Desaster bei der Bundeswehr, aber Angela deckt Ursula
Für mich ist es ein echtes Phänomen, dass Ursula von der Leyen immer noch im Amt ist. Da bleiben Flugzeuge mangels Ersatzteilen am Boden, Hubschrauberpiloten verlieren ihre Fluglizenzen, da ihnen Flugstunden fehlen, U-Boote haben keine Mannschaft und Marineschiffe keine umfassende Bewaffnung, doch die zuständige Ministerin hält sich über Wasser. Der Rettungsring heißt Angela Merkel! Der Wehrbericht stellt ihr ein denkbar schlechtes Zeugnis aus, und der Bundesrechnungshof moniert geschönte Bereitschaftszahlen, doch es fehlt am sachgerechten und zielführenden Durchgreifen der Ministerin, die nur lauthals und konzeptionslos nach mehr Geld ruft.
Ursula von der Leyen hat ein unglaubliches Talent, sich rechtzeitig weg zu ducken, wenn es kritisch wird, und dies ist unter Beschuss nicht gänzlich falsch. Doch kaum taucht sie aus der Deckung wieder auf, die Bundeskanzlerin Angela Merkel ihr bietet, da strahlt sie, als wäre nichts gewesen. Nun mag ich griesgrämige Politikerinnen und Politiker auch nicht wirklich, aber auf schlechte Zeugnisse sollten politische Taten folgen: ein Lächeln ersetzt allemal im Verteidigungsbereich nicht die richtigen Zielsetzungen. Im Ernstfall, und den erleben die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr in den Auslandseinsätzen täglich, da sollten Material, Führung und Strategie stimmen.
„Trendwende“ als Rolle rückwärts?
Die zuständige Ministerin redet von „Trendwenden“ bei der Bundeswehr, doch die Berichte des Wehrbeauftragten listen immer dramatischere Mängel auf. So betont der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels im Wehrbericht für das Jahr 2017: „Die ‚Trendwende‘ von der Verwaltung des Mangels hin zur materiellen Vollausstattung läuft ebenfalls sehr zäh.“ Mag Ursula von der Leyen hin und wieder bei all den negativen Meldungen lieber abtauchen wollen, selbst dies ist der Ministerin nicht vergönnt: „Auch von den sechs deutschen Unterseeboten war Ende des Jahres kein einziges betriebsfähig.“ Na gut, wer braucht schon ein U-Boot, könnte man fragen, aber wie steht es denn dann in der Luft? Nehmen wir mal den A400M: „Zum Ende des Berichtsjahrs stand zeitweise keine der in Dienst gestellten 14 Maschinen für den Einsatz bereit.“ Das klingt ja auch nicht besser, und wenn man dann auch noch Hubschrauberpiloten zum ADAC schickt, da dessen Helikopter auch abheben, dann zweifle ich doch an der Verteidigungsbereitschaft unserer Bundeswehr. Trotz dieses Ausweichens auf gelbe Helikopter verlieren immer wieder Piloten – zumindest vorübergehend – ihre Fluglizenz, da sie die vorgeschriebenen Flugstunden nicht absolvieren können. Dies ist sicherlich auch kein Anreiz für mögliche Interessentinnen und Interessenten, bei der Bundeswehr anzuheuern.
„Wenn es allerdings zwei Jahre dauert, um die deutsche Rüstungsindustrie überhaupt einmal zu beauftragen, 100 gebrauchte LEOPARD-Kampfpanzer, die bereits auf dem Hof der Industrie stehen, im Kampfwert zu steigern, ist das kein Beleg für problembewusstes Rüstungsmanagement“, so nochmals der Wehrbericht. Dies klingt für mich nach einer glatten Sechs für Ursula von der Leyen, die immer wieder als potentielle Nachfolgerin von Angela Merkel gehandelt wurde. Nicht vergessen darf man, dass von den „244 vorhandenen Fahrzeugen nur 95 einsatzbereit sind“ – gemeint ist wieder der LEOPARD. Dabei ist der Leopard doch für seine Schnelligkeit bekannt, aber wohl nur, wenn er auf vier Pfoten unterwegs ist.
Mehr essen, damit die Klamotten passen?
