Die Bahnbetreiber sind für Personal und Material zuständig!
Wenn Züge ausfallen oder verspätet in den Bahnhof einfahren, dann macht dies wirklich ärgerlich. Und so habe ich auch alles Verständnis der Welt, wenn der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann nach Abhilfe sucht. Gerade als Grüner ist er natürlich in der Pflicht, möglichst viele Menschen vom Auto auf die Schiene zu holen, doch muss er deshalb einen Lok-Führer-Pool initiieren, um Personallöcher bei Bahnbetreibern zu stopfen? Dürfen dafür Steuergelder eingesetzt werden? So mancher personelle und technische Engpass tauchte ausgerechnet bei neuen Anbietern auf, die Minister Hermann mit auf deutsche Gleise gehievt hatte. Als politischer Taktiker hat er eine Konstruktion gefunden, bei der die zusätzlichen Lok-Führer zwar bei der DB Regio auf Einsätze warten, den möglichen Abmangel dieses Arbeitskräfteverleihs trägt allerdings das Land Baden-Württemberg zur Hälfte. Wenn sich der Staat jetzt um fehlende Zugführer kümmert, wann wird dann ein Pool für Pflegekräfte in Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen unter Staatsregie folgen? Wenn wir einen solchen Weg beschreiten, pardon, Zug besteigen, verlassen wir eindeutig marktwirtschaftliche Gefilde.
Bahnbetreiber müssen Leistung bringen!
Selbstredend spricht nichts dagegen, den Wettbewerb im Bahnbereich zu intensivieren. Ob man aber dafür Unternehmen braucht, die zum Teil weder über ausreichendes rollendes Material noch über qualifizierte MitarbeiterInnen verfügen, das ist eine bis heute offene Frage. Wer würde denn eine Spedition mit dem Transport seiner Güter betrauen, die beim Vertragsabschluss weder über Lkw noch die dazu gehörigen Fahrer verfügt? Niemand! Im öffentlichen Bereich sieht man das wohl anders. Völlig abwegig ist es, lahmenden Wettbewerbern aufs Pferd, besser auf die Lok zu helfen: dies kann doch keine staatliche Aufgabe sein! Go-Ahead ist ein britisches Unternehmen, an dem die französische Staatsbahn SNCF beteiligt ist, und das zuhause auf der Insel über einen eher schillernden Ruf verfügt. Abellio ist ein Tochterunternehmen der niederländischen Staatsbahn. Bei den Newcomern auf deutschen Gleisen fielen beim Start nicht nur Züge aus, sondern die Fahrgäste drängelten sich noch enger zusammen als bei der Deutschen Bahn! Vor zwei Jahren berichtete der ‚Guardian‘ darüber, dass der Chef von Govia Thameslink Railway, einem Tochterunternehmen von Go-Ahead, wegen eines unbeschreiblichen Fahrplan-Chaos gehen musste. Dies – und andere Informationen – hätten zur Vorsicht mahnen müssen!
Wer seine versprochenen Leistungen nicht erbringt, muss dafür geradestehen. Soweit sollte alles klar sein, und es ist hoffentlich auch in allen Verträgen mit Bahnbetreibern so niedergelegt. Aus diesem Grundsatz resultiert dann natürlich die Forderung an alle Bahnbetreiber, ausreichendes Personal vorzuhalten, um die in einer Ausschreibung gewonnenen Strecken gut bedienen zu können. Warum wir Steuerzahler hier ins Obligo gehen müssen, um gegebenenfalls für Kosten eines Lok-Führer-Pools einzutreten, das erschließt sich mir nicht wirklich. Welches Industrieunternehmen kann Mitarbeiter über eine Zeitarbeitsfirma anfordern, die bei einem Minus am Jahresende die Hälfte des Defizits vom Staat ersetzt bekommt?
