Die erste deutsche Eisenbahnlinie zwischen Nürnberg und Fürth war 1835 kaum eröffnet, da rollte in Bad Dürrenberg (Sachsen-Anhalt) ab Herbst 1836 eine Kohlebahn unter der Stadt durch einen Tunnel. Zuerst halfen Pferde bei der Arbeit, dann wurde auf Benzol als Treibstoff umgerüstet.
Eingang zum ersten deutschen Eisenbahntunnel in Bad Dürrenberg. (Bild: Ulsamer)
Leider findet man heute nur noch unter Mühe einen der Tunneleingänge.
Mag der Tunnel auch nur 133 Meter lang sein, so ist er doch ein Beispiel für die Innovationskraft während der Industriellen Revolution. Würden wir uns heute nicht auch die gleiche Zielstrebigkeit bei der Realisierung von Infrastrukturprojekten wünschen? So bauen zwar die Schweizer in 17 Jahren den Gotthard-Basistunnel mit einer Länge von 57 km, doch die Ertüchtigung der Zulaufstrecken in Deutschland schaffen wir nicht.
Gesetzliche Änderungen dauern in Deutschland nicht selten Jahre, der Bau einer Straße erfolgt oft Jahrzehnte nach der ersten Planung, da ist es doch erfreulich, daß der Landtag in Baden-Württemberg jetzt Zeichen gesetzt hat: Innerhalb einer Woche war dort alles gesagt, als es um die eigene Altersversorgung ging.
Die Schnelligkeit in eigener Sache kam bei den Wählerinnen und Wählern nicht ganz so gut an, denn diese können nicht nach Belieben ihre Altersversorgung regeln. Und so ruderten die Abgeordneten wieder zurück, zumindest teilweise.
Einsicht hatten die Abgeordneten im Jahre 2008 gezeigt und beschlossen, dass sich die Abgeordneten selbst um ihre Altersversorgung kümmern müssen. So wurden ja auch die Bürgerinnen und Bürger seit Jahren belehrt: Sorge selbst und rechtzeitig für dein Alter vor! Die Regelung trat dann 2011 in Kraft, und damit kein Abgeordneter am Hungertuch nagen muss, bekamen sie alle auch einen finanziellen Zuschlag.
Die Folgen der Nullzinspolitik für sich selbst vermeiden
2017 merkten auch die Abgeordneten, dass die Nullzinspolitik des Zinsräubers Draghi ihre private Alterssicherung gefährdet – und im Eilverfahren ergriffen sie die Chance, wieder eine staatliche Absicherung zu erhalten! Natürlich ohne Zinsrisiko!!
Hätten wir Bürgerinnen und Bürger doch auch die Möglichkeit, zwischen den Absicherungssystemen nach Gutdünken zu wechseln! Aber wir tragen allemal nur die Lasten: Die SparerInnen duch Draghis fehlgeleitete Inflationsbegeisterung und Nullzinspolitik sowie alle SteuerzahlerInnen durch die Selbstbedienungsmentalität der Abgeordneten.
Und wenn man den Zahlen folgt, die die Stuttgarter Zeitung am 12.2.2017 veröffentlichte, dann streichen die Landtagspräsidentin und die Fraktionsvorsitzenden jeweils über 17 000 Euro pro Monat ein. Dürfte dies nicht genügen, um sich selbst für das Alter abzusichern? Auch die Grunddiät liegt immerhin bei über 7600 Euro plus knapp 1700 Euro für die Alterssicherung.
Ein Aufschrei in der Bevölkerung und zumindest in Teilen der Medien erklang, aber mußten die Abgeordneten wirklich einen Volksantrag fürchten, der sie zu einer nochmaligen und intensiveren Diskussion im Parlament zwingen könnte? Manche Organisationen liebäugelten mit der Initiierung eines solchen Antrags, aber sie hätten wohl die Umsetzung eher zögerlich angegangen, denn der eine oder andere Verein bzw. Verband ist auch auf das Wohlwollen der Volksvertreter angewiesen.
Innere Einsicht fehlt
Als das öffentliche Gemurre zu laut wurde, gab es keinen Rückzug aus innerer Einsicht. Nein, nicht der Inhalt des – im März zurückgenommenen – Gesetzes wurde in Zweifel gezogen, sondern die Vorgehensweise. Und da gibt es ja die übliche Methode für einen zweiten Anlauf: Fachleute sollen das Vorhaben begutachten. So ist die Entschuldigung der Beteiligten auch nur als halbherzig einzustufen. Die deutlichen Erhöhungen für die Beschäftigung von Mitarbeitern und die steuerfreie Kostenpauschale sollen auf jeden Fall Bestand haben.
