Bundestagswahl 2017 – Wahlprogramme als Ansammlung von Allgemeinplätzen
Wenn wir die Staaten mit Schiffen vergleichen, dann ist Deutschland ganz gut durch die Stürme der letzten Jahre gekommen: Kein Loch im Schiffsrumpf, kein Wasser im Maschinenraum, und so geht es mit gemächlicher Fahrt weiter. So ähnlich sehen dies auch die Autoren der Wahlprogramme von CDU/CSU und SPD für die Bundestagswahl 2017. Zu viel Kritik würde ja auch auf sie als Regierungsparteien zurückfallen. Nicht so ganz klar scheint Kapitänin Angela Merkel und ihrer Crew auf der Brücke allerdings zu sein, wohin die Fahrt denn gehen soll. Die Mannschaft tut ihre Pflicht, aber die Begeisterung ist einer gepflegten Langeweile zum Opfer gefallen, die immer wieder von chaotischen Kursänderungen der Kanzlerin unterbrochen wird. Und im Bundestagswahlkampf zerfällt die Regierungsmannschaft dann gewohnheitsmäßig in zwei Gruppen, die mit allen Mitteln die Brücke für sich sichern wollen, auch wenn sich die Wahlprogramme von Union und SPD nur marginal unterscheiden.
Da sieht es bei manchen anderen Booten der europäischen Flotte dagegen eher nach Schiffbruch aus: Ohne die Unterstützungsmilliarden wäre Griechenland längst gestrandet. Im italienischen Schiffsbauch drohen noch immer faule Kredite zu explodieren, und auf der französischen Fregatte hat Emmanuel Macron die Mannschaft bisher noch nicht zu wettbewerbsfähigeren Konditionen überredet. Und auch die alte Seefahrernation auf der anderen Seite des Kanals sucht noch nach neuen Welten: Theresa Mays Brexit-Dampfer muss aufpassen, dass er nicht als Titanic der Politik auf dem Meeresboden endet. Oder haben die Briten vielleicht doch Recht, wenn sie sich aus dem EU-Geschwader verabschieden?
Käpt‘n Angela for ever?
Na, bei dieser Ausgangslage kann sich die Bundeskanzlerin schon fast einen echten Wahlkampf sparen. Einmal Kapitän – immer Kapitän? Wenn nicht in den letzten Wochen alles schiefläuft, dann wird das Kapitänspatent von Angela Merkel für das Traumschiff Deutschland nochmals verlängert.
Da tut sich der SPD-Steuermann schwerer: Zwar blähte der Wind der Veränderung kurzfristig die Segel von Martins Boot auf, aber die Brise hielt nicht lange an und bald dümpelte seine angejahrte Hafenbarkasse mit Hilfssegel in der Flaute vor sich hin. Eigentlich hatte sich ja der Erste Bürgermeister von Hamburg das Schiffchen umgebaut, doch als Siegmar Gabriel meinte, Martin Schulz sei der beste SPD-Steuermann, da wollte Olaf Scholz nicht selbst „Leinen los“ rufen.
Martin bläst zwar – nach einem programmlichen Fehlstart – immer mal wieder gewaltig die Backen auf, aber das laue Lüftchen bringt die Barkasse mit ihrem hübschen roten Zusatzsegel nicht voran, und so bleibt er bei allen Prognosen weit im Kielwasser des Merkel-Dampfers zurück. So richtig verwunderlich ist dies nicht, kommt die Kanzlerin doch zumindest von der Küste und ihr Herausforderer war mal Bürgermeister in Würselen. Längst hat sie ihr CDU-Schiffchen zu Ausstellungszwecken an Bord des Luxusdampfers gehievt. Die eigene Erkennungsfarbe ist abgeblättert und die nach ihrer Meinung angestaubten Grundwerte hat sie als unnützen Ballast über die Reling befördert.
Erfolg dank Ideenlosigkeit?
Interessant ist es schon, mit wie wenig neuen Ideen viele Deutsche zufrieden sind: Mag die Kapitänin zumeist auch nur gepflegte Langeweile verbreiten, abgesehen von chaotischen Kursänderungen, ihre Beliebtheitswerte haben zwar hin und wieder Dellen, aber sie liegt dennoch meilenweit vor ihrem Herausforderer, der auch mal gerne auf der Brücke des deutschen Luxusdampfers stehen würde. Und wird es den Passagieren hin und wieder bei abrupten Wendemanövern speiübel, sie halten ihr die Treue – oder wissen sie nur keine Alternative?
