ein besserer Schutz gegen Hochwasser am Oberlauf darf nicht auf Kosten der Unterlieger gehen. Eines ist sicher, viele vor 100 oder mehr Jahren umgesetzten Begradigungen von Flüssen – wie z. B. am Rhein durch Johann Gottfried Tulla – machten aus damaliger Sicht Sinn, denn so konnten u. a. landwirtschaftliche Flächen gesichert und zuvor mäandrierende Gewässer mit zahlreichen Nebenarmen schiffbar gemacht werden. Diese historische Entwicklung wird niemand umdrehen können, denn in den Flussniederungen, wo einst Auwald oder Weiden als Überflutungsfläche dienten, leben und arbeiten heute Millionen Menschen. Deshalb kann es nur darum gehen, vorhandene großflächige Lücken in der Bebauung als Überschwemmungsgebiete zu öffnen. Ansätze dazu gibt es längst, doch die Dimensionen von bisherigen Renaturierungen oder der Schaffung von Poldern, Retentionsräumen, die bei Bedarf geflutet werden können, sind deutlich zu klein.

Niederschlagswasser strömt während des Regens ungebremst aus dem Wald. im Hintergrund Bäume und zwei frische Baumstümpfe.
Weit stärker muss in unseren Wäldern wieder darauf geachtet werden, dass selbst bei Starkregen das Wasser möglichst in den Forstflächen gehalten werden kann. Vernässungen, Moore, Tümpel, mäandrierende Bäche und – möglichst – natürliche Rückhaltebecken in Senken können dazu beitragen, dass Waldbereiche mehr Wasser speichern können. Dazu trägt im Übrigen auch ein hoher Totholzanteil bei. Wälder haben wichtige Funktionen bei Starkregenereignissen und Dürren. Mehr dazu in: ‚Wälder brauchen Wasser. Mit Tümpeln und Totholz der Dürre Paroli bieten‘. (Bild: Ulsamer)

Mehr Tümpel und Hecken

Unsere Landschaft ist in weiten Regionen verarmt – eine Folge von Flurbereinigungen und dem Einsatz immer größerer Landmaschinen. Hecken und Trockensteinmauern, Lesesteinriegel oder Feldgehölze wurden im wahrsten Sinne weggeräumt. Tümpel oder Bäche, die sich ihr Bett fortwährend neu suchten, waren im Weg und wurden zugeschüttet oder begradigt bzw. verdolt. Im Forst gab es eine ähnliche Entwicklung: Vernässungen oder Tümpel und Weiher wurden lange Zeit als verzichtbar angesehen und entwässert. So rauscht bei Starkregen das Regenwasser, das der Boden nicht aufnehmen kann, auf möglichst gerader Linie oder entlang von Feldwegen und Rückegassen ins Tal. Dort vereinigt sich die Flut mit dem Regen, der auf versiegelte Flächen in Dörfern und Städten bzw. Straßen hernieder prasselte. In Gemeinderäten und Stadtverwaltungen wird gerne über die Schwammstadt palavert, die Regenwasser zumindest zeitweise zurückhält, doch gleichzeitig wird die letzte Baulücke zugepflastert, werden Streuobstwiesen zugebaut und das Pflanzen einiger Stadtbäume gerät zur Staatsaktion. Eine gelingende Anpassung an den Klimawandel sieht anders aus, und die Problemlage bestand schon lange vor der Klimadiskussion des letzten Jahrzehnts, was man an den Hochwassermarken historischer Gebäude ablesen kann.

