Steuergelder für Florentina Holzingers Performance sind nicht gerechtfertigt
Wohnen in Stuttgart und Umgebung die zarteren Gemüter? Ich weiß es nicht, kann es mir allerdings nicht vorstellen. Umso überraschter war ich, dass im Opernhaus der Staatstheater Stuttgart zahlreichen Zuschauerinnen und Zuschauern so mulmig wurde, dass ein Arzt gerufen werden musste. Das hing nicht mit dem baulichen Zustand zusammen, denn der sogenannte Littmann-Bau aus dem Jahre 1912 soll für rd. eine Milliarde Euro saniert und erweitert werden, sondern mit der Opernperformance ‚Sancta‘ von Florentina Holzinger. „Magie und religiöse Wunder erfahren eine Neudeutung in einer ekstatischen Feier der Gemeinschaft und der Selbstbestimmung, in der Bach auf Metal trifft, die Weather Girls auf Rachmaninow – und nackte Nonnen auf Rollschuhe“, so heißt es im Theaterprogramm. Nun gut, das klingt noch nicht nach Notarzt, doch es gibt den Hinweis, Besucher seien erst ab 18 Jahren zugelassen und: „Diese Aufführung zeigt explizite sexuelle Handlungen sowie Darstellungen und Beschreibungen von (sexueller) Gewalt. Zudem sind echtes Blut sowie Kunstblut, Piercingvorgänge und das Zufügen einer Wunde zu sehen. In der Vorstellung werden Stroboskopeffekte, Lautstärke und Weihrauch eingesetzt.“ Weihrauch war, obwohl katholisch, nie mein Fall und auf „echtes Blut“ kann ich getrost im Theater verzichten. Die Kunst ist frei, und dieser Grundsatz ist für mich sehr wichtig, nicht nur weil er im Grundgesetz steht. Für mich stellt sich jedoch die Frage, ob „nackte Nonnen auf Rollschuhen“ und „Piercingvorgänge“ durch uns Steuerzahler finanziert werden müssen. Und wenn statt ‚Sancta‘ der Sanka kommen muss, tanzt das Stuttgarter Opernhaus in eine Sackgasse.
Trash – und wir alle bezahlen
100 Mio. Euro schießen die Stadt Stuttgart und das Land Baden-Württemberg jährlich an Steuergeldern beim Württembergischen Staatstheater zu, und eine Milliarde Euro sollen Renovierung und Erweiterung des Opernhauses kosten. Natürlich werden kunstbeflissene Zeitgenossen sofort den Finger heben, wenn man Kultur und Geld in einem Atemzug nennt, doch das hat mich noch nie geschreckt. Selbstredend ist bei der Verteilung von Steuergeldern stets abzuwägen, ob soziale und künstlerische Belange, um allein diese zu nennen, ihrer gesellschaftlichen Bedeutung entsprechend berücksichtigt werden. Da habe nicht nur ich bei der Sanierung des Opernhauses in Stuttgart meine Zweifel, sondern auch bei der ‚Kulturscheune‘ in Berlin. Bei einer vom Bund der Steuerzahler in Auftrag gegebenen Umfrage sprach sich in Baden-Württemberg eine Dreiviertelmehrheit – angesichts der Kosten – für eine Neuplanung aus. Details dazu finden Sie in meinem Beitrag ‚Stuttgart: Keine Mehrheit für milliardenteure Opernsanierung. Volksabstimmung sollte Klarheit bringen‘. Nun vom schnöden Mammon wieder zur Kunst oder das, was manche dafür halten. „Florentina Holzingers Opernperformance verquickt Paul Hindemiths Operneinakter Sancta Susanna und Elemente der katholischen Liturgie zu einer radikalen Vision der heiligen Messe“, heißt es weiter auf der Internetseite des Staatstheaters. Es zieht immer weniger Katholiken und Protestanten in die Gottesdienste, ob wir da eine „radikale Vision der heiligen Messe“ im Stuttgarter Opernhaus brauchen, wage ich zu bezweifeln. Und weiter: „Mit ihren Performerinnen* begibt sie sich in spektakuläre körperliche Grenzerfahrungen und erkundet individuelle Spiritualität und Glaube, Sexualität und Schmerz, Scham und Befreiung.“ Das lockt mich nicht ins sogenannte ‚Große Haus‘, denn auf eine solche künstlerisch verbrämte ‚schwarze Messe‘ kann ich getrost verzichten. Der Intendant Victor Schoner sieht das erwartungsgemäß anders: „Grenzen auszuloten und lustvoll zu überschreiten war von jeher eine zentrale Aufgabe der Kunst.“ Nackte Performerinnen mit Nonnenhäubchen helfen also dabei „Grenzen …lustvoll zu überschreiten“. Vor nicht allzu langer Zeit wäre ein solcher Spruch höchstens am Stammtisch möglich gewesen und hätte ansonsten die Frauenbeauftragte alarmiert.
Die künstlerische Leiterin und Mitperformerin Holzinger hat für alle Skeptiker einen guten Ratschlag: „Wer es nicht sehen will soll nicht kommen“, bemerkt Florentina Holzinger auf ihrer Instagramseite. Das fehlende Komma habe ich im Übrigen nicht aus Boshaftigkeit verschwinden lassen, sondern der Text steht so bei ‚floholzinger‘ weiß auf schwarz. Da hat die Vorturnerin der nackten Nonnen sicherlich recht, doch sie übersieht, dass wir alle indirekt anwesend sind: als Steuerzahler, die den ganzen Trash finanzieren! Die Kunst ist frei, aber für solcherlei Spektakel wie Holzingers ‚Sancta‘ wäre ein experimentelles Theater – möglichst ohne öffentliche Zuschüsse – besser geeignet als das hoch subventionierte Opernhaus in Stuttgart. Solange Mitbürger am Tafelladen anstehen, Wohnungsnot herrscht und so manche Schule über Lehrermangel oder marode Toiletten klagt, sollten die Steuergelder bevorzugt dorthin fließen und ganz gewiss nicht in Ramsch, der sich als Kunst tarnt und nur Beifall von einer kleinen Schickeria einheimst.
Zum Beitragsbild
Auch wer sich ‚Sancta‘ im Stuttgarter Opernhaus nicht anschaut, ist als Steuerzahler mit dabei, denn rd. 100 Mio. Euro fließen jährlich von Stadt und Land in die Württembergischen Staatstheater. Wenn Kritik an ihrem Werk aufkommt, reagiert Florentina Holzinger auf bezeichnende, altbewährte Weise: „Ich will mich auf keinen Fall zensieren lassen“. Darum geht es mir selbstverständlich nicht, allerdings ist die Frage berechtigt und darf gestellt werden, was auf Kosten von uns Steuerzahlern in hoch alimentierten Häusern gespielt wird. Ich habe auf Fotos von Florentina Holzingers Instagramseite verzichtet, weil ich mich nicht an deren Verbreitung beteiligen möchte. Zu finden sind die Bilder unter ‚floholzinger‘ bei Instagram. (Bild: Ulsamer)
Eine Antwort auf „Opernhaus Stuttgart: Sanka statt Sancta“