Ich hatte mich schon bei der Einführung des Gesundheitsfonds zumindest von Angelas Parteiboot verabschiedet, denn echte Reformen im Krankenkassen(un)wesen wurden durch sozialistische Umverteilung vermieden: Wenn in einem Töpfchen Ebbe ist, dann ganz einfach möglichst viel Geld in einen größeren Topf schütten und die fußlahmen Kassen am Leben halten. So schien schon damals das Motto von Angela Merkel zu lauten.
Hätte ihr Vorgänger auch solche Scheinlösungen favorisiert, dann wäre Deutschland in einer deutlich schlechteren Situation. Aber Gerhard Schröder setzte seine Reformagenda 2010 durch, die das Sozialsystem entlastete und den Arbeitsmarkt flexibilisierte. Dies kam unserem Land zugute, er selbst sägte sich aber den (M)Ast als SPD-Vorsitzender und Bundeskanzler ab. Das macht die Angela ganz anders, sie umgeht mit allerlei Nebelkerzen politische Entscheidungen, die sie ihr Amt kosten könnten.
Zackige Wendemanöver
Und ist mal ein Thema auf dem Weg zur Machterhaltung gar zu sperrig – wie z.B. die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare -, dann entsorgt sie es innerhalb einer Woche. So schnell kann es gehen, und wieder hat der Möchtegern-Dampfer-Kapitän Schulz ein Wahlkampfthema weniger und schippert mit seiner Barkasse in Angelas Kielwasser hinterher. Trotz des ergänzenden roten Segels und flotter Sprüche, war sein Bootchen doch eher für den Hamburger Hafen gedacht.
Schon fast vergessen ist das ebenso zackige Wendemanöver in Sachen Kernenergie: Gerade pries die Kanzlerin noch die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke, dann riss sie das Ruder herum und setzte den Ausstieg aus der Kernenergie durch. Ganz nebenbei fielen die Grünen über Bord und suchen bis heute eifrig im Wasser paddelnd ihr neues publikumswirksames Leitthema. Ministerpräsident Winfried Kretschmann wirft seinen „Parteifreunden“ zwar ständig Rettungsringe zu, doch sie wollen seine Themenvorschläge partout nicht aufgreifen.
Deutungshoheit auch beim Flüchtlingsthema
Zur Ikone der Migration wurde Angela Merkel, als sie im Handstreich – ohne Parlament oder Konsultation unserer europäischen Nachbarn – das Dublin-Abkommen aushebelte, das die Registrierung von Flüchtlingen in dem EU-Land vorsieht, das sie zuerst erreichen. Mag der Kapitän an Bord eines Schiffes auch die höchste Autorität sein, in einer Demokratie habe ich mir grundsätzliche Kursänderungen anders vorgestellt.
Auch wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vermutlich bis heute nicht exakt weiß, wie viele Menschen 2015 nach Deutschland kamen, lässt sich auch mit diesem Problem kein Wahlkampf führen. Martin Schulz bekam das deutlich zu spüren, als er den Dampfer der Kanzlerin entern wollte und dabei die Zahl von einer Million Flüchtlingen nannte. In kleinkarierter Manier wurde ihm vom politischen Gegner – sekundiert durch zahlreiche Medien – entgegengehalten, die genaue Zahl der damals nach Deutschland gekommenen Flüchtlinge liege bei 890 000. Bundesinnenminister Thomas de Maizière habe diese Korrektur schon 2016 berichtet.
