Politik und Gesellschaft brauchen Innovation statt Bürokratie
Weite Teile von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft sind sich einig in der Erkenntnis, dass der wirtschaftliche Sinkflug in Deutschland gestoppt werden muss. Die Problemstellung ist klar, allerdings bleibt es zu häufig bei hehren Grundsätzen, und es mangelt am Umsetzungswillen. Wir alle können daher nur hoffen, dass die neue Bundesregierung beherzt die Hindernisse beiseite räumt, die einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung entgegenstehen. Die ersten Schritte der Bundesregierung von Union und SPD unter Friedrich Merz als Kanzler lassen jedoch keine Euphorie aufkommen: Billionen-Kredite allein werden Deutschland nicht nach vorne bringen! Und wer ein zusätzliches Ministerium schafft, um den Staat schlanker und effizienter zu gestalten, der hat diese obskure Idee ganz gewiss nicht vom Mitbegründer der sozialen Marktwirtschaft, Ludwig Erhard, entlehnt. Bei der oft versprochenen Entbürokratisierung geht es nicht voran, und zerbröselnde Infrastruktur und mangelhafte Digitalisierung kennzeichnen Deutschland. Wirtschaftlichen Notwendigkeiten und technischen Herausforderungen kommen seit Jahren in der politischen und gesellschaftlichen Diskussion ein zu geringer Stellenwert zu. Es geht zu vielen Politikerinnen und Politikern um die Verteilung von Reichtum, zu wenig wird die Schaffung von Wohlstand für alle durch engagierte Arbeit und Innovationsbereitschaft betont.

Freiräume schaffen
Aktuelle Verwerfungen, die sich nicht zuletzt durch die sprunghaften Entscheidungen von US-Präsident Trump oder den vom russischen Präsidenten Wladimir Putin begonnenen Angriffskrieg gegen die Ukraine ergeben, dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die deutsche Wirtschaft im weltweiten Vergleich seit geraumer Zeit zurückfällt. Die Gründe sind vielfältig und überwiegend hausgemacht.
Die Bürokratie drückt nicht nur die Gewerbetreibenden, sondern uns alle. Ein kleines Beispiel ist die Grundsteuerreform, wo der Bürger die Daten zusammentragen und digitalisieren musste, die in den einzelnen Kommunen ohnehin vorhanden waren. Ansonsten hätten diese in früheren Jahren auch keine Grundsteuer erheben können. Viel zu häufig geht es um Regulierung statt darum, Freiräume zu schaffen, in denen innovative Ideen gedeihen können. Musterbeispiel ist für mich die Datenschutz-Grundverordnung der EU, die mit dazu beiträgt, dass gerade IT-Anwendungen von Microsoft über Google bis zu Facebook, Instagram oder ‚X‘ (früher Twitter) aus den USA kommen. Und bei der notwendigen Hardware dominieren dann asiatische Hersteller. Hätten Carl Benz, Gottlieb Daimler, Wilhelm Maybach oder Robert Bosch heute noch eine Chance, ihre eigenwilligen Ideen in einem bürokratischen Dschungel zu realisieren? Das frage ich mich zunehmend! Sicherlich würde die Entwicklungsarbeit von Benz in einer Garage in Ladenburg oder von Daimler in einer Art Gewächshaus in Stuttgart-Bad Cannstatt wegen allerlei Rechtsnormen heute sofort gestoppt.

Trotz bürokratischer Hemmnisse, die sich lokal und regional nicht lösen ließen, weil sie ihren Ursprung in Gesetzen von EU, Bund und Land haben, können Projekte auch in Deutschland realisiert werden, wenn alle Beteiligten effektiv zusammenwirken. Ein Musterbeispiel ist für mich das Prüf- und Technologiezentrum im baden-württembergischen Immendingen. Auf 500 Hektar einer ehemaligen Kaserne der Bundeswehr und der deutsch-französischen Brigade sowie dem angegliederten Standortübungsplatz entstanden für deutsche Verhältnisse in Rekordzeit Module und Gebäude für die Fahrzeugentwicklung von Mercedes-Benz. Die schnelle Realisierung ermöglichte das Engagement und der gute Wille aller Beteiligen in den Ämtern und in der Bürgerschaft. So mancher hatte die Realisierung des Prüfzentrums angezweifelt, denn die Genehmigungsunterlagen wurden per Klein-Lkw ins Tuttlinger Landratsamt gekarrt. Aber: Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg! Und dies trotz überbordender Regulierung.