Damit das merkwürdige und in Deutschland einmalige Vorhaben nicht ganz so auffällt, ist der Pool der Lokführer bei der DB Regio angesiedelt, ausgerechnet dem Unternehmen, dem – mit politischer Förderung durch das Landesverkehrsministerium – neue Konkurrenten entgegengestellt wurden. So schrieb Arno Luik unter dem Titel „Farce auf Schienen“ in der Wochenzeitung ‚Kontext‘ bereits 2019: „Hermanns mentaler Befreiungsschlag von der Bahn AG brachte den Bahnreisenden bisher wenig, sieht man vom zunehmenden Ärger ab. Sie kamen vom Regen in die Traufe. Denn dem neuen Anbieter gelingt es bisher, fast noch unfähiger zu agieren als die Deutsche Bahn“. Was ein richtiger Politiker ist, der lässt so etwas nicht auf sich sitzen und sinnt auf Abhilfe. Doch dann einen Lok-Führer-Pool ins Leben zu rufen, der auch noch auf staatliche Hilfe setzen kann, um Bahnunternehmen aus der Patsche zu helfen, der hat den Konkurrenzgedanken in einem marktwirtschaftlichen System nicht ganz verstanden.
Steuerzahler ist nicht Lückenbüßer
Das Verkehrsministerium ließ verlauten: „Abrufe aus dem Pool müssen nun mindestens 60 Tage vor dem ersten vorgesehenen Einsatztag erfolgen.“ Wenn ein Bahnbetreiber schon zwei Monate vorher weiß, dass er zu wenige Lokführer hat, hat er etwas falsch verstanden und hätte sich besser bei der betreffenden Ausschreibung nicht um bestimmte Verbindungen bemüht. Ein kurzfristiger Personalausgleich ist nach dieser Regel nicht möglich, wenn sich z. B. Krankheitsfälle häufen. Und weiter heißt es in einer Erklärung des baden-württembergischen Verkehrsministeriums: „Die Verteilung der Lokführerinnen und Lokführer aus dem Pool auf die abrufenden Unternehmen wird die landeseigene Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg mbH (NVBW) übernehmen.“ Somit ist auch klar, dass es sich im Grunde – trotz der Anbindung an die DB Regio – um eine Verteilung der Lok-Führer durch das Land Baden-Württemberg dreht. „Nicht abgerufene Lokführerinnen und Lokführer können von der DB Regio AG selbst eingesetzt werden.“ Na, das ist ja wirklich ein seltsames Modell für die Bereitstellung von Zugführern. Die Ausbildung zusätzlicher Lokführer übernimmt übrigens auch die DB Regio. Da frage ich mich schon, welchen Erfolg die politisch gewollte Hereinnahme von ausländischen Betreibern in die Ausschreibungen hat, wenn diese noch nicht mal ihr Personal selbst ausbilden und vorhalten können? Und zu guter Letzt: „Die Kosten für die Neuausbildung von Lokführerinnen und Lokführern werden vom Land getragen.“ Das klingt doch nett, als Steuerzahler allerdings tragen wir die Kosten!
Nun hoffe ich im Sinne der Pendler, die auf Regionalzüge angewiesen sind, dass diese pünktlicher in die Bahnhöfe einfahren, vielleicht auch mit Leih-Lok-Führern. Aber ich bleibe dennoch dabei, dass es keine staatliche Aufgabe sein kann, einen Lok-Führer-Pool anzuregen, die Ausbildung von Lokführern zu bezahlen und zusätzlich noch das mögliche jährliche Defizit zur Hälfte zu übernehmen. Wer sich in einer Ausschreibung um den Betrieb von Bahnstrecken bewirbt, der muss auch die personellen und technischen Grundlagen dafür mitbringen. Wer dies nicht tut, ist fehl am Platze und muss zur Rechenschaft gezogen werden! Und Steuergelder können doch nicht dazu verwendet werden, die Fehler privatwirtschaftlicher bzw. staatlicher Unternehmen aus Deutschland oder anderen Staaten auszubügeln. Wir Steuerzahler dürfen nicht die Lückenbüßer sein, wenn Bahnunternehmen ihre zugesagten Leistungen nicht erbringen!
2 Antworten auf „Lok-Führer vom Staat?“