Geradezu nach einer Militärparodie klingt es, wenn es nicht nur an Schutzwesten mangelt, sondern wohl auch Unterhosen knapp sind. Die Bundeswehr ist jedoch ein Problemlöser, denn die „Servicestationen der Bundeswehr Bekleidungsmanagement GmbH geben bei Engpässen bestimmter Größen stattdessen behelfsweise benachbarte Größen aus“. Das ist dann der besondere Chic, und da fragt sich die Chefin der Truppe noch, warum 21 000 Dienstposten nicht besetzt werden können. Aber bei einem guten Draht zur Kanzlerin, da wird man auch mit miesen Noten in die nächste Klasse, pardon, die nächste Amtszeit versetzt.
Nun ja, so könnten hartgesottene CDU-Anhängerinnen und -Anhänger beschwichtigend sagen, der Wehrbeauftragte Bartels hat ein SPD-Parteibuch und setzt daher der CDU-Vorturnerin im Wehrbereich so zu. Eigentlich wollte ich den Begriff ‚Vorturnerin‘ noch streichen, denn er erinnert doch ein wenig an den Skandal mit dem erzwungenen Stangentanz in der Pfullinger Kaserne. Welche Soldatin möchte sich den Weg nach oben in der Bundeswehr denn ertanzen? Wohl keine: Und wieder ein Grund für viele junge Frauen von einem Einstieg in den Soldatenberuf abzusehen.
Potemkin‘sche Schiffe
Doch kaum war der Wehrbericht im Stile Angela Merkels ausgesessen, da rügte der Bundesrechnungshof falsche Zahlen bei den einsatzbereiten Gerätschaften der Bundeswehr. „Der Bundesrechnungshof wirft Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen vor, Mängel bei der Bundeswehr zu verschleiern. Das steht in einem Bericht an den Haushaltsausschuss des Bundestags, der dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt.“ Da würden acht Minenjagdboote als einsatzbereit gemeldet, doch es gebe lediglich sechs Besatzungen. Wie kann der Bundesrechnungshof nur so kleinlich sein? Wer wird denn mit den teuer beschafften Schiffen auch noch aufs offene Meer hinausfahren wollen? „Korvetten der Marine zum Beispiel ohne einsatzbereite Lenkflugkörper – also ohne ausreichende Bewaffnung. Panzer, deren Ausstattung für die Ausbildung reicht, aber nicht für den tatsächlichen Einsatz.“
Bei den Korvetten wusste das Verteidigungsministerium Rat: Man könne ja auch ohne Lenkflugkörper hinter Schleppern hereilen, die Flüchtlingen nach Europa schippern. Das mag schon stimmen, aber für die Jagd auf Schlepper wurden die Korvetten wohl kaum angeschafft. Und die Erfolge gegen kriminelle Schlepperbanden lassen auch zu wünschen übrig, dies beweisen die hohen Zahlen von Flüchtlingen, die in Italien angelandet werden. Übrigens ein Thema, das der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung und der Lega in Italien bei den letzten Wahlen enormen Auftrieb verschafft hat. Ein deutlicher Beleg dafür – wie die Erfolge der AfD in unseren Landen -, dass das Flüchtlingsproblem nicht nur beim Fehlverhalten mancher BAMF-Bereiche, sondern auch in Italien und Griechenland weiterhin hochkocht.
Zwar waren mir ‚Potemkin‘sche Dörfer‘ schon ein Begriff, bei denen nur die Schauseite der Häuser herausgeputzt wurde, doch dass es dies auch bei Schiffen, Panzern und Flugzeugen gibt, das ist ein schlauer Schachzug von Ursula von der Leyen. Bei jedem Tag der offenen Tür kann man dies alles vorzeigen, nur in See stechen, losfahren oder sich in die Lüfte erheben, das kann man damit nicht. Irgendwie ist alles ‚Hollywood‘. Nicht sehr beruhigend!