Drückende Bürokratiekosten
Das Ifo Institut berechnete im November 2024, dass die Bürokratie in Deutschland jährlich 146 Mrd. Euro an Wirtschaftsleistung kostet. In einer wettbewerbsintensiven Welt können wir uns das nicht leisten, daher müssen auf allen Ebenen Gesetze und Verordnungen auf den Prüfstand. Gefordert wird das seit Jahren, ja Jahrzehnten, doch bisher sind die politischen Anstrengungen zu schwach, um das Dickicht an Paragrafen zu lichten. „Ein sofortiges Bürokratiemoratorium muss her“, betonte Manfred Gößl, Hauptgeschäftsführer der IHK für München und Oberbayern, wie viele seiner Kollegen. Und er fuhr fort: „Alle Nachweis- und Dokumentationspflichten, Berichtspflichten und Statistikmeldungen, alle ständigen Gesetzesänderungen, Datenschutzvorgaben und langwierigen Verwaltungsverfahren gehören auf den Prüfstand, müssen deutlich verschlankt und teilweise komplett abgeschafft werden – und das in Berlin und Brüssel.“ Wie zu erwarten hat sich auch die Bundesregierung unter Friedrich Merz den Bürokratieabbau aufs Panier geschrieben, doch statt das Außen- und das Entwicklungshilfeministerium zusammenzulegen, was durchaus die Schlagkraft erhöhen könnte, wurde ein zusätzliches Ministerium für Digitales und Staatsmodernisierung aus der Taufe gehoben. Da komme ich schon ins Grübeln, wenn die Modernisierung des Staats mit einem zusätzlichen Ministerium starten soll. Und ob der Vorstandsvorsitzende von Media Markt und Saturn dafür die richtige Besetzung ist, das bezweifle ich sehr.

Besonders belastend sind die drückenden Bürokratiekosten, und Deutschland hinkt in der Digitalisierung gerade im öffentlichen Bereich hinterher. In nicht wenigen Firmenräumen lagern Unterlagen in Papierform, weil das Pflicht ist. Diese Flächen könnten aber besser anderweitig für Produktion und Entwicklung genutzt werden! Häufig wird der mangelhafte Ausbau der Datennetze zum Problem für Dienstleister und produzierende Unternehmen. Vor einigen Jahren meinte zwar Anja Karliczek als CDU-Bundesministerin für Forschung, man brauche den Mobilfunkstandard 5G nicht bis zur letzten Milchkanne, doch da irrte sie. Mehr dazu finden Sie in meinem Beitrag ‚Deutschland: Bis zur letzten Milchkanne. Leistungsfähiger Mobilfunk und schnelles Internet sind zwingend‘. Chancen im ländlichen Raum können nur genutzt werden, wenn Funknetze und Glasfaserkabel einen schnellen Informationsfluss zulassen. Bundespräsident Steinmeier brachte es auf den Punkt: „Wo immer Menschen leben und arbeiten, brauchen sie schnelles Internet. Niemand käme bei zu wenigen Menschen in einem Dorf auf die Idee, Elektrizität oder Wasser abzustellen.“ Es geht nicht nur um die stärkere Digitalisierung der Amtsstuben, sondern um die Erleichterung aller Behördenkontakte durch einheitliche digitale Zugänge!

Lahmende Digitalisierung
Auch die tief in den roten Zahlen steckende Deutsche Bahn wird ohne ein höheres Maß an Digitalisierung nicht zukunftsfähig werden. Bei Stuttgart 21, dem Bau eines unterirdischen Durchgangsbahnhofs und einer Schnellfahrtrasse nach Ulm, geht es nur im Schneckentempo voran und immer wieder kommt es zu Verzögerungen beim Aufbau einer digitalen Leit- und Sicherungstechnik für die Züge. Während der Coronapandemie zeigte es sich, dass unser Land im schulischen Bereich einen großen Nachholbedarf in Sachen Digitalisierung hat. Lehrer und Schüler gaben sich alle Mühe in jenen schwierigen Zeiten, doch unsere Enkelinnen und Enkel – und natürlich die Eltern – waren oft am Verzweifeln, wenn die digitale Schulstunde wegen technischer Schwierigkeiten zäh in Gang kam.