Es ist doch wirklich toll, dass wir nun alles so genau wissen. Auch wenn mal ein deutscher Unteroffizier aus Offenbach als Flüchtling geführt wird! Es mag die Zahl der registrierten Flüchtlinge sein, aber in welcher Statistik finden sich die zahllosen Migranten, die nie registriert wurden? Häufig erlebte ich folgende Szene in einer baden-württembergischen Gemeinde: Wenn ich morgens zu einem Projekt fuhr, dann kamen mir einzelne Flüchtlinge, Familien oder Personengruppen entgegen, die mit ihrem Gepäck in Richtung Bahnhof marschierten. Als ich mich bei den zuständigen Institutionen erkundigte, wohin diese Menschen wollten, dann lautete die Antwort, dies wisse man nicht. Sie waren am Vortag in der Erstaufnahmestelle angekommen, wo keine Registrierung als Asylbewerber stattfand, und sie verschwanden ohne Angabe von Grund und Ziel wieder. Gleiche Szenen ereigneten sich auch bei anderen Erstaufnahmeeinrichtungen.
Kurzfristige Empörung einfach ausgesessen
Vor diesem Hintergrund hätte ich mir eine offenere Diskussion über die vielfältigen Themen rund um Migration und Flüchtlinge gewünscht. Es geht ja nicht nur darum, wie viele Menschen jährlich an Bord kommen, sondern auch um deren Unterbringung, um ihre Integration, Ausbildung usw. Aber auch dieses potentielle Wahlkampfthema umschiffte die Kapitänin – und schon setzte Martin seine Barkasse auf eine Sandbank: Inhalte spielten keine Rolle, es ging mal wieder nur um die Deutungshoheit im Zahlentreibsand.
Die Empörung weiter Teile der Bevölkerung über die hohe Zahl der Flüchtlinge – die sich auch und gerade 2015 gegen Angela Merkel richtete – ist ohnehin weitgehend verschwunden, denn Italien und die Türkei nehmen die Flüchtlinge – zumindest zeitweise – auf: Was sich nicht vor der eigenen Haustüre abspielt, das wird auch nicht als bedrängend empfunden, obwohl sich im Grunde an der Migrationswelle nichts geändert hat. Angela hat Zeit gewonnen und dem Martin einen Teil seiner Seekarte geklaut.
Damit zumindest Ruhe auf der Balkanroute herrscht, wird Erdogans Politik im CDU-Wahlprogramm nicht kritisch thematisiert, bei der SPD dagegen schon – ein Lichtblick in der Nebelwand.
Mehr Zeit zum Lesen?
„Zeit für mehr Gerechtigkeit“, dieses Motto druckte die SPD auf ihre Segel, und wer wollte da widersprechen? Schneller wurde ihr Wahlkampfschiff dadurch allerdings nicht. Auch das Plakat, das Martin an seine Barkasse nietete – „Die Zukunft braucht neue Ideen“ – ist sicherlich richtig, denn mit Aussitzen, Verharren und alten Seekarten, auf denen die Welt noch eine Scheibe war, lässt sich der Weg in die Zukunft gewiss nicht finden. Nur: gerade an neuen Ideen fehlt es den heutigen Noch-Koalitionspartnern!
So haben sich Union und SPD bei ihren Wahlprogrammen nicht lumpen lassen, und eine Unzahl von Allgemeinplätzen und reinen Willensbekundungen zu Papier gebracht: „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“ braucht die CDU/CSU 76 Seiten, und die Schwesterpartei CSU hat vorsichtshalber in ihrem „Bayernplan“ auf 31 Seiten Ergänzungen und Korrekturen niedergeschrieben (z.B. Obergrenze für Flüchtlinge). Kein Wunder: die SPD hatte ja bereits mit „Zeit für mehr Gerechtigkeit“ eine opulente „Speisekarte“ mit 116 Seiten vorgelegt.
Jetzt liegen diese umfänglichen Menükarten in den Restaurants des Luxusdampfers Deutschland aus und die Gäste raufen sich die Haare: Wie nur die richtige Speisenfolge finden? Wo sind die Unterschiede? Was sollen denn die einzelnen Gerichte kosten? Nirgendwo ist ein Preisschild zu finden, aber wahrscheinlich ist in allen Restaurants das Essen ziemlich ähnlich, zumindest habe ich den Eindruck nach dem „Studium“ dieser Wahl-Angebote. Ganz am Schluss bezahlen ohnehin wir alle die verlockenden Menüs: All-inclusive-Politik.