“… der Landtag, der mit seiner transparenten Fassade ein architektonischer Meilenstein ist: gebaute Demokratie”, so Ministerpräsident Kretschmann in der Stuttgarter Zeitung vom 22.12.16. (Foto: Landtag von Baden-Württemberg).
Wie steht es mit der Politik des Gehörtwerdens, die Ministerpräsident Kretschmann völlig zu Recht propagiert, wenn im Eilverfahren im Selbstbedienungsladen, zu demder baden-württembergische Landtag degradiert zu werden droht, ein Gesetz durchgepeitscht wird? Ach, Durchpeitschen war natürlich nicht notwendig, denn außer FDP und AfD war keiner dagegen!
Aber auch in jedem Selbstbedienungsladen gibt es eine Kasse: Für Abgeordnete befindet sich diese im Wahlraum! Vielleicht hoffen sie auch nur auf die Vergeßlichkeit von uns allen?
Aber ganz ehrlich: Ich würde mir wünschen, daß die Parlamentarier nach diesem Debakel innehalten und einen Weg suchen, sich bei allen Themen wieder dem Denken und Fühlen der Bürgerinnen und Bürger anzunähern.
Vor einem zehnwöchigen Auslandsaufenthalt hatte ich einen Termin in einer großen Augenarztpraxis gebucht. Bei so einer langen Vorlaufzeit sollte man doch annehmen, daß alles klappt, ist man doch in Esslingen am Neckar. Nach einer Stunde Wartezeit war ich nicht bis zum Augenarzt vorgedrungen, keine der zahlreichen Mitarbeiterinnen wusste auch nur annähernd, wann ich dran kommen sollte. Fünf bis sechs Mitarbeiterinnen und – wie ich erfuhr – nur ein Arzt im Einsatz, das scheint auch nicht die optimale Funktionseinheit zu sein. So blieb es bei einer „Vorprüfung“ von Brille und Augen durch eine Mitarbeiterin.
Leicht genervt entschied ich mich zum Abgang und teilte dies auch den Damen am Empfang mit. Damit hielt ich die Angelegenheit für erledigt und ließ in einer anderen Praxis zur vollsten Zufriedenheit meine Augen kontrollieren.
Hoffentlich ist dies ein Einzelfall
Doch dann kam mit der Post eine Rechnung: Na, vielleicht für eine Stunde ungemütlich auf dem Gang sitzen? Weit gefehlt! Ich traute meinen Augen nicht!!! Nicht nur eine „Beratung, auch telefonisch“ wurde in Rechnung gestellt, sondern auch noch eine Diagnose gestellt:„Hyperopie; Astigmatismus; Presbyopie; Myopie“. Bisher war ich ganz naiv davon ausgegangen, dass Diagnosen nach der Untersuchung durch den Arzt erstellt werden – aber vielleicht sehe ich dies – trotz Brille – ja auch falsch.
Mal was Neues: Diagnose ohne Arzt. (Bild: Ulsamer)
Ein Schreiben an die Augenarztpraxis blieb unbeantwortet. Die Gemeinsame Gutachterstelle der zuständigen Bezirksärztekammer – mein zweiter Adressat – teilte dann nach einiger Zeit mit, die Ärzte hätten „nach Rücksprache mit Ihnen“ die „Rechnung komplett storniert“. Der guten Ordnung halber sei noch angefügt: Die im Schreiben der Gutachterstelle erwähnten Ärzte hatten sich nie bei mir gemeldet.
Eine Rechnung für nicht erbrachte Leistungen! Keine Entschuldigung! Ein kleines Beispiel aus unserem Gesundheitssystem, das Schlimmeres befürchten läßt.
Aber vielleicht sind arztfreie Diagnosen auch die Lösung für unser überlastetes Gesundheitssystem.