Der Ruf nach stärkerer Digitalisierung erklingt zwar regelmäßig, doch häufig fehlt es bereits an der notwendigen Infrastruktur. Der Netzausbau kommt regional unterschiedlich schnell voran, und hier bedarf es erhöhter Anstrengungen. Das gilt ebenso für teilweise marode Brücken, löchrige Straßen und holprige Bahntrassen sowie veraltete Schleusen für die Binnenschifffahrt. Man darf gespannt sein, ob das Sondervermögen – sprich die Sonderschulden -, das noch der alte Bundestag durchgewunken hat, neue Impulse vermittelt. Geld ist das eine, beschleunigte Verfahren bei Planung und Bau das andere. Die Politik sollte sich mit dem Gedanken anfreunden, dass alle Bauten über die Jahre intensiver gepflegt werden müssen als bisher. So manche Brücke geht vorzeitig in die Knie, weil während ihrer Nutzung zu wenig Budget für eine konsequente Instandhaltung eingesetzt wurde.

Mehr in Instandhaltung investieren
An dieser Stelle erlaube ich mir einen Exkurs: Brücken sollten nicht nur für wenige Jahre oder Jahrzehnte Flüsse und Täler überqueren, sondern ihren Bogen für lange Zeit spannen. Ein Musterbeispiel des britischen Architekten Isambard Kingdom Brunel soll hier kurz erwähnt werden. Die beeindruckende Kettenbrücke, die sich bei Bristol 75 Meter hoch über den Avon erhebt, ist rd. 400 Meter lang, und ihre längste Stützweite beträgt 214 Meter. Gebaut wurde sie in einer Zeit ohne Auto, denn sie nahm 1864 ihren Betrieb auf. Da waren noch nicht einmal Carl Benz und Gottlieb Daimler mit ihrem Dreirad bzw. der Motorkutsche auf der Straße. Heute erträgt die Clifton Suspension Bridge jedoch statt einiger Pferdefuhrwerke und Fußgänger täglich sage und schreibe 11 000 Fahrzeuge! Wenn dies kein Beweis für die Langlebigkeit der Konstruktion von Brunel ist! Allerdings: von nichts kommt nichts, so könnte man sagen. Pro Fahrzeug wird jeweils 1 britisches Pfund kassiert – und ausschließlich in die Erhaltung der Brücke gesteckt. Fußgänger und Radfahrer bezahlen nichts. Sollten Sie sich weiter über die Brücken von Brunel informieren wollen, so möchte ich auf meinen Artikel ‚Wenn Brücken 150 Jahre auf dem Buckel haben. Isambard Kingdom Brunel setzte auf Nachhaltigkeit‘ hinweisen.

Generell ist Verkehr, sei es mit dem Auto, Lkw oder der Bahn, meist ein Reizthema. Deutschland wird jedoch nur zur gewohnten Wirtschaftskraft zurückfinden, wenn wir die Infrastruktur ausbauen und gleichzeitig alles tun, um den Verkehr möglichst emissionsarm zu gestalten. Die Infrastruktur in Deutschland muss konsequent ertüchtigt und ausgebaut werden, dabei denke ich gerade an Schienenwege, wie beispielsweise die deutschen Zulaufstrecken zum Gotthard-Basistunnel. Das alles funktioniert nur mit einer überzeugenden Planung, intensiver Kommunikation und schneller Bauleistung. Abstrus ist es für mich, wie langsam z. B. das zweite Gleis auf der Gäubahn von Stuttgart nach Singen wieder verlegt wird, das 1945 während der französischen Besatzung auf etlichen Streckenabschnitten demontiert worden war. Mancherorts geht es bei der Schieneninfrastruktur nicht in Jahrzehnten, sondern wohl in Jahrhundert-Schritten voran. Bei allen Verkehrs- oder Infrastrukturprojekten kommt es auf eine intensive, ehrliche und frühe Kommunikation mit allen Betroffenen an, genau diese Lehre ziehe ich auch aus dem Projekt des zuvor erwähnten Prüf- und Technologiezentrums. Breite Kommunikation trug dazu bei, dass keine einzige Klage gegen das Projekt eingereicht wurde! Nicht wenige Projekte geraten in Verzug, weil Anwohner nicht oder zu spät einbezogen werden.