Sparerfreundlichkeit ade
Dies lässt sich bei der Sicherung der Rente für zukünftige Generationen gut erkennen. Es sollen die Rente stabilisiert, die Beiträge fixiert und das Absinken unter Sozialhilfeniveau nach jahrzehntelanger Arbeit verhindert werden. Die private Altersversorgung soll gestärkt werden: Super Idee. Bei Nullzinspolitik bleiben nur Aktien und spekulative Papiere für die eigene Alterssicherung – egal ob ich sie selbst erwerbe oder dies Pensionsfonds usw. tun. Viele Alterssicherungsinstitutionen dürfen solche Risikopapiere aber nicht in ihr Portfolio aufnehmen, und dann ist das Ergebnis eben immer magerer.
Steuerentlastungen wollen Angela und Martin, und beide erkennen da – die Kanzlerin geradezu freudestrahlend – entsprechende „Spielräume“ im Staatshaushalt. Ist eigentlich beiden noch nicht aufgefallen, dass diese „Spielräume“ nur entstehen, weil dank Mario Draghis Nullzinspolitik der Schuldendienst für die deutschen Staatsschulden minimiert wurde? Schwarze Zahlen kann der Zahlmeister des Luxusdampfers, Wolfgang Schäuble, nur vermelden, weil auch er ein Profiteur der desaströsen Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) ist. Selbstredend werden auch die Bundesländer entlastet, die – zumindest zum Teil – dennoch unter der Schuldenlast ächzen. Eine Prise Reichensteuer wird den SPD-Eintopf auch nicht schmackhafter machen.
Wohlklingende Floskeln statt innovativer Strategien
Der Vollbeschäftigung haben sich SPD und CDU/CSU gleichermaßen verschrieben, doch ganz klar wird nicht, wie diese zu erreichen wäre. Nicht nur der Kurs liegt im Nebel, sondern auch die Zieldefinition. Schon jetzt kommt es bei den Begriffen Arbeitslosigkeit bzw. Unterbeschäftigung zu einer – bewusst gewollten? – Schwammigkeit. Nahezu eine Million Menschen befinden sich in Deutschland in Fördermaßnahmen oder sind als 1-EURO-Jobber tätig usw., und sie werden in der Kategorie „Unterbeschäftigung“ zu den Arbeitslosen (2,5 Mio. im Juli 2017) hinzugerechnet. Wer nur über die Arbeitslosenzahlen diskutiert, der springt zu kurz.
Auch bei der Bildung hätte ich deutlichere Worte zur Verbindung von Spitzen- und Breitenförderung erwartet, denn unsere „Schulen müssen strahlen“, so die SPD, reicht sicherlich auch nicht. Wäre es nicht schöner, wenn die Schülerinnen und Schüler strahlen würden? Ein echter Knaller ist auch die Unions-Aussage: „Deutschland ist weltweit Vorzeigeland für seine Infrastruktur.“ Marode Autobahnbrücken, der fehlende Ausbau der Schieneninfrastruktur, eine lahme Entwicklung beim digitalen Netzausbau sprechen eine andere Sprache. Freundliche Worte werden auch die Migrationsfrage nicht lösen und nur die CSU spricht eine Obergrenze für Flüchtlinge an. Aber wo liegt die Höchstgrenze im Sinne der Integrationsfähigkeit einer offenen Gesellschaft? Bei der Verteidigung peilt die CDU/CSU Ausgaben in Höhe von 2 % des Bruttoinlandsprodukts an, ohne klar zu sagen, wofür das Geld denn ausgegeben werden soll. Die SPD ist hier deutlich zurückhaltender.
Es ist nicht damit getan, das Füllhorn in guten Tagen über „alle“ auszuschütten, um dann in wirtschaftlich schwierigen Zeiten in die roten Zahlen zu rutschen. Und zusätzliche 15 000 Polizisten zuzusagen, wie dies CDU/CSU und SPD unisono tun, ohne auch verstärkt den Sumpf auszutrocknen, aus dem islamistischer Terror, links- oder rechtsextreme Gewalt oder Bandenkriminalität entstehen, der handelt nicht zukunftsorientiert. Einige Videokameras mehr scheinen jetzt auch für die SPD akzeptabel, aber die Nutzung der Mautdaten für die Verbrechensbekämpfung wird explizit weder bei Union noch SPD gefordert.