Kann man denn guten Gewissens noch in Stuttgart leben oder gar hinziehen, so werde ich immer häufiger gefragt. Lange habe ich solche Fragen eher als Scherz eingestuft, doch inzwischen gibt es wirklich Menschen, die auf eine Stelle in Stuttgart und der Region verzichten, weil sie durch Überschriften aufgeschreckt werden wie „Stuttgart ist schmutzigste Stadt Deutschlands“ (Stuttgarter Zeitung), „Nicht nur im Stuttgarter Kessel. Rekordverdächtige Feinstaubwerte“ (SWR) oder „Wo Deutschlands Luft am schmutzigsten ist /Zu viel Feinstaub in Stuttgart…“ (Spiegel Online). Und natürlich darf auch der Chef der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, im Deutschlandfunk erklären: „Wir sind jetzt im elften Jahr, in dem Stuttgart die schmutzigste Stadt Deutschlands ist und die Grenzwerte reißt.“ Bundesumweltministerin Barbara Hendricks meint dazu im SWR-Hörfunk (23.2.2017): „Stuttgart ist in einer Notsituation.“
Somit darf sich Stuttgart nicht nur mit dem Ehrentitel „Stauhauptstadt“ schmücken, sondern die Erfinder der Kehrwoche wohnen auch noch in der „schmutzigsten Stadt Deutschlands“.
Wenn man wie ich in Stuttgart geboren ist und auch lange Jahre dort gewohnt hat und seit Jahren eben dort auch arbeitet, dann ergreifen einen beinahe schon depressive Gefühle. Diese verschwinden jedoch schnell wieder, wenn ich durch die großen Parkanlagen spaziere oder die Königstraße besuche, eine der meistfrequentierten Einkaufsmeilen in Deutschland, im Übrigen eine 1,2 km lange Fußgängerzone.
Gottseidank: Trotz Feinstaub immer älter
Natürlich ist es auch mein Anliegen, in einer gesunden Umwelt zu leben, aber das sich ständig erhöhende Alarmgeschrei stimmt mich nachdenklich. „Feinstaubalarm“ wird zum Kampfbegriff, wo Grenzwerte nicht eingehalten werden, da scheint bereits das Totenglöcklein zu läuten. Glaubt man der Europäischen Umweltagentur, dann „verursacht Feinstaub pro Jahr etwa 430.000 vorzeitige Todesfälle in der EU.“ (Spiegel Online, 24.4.2015)
Zum Glück scheinen die Alterungsvorgänge der Menschen nicht mit der Feinstaub-Meßstation am Stuttgarter Neckartor verbunden zu sein, und dies gilt auch für andere Messstellen, ansonsten könnte ich mir kaum erklären, warum die Lebenserwartung seit Jahren, ja Jahrzehnten in Deutschland steigt – und Baden-Württemberg dabei eine Spitzenstellung einnimmt: Die durchschnittliche Lebenserwartung von neugeborenen Mädchen liegt in Baden-Württemberg bei 83,9 Jahren, bei Jungen beträgt sie 79,4 Jahre (Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 4.3.2016). Und die Lebenserwartung in Stuttgart liegt nach der gleichen Quelle sogar noch über dem Landesdurchschnitt.
Soll dies als Entwarnung verstanden werden? Nein! Selbstredend müssen wir alles tun, um Umweltbelastungen weiter zu verringern, aber mit Augenmaß.
Am Neckartor: Messstelle mit Feinstaubfangwand
Generell müsste auch eine Vergleichbarkeit der Messstellen in Deutschland und der EU angestrebt werden. Ich habe wissentlich noch keine Messstelle gesehen, die mit der am Neckartor in Stuttgart uneingeschränkt zu vergleichen wäre: Stuttgart liegt im Talkessel, keine Ringstraße um Stuttgart, Hauptverkehrsstraße (B 14) mitten durch die Stadt, vielbefahrene Kreuzung mit Ampelregelung, von Verflüssigung des Verkehrs keine Rede …, und die Messstelle eingezwängt in eine Gebäudeecke, so daß nun wirklich jedes Feinstaubkörnchen dort einen Besuch abstattet.
Ideale Feinstaubfangecke: Messstelle am Stuttgarter Neckartor. (Bild: Ulsamer)
Schicken Sie mir doch mal Fotos von Messstellen in Ihrer Umgebung.