Neues ‚Spielzeug‘ für die Ministerin
Mögen die Panzer auch nicht fahren, Schiffe und U-Boote im Dock liegen, Transportflugzeuge und Helikopter nicht abheben, dann muss eben ein neues Spielzeug her: ‚Heron TP‘ – Drohnen. Wenn langsam scheinbar jeder eine Drohne zuhause hat, die schon zu einer Belästigung von Mensch und Tier, aber auch zu einer Gefahr für Flugzeuge werden, da möchte auch Ursula von der Leyen solche haben. Natürlich dürfen sie etwas größer sein und sollen bis 2025 aus Israel kommen. Kosten sollen die Leih-Drohnen rd. 1 Mrd. EURO. Danach würde eine europäische Drohne zum Einsatz kommen, wenn sie bis dahin entwickelt sein sollte.
Generell bin ich nicht gegen den Einsatz von Drohnen – sei es zur Aufklärung oder auch zu einem bewaffneten Angriff -, doch ersetzt der Einsatz neuer Systeme nicht die Notwendigkeit, das vorhandene militärische Gerät auf Vordermann zu bringen. Nach meiner Meinung müssten im Deutschen Bundestag, unserem XXL-Parlament, der doch wieder zum zentralen Forum der politischen Diskussion werden wollte, auch die strategischen und ethischen Fragen des Drohneneinsatzes erörtert werden, denn letztendlich werden wir bei bewaffneten Drohnen landen. Und wenn dies zum Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten richtig ist, dann sollten wir diesen Schritt auch gehen.
Zuerst Strategie und dann mehr Budget
Militär kostet Geld, das ist keine Frage. Und in unseren Zeiten muss die Bundeswehr für vielfältige Aufgaben in unserem Land, als NATO-Partner oder bei Auslandseinsätzen gerüstet sein. Und wenn das vorhandene Budget maßgeblich zum desaströsen Zustand der Ausrüstung beiträgt und auch nicht genügend neue Kräfte gewonnen werden können, dann muss auch eine Erhöhung des Wehretats erwogen werden. Das laute Rufen nach mehr Geld ersetzt jedoch die klare Strategie nicht. Geradezu absonderlich erscheint es mir, wenn 2 % des Bruttoinlandsprodukts für den Militärbereich gefordert werden, nicht zuletzt durch den König des schnellen Tweets, Donald Trump.
Ich bin mir bewusst, dass die NATO-Staaten bereits 2014 in Wales den Entschluss gefasst hatten, zukünftig 2 % des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung auszugeben. Unter den europäischen NATO-Staaten schafft dies ausgerechnet Griechenland! Aber denen geht es finanziell auch glänzend! Oder doch nicht? An diesem Beispiel lässt sich leicht erkennen, dass eine generelle Vorgabe völlig absurd ist. Kaum war Donald Trump an der Macht, da versuchte er, seinen „Partnern“ mal richtig Dampf zu machen und die eigene Prozent-Vorgabe kam wie ein Bumerang zurück. Für mich erschreckend, dass nicht nur Ministerin von der Leyen, sondern auch Bundeskanzlerin Merkel eilfertig die Zielvorgabe wieder aufgriffen, ohne die zu finanzierenden Aufgaben zu benennen. „Ja, wir wissen, dass wir einen größeren, einen faireren Teil der Lasten für die gemeinsame Atlantische Sicherheit tragen müssen“, sagte Ursula von der Leyen zur Eröffnung der 53. Münchner Sicherheitskonferenz am 17. Februar 2017. Wenn wir bisher keinen ‚fairen‘ Anteil tragen, dann hätte Donald Trump Recht. Ganz so sehe ich dies allerdings nicht! Und nun muss ausgerechnet der neue SPD-Finanzminister Olaf Scholz bei höheren Militärausgaben bremsen.
Auch wenn ich mich wiederhole, das Geld muss der politischen und militärischen Strategie folgen und nicht umgekehrt. Beim jetzigen Trauerspiel im Beschaffungsbereich könnten die zusätzlichen Milliarden gar nicht sinnvoll ausgegeben werden. Und es kommt auch auf den sinnvollen Einsatz der vorhandenen Ressourcen an: Wenn Ausschreibungen sich über Gebühr in die Länge ziehen, teilweise das vorhandene Gerät nicht zur Strategie passt, der Umgang mit den Soldatinnen und Soldaten teilweise zu wünschen übriglässt, Zahlen einsatzfähigen Großgeräts geschönt werden, dann stellt sich nicht nur die Budget-, sondern auch die Personalfrage.