Braune Ackerfläche bis zum Horizont. Keine Hecke, keine Steinmauer. Blauer Himmel und einige weiße Wolken.
Wer soll hier bei Starkregen die braune Flut aufhalten? Es fehlen Hecken, Steinmäuerchen oder Inseln mit Büschen und Bäumen. Auf solchen strukturlosen Flächen macht sich die Erde im wahrsten Sinne des Wortes vom Acker und auf den Weg zum nächsten Bach, Fluss oder Wohngebäude. Mehr zu diesem Aspekt in: ‚Der Boden macht sich vom Acker. Erosion und Versiegelung zerstören die natürlichen Böden‘. (Bild: Ulsamer)

Auf die Bedeutung von Hecken für den Klimaschutz, aber auch für die Minderung der Erosion oder die Biodiversität bin ich bereits ausführlich eingegangen und verweise daher auf den Beitrag ‚Mehr Hecken gegen den Klimawandel. Die Artenvielfalt braucht Hecken, Gebüsch und Bauminseln‘. Wie dramatisch das Verschwinden der Hecken voranging, das belegt eine Studie des Thünen-Instituts: Innerhalb von 60 Jahren wurden die Hecken um die Hälfte weniger! Ohne Hecken und Steinmauern, die die Agrarlandschaft gliedern, wird die Ackerkrume mitgerissen und verstärkt die Hochwasserprobleme. In den zurückliegenden 50 Jahren sind im Übrigen       75 % der Kleingewässer in Deutschland verschwunden und mit ihnen viele Tiere und Pflanzen. Kröten, Fröschen, Molchen oder Libellen fehlt der Lebensraum, aber in Dürreperioden wird dies zunehmend für die umliegende Natur insgesamt und uns Menschen zum Problem. Bei Starkregen fehlen Tümpel und Weiher oder kleine Seen, Mulden mit Vernässungen, die Regenwasser speichern könnten. Weitere Informationen hierzu finden Sie in meinem Artikel ‚Von Pfützen, Tümpeln, Weihern und Seen. Die kleinen Paradiese sind bedroht‘. In einer strukturlosen Agrarlandschaft bricht sich Starkregen ungebremst Bahn. Das gleiche trifft auf den Stangenforst zu, wo Fichten in Reih und Glied stehen und sich kein Plätzchen für im Moment ‚überschüssiges‘ Regenwasser findet.

Wasser wird bei Hochwasser durch ein Wehr abgelassen und bildet Wellen, die Gischt fliegt über den Wellen.
Flüsse wurden kanalisiert, um sie schiffbar zu machen, doch bei großräumigem Starkregen regt sich ihr früheres Wesen: Selbst der auf weiten Strecken zur Schifffahrtsrinne degradierte Neckar wird dann wieder zum ‚wilden Fluss‘ – wie ihn die Kelten nannten. Mehr hierzu finden Sie in meinem Beitrag ‚Der Neckar: Vom ‚wilden Fluss‘ zur Wasserstraße. Ein unterschätzter Fluss als Lebens- und Wirtschaftsader‘. (Bild: Ulsamer)

Versicherungspflicht und Freiraum für Gewässer

Es reicht nicht, nach jeder Flutkatastrophe in der Politik ein Klagelied anzustimmen. Stattdessen müssen die Ursachen der Überschwemmungen angegangen und umfassender als bisher die Emissionen von Treibhausgasen reduziert werden. Doch bis dies zu einer Verlangsamung der Erderwärmung oder gar einer Trendumkehr führt, müssen die Anpassungsleistungen an die klimatischen Veränderungen verstärkt werden, was für alle Lebensbereiche zutrifft. Die Renaturierung von Mooren und Vernässungen ist dabei ebenso bedeutsam wie die Schaffung von Überschwemmungsflächen an Flüssen und Bächen, letztendlich an jedem Rinnsal. Tümpel, Weiher und Seen kommt als natürlichen ‚Regenrückhaltebecken‘ große Bedeutung zu. Auwälder sind keine Spielwiese für Naturliebhaber und Ökologen, sondern sie können gewaltige Wassermassen zeitweilig auffangen und die Abflussgeschwindigkeit vermindern. Die Flussauen dürfen nicht weiter durch Bebauung eingeschränkt werden, sondern sie müssen ihre alte Aufgabe wieder wahrnehmen können, bei Starkregen Wasser in der Fläche zu verteilen, ohne dass bebautes Gelände gefährden wird. Eine Elementarschadenversicherung muss für alle Gebäude zur Pflicht werden, denn es kann nicht sein, dass der Hausbesitzer, der seinen Versicherungsbeitrag leistet, als Steuerzahler für diejenigen zur Kasse gebeten wird, die sich die Versicherungskosten ganz einfach gespart haben. Eine flächendeckende Versicherung wird durch unterschiedliche Beiträge je nach Risiko dazu führen, dass auf Grundstücken, die vom Hochwasser gefährdet sind, nicht mehr gebaut wird. Kommunen müssen zur Schwammstadt werden, die Regenwasser zurückhalten können und dieses nicht unmittelbar an den nächsten Fluss abgeben. Die Entsiegelung von asphaltierten oder betonierten Flächen ist dabei ein wichtiger Schritt, doch bei Starkregenereignissen reicht das nicht aus, da ab einer bestimmten Niederschlagsmenge auch auf ‚grünen‘ Flächen die gewaltigen Mengen an Regenwasser nicht mehr versickern können. Damit wird erneut klar, dass es ohne zusätzliche Überschwemmungsflächen nicht geht!

