Vögeln fehlt es an Nahrung, Wasser und Nistplätzen
Verwunderlich ist es nicht, dass bei der NABU-Vogelzählung im Mai 2025 weniger Vögel pro Garten gezählt wurden, denn im Grunde bestätigt dies nur einen langjährigen Negativtrend in Deutschland und Europa. Beteiligt hatten sich im Mai 2025 fast 58 000 Vogelfreunde, so dass sich ein guter Überblick über die Situation in den deutschen Regionen ergibt. Auch die früheren ‚Allerweltsvögel‘ werden immer seltener, so verzeichneten Haussperling (- 12 %) und Feldsperling (- 16 %), Amsel (- 13 %) und Blaumeise (- 13 %) zweistellige Rückgänge, Kohlmeise (- 9%), Rotkehlchen (- 5%) oder Stieglitz (- 8%) kamen etwas besser weg. Zahlreichen anderen Vogelarten geht es zunehmend schlechter. Die intensive Landwirtschaft, aber auch die Verdichtung in den Städten und die Versiegelung weiterer Flächen machen es den Vögeln immer schwerer in unserem Land. Aus so manchem naturnahen Wald ist ein lebensfeindlicher Forst geworden. Wo sollen die gefiederten Freunde – wie der Haussperling – ihr Nest bauen, wenn Gebäude im Sinne der Energieeinsparung zu einem hermetisch abgeschlossenen Kubus werden? Die Trockenlegung von Tümpeln, verdolte Bäche und künstlerisch gestaltete Brunnen ohne Zugang für Wildtiere lassen Vögel in Hitzemonaten ganz einfach verdursten. Und wie sollen die Küken durchgebracht werden, wenn es an Insekten oder Würmern fehlt? Im Winter mangelt es an Samen von Wildkräutern, da sie mit Herbiziden ausgelöscht wurden. Nicht nur in Gärten und Parks wird es stiller, weil die Vogelstimmen fehlen, das trifft auch in besonderer Weise auf die Agrarflur zu.

Neuorientierung der Agrarpolitik ist zwingend
Die Ursachen von Insektensterben und Vogelschwund sind in weiten Bereichen seit Jahren geklärt, doch es fehlt am politischen Willen, tiefgreifende Veränderungen vorzunehmen. Es zeigt sich, dass wir beim Rückgang der Vogelpopulationen kein Erkenntnisproblem haben, sondern ein Handlungsdefizit. Das gilt für die meisten Naturschutzthemen in gleicher Weise, trotzdem bleibt es beim Wehklagen in Sonntagsreden. Und so müssen wir fortdauernd Tier- und Pflanzenarten gewissermaßen beim Aussterben zusehen. Der Schutz von Natur und Heimat war einst eine Aufgabe, für die sich konservative Kreise begeistern konnten, davon ist bei der neuen Bundesregierung unter Friedrich Merz (CDU) wenig zu spüren, wenn man vom Sondierungspapier und dem Koalitionsvertrag mit der SPD auf das zukünftige Handeln schließt. Auch bei den Sozialdemokraten vermisse ich schon lange den Bezug zur Natur, wie ihn bei ihrer Gründung die ‚Naturfreunde‘ personifizierten. Begriffe wie Vogelschwund oder Insektensterben finden sich beispielsweise nicht im Koalitionsvertrag, dafür aber die „Agrardiesel-Rückvergütung“. Das Bewusstsein scheint bei Union und SPD zu fehlen, dass es ohne eine Hinwendung der Landwirtschaft zu Ökologie und Nachhaltigkeit immer weniger Natur in unserem Land geben wird. Allerdings haben die Grünen in der Regierung von Olaf Scholz (SPD), die an sich selbst gescheitert ist, gleichfalls gezeigt, dass sie sich leider mit dem leichteren Abschuss von Wölfen brüsteten, statt mit wirklichem Engagement für Vögel und Insekten zu brillieren. Darauf bin ich bereits in meinem Beitrag ‚Bündnis 90/ Die Grünen: Die grüne Seele bei Natur- und Umweltschutz ist verwelkt‘ eingegangen.