Wann springt der Papiertiger?
In einem Großunternehmen – und dies die Bundeswehr mit rd. 240 000 Soldatinnen und Soldaten und den zivilen Mitstreiterinnen und Mitstreitern allemal – wenn also in einem Unternehmen mit dieser Dimension und Bedeutung die Zahl der Debakel zunimmt, dann müsste sich doch auch die Frage stellen, ob die Ministerin eine Fehlbesetzung ist. Aber wenn die Bundeskanzlerin die schützende Hand über die Verteidigungsministerin hält, dann verstummt Kritik meist schnell. Angela stärkt Ursula den Rücken, egal was an Fragen hochkommt. Da fällt mir auch noch die ehemalige Bundesministerin Annette Schavan ein, die die Kanzlerin zwar nicht im Amt halten konnte, nachdem Plagiatsvorwürfe gegen diese laut wurden, die sogar im Entzug des Titels gipfelten, aber für die Ministerin für Wissenschaft und Forschung, die es in der eigenen Doktorarbeit nicht so genau genommen hatte, fand sich für vier Jahre noch ein warmes Plätzchen ausgerechnet als Botschafterin beim Vatikan!
Langlaufende Rüstungsprojekte können nicht von heute auf morgen umgesteuert werden, dessen bin ich mir bewusst. Aber Licht am Ende des Tunnels sollte man zumindest erkennen. Die dafür notwendigen Veränderungen sollte Katrin Suder als Staatssekretärin seit 2014 bei Beschaffung und Ausrüstung bewerkstelligen. „Von der Leyens Superstar steigt aus“, so titelte der ‚Spiegel‘ im März 2018 und betonte „Die eingeleiteten Reformen im Beschaffungswesen sind bisher nur Papiertiger.“
Führungswechsel – jetzt
Die Bundeswehr ist für unsere Sicherheit ohne Zweifel wichtig, und daher hat sie auch ein Recht auf unsere volle politische Unterstützung. Für mich ist neben Strategie und Budget aber auch die Führung das zentrale Thema. Und hier ist es – man möge mir diesen Vergleich verzeihen – wie beim Fußball: Ein neuer Trainer stellt neue Aspekte in den Vordergrund und schafft mit der gleichen Mannschaft den Klassenerhalt. Gleiches kommt auch in der Privatwirtschaft vor: Strauchelnde Unternehmen oder Abteilungen kommen unter neuer Führung wieder zum Leuchten. Warum soll dies nicht auch in der Politik und gerade im Verteidigungsministerium gelten?
Heute beträgt der Etat der Bundeswehr 38,5 Mrd. EURO, gewiss kein kleines Sümmchen, und er wird in Zukunft den Aufgaben entsprechend steigen. Doch dies alles nutzt nichts, wenn nicht auch die oberste Führung durch eine unverbrauchte Politikerin oder einen Politiker neue Impulse erfährt. Es ist Zeit für einen Führungswechsel im Verteidigungsministerium. Potemkin’sche Flugzeuge, Panzer und Schiffe und Papiertiger im Beschaffungswesen helfen den Soldatinnen und Soldaten nicht – und bringen uns alle keine Sicherheit.
Ich bin mir bewusst, dass ich bereits vor einem Jahr über „Flinten-Uschi“ und ihren Karriereknick geschrieben habe, doch macht das Festhalten an der zuständigen Ministerin die Lage der Bundeswehr auch nicht besser. Wenn wir nicht in einer Bananenrepublik enden wollen, dann müssen wir in Deutschland politische und damit auch personelle Fragen beherzter angehen als bisher, denn die Welt wartet nicht auf uns. Für mich ist es nicht nachvollziehbar, dass Ursula von der Leyen seit Dezember 2013 Verteidigungsministerin ist und die Mängel immer deutlicher ins Kraut schießen, ohne dass in der Bundesregierung und im Parlament die notwendigen Konsequenzen gezogen werden.
Sehr erfrischend, diesen ehrlichen und mit leichtem Sarkasmus verfassten Bericht zu lesen.