Eine große Wasserfläche mit einer Öffnung im Hintergrund zum Fluss Neckar.
Die in ein enges Bett oder gar kanalisierten Flüsse müssen naturnäher gestaltet werden. Das kommt der Artenvielfalt und dem Hochwasserschutz zugute. Auf diese Thematik bin ich in ‚Weniger Beton und mehr Natur für unsere Flüsse und Bäche‘ eingegangen. Das Foto entstand im Bereich der Zugwiesen, einer renaturierten Auenlandschaft zwischen Ludwigsburg und Remseck in Baden-Württemberg, wo der Neckardamm zurückgebaut wurde. (Bild: Ulsamer)

Die Bundesregierung muss sich bei einer Versicherung gegen Elementarschäden endlich bewegen, und auf allen politischen Ebenen muss mehr für den Hochwasserschutz getan werden. Ohne großflächige Freiräume für Flüsse und Bäche wird man die Fluten nach Starkregen nicht beherrschen können. Regenwasser lässt sich nicht beliebig kanalisieren, sondern muss weit umfassendere Überschwemmungsflächen finden, ansonsten müssen die Politiker noch häufiger ihre Gummistiefel anziehen. ‚Gummistiefel-Politik‘ nutzt den vom Hochwasser geschädigten Bürgern allerdings wenig, denn es wäre weitaus besser, Schäden abzuwehren, und nicht diese mit Steuergeldern ‚auszugleichen‘. Gerade wenn Menschen ihr Leben verlieren, in den Fluten sterben, dann müsste eigentlich jedem Politiker und jedem Bürger klar sein, dass längst gehandelt werden müsste.

 

Im angeschwemmten Treibgut dominieren neben Holz zahlreiche Plastikteile-
Im Treibgut sind die unzähligen Plastikteile nicht zu übersehen. Werden sie nicht an einem Wehr aufgehalten, landen sie häufig im Meer. Mehr dazu in: ‚Plastikflaschen raus aus Flüssen, Seen und Meeren! Plastikmüll bedroht immer mehr Tiere – und uns Menschen ‘ (Bild: Ulsamer)

 

Ein großflächiger asphaltierter Parkplatz ohne jedes Fahrzeug. Im Hintergrund Nadelbäume.
Gerade Parkplätze, die nur saisonal frequentiert werden, sollten mit einem zumindest partiell wasserdurchlässigen Belag versehen werden. (Bild: Ulsamer)

 

Eine Straße führt durch einen Hochwasserschutzdamm. Links und rechts eine Betonmauer. Die Lücke kann im Fall einer Überschwemmung geschlossen werden.
Schutzdämme gegen Hochwasser sind nur zielführend, wenn gleichzeitig Überschwemmungsflächen vorhanden sind, ansonsten wird die Flutwelle nur zu den Unterliegern am Fluss weitergeleitet. (Bild: Ulsamer)

 

 

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