Mehr Information vor Ort ist zwingend
Ein ‚Ehrenmal‘ mit sowjetischen Panzern an der Straße des 17. Juni in Berlin ist ein Widerspruch in sich, denn der Straßennamen erinnert an den Aufstand 1953 in Ost-Berlin und der ganzen DDR: Der Schrei nach Freiheit wurde mit sowjetischen Panzern erstickt. Das Denkmal im Großen Tiergarten ist nicht nur die Grabstätte für 2 000 bis 2 500 im Kampf um Berlin gefallene Rotarmisten, sondern „Zugleich Ehrenmal der sowjetischen Armee für den Sieg über den Nationalsozialismus“, so eine Informationstafel am Eingang. Nach dem Angriffskrieg russischer Truppen auf die Ukraine stellt sich für viele Bürgerinnen und Bürger allerdings die Frage, ob ein sogenanntes ‚Ehrenmal‘ mit russischen Panzern in die deutsche Hauptstadt passt. Ich gehöre nicht zu den Bilderstürmern, die je nach ideologischer Ausrichtung mal dieses oder jenes Denkmal vom Sockel stürzen oder schleifen wollen, doch die vor Ort angebotenen Info-Kästen hätten längst überarbeitet werden müssen. Die sowjetischen Truppen haben im Zweiten Weltkrieg zur Überwindung des Nationalsozialismus beigetragen, das ist richtig, sie haben dabei aber im Gegensatz zu den westlichen Alliierten nicht das Tor zur Freiheit aufgestoßen, sondern im östlichen Teil Deutschlands und den anderen besetzten Staaten kommunistische Diktaturen etabliert. Diese geschichtlichen Zusammenhänge sind nicht jedem Besucher oder jeder Besucherin (aus dem In- oder Ausland) präsent, und gerade für Jugendliche liegen sie in einer fernen Vergangenheit. Mehr Information ist daher zwingend erforderlich.
Schutz von Denkmälern zugesichert
Bedrückend war es bei meinem jüngsten Besuch in Berlin, dass sich Panzer- und Geschützrohre auf dem Gelände des ‚Ehrenmals‘ in die Luft recken, während die russische Armee mit neueren Modellen ganze ukrainische Städte in Schutt und Asche legt. Nur wenige hundert Meter vom Denkmal entfernt, protestierten Deutsche und Ukrainer am Brandenburger Tor gegen den von Wladimir Putin befohlenen Angriffskrieg. Der Herrscher im Kreml zeigt mit seiner menschenverachtenden Politik, dass er mehr und mehr in einer Reihe mit Josef Stalin und Adolf Hitler agiert. Die Grenzen von Nachbarländern sind für ihn kein Hinderungsgrund, um Panzer in die Ukraine rollen zu lassen. Da ist es mehr als verständlich, wenn die Diskussion geführt wird, ob das ‚Sowjetische Ehrenmal‘ Bestand haben kann.
Über Panzer und Geschütze darf nicht übersehen werden, dass den größten Teil der Fläche ein Soldatenfriedhof einnimmt, und diesen gilt es auf alle Fälle zu schützen, denn das fordern wir zurecht auch für die Ruhestätte deutscher oder anderer Soldaten. Stefanie Bung, CDU-Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, hatte angeregt, die Panzer vom Ehrenmal zu entfernen und damit wenig Gegenliebe bei der grünen Umweltsenatorin Bettina Jarasch gefunden. Im Rahmen der Verträge, die zur deutschen Einheit geführt haben, wurden Vereinbarungen getroffen, die auch Kriegsgräber und Denkmäler schützen. So heißt es u. a. in einem Brief an die Außenminister der damaligen Sowjetunion, Frankreichs, Großbritanniens und der Vereinigten Staaten: „Die auf deutschem Boden errichteten Denkmäler, die den Opfern des Krieges und der Gewaltherrschaft gewidmet sind, werden geachtet und stehen unter dem Schutz deutscher Gesetze. Das Gleiche gilt für die Kriegsgräber, sie werden erhalten und gepflegt.“ Unterschrieben haben diesen Brief im September 1990 Hans-Dietrich Genscher als Bundesminister des Auswärtigen der Bundesrepublik Deutschland und Lothar de Maizière als amtierender Ministerpräsident der DDR. Nachdem sich Putin und seine Vasallen über verbindliche Rechtsnormen hinwegsetzen, ist es umso wichtiger, dass wir einmal eingegangene Verpflichtungen einhalten.
Historische Einordnung wichtig
Wir können froh und dankbar sein, dass die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten durch die westlichen Alliierten und die sowjetische Armee zerschlagen wurde, was jedoch nichts daran ändert, dass wir deutliche Unterschiede hervorheben sollten: Die westlichen Soldaten brachten die Chance auf einen Neubeginn in Freiheit mit sich, die sowjetischen Truppen hatten den Stalinismus mit im Tornister, der letztendlich zur Teilung Deutschlands und Europas führte. Erst Michail Gorbatschow hob als Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und als Staatspräsident den Eisernen Vorhang an. Genau diesen möchte Putin am liebsten wieder absenken, und zwar möglichst genau an der früheren Stelle. Die Wiedervereinigung wäre mit Putin nicht möglich gewesen.
Das ‚Sowjetische Ehrenmal‘, das einst im britischen Sektor Berlins lag, hat im Grunde seine Berechtigung nicht erst durch den Ukrainekrieg verloren, sondern bereits 1953, als sowjetische Panzer am 17. Juni den Aufstand der Bürgerinnen und Bürger der DDR niederwalzten. Dennoch werden wir mit dem Denkmal leben müssen. Wichtig wären in jedem Fall informative Texte an den Zugängen, die die Rolle der sowjetischen Armee bei der Unterdrückung der Menschen durch die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) beleuchten und auch den Einsatz der russischen Armee einschließlich des erbarmungslosen Krieges in der Ukraine darstellen. Es ist jedoch zu befürchten, dass weder die Bundesregierung unter Olaf Scholz noch der Berliner Senat unter Franziska Giffey den Mut zu einer kritischen Information der Besucherinnen und Besucher aufbringen werden. Bilderstürmerei bringt nichts, denn das ‚Sowjetische Ehrenmal‘ ist durch internationale Verträge geschützt. Bundesregierung und Senat sollten das Denkmal für eine kritische zeitgeschichtliche Einordnung nutzen, die vor Ort in ein ausführliches Informationsangebot einbezogen werden muss.
Eine Antwort auf „Passt ein ‚Sowjetisches Ehrenmal‘ noch nach Berlin?“