Der norwegische Wohlstand basiert weiterhin auf Öl und Gas
Im Jahr 2019 waren 42,4 % der verkauften Neuwagen in Norwegen E-Autos. Kaum verwunderlich, dass daher auch Norwegen gerne als großes Vorbild für die Elektromobilität gepriesen wird. Und Teslas gibt es überall zu sehen. Die glänzende Münze hat jedoch eine weit dunklere Rückseite: Norwegen kann sich üppige Fördergelder für E-Autos bestens leisten, da es den Weltmarkt aus seinen fleißig sprudelnden Ölquellen beliefert. Keine Spur vom Ende des Ölzeitalters, ganz im Gegenteil: Es werden neue Ölfelder in der Nordsee erschlossen! Nun bin ich mir selbstredend bewusst, dass Öl nicht nur für die Mobilität, sondern auch für die chemische Industrie usw. benötigt wird, doch ist Norwegen ein Beleg dafür, dass so mancher vom Öl lebt, der sich lieber für E-Autos loben lässt.
Norwegen: Hohe finanzielle Abhängigkeit vom Öl
Wenn die norwegische Regierung bereits 2025 keine Neuwagen mit Verbrennungsmotor mehr zulassen will, dann ist das anspruchsvoll und ehrgeizig. Aber im Grunde müsste dann Norwegen auch den Export seines Nordseeöls drosseln oder einstellen. Dies ist jedoch kaum zu erwarten, denn der norwegische Wohlstand basiert noch immer zu einem guten Teil auf fossilen Rohstoffen. So schreibt das Auswärtige Amt auf seiner informativen Seite zu Norwegen: „Der wichtigste Wirtschaftssektor in Norwegen ist die Öl- und Gaswirtschaft. Norwegen besitzt große Öl- und Gasreserven und ist weltweit der 15. größte Lieferant für Öl sowie Europas zweitgrößter Gaslieferant. Die Öl- und Gasindustrie trägt mit jährlich etwa 15 % zur Wirtschaftsleistung des Landes bei. Ihr Anteil am jährlichen Gesamtexportvolumen beträgt etwa 34 %. Aufgrund der regelmäßigen Einnahmen aus der Öl- und Gaswirtschaft ist der norwegische Staat praktisch schuldenfrei. Die Petroleumfunde der letzten Jahre lassen erwarten, dass die norwegische Öl- und Gaswirtschaft auch in Zukunft zum Staatshaushalt beitragen wird.“
So ist das eben im wahren politischen Leben: E-Autos für die eigene Region, mit weniger Emissionen in Stadt und Land. Aber mit Öl und Gas gute Geschäfte machen, das möchte die norwegische Regierung auch weiterhin. Und über ein Unterwasserkabel – NordLink – soll Strom aus Wasserkraft „als Balanceenergie für Deutschland“ geliefert werden, wenn es bei uns mal nicht mit Sonne und Wind klappen sollte. Auf jeden Fall besser als Atomstrom aus Frankreich oder Kohlestrom aus Polen! Dazuhin nicht so fragwürdig wie die ‚Nord Stream‘-Pipeline, die russisches Gas nach Deutschland transportieren wird. Deutlich wird hier jedoch, dass wir in Deutschland parallel zum Ausbau der regenerativ erzeugten Energie auch eigene Speicherkapazitäten – z. B. mit Wasserstoff – schaffen müssen.
Ölexporte sind nicht klimafreundlich
Folgt man der amtlichen Internetseite ‚norskpetroleum.no‘, dann sind erst 48 % der bekannten Ölreserven gefördert worden, und rd. 140 000 Menschen arbeiten im Öl- und Gassektor, dies entspricht 5 % der Beschäftigten. Ende 2019 förderten 87 Felder Öl bzw. Gas. Im Jahr 2018 entfielen 53 % des Güterexports auf Öl und Gas bzw. daraus hergestellte Kondensate. Aus dem Öl- und Gassektor erwartet die norwegische Regierung 2020 rd. 245 Mrd. norwegische Kronen (knapp 25 Mrd. Euro). Dieses einträgliche Geschäft kann und will sich Norwegen auf absehbare Zeit nicht entgehen lassen. Mit Hilfe der üppig sprudelnden Öleinnahmen füllte der norwegische Staat den Government Pension Fund Global – bzw. Norway’s oil fund – inzwischen mit über einer Billion Dollar an Investments. Klares Ziel ist es, dass die Öleinnahmen nicht nur der jetzigen, sondern auch zukünftigen Generationen zugutekommen! Diese langfristige Denkweise vermisse ich in der deutschen Politik!
Es ist zwar richtig und wichtig, wenn Elektrofahrzeuge zunehmend zum Einsatz kommen, wobei ich stärker als bisher auf die Brennstoffzelle mit Wasserstoff setzen würde. Batterieelektrische Fahrzeuge alleine werden unsere Mobilitätsprobleme – zumindest in Flächenstaaten – nicht alleine lösen können. Alternative Treibstoffe aus Reststoffen, die bei Verbrennern gleichfalls neue emissionsfreie Zeiten einläuten könnten, sind ebenso wichtig wie Konzepte, die aus CO2 Treibstoff herstellen. Das Beispiel Norwegen zeigt aber auch in besonderer Weise, dass selbst bei einer steilen Zunahme der E-Autos eine klimaneutrale Wirtschaft noch weit entfernt ist.
Wer nur zuhause medienwirksam E-Auto fährt, Öl und Gas auf der anderen Seite eifrig exportiert, der kann nicht als Musterknabe in Sachen Klimaschutz gelten. Wo Öl und Gas anschließend verbrannt werden, spielt bei der durch Emissionen hervorgerufenen Erderwärmung keine Rolle. Vom Öl leben und E-Auto fahren, ist auf Dauer keine Lösung in Zeiten des Klimawandels. Irgendwie erinnert mich dies auch an die deutsche Taktik, mit großem Brimborium die letzte Steinkohlenzeche in Nordrhein-Westfalen zu schließen und dann Steinkohle aus Australien zu importieren.
Eine Antwort auf „Norwegen: Öl für den Weltmarkt, E-Autos für daheim“