Nicht nur beim Ausbau der Verkehrsinfrastruktur geht es um den Flächenbedarf, für die Ansiedlung von wachsenden Firmen, die ihre Produktion ausweiten wollen, trifft das gleichfalls zu. Ich selbst habe erlebt, wie schwierig es war, in Baden-Württemberg eine Fläche für das Prüf- und Technologiezentrum von Mercedes-Benz zu finden. Mein Technikkollege Rainer Imdahl, und ich haben uns – unterstützt durch interne Mitarbeiter und zahlreiche Experten für Naturschutz, Umwelt, Recht, Technik usw. – mit 120 potenziellen Liegenschaften befasst, um ein Gelände zu finden, das die Verwirklichung der Planungen mit möglichst geringen Auswirkungen auf Mensch und Natur erlaubte. Nicht überall brandete Begeisterung auf, und die Kritik reichte von der Lärmbelastung über den Verkehr bis zum Naturschutz.

Intensivere Kommunikation
Bei der Realisierung von technischen bzw. wirtschaftlichen Projekten kommt es auf eine intensive Kommunikation an, die auf Seiten der Unternehmen auch die Bereitschaft zu Kompromissen beinhaltet. Bei der Realisierung des zuvor erwähnten Prüfzentrums bezogen wir die Bürgerschaft in Immendingen und der ganzen Region von Anbeginn ein. Wir waren sehr dankbar, dass wir die Möglichkeit bekamen, offen und durchaus kontrovers über das Vorhaben zu diskutieren. Und es ist keine Floskel, wenn ich sage, dass wir viele Anregungen aus den Gesprächen mitgenommen haben, die in die Planungen eingeflossen sind. Besonders ins Auge springt, dass ein Korridor die Fläche gewissermaßen zerschneidet, damit die Wildtiere bei ihren Wanderungen nicht gefährdet oder behindert werden. Im Unternehmen war der Wille vorhanden, selbst schwierige Vorgaben zu erfüllen, was für den angesprochenen Wildtierkorridor, aber auch für Verschiebungen bei den technischen Modulen zutraf, um die Eingriffe möglichst klein zu halten. Für die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) wurden durch den Jahreslauf Daten zu Tieren und Pflanzen auf dem Gelände durch Spezialisten aus dem Umfeld der Naturschutzverbände gesammelt und aufbereitet. Der Schutz der Natur hatte bei diesem Projekt eine hohe Priorität. Leider fehlt bis heute die Grünbrücke über die Autobahn A81, so dass mal wieder sichtbar wird, dass Unternehmen häufig den Schutz der Wildtiere ernster nehmen als die öffentliche Hand.
Am Rande möchte ich anmerken, dass gesetzliche Vorgaben für alle Projekte in gleicher Weise gelten sollten. Leider ist das nicht der Fall, wie der Bau des Tesla-Werks in Brandenburg beweist. Dort wurden die Erhebungen z. B. zu Eidechsen für die Umweltverträglichkeitsprüfung nur im Winter durchgeführt, wo sich diese Tiere nun wirklich schwer lokalisieren lassen! Wenn der rote Teppich für gewerbliche und industrielle Vorhaben ausgerollt wird, dann sollte sich die Politik die Investoren schon genauer ansehen. So mancher, der heute über Elon Musk schimpft, der hat in Grünheide für Tesla die ein- oder andere Ausnahmeregelung durchgewunken. Der Tesla-Chef Elon Musk ließ in der Mark Brandenburg seine sogenannte ‚Gigafactory‘ hochziehen, obwohl die endgültige Baugenehmigung noch nicht vorlag, und die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Nachfolger Olaf Scholz (SPD) lobten die zügige Vorgehensweise: Die Politik drückte bei diesem Projekt mindestens ein Auge zu, denn die Umweltverträglichkeitsprüfung war völlig unzulänglich abgelaufen. Auf den fragwürdigen Ablauf der Umweltverträglichkeitsprüfung bin ich in meinem Blog-Beitrag ‚Brandenburg: Tesla walzt die Natur nieder. Umweltverträglichkeitsprüfung wird zur Farce‘ eingegangen.