Gegenmaßnahmen wurden bisher eher zögerlich angegangen, die Diskussion konzentrierte sich immer zuerst auf Appelle, das eigene Fahrzeug stehen zu lassen, stattdessen den ÖPNV zu nutzen. Das Errichten einer Mooswand an der B 14 wird von vielen eher belächelt: Warum eigentlich? Wenn die kleinen Pflänzchen einen entsprechenden Appetit verspüren und Feinstaub „verspeisen“, dann kann dies ebenso ein Beitrag zu einer geringeren Feinstaubbelastung sein wie häufigeres (Nass-)Reinigen der Straßen. Ein Gutteil des Feinstaubs kommt schließlich nicht aus dem Auspuff, sondern macht sich als Abrieb von Reifen und Bremsen bzw. Aufwirbelungen auf den Weg zum Menschen und natürlich zur Messstelle. Nach zehn Jahren hat die Stadtverwaltung in Stuttgart einen zweiten Versuch gestartet, mit modernen Spezialfahrzeugen den Feinstaub mit Hilfe von Wasser ins Fahrzeug zu saugen. Besser spät als nie, kann ich hier nur sagen. Es geht schließlich um jedes Mikrogramm!
Heute Neuwagen – morgen „Schrottmühle“?
Letztendlich kann man die Grenzwerte, die Politiker im EU-Parlament beschlossen und Politiker im Bundestag in deutsches Recht umgesetzt haben, nicht wegdiskutieren und die Messstelle am Neckartor wird wohl kaum an einen objektiveren Platz versetzt werden können, an dem sich auch mehr Menschen zu Fuß bewegen. Daher müssen konsequent wirklich alle Chancen genutzt werden, sei es durch dauerhaftes Putzen mit neuesten Geräten, durch Mooswände usw. oder eine echte Verflüssigung des Verkehrs durch entsprechende Ampelschaltungen! Auch andere Verursacher, z.B. Komfortholzheizungen müssen stärker ins Blickfeld genommen werden, aber es ist natürlich einfacher, Fahrverbote zu verhängen als durch die Straßen zu gehen und nach Rauch von Komfortheizungen Ausschau zu halten. Wenn ich mich konsequent an die Tempoangaben auf den elektronischen Anzeigetafeln bei der Anfahrt zum Neckartor halte, dann muß ich häufig feststellen, ich komme dennoch nicht bei Grün, sondern bei Rot an der Kreuzung an. Es bleibt also noch viel zu tun.
Fahrverbote können nur das letzte Mittel sein: Allerdings müssen diese mit Weitsicht geplant und langfristig angekündigt werden. Ganz so forsch, wie dies Ministerpräsident Winfried Kretschmann am 21. Februar ankündigte, sollte dies nicht der Fall sein. Wenn ab 2018 an „Alarmtagen“ nur noch Dieselfahrzeuge mit Euro 6 in die Stadt einfahren dürfen, dann ist dies die eine Seite der Medaille, doch z.B. Euro 5-Fahrzeuge, die bis 2015 üblich waren, gleich mit Schrottmühlen zu vergleichen, das geht nicht: „Ich kann auch nicht mit ‘ner Schrottmühle zum TÜV gehen und dann komme ich nicht durch und sage, ihr verbietet mir’s Autofahren.“ (SWR Aktuell, 21.2.2017). Viele Bürgerinnen und Bürger können sich nicht alle paar Jahre ein neues Fahrzeug mit neuester Technik kaufen!
Trotz Feinstaub nach Stuttgart
Als geborener Stuttgarter kann ich nur sagen: Lassen Sie sich nicht irritieren! Kommen Sie nach Stuttgart. Schauen Sie doch mal in den Parks und Museen vorbei, werfen Sie einen Blick von den Oberen Anlagen auf die Messstelle, schlendern Sie über die Königstraße, fahren Sie auf den Fernsehturm und genießen den Blick auf eine Stadt, die so gar nicht den Titel „Schmutzigste Stadt Deutschlands“ verdient.
„Die Parteien werden zur weiteren Entwicklung friedlicher und freundschaftlicher internationaler Beziehungen beitragen“, so heißt es in Artikel 2 des Nordatlantikvertrags, der am 4. April 1949 in Washington unterzeichnet wurde und die Grundlage der NATO darstellt. So ganz passen dieser Satz und Äußerungen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan über Deutschland und die Niederlande nicht zusammen, wenn er diese beiden Länder in die Nähe des Nationalsozialismus rückt. Eigentlich sollte der türkische Präsident diese Grundhaltung der NATO kennen, ist sein Land doch 1952 und damit drei Jahre vor der Bundesrepublik Deutschland diesem Verteidigungsbündnis beigetreten.
