Mehr Hecken gegen den Klimawandel

Die Artenvielfalt braucht Hecken, Gebüsch und Bauminseln

In Deutschland gingen viele Hecken oder Gebüsch- und Bauminseln durch Flurbereinigungen und andere Eingriffe in den letzten Jahrzehnten verloren. Mit ihnen verschwanden Tümpel und mäandrierende Bäche, Trockensteinmauern und Lesesteinriegel aus unseren Agrarflächen. Die Landschaft wurde ausgeräumt und darunter litt auch die Artenvielfalt. Mit immer gewaltigeren Maschinen werden riesige Flächen bearbeitet, und dies natürlich in anderen europäischen Staaten gleichermaßen. Wer wieder mehr Schmetterlinge und Singvögel oder Igel, Feldhasen und Rebhühner auf landwirtschaftlich genutzten Flächen sehen möchte, der muss sich dafür einsetzen, dass die Landschaft wieder vielfältigere Strukturen bekommt. Mehr Hecken würden nicht nur mehr Lebensraum für Tiere bieten, sondern in bedeutendem Maße Kohlendioxid binden, worauf das Thünen-Institut für Agrarklimaschutz in Braunschweig jüngst hingewiesen hat. „Um die in den letzten 60 Jahren gerodeten Hecken wieder neu anzupflanzen, würden nur 0,3 % der landwirtschaftlichen Fläche benötigt“, so das Thünen-Institut. „Damit ließen sich die ausgeräumten Agrarlandschaften wieder einräumen und gleichzeitig 10 Millionen Tonnen CO2 binden und klimaunschädlich machen.“

Das Feld wurde fast bis zum Feldweg beackert. Nur noch einige Grashalme sind übriggeblieben. Von Hecken keine Spur.
Wenn fast bis zum Feldweg der Boden beackert wird, bleibt kein Platz für Insekten, Vögel, Igel oder Feldhasen. Die ausgeräumte Agrarlandschaft muss wieder bereichert werden, und dazu können gerade auch Hecken beitragen. (Bild: Ulsamer)

Hecken bieten Schutz

Die Bedeutung der Hecken für Natur und Umwelt wurde viel zu lange unterschätzt, und nicht nur manchen Landwirten und Planern erschienen Büsche und Bäume als Hindernisse auf dem Weg in die industrielle Agrargesellschaft. So mancher Bauer ackert noch heute bis zum nächsten Feldweg. Da haben natürlich Sträucher, Bäume oder Trockensteinmauern keine Chance. Ein schmaler Blühstreifen bis zur nächsten Ernte entlang des Maisackers mag die Monokultur zeitweilig kaschieren, doch im Grunde bieten sich dort keine dauerhaften Nistmöglichkeiten für Insekten oder Vögel. Es wird auch nicht langfristig das klimaschädliche CO2 gebunden oder Humus gebildet, sondern im Gegenteil: häufig wird der Boden nur ausgebeutet und mit Gülle überschwemmt. Nicht nur die vier Bundesregierungen unter Angela Merkel haben diese negative Entwicklung nicht gestoppt, sondern die EU-Agrarsubventionen tragen mit ihrer Orientierung an der Fläche zum Desaster bis heute maßgeblich bei. Und die Noch-Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) hat über Bauern gelästert, die sich an Ökologie und Nachhaltigkeit orientieren wollen, sie würden wie in Astrid Lindgrens Bullerbü arbeiten. Nicht nur die ehemalige Weinkönigin hat nicht begriffen, dass ein Bisschen Bullerbü allemal besser für Natur und Mensch wäre als die beständige Intensivierung bei der Bearbeitung von Wiesen und Äckern. Und ganz nebenbei: Rinder, Schweine und Hühner gehören wieder auf die Weide und nicht dauerhaft in immer riesigere Ställe!

Ein früherer Kolonnenweg der Nationalen Volksarmee der DDR aus Betonsteinen wird von nachgewachsenen Hecken umgeben.
Hecken haben sich auch entlang der einstmaligen Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR angesiedelt. Das ‚Grüne Band‘ – hier in Sachsen – durchzieht heute unser Land, wo die alten Grenzanlagen verliefen, mit denen das SED-Regime die eigenen Bürger an der Flucht hindern wollte. (Bild: Ulsamer)

Bei so manchem Landwirt macht sich bei Starkregen oder an windigen Dürretagen der Boden im echten Wortsinn vom Acker. Der abgetragene Boden trägt zu Schlammlawinen ebenso bei wie zu Staubwolken. Längst wäre es an der Zeit für eine Rückbesinnung gewesen: „Neben dem Klimaeffekt schützen Hecken den Boden vor Winderosion und haben eine kühlende Wirkung. Ein Dürresommer richtet in einer heckenreichen Agrarlandschaft weniger Schaden an“, so nochmals das Thünen-Institut – eine Forschungseinrichtung des Bundes. Die Unterschiede lassen sich in den deutschen Bundesländern leicht erkennen, denn im süddeutschen Raum hat sich teilweise eine stärker gegliederte Agrarlandschaft erhalten als in den neuen Bundesländern, in denen die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) unter dem sozialistischen SED-Regime auf große Flächen setzte. Die geschilderten Veränderungen in unserer Landschaft lassen sich aber wieder abmildern, wenn dies der gesellschaftliche und politische Wille wäre.