Das Grundübel, das die Natur verdrängt und kleine Bauernhöfe zum Aufgeben zwingt, ist die Agrarpolitik der EU, die noch ununterbrochen in eine falsche Richtung geht. Unter Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die gerade Preise für ihr europapolitisches Engagement einheimst, ist es nicht gelungen, die Europäische Union zu einem Vorreiter eines gelebten Naturschutzes zu machen, sondern ganz im Gegenteil. Mehr dazu in: ‚EU-Agrarförderung bleibt grünlackierte Geldverteilmaschine. Familiengeführte Betriebe und die Artenvielfalt sterben‘. Kontinuierlich orientiert sich die Agrarförderung überwiegend an der Fläche und nicht am effektiven Beitrag zu Natur- und Umweltschutz. In seiner Zeit als Bundeslandwirtschaftsminister setzte Cem Özdemir (Bündnis90/Die Grünen) die Vorgaben zu Brachflächen und Fruchtfolge aus, die EU verlängerte die Zulassung des Totalherbizids Glyphosat um zehn Jahre. Wo aber sollen Vögel leben, wenn Hecken und Bauminseln aus der Landschaft verschwunden und blühende Wiesen zu Dauergrünland degeneriert sind? Wo sollen sie trinken, wenn die Tümpel zugeschüttet wurden, und wo sollen sie Futter für sich und ihre Küken finden, wenn Wildpflanzen und deren Samen ausgemerzt und Insekten zur Seltenheit wurden? Zahlreiche Vogelarten sowie Igel und selbst Feldhasen finden zunehmend in städtischen Gebieten Zuflucht, denn sogar Parks, Grünanlagen und Gärten bieten heute mehr Lebensraum als intensiv genutzte Äcker und Grünland in einer eintönigen Agrarlandschaft. In diesem Zusammenhang kam auch die im US-Journal ‚Proceedings of the National Academy of Sciences‘ (PNAS) von Ivette Perfecto u. a. veröffentlichte Studie zu dem Schluss „Farmland practices are driving bird population decline across Europe“. Wenn die Traktorkolonnen rollen, fehlt den Politikern weit überwiegend das Rückgrat, eine Neuorientierung der Agrarsubventionen durchzudrücken!

Mehr Natur für Stadt und Land
In unseren Städten schwinden die Rückzugsräume für Wildtiere, denn so mancher Kommunalpolitiker setzt auf eine überzogene Nachverdichtung. Nicht nur der Ex-Grüne Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer möchte Besitzer von ‚Baulücken‘ dazu zwingen, diese Restnatur durch Beton zu verdrängen. Das Pflanzen von Stadtbäumen, die im Zeichen einer weiteren Erwärmung als Folge des Klimawandels noch wertvoller sind, kommt in den meisten Kommunen kaum voran. Und so manchen Bürger, der in seinem kleinen Garten ein oder zwei Bäume heranwachsen ließ, treffen abfällige Blicke oder kritische Worte, wenn im Herbst die Blätter fallen, obwohl der Gärtlesbesitzer bei Nachbarn und auf der Straße eifrig fegt. Schottergärten und Parks, die einem großen Grillplatz gleichen, bieten keine Nahrung oder Nistplätze für Vögel. Dem Zugang zu Wasser kommt eine große Bedeutung zu, doch leider eignen sich die meisten historischen wie auch neuzeitlichen Brunnen scheinbar mehr zum Müllsammler, denn als Wasserquelle für Vögel und andere Wildtiere. Tümpel sind aus unserer Landschaft dauerhaft verschwunden, und ihre betonierten ‚Nachfolger‘ mögen dem Architekten und dem Bauherrn gefallen, der Nutzen für Vögel und Insekten indes ist gleich Null. Weitere Informationen zu diesem Themenfeld finden Sie in ‚Wildtiere: Jede Pfütze zählt! Den Zugang zu Wasser erleichtern‘.

Immer mehr Vogelarten geht es in unserer ausgeräumten oder zubetonierten Landschaft schlecht, und dazu zählt u. a. der Star. In Deutschland hat die Population der Stare seit 1980 um 55 % abgenommen! Wie sollen Vögel denn ihre Küken großziehen, wenn allenthalben die Insekten abnehmen – wie zahlreiche Studien belegen. Der großflächigen und zunehmend intensivierten Landschaft sind Nistplätze in Hecken oder an Feldrändern zum Opfer gefallen. Pestizide vernichten eine Vielzahl ‚unerwünschter‘ Pflanzen, wie Karde oder Distel, die dem Stieglitz als Nahrung dienen könnte. Insektizide haben zu einem beispiellosen Insektensterben geführt: 75 % der Biomasse der Insekten ist verschwunden. Mehr dazu in: ‚Galoppierender Insektenschwund und lahmende Politiker. Rückgänge um bis zu 97 % bei Schwebfliegen‘. In den letzten vier Jahrzehnten ist die Zahl der Sperlinge in der Europäischen Union plus dem Vereinigten Königreich um fast 250 Millionen Individuen zurückgegangen, eine negative Entwicklung, die sich laut den NABU-Zahlen weiter fortsetzt. Weitere Informationen zu dieser dramatischen Entwicklung finden Sie in: ‚600 Millionen Vögel weniger in Europa. Vögeln geht die Nahrung aus‘. Manche Gärten sind ein letztes Refugium für Vögel, doch denen, die sich nicht in naturnahe Gärten flüchten können, geht es noch schlechter. Dem Großen Brachvogel, der nicht nur in Deutschland vom Aussterben bedroht ist, fehlt es an Lebensraum, denn er brütet laut NABU „vor allem in Mooren, Dünen, Feuchtwiesen und auf störungsarmen Weiden“. Und Moore wurden zumeist trockengelegt, Dünen sind von Urlaubern bevölkert, aus Feuchtwiesen wurden Äcker und störungsarme Weiden sind eine Rarität geworden. Der Große Brachvogel ist für mich somit ein Symbol dafür, was in unserem Land in Sachen Naturschutz falsch läuft. Mehr dazu in: ‚Fliegt bald der letzte Große Brachvogel übers Land? Die Zerstörung seines Lebensraums geht weiter‘.