Energiekosten senken
Zu großen Belastungen für Gewerbe und Industrie – und alle Bürgerinnen und Bürger – sind die hohen Energiekosten geworden. Deutschland liegt in der EU an der Spitze und deutlich über den Durchschnittspreisen. Die Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD hat sich vorgenommen, die Stromsteuer auf den EU-Mindestsatz herabzusetzen und einen wettbewerbsfähigen Industriestrompreis einzuführen, doch kann das nur ein Anfang sein. Gleichzeitig müssen die Stromnetze zügiger als bisher ausgebaut werden, denn in absehbarer Zeit wird der Süden Deutschlands nicht die notwendigen Strommengen selbst erzeugen können, sondern ist auf Windstrom aus dem Norden Deutschlands und Europas angewiesen. Wie stark unser modernes Leben vom Strom abhängt, merken wir meist erst dann, wenn Lifte steckenbleiben, PC, Fernseher und Radio sowie der Kühlschrank den Dienst versagen, oder man Kerzen und Streichhölzer sucht, weil das Licht erloschen ist. Am eigenen Leib mussten das die Bürger in Spanien und Portugal jüngst erleben. Weitere Hinweise zu diesem Themenkomplex lesen Sie in: ‚Blackout: Wenn der Strom fehlt. Wie gefährdet sind unsere Stromnetze?‘ Die Wind- und Solarkraft muss jedoch nicht nur im Norden, sondern z. B. auch in Baden-Württemberg ausgebaut werden. Das wird allerdings nicht gelingen, indem man hier und da ein Windrad in den Wald stellt, sondern es müssen finanziell interessante Konzepte umgesetzt werden, die Ackerbau mit Naturschutz und Stromerzeugung besser als bisher verbinden. Verwunderlich ist es schon, dass in Baden-Württemberg kaum neue Windkraftanlagen errichtet werden, wo doch die Regierung aus Bündnis90/Die Grünen und CDU in ihrem Koalitionsvertrag verkündeten, man wolle in der Legislaturperiode von 2021 bis 2026 „die Voraussetzungen für den Bau von bis zu 1000 neuen Windkraftanlagen schaffen“. Im Jahr 2024 waren es gerade mal 22, wobei gleichzeitig vier Anlagen stillgelegt wurden. Ohne einen Ausbau der Speicherkapazitäten wird es in ganz Deutschland nicht gehen, und für Dunkel-Flauten benötigen wir auf absehbare Zeit Gaskraftwerke, die später mit Wasserstoff betrieben werden können.

Beim Stichwort Wasserstoff bin ich bei einer aus meiner Sicht ärgerlichen Thematik. Die Politik hat im Bund und in der EU die Technologieoffenheit vernachlässigt. Wasserstoff und synthetischem Kraftstoff wurde nicht die Chance geboten, ihr Potential auszuschöpfen. Die nahezu völlige Konzentration auf batterieelektrische Antriebe war falsch. Wer Fahrzeuge mit batterieelektrischem Antrieb in hoher Stückzahl nur verkaufen kann, wenn es reichlich Subventionen gibt, der beschreitet einen Irrweg. Dem Wasserstoff kommt bei der Speicherung von momentan nicht benötigtem, regenerativ erzeugtem Strom eine große Bedeutung zu, obwohl bei der jeweiligen Umwandlung Verluste auftreten. Es kann doch nicht sein, dass Windturbinen und zukünftig auch private PV-Anlagen bei mangelnder Nachfrage zwangsabgeschaltet werden, da der produzierte Strom die Netze überlasten würde! Dieser aktuell nicht benötigte Strom sollte in Wasserstoff umgewandelt und bei steigendem Bedarf rückverstromt werden.

Konkurrenzdruck nimmt zu
Nicht zu vernachlässigen ist der große Unterschied bei Lohn- und Lohnnebenkosten zwischen Deutschland und Standorten im europäischen Umfeld. Nach Pressemeldungen lassen sich Kompaktmodelle von Mercedes-Benz in Ungarn 70 % günstiger produzieren als an deutschen Standorten. Der Jahresverdienst eines Vollzeitbeschäftigten liegt in Ungarn nach EU-Angaben bei weniger als 17 000 Euro und in Deutschland bei knapp 51 000 Euro. Kommen zu diesen Diskrepanzen hohe Lohnnebenkosten in Deutschland, Bürokratisierung und mangelhafte Digitalisierung oder zerbröselnde Infrastruktur hinzu, dann fällt der Industriestandort Deutschland zwangsläufig zurück. Für die Entwicklung der Lohnkosten tragen die Tarifpartner die Verantwortung, doch die Höhe der Lohnnebenkosten von rd. 22 % des Lohns ist auch politisch beeinflusst. Bei Kranken-, Pflege-, Renten-, Arbeitslosen- und Unfallversicherung geht der Trend nach oben, und das hat überdies demografische Gründe. Unsere hohen Arbeitskosten lassen sich im globalen Wettbewerb nur halten, wenn mit Effizienz, Innnovationsfreude und Einsatzwillen alle Tätigkeiten ausgeführt werden.

