Naturschutz: Vögel machen sich rar

Johanna Romberg ‚Vom Glück, Vögel zu beobachten‘

Auf sehr persönliche Weise bringt Johanna Romberg ihrer Leserschaft das Leben der Vögel näher. ‚Federnlesen‘ ist kein Bestimmungsbuch, sondern eine einfühlsame Hinleitung zur Vogelbeobachtung. Auch Leserinnen und Leser kommen auf ihre Kosten, die nicht mit dem Fernglas oder der Kamera losziehen, um die gefiederten Freunde in ihrem Umfeld zu beobachten. Die Autorin hat aktuelle Informationen zusammengetragen und ergänzt sie mit ihren jahrzehntelangen Erfahrungen aus der Vogelbeobachtung. Johanna Romberg macht klar, dass ihr Buch „auch von Themen wie Artenschwund, Lebensraumzerstörung und der mühevollen, oft entmutigenden Kleinarbeit des Naturschutzes“ handelt, doch im Mittelpunkt stehen die Flugkünstler im Federkleid. Längst hat jeder, der mit offenen Augen durch Stadt und Land geht, erkannt, dass es nicht nur den Insekten in unserem Land schlechtgeht, sondern selbst Amsel, Drossel, Fink und Star – und vielen fliegenden Verwandten. Manche Vögel retten sich in die städtischen Gebiete, denn im ländlichen Raum finden sie oft kaum noch Nistplätze und das Nahrungsangebot ist in einer ausgeräumten Landschaft immer geringer geworden. Johanna Romberg spricht die Probleme konkret an, denen sich unsere Vogelwelt gegenübersieht.

Mehrere Kraniche auf einer grünen Wiese.
Kraniche zählen zu den Vögeln, die in Deutschland heute deutlich häufiger zu beobachten sind als früher. Naturschutzmaßnahmen kamen ihnen zu gute. Ich kann nur hoffen, dass es ihnen nicht wie anderen Tieren geht – z.B. dem Biber oder dem Fischotter: Kaum sind sie wieder in unserer Landschaft zu finden, da werden schon die Flinten geladen. (Bild: Ulsamer)

Rotmilan und Windkraft

Rotkehlchen, Ringeltaube, Heckenbraunelle, sowie Meise oder Singdrossel werden von Johanna Romberg ‚präsentiert‘, das Leben dieser Vögel und vieler anderer wird anschaulich geschildert. Aber auch Blauracke, Bienenfresser und Birkhuhn ‚kommen zu Wort‘, und die Autorin erwähnt, dass man sogar nach Jahrzehnten der Vogelbeobachtung den einen oder anderen Vogel kaum oder gar nicht zu Gesicht bekommen hat. Direkte Bezüge zu aktuellen politischen Entwicklungen zeigt Romberg bei Rotmilan und Mäusebussard auf, deren Bestände durch den Zubau an Windkraftanlagen gefährdet sind. Der Rotmilan liegt Naturschutzorganisationen am Herzen, genauso wie Johanna Romberg, was einerseits aus seinem eleganten Flugbild resultiert, und besonders auf die Bedeutung deutscher Landstriche für den Erhalt der gesamten Art zurück zu führen ist: „Zwar ist der Rotmilan noch vergleichsweise häufig; es gibt weltweit etwa 19 000 bis 25 000 Paare. Diese leben aber ausschließlich in Europa und mehr als die Hälfte davon in Deutschland.“ Daher ist es auch nicht überzogen, wenn Romberg betont, dass sich das Schicksal des Rotmilans in Deutschland entscheidet. Die Hinwendung zur regenerativ erzeugten Energie liegt Romberg ebenso am Herzen wie mir, daher ist ein sachgerechter Ausgleich zwischen Windkraft und Rotmilan & Co. unerlässlich. Dieses Spannungsverhältnis kenne ich sehr gut aus Gesprächen mit grünen Politikern, die mir einst vom Rotmilan vorschwärmten und dessen Schutz betonten, allerdings nur bis zum Planungsstopp für manche Windenergieanlage wegen eines Greifvogelhorsts in der Nähe. Ein klassischer Zielkonflikt!