Hecken zwischen Grünland. Im Hintergrund der Ipf. Der Berg hat eine flache Kuppe.
Mehr Hecken bedeutet auch höheren Schutz gegen die Abtragung des Bodens bei Starkregen und Wind. Im Hintergrund der Ipf, ein Zeugenberg der östlichen Schwäbischen Alb bei Bopfingen in Baden-Württemberg. (Bild: Ulsamer)

Hecken als Beitrag zur Klimaneutralität

Zu einer Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik können und müssen auch die Erkenntnisse der Thünen-Studie beitragen, denn wenn wir den Klimawandel abbremsen wollen, müssen wir jede Chance nutzen, nicht nur in unseren Wäldern, sondern auch auf landwirtschaftlichen Arealen. Die Auswertung von 13 Studien und eigener Daten zu über 150 Hecken führte das Thünen-Institut zu der Feststellung: „Pro Hektar wird in einer Hecke im langjährigen Mittel fast genauso viel Kohlenstoff gebunden wie in Wäldern. Dies kann mit der hohen Dichte an Ästen und Zweigen in Hecken und den guten Wuchsbedingungen in der Agrarlandschaft erklärt werden.“ Zwar wurde nach Aussagen des Instituts in den zurückliegenden 70 Jahren die Hälfte aller Hecken zerstört, gerade auch als Folge von Flurbereinigungen, doch genau dies sollte Ansporn sein, jetzt wieder mehr Hecken anzupflanzen oder aus sich heraus entstehen zu lassen.

Eine bräunliche Raupe mit zwei vorgetäuschten Augen auf jeder Seite in der Nähe des Kopfes. Sie bewegt sich in einer Fuchsienhecke mit grünen Blättern.
In Hecken finden sich nicht selten interessante Gäste ein, wie hier die Raupe des Mittleren Weinschwärmers. Zwar gab es am Aufnahmeort keinen Wein, doch eine Hecke aus Fuchsien, Salweide und Liguster mundete der rd. acht Zentimeter langen Raupe auch. Die augenähnlichen Flecken sollen Fressfeinde vom Zugriff abhalten. Die Weinschwärmer-Raupen fressen auch Blätter des Indischen Springkrauts, eines Neophyts, der einheimische Pflanzen zu verdrängen droht. (Bild: Ulsamer)

Die Landwirtschaft ist in Deutschland für 12% der Treibhausgasemissionen verantwortlich, und der größte Anteil kommt als „Methan aus dem Verdauungstrakt von Rindern und als Lachgas durch die Düngung von Äckern und Grünland.“ Das heißt, dass wir die Anzahl der gehaltenen Rinder drastisch verkleinern müssen, was auch die Zukunftskommission Landwirtschaft in ihrem Abschlussbericht deutlich machte. Aber selbst wenn die Konsumenten weniger Schnitzel verspeisen, so bleibt dennoch ein erheblicher zu kompensierender Anteil an Klimagasen. „Klimaneutralität ist im Landwirtschaftssektor also nur erreichbar, wenn an anderer Stelle Emissionen wieder kompensiert werden. Dazu können Hecken einen Beitrag leisten. Eine Kommune mit 5.000 Einwohnern kann zum Beispiel die mit dem Milchkonsum verbundene Treibhausgasemission von zehn Jahren durch das Pflanzen von sechs Hektar Hecken und Feldgehölzen kompensieren“, so die Erkenntnis des Thünen-Instituts. Dies ist eine deutliche Aufforderung, mehr Hecken zu pflanzen. „Die größte Wirkung für den Klimaschutz entfalten Hecken, wenn sie auf Ackerböden angepflanzt werden. Denn hier wird zusätzlicher Kohlenstoff nicht nur in der Biomasse, sondern auch im Boden als Humus gebunden.“ Die aus unserer Agrarlandschaft weitgehend verschwundenen Hecken müssen also schleunigst wieder angepflanzt und gehegt werden.

Ein kleiner Vogel, überwiegend in Brauntönen, sitzt in einer Fuchsienhecke mit roten Blüten.
Vögel – wie dieses weibliche Schwarzkehlchen – finden Schutz in Hecken und Warten zum Singen. (Bild: Ulsamer)

Pflanzt mehr Hecken!