Ähnlich starke Unterschiede wie bei den Löhnen plus Lohnnebenkosten lassen sich bei der Körperschaftssteuer, die Unternehmen betrifft, feststellen. Der Steuersatz liegt in Deutschland bei knapp 30 %, in den USA bei 25 %, in Polen bei 19 % und in Ungarn bei lediglich 9 %. Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen lässt sich nur erhalten bzw. wieder steigern, wenn die Körperschaftssteuer gesenkt wird.

Offenheit für Innovationen
Überbordende Bürokratie, mangelnde Digitalisierung, hohe Lohn- und Lohnnebenkosten bzw. Unternehmenssteuern, überhöhte Strompreise und eine fehlende Priorisierung der öffentlichen Ausgaben fallen vielerorts mit zu wenig Verständnis für technische Innovationen und wirtschaftliche Notwendigkeiten zusammen. Ziehen wir nur diese Belastungen in Betracht, dann scheint der wirtschaftliche Niedergang vorprogrammiert. Das wirtschaftliche Zurückfallen im weltweiten Wettbewerb ist jedoch kein Schicksal, das wir nur erleiden können. Ganz im Gegenteil, denn die hohen Hürden, die den wirtschaftlichen und technischen Erfolg behindern, sind überwiegend hausgemacht. In Deutschland und der EU müssen die Entscheidungsträger endlich ernst machen mit der Entbürokratisierung und Freiräume schaffen, in denen sich Gewerbe, Handwerk, Handel, Industrie, kleine und große Unternehmen wieder entfalten können. Eine zusätzliche staatliche Schuldenaufnahme in Billionenhöhe ersetzt nicht eine Aufgabenkritik in den staatlichen Haushalten und eine klare Priorisierung öffentlicher Aufgaben. Das dürfen Bundes- und Landesregierungen, genauso wenig wie Kommunen und Landkreise nicht vergessen!
Bei allen kritischen Bewertungen sollten wir unser Licht aber auch nicht unter den Scheffel stellen, denn die deutsche Wirtschaftsstruktur ist eine solide Basis für den neuen Aufschwung. Zu lange hat die deutsche und europäische Politik mit ausländischen Großunternehmen geflirtet und versucht, diese mit hohen Milliardenbeträgen anzulocken. Wichtiger ist es jedoch, die Fesseln zu entfernen, die Gewerbe und Industrie vor Ort hemmen. Kleine und mittelständische Betriebe, Start-ups und Großunternehmen brauchen mehr Freiraum, um die erarbeiteten Innovationen umsetzen zu können. Weniger Bürokratie, mehr Digitalisierung und eine bessere Infrastruktur werden zur wirtschaftlichen Belebung in Deutschland beitragen. Offenheit für Technik und Wirtschaft sind unerlässlich, wenn wir wirtschaftlich vorankommen wollen. Das muss auch die Politik erkennen und den Mut zur Innovation nicht in Ketten legen, sondern fördern. Nur mit mehr Offenheit für technische Innovationen und wirtschaftliche Anforderungen werden wir auf Dauer unseren Wohlstand und die freiheitliche Lebensweise sichern können.
Zum Beitragsbild
In den späten Jahren der Merkel-Regierungen und unter Olaf Scholz kamen die Belange von Industrie und Technik zu kurz, was für Kleinbetriebe und Start-ups ebenso zutrifft wie für den Mittelstand und Großunternehmen. Statt die in Deutschland ansässigen Unternehmen zu fördern, wurde ihnen mit neuen Gesetzen und Verordnungen das Leben schwergemacht. Darüber kann das Anlocken dicker Fische mit Milliardensubventionen nicht hinwegtäuschen, das dann zumeist scheiterte – wie bei Intel in Magdeburg. Für Tesla wurde in Brandenburg der rote Teppich ausgerollt, obgleich Elon Musk zu den fragwürdigsten Persönlichkeiten im Wirtschaftsleben zählt. ‚Würden Sie Ihr Kind „X Æ A-12“ nennen? Elon Musk zwischen Genie und Wahnsinn‘, so lautet der Titel meines Beitrags. Wir brauchen mehr Offenheit für die Bedürfnisse von Wirtschaft und Technik! (Bild: Ulsamer)