Historische Maßstäbe verloren
„Eure Praktiken unterscheiden sich nicht von den früheren Nazi-Praktiken.“ Mit diesen Worten attackierte der türkische Präsident Deutschland in einer Rede in Istanbul. Und im Streit um Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland legte nicht nur er mit weiteren Nazi-Vergleichen nach, sondern Politiker seiner Partei taten es im gleich. Der Einfachheit halber wurden auch die Niederlande in gleicher Weise von seinem Bannfluch getroffen: Völlig übersehen hatte er wohl dabei, daß die Niederlande ein Opfer der Nationalsozialisten waren. Aber wer bis heute den Völkermord an den Armenieren leugnet, der nimmt es auch bei anderen geschichtlichen Ereignissen nicht ganz so genau.
Im politischen Streit, von Dialog mag ich nicht sprechen, kann man auch mal über das Ziel hinausschießen und auch meine eigene Wortwahl hat sicherlich hin und wieder zu wünschen übrig gelassen. Aber der vielstimmige Chor türkischer AKP-Politiker lässt doch den Verdacht aufkommen, dass dieser Konflikt um Wahlkampfauftritte auf fremdem Boden ganz bewußt als Wahlkampfmunition mißbraucht wird. Mit allen Mitteln soll die Verfassungsänderung durchgebracht werden, die der Türkei ein Präsidialsystem und Erdogan noch mehr Macht bringen soll.
So beantwortete der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu die Fragen der Deutschen Welle (9.3.17) zum Nazi-Vergleich seines Dienstherrn: „Die Nazi-Geschichte ist ein sensibles Thema für Deutschland, das wissen wir. Allerdings erinnern uns bestimmte Entwicklungen und Tendenzen in Europa und das, was in letzter Zeit geschehen ist, wirklich sehr an die Atmosphäre vor dem Zweiten Weltkrieg. Der Rassismus, den wir in diesem Teil der Erde erleben, der Fremdenhass, die Intoleranz sind unbestreitbar. Erdogans Aussage besagt im Grunde nur, dass solche Vorgehensweisen den Praktiken der Nazi-Zeit ähneln.“
Da bleibt mir als deutschem Bürger doch fürwahr der Mund offen stehen! Und ich frage mich schon, ob ein NATO-Partner so über die Niederlande und unser Land – wo immerhin viele seiner Landsleute leben – sprechen darf?
Niemandem zur Last fallen
Aber nicht nur diese Äußerungen sprechen dagegen, daß weiterhin Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr in der Türkei stationiert sind. Eigentlich hätten sie schon längst abgezogen werden sollen, denn immer wieder wurden Besuche gewählter deutscher Parlamentarier bei den Bundeswehr-Einheiten durch die türkische Regierung nicht zugelassen oder erst nach langen Diskussionen „erlaubt“. Wenn wir Deutschen als Nazis verunglimpft werden oder man uns von türkischer Seite zumindest vergleichbare Methoden vorwirft, dann sollten wir uns eine andere Basis suchen, von der unsere Soldatinnen und Soldaten den Kampf gegen den Islamischen Staat unterstützen.
Ankunft deutscher Soldaten auf der Air Base Incirlik im Rahmen der Operation Inherent Resolve in der Türkei, am 30.12.2015. (Bild: Bundeswehr/Falk Bärwald)
Uniformierte Vertreter unseres demokratischen Rechtsstaats sollten wir abziehen, ehe sie noch mehr als bisher in der Türkei als Last empfunden werden.
Ganz generell stellt sich aber auch die Frage, ob ein Bündnis auf Dauer Sinn macht, in welchem ein Präsident zwei anderen Mitgliedsstaaten Nazi-Methoden vorwirft. Oder ist dies alles nur politisches Theater, um die eigenen Bürger auf Parteilinie einzuschwören, und vom brutalen Vorgehen gegen Andersdenkende und von der Verfolgung von Minderheiten (wie den Kurden) abzulenken. Da mag ich nicht mehr weiterschreiben, denn dann fallen mir ganz andere aktuelle Bezüge zur dunkelsten Zeit unserer Geschichte ein.
P.S. Wir sollten aber auch nicht vergessen: Präsident Erdogan ist nicht DIE ganze Türkei. Zumindest bleibt ja auch noch eine Chance, daß Erdogans Theaterdonner verhallt oder sich mittelfristig die demokratischen Kräfte der Opposition durchsetzen und die historisch guten Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland wieder gefestigt werden können.