Gemeinsam den Vögeln helfen!
Wir müssen den Rückgang der Biodiversität stoppen, denn das Artensterben ist mindestens so dramatisch für uns Menschen wie der Klimawandel. Der Vogelschwund lässt sich mit Sicherheit nur bremsen, wenn die gefiederten Freunde wieder mehr Insekten für sich selbst und die Aufzucht der Küken fangen können. Samen von Wildpflanzen kommt eine große Bedeutung zu, und natürlich muss der Zugang zu Wasser erleichtert werden. Dazuhin brauchen Vögel ein Plätzchen für den Nestbau in Hecken, auf Bäumen, an Gebäuden, in wilden Gärten oder Parks, auf Brachflächen, im Moor oder an Gewässern usw. Vögel sind zumeist nicht sonderlich anspruchsvoll und können im Umfeld von uns Menschen überleben, wenn wir ihnen etwas Freiraum zubilligen. Es ist an uns Natur- und Vogelfreunden, die Politiker anzutreiben, damit sie, statt Sonntagsreden über Biodiversität zu halten, endlich handeln und diese schützen! Vögel haben ein Lebensrecht, welches es zu verteidigen gilt, ansonsten wird ihr Zwitschern an konstant weniger Orten zu hören sein! Der andauernde Rückgang der Vogelpopulationen ist eine Folge des Politikversagens in Deutschland und der EU.

Den Politikern in Sachen Vogelschutz Beine machen – das ist eine gesellschaftliche Aufgabe für uns alle! Und – wer immer kann – sollte Vögel ganzjährig mit Nahrung und Wasser versorgen. Unser Minigärtchen zählt viele gefiederte Gäste und auch mancher Igel kommt des nächtens vorbei, um am Vogelbecken zu trinken. Seit Jahren wird über die Ganzjahresfütterung von Vögeln gestritten, doch setze ich auf die Aussagen von Professor Peter Berthold, einem der weltweit führenden Ornithologen und ehemaliger Direktor der Vogelwarte Radolfzell des Max-Planck-Instituts für Ornithologie, der die Bedeutung der ganzjährigen Vogelfütterung permanent betont. In seinem gemeinsam mit Gabriele Mohr und Bärbel Oftring veröffentlichten Buch ‚Vögel füttern – aber richtig‘ heißt es: „Nachdem die Ernährungssituation für viele Vögel inzwischen so prekär geworden ist, dass sie zumindest ihre Jungen nicht mehr erfolgreich aufziehen können, hat Zufüttern nichts mehr mit Gefühlsduselei zu tun, sondern ist ein absolut notwendiger, wertvoller und erfolgreicher Beitrag zum Arten- und damit zum Naturschutz“. Und weiter heißt es: „Seit 1800 ist die Siedlungsdichte von Vögeln in Deutschland um 80 % zurückgegangen! Wo früher einmal zehn Vögel gesungen haben, hört man heute nur noch zwei“, so die Autoren. Ich halte die Vogelfütterung – wie Professor Berthold – für eine „moralische Verpflichtung“, wo immer diese machbar ist. Mehr dazu in: ‚Vögel leiden an Nahrungs- und Wassermangel. Plädoyer für die Ganzjahresfütterung‘.

Beim Vogelschutz kommt es auf jeden von uns an! Der eine kann sich mit Nachdruck bei politisch Verantwortlichen für den Schutz der gefiederten Freunde einsetzen, der andere stellt als unmittelbare Hilfe Futter und Wasser bereit. Ein naturnaher Garten hilft ebenso wie mehr Hecken, Wildkräuter und Feuchtwiesen oder Weideflächen. Es zählt jeder Tümpel und jeder zugängliche Brunnen! Brachflächen und überjährige Blühstreifen sowie weniger Insektizide oder Herbizide tragen zu einer Umwelt bei, in der Vögel eine Chance haben. Mehr Natur in den Städten, seien es Bäume oder naturnahe Grün- bzw. Wasserflächen, helfen Vögeln und Menschen zugleich. Eine Trendwende in der Politik und vielfach im alltäglichen Verhalten sind notwendig, wenn wir gemeinsam den Vogelschwund aufhalten wollen.




Zum Beitragsbild
Dieses Rotkehlchen hatte Glück und hat ein Insekt erwischt. Nicht nur die Insekten werden immer weniger, sondern auch die Vögel. „Wurden vor zehn Jahren noch 36 Vögel pro Garten gesichtet und 2021 noch 33 Vögel, waren es 2024 erstmals knapp unter 30. Und jetzt also 28,45. Das ist ein deutlicher und nahezu kontinuierlicher Rückgang, der mit Wetterzufälligkeiten oder ähnlichen Faktoren nicht mehr zu erklären ist“, so der NABU. (Bild: Ulsamer)