Hecken binden nicht nur Klimagase, sondern bieten – wie bereits ausgeführt – auch Lebensraum für verschiedene Tierarten, sie bilden einen Windschutz und wirken kühlend an Hitzetagen. „Die vielfältigen Leistungen von Hecken machen diese zu attraktiven Strukturelementen in der Agrarlandschaft“, sagt Projektleiter Dr. Axel Don vom Thünen-Institut. „Trotzdem ist es in den letzten Jahrzehnten kaum zu neuen Heckenanpflanzungen gekommen.“ Hier ist es an der deutschen und europäischen Politik, die Subventionen nach ökologischen Kriterien zu steuern. Es geht dabei nicht nur um ein ‚Greening‘, sondern um ein grundsätzliches Umdenken. Nicht nur das Anlegen neuer Hecken – oder auch von Gebüsch- und Bauminseln – ist wichtig, sondern deren Förderung und Pflege. Hecken müssen immer wieder zurückgeschnitten und der Strauchschnitt sollte als Hackschnitzel genutzt werden.

Eidechse zwischen Ästen einer Hecke auf dem Boden.
Eidechsen suchen Schutz in Hecken gegen ihre Fressfeinde. (Bild: Ulsamer)

Die EU-Subventionen und deutsche Fördermittel müssen die Langlebigkeit und Nachhaltigkeit der Maßnahme unterstützen, wenn Hecken wirklich zu neuen – alten – Strukturelementen mit einer großen Wirkung auf die Artenvielfalt und die Bindung von Kohlendioxid werden sollen „Es gibt kaum eine Klimaschutzmaßnahme im Agrarbereich, mit der auf so wenig Fläche so viel Effekt erzielbar ist“, so Dr. Don. Daher: Schluss mit der Eintönigkeit in unserer Agrarlandschaft, lasst uns mehr Hecken pflanzen!

 

Älterer roter Traktor auf einer Wiese beim Heuwenden. Die Wiese ist umgeben von eine Steinmauer bzw. einer Fuchsienhecke. Möwen suchen nach Beutetieren.
Hecken und Trockensteinmauern, Lesesteinriegel und Tümpel gehörten einst zur Agrarlandschaft, doch vielerorts sind diese wichtigen Strukturelemente verschwunden. Das Foto entstand im ländlichen Kerry in Irlands Südwesten. (Bild: Ulsamer)

 

Aus dem Stein herausgearbeitete Figuren, dahinter eine grüne Hecke. Links Besucher und das Meer.
Hecken vertragen sich auch bestens mit Kultur, dies zeigen die Granitskulpturen des Abbé Fouré an der Nordküste der Bretagne in Rotheneuf. Für Hecken findet sich im Grunde fast überall ein Plätzchen. (Bild: Ulsamer)

 

Dichte Brombeerhecke zwischen einer Weide mit Schafen und Kühen auf der nächsten Wiese.
Hecken als strukturierendes Element finden sich zunehmend seltener im ländlichen Bereich. Im Übrigen: Rinder gehören wieder auf die Weide! (Bild: Ulsamer)

 

links der asphaltierte Gehweg an der Straße, rechts Efeupflanzen, die leicht in den Gehweg hinein ragen.
Selbstverständlich müssen wir auch im städtischen Raum alles daransetzen, um mehr Hecken und Bäume wachsen zu lassen. Doch wer braucht denn auch Efeupflanzen als Bienenweide? Im Baurechtsamt der Stadt Esslingen wohl niemand! Ansonsten kann ich mir den Rückschnitt-Befehl für unsere Efeupflanzen nicht erklären. Selbst ein Zwillingskinderwagen oder ein Rollstuhl hätten schon vor dem amtlich verordneten Rückschnitt mit 120 cm restliche Gehwegbreite noch problemlos Platz gehabt! (Bild: Ulsamer)

 

Ein Wiesenweg umgeben von Brombeerhecken, die wegen der zahlreichen rotblühenden Montbretien kaum erkennbar sind.
Schmetterlinge und Wildbienen haben durch die Vernichtung von Hecken und Ackerkräutern auf vielen Flächen Nahrung und Zuflucht verloren. Hecken finden sich in Deutschland nur noch auf 0,2 % der Agrarfläche, so Sophie Drexler, Andreas Gensior und Axel Don in ihrem im Juli 2021 in ‚Regional Environmental Change‘ veröffentlichten Beitrag „Carbon sequestration in hedgerow biomass and soil in the temperate climate zone“. Auf dem Foto ist die Brombeerhecke im Sommer durch die blühenden Montbretien kaum zu erkennen, doch Insekten finden hier Nektar, Pollen und Nistmöglichkeiten. Solche Wiesenwege – wie bei Ballydavid im Südwesten der irischen Insel – finden sich immer weniger. (Bild: Ulsamer)