Schwarzstorch am Himmel. Erkennbar ist das insgesamt dunkle Gefieder mit Ausnahme am hellen Bauch.
Bis zu diesem Foto kannte ich Schwarzstörche nur aus Wildgehegen, umso überraschter war ich, vor kurzem einen Schwarzstorch über dem Südschwarzwald kreisen zu sehen. Meine Kenntnisse im ‚Federnlesen‘ waren zu bescheiden, um ihn definitiv zu erkennen, aber Fachleute bestätigten die Sichtung. Der Schwarzstorch braucht reich strukturierte Wälder, Lichtungen und feuchte Wiesen, sowie Tümpel und Fließgewässer. Vielleicht helfen ihm die Biber mit ihren Bauten – wie am Ursee – in einer vielfältiger gestalteten Landschaft wieder Nahrung zu finden und somit heimisch zu werden. (Bild: Ulsamer)

Johanna Romberg macht auch deutlich, dass es bei der Planung von Windkraftanlagen auf frühe Gespräche zwischen Betreibern und Naturschützern ankommt, denn ansonsten könnten „Bis zum Jahr 2045 sowohl Rotmilan als auch Mäusebussard im größten Teil Norddeutschlands zu Raritäten geworden sein.“ Romberg fordert gleichfalls eine Neuorientierung der Landwirtschaftspolitik, um neue Freiräume für Vögel und andere Tiere zu schaffen: „Nicht länger nur Intensivierung und Ertragssteigerung fördern, sondern Leistungen für den Erhalt von Natur und Biodiversität.“ Dieser Zielsetzung kann ich nur aus ganzem Herzen zustimmen.

Eine Mönchsgrasmücke mit einer Efeubeere im Schnabel. Sie hat einen grauen Körper und einen schwarzen Kopf.
Amsel, Drossel, Fink und Star werden zwar noch im Kinderlied besungen, aber unsere Vogelwelt schrumpft immer mehr, da ihr Flurbereinigungen und intensive Landwirtschaft große Teile ihres Lebensraums genommen haben. Sowohl Schottergärten als auch beständiger Kurzhaarschnitt für den Rasen, fehlende Hecken und Wasserstellen machen den gefiederten Freunden das Leben wirklich nicht einfacher. Die Mönchsgrasmücke im Bild erfreut sich an Efeubeeren im urbanen Bereich. (Bild: Ulsamer)

Die Vögel – unsere Freunde vor der Haustüre

„Vogelstimmen sind der Soundtrack meines Lebens“, bekennt Johanna Romberg. Da ist schon was dran: Wer möchte die vielfältigen Vogelstimmen missen, die doch noch hin und wieder erklingen? Bei mir gibt es vor dem Fenster – während ich diese Buchbesprechung schreibe – zwar ‚nur‘ ein Spatzenkonzert, aber ich frage mich immer, was sich die kleinen Federträger wohl zu sagen haben? Wer mit der Autorin auf Vögel hören und sie besser erkennen möchte, der sollte zu ‚Federnlesen‘ greifen. Die vortrefflichen Illustrationen von Florian Frick ergänzen den Text von Johanna Romberg in symbiotischer Weise. Rombergs Buch ist eine interessante und eigenwillige ‚Einführung‘ in unsere Vogelwelt und noch mehr ein Aufruf, sich mit unseren unterschiedlichen Vogelarten zu beschäftigen. ‚Vom Glück, Vögel zu beobachten‘, so der Untertitel des Buches, der die Gefühlslage der Autorin bestens beschreibt, wenn sie im urbanen oder ländlichen Bereich und auch mal auf Helgoland oder in der Negev-Wüste als ‚Birder‘ unterwegs ist.

Ein Star mit braun-schwarzem Gefieder hängt an einem Holznistkasten.
Selbst die Bestände des Stars, einst ein ‚Allerweltsvogel‘, gehen seit Jahrzehnten zurück. So schreibt Johanna Romberg in ihrem Buch ‚Federnlesen. Vom Glück, Vögel zu beobachten‘ über den Star, dass in „Deutschland bis zu vier Millionen Brutpaare” leben, aber: „Das sind jedoch weniger als halb so viele wie noch 1990; seit der Jahrtausendwende befinden sich die Bestände im freien Fall.” Diese Star-Familie hat in einem Nistkasten Quartier bezogen, der eigentlich für Mauersegler gedacht war. Aber wer zuerst kommt, der mahlt zuerst. Und daneben blieb sogar eine ‚Wohnung‘ frei. (Bild: Ulsamer)

‚Federnlesen‘ ist ein überaus lesenswertes Buch, wenn man bereit ist, sich als Leserin bzw. Leser auf den persönlichen Zugang von Johanna Romberg zu diesem Thema einzulassen. Als ich das Buch von meiner Familie geschenkt bekam, war ich anfänglich etwas überrascht über den Erzählstil der Autorin, doch mit jedem Kapitel fand ich ihre Art der Darstellung erfrischender und in der Tat sehr spannend. Wer das Buch gelesen hat, wird auf jeden Fall viele neue Erkenntnisse auf seine nächste Vogelbeobachtung mitnehmen.

 

Cover des Buches Federnlesen mit einem gemalten Buntspecht.
Johanna Romberg: Federnlesen. Vom Glück, Vögel zu beobachten, Lübbe Verlag, Köln 2018

 

 

 

 

 

 

 

 

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