An Angelas gelbem Friesennerz perlt alles ab
Gelassen – zumindest äußerlich – dampft Angela Merkel weiter in Richtung Wahlsieg, verfolgt von Martin Schulz in seiner Barkasse. Der Motor stottert, denn die linksextremen G 20-Gegner hatten die Ersatzkanister mitgehen lassen, das Hilfssegel bringt keinen echten Schwung. Er kann und will nicht aufgeben, und immer gibt es eine Chance, mit einem wendigeren Boot den Dampfer einzuholen. Manche Ereignisse können auch kurz vor dem Wahltag noch zu dramatischen Veränderungen führen.
Das Glück scheint mit Angela Merkel zu sein, an deren gelbem Friesennerz negative Aspekte wie Regentropfen abperlen. Saarland, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und jetzt noch Neuwahlen in Niedersachsen: Vorbei scheint die Zeit zu sein, in denen die Macht der CDU in den Bundesländern dahinschmolz. Hier wollte die SPD Kraft tanken für den Sieg bei der Bundestagswahl, und dann kam ein Desaster zum anderen.
Vielleicht sind die Menükarten der kleineren Parteien ansehnlicher, die Gerichte schmackhafter. Dazu an anderer Stelle mehr. Einen Partner werden CDU/CSU aus heutiger Sicht auf jeden Fall brauchen, die SPD wahrscheinlich mehr als vorhanden sind – es sei denn, Martin und Angela tun sich doch noch zusammen.
EU-Frachter wird überladen
Eine Konzentration auf zentrale Aufgaben vermisse ich bei beiden Parteien unter Bezug auf die EU. Beide freuen sich über ein Zusammenrücken von Frankreich und Deutschland, ohne zu erkennen, dass wir dabei aber von anderen Mitgliedsstaaten abrücken. Freundliche Umarmungen und Küsschen hier und Küsschen da ersetzen auch beim französischen Präsidenten Emmanuel Macron, Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem ehemaligen EU-Parlamentsvorsitzenden Martin Schulz keine echte europäische Begeisterung.
So möchte die CDU/CSU einen „Währungsfonds“ für die EURO-Zone, die SPD ein „breit angelegtes Investitionsprogramm“, die „Einrichtung einer Wirtschaftsregierung für den Euro-Raum“ sowie eine Ausweitung der „Kompetenzen des Europäischen Parlaments“. Wenn der EU-Frachter schon Probleme hat, die jetzige Ladung zu tragen, dann sollten zuerst die anstehenden Herausforderungen gemeistert und erst danach über zusätzliche Aufgabenfelder diskutiert werden. Wer immer mehr Container auflädt, der verfolgt die falsche Strategie.
Bundestagswahl 2017: Wohin soll die Fahrt denn gehen?
Mir fehlt in den Wahlprogrammen eine echte „Seekarte“, ohne die wir die Kreuzfahrt ins Ungewisse fortsetzen werden. Trotz aller moderner Hilfsmittel wünsche ich mir auch einen inneren Kompass aus Wertvorstellungen, der die Politik leitet. Hier noch ein Zitat aus dem Unions-Wahlprogramm, das für mich symptomatisch ist: „Artenschutz ist wichtig und unverzichtbar. Um Fehlsteuerungen zu verhindern, soll der Schutzstatus von Tieren und Pflanzen allerdings im Lichte der Populationsentwicklung regelmäßig überprüft und gegebenenfalls angepasst werden.“ Sicherlich ist dies nicht falsch, aber bei mir wächst der Argwohn, dass bei der Entscheidung über Anpassungen beim Artenschutz die Landwirtschafts- und Forstlobby am längeren Hebel sitzt. So stellte ja auch das Bundesumweltministerium eine Informationskampagne ein, da diese der organisierten Landwirtschaft nicht gefiel.
Wir brauchen weder chaotische Kursänderungen noch eine gepflegte Langeweile in der Politik, sondern klare Zielvorstellungen, grundlegende Werte und die Bereitschaft, offen und ehrlich mit den Bürgerinnen und Bürgern umzugehen. Zur Ehrlichkeit gehört es auch an Bord des Luxusdampfers, dass man nicht nur Ziele aneinanderreiht, sondern in Wahlprogrammen deutlich macht, welche Kosten anfallen.
„Wahlkämpfe und Wahlen sind Festtage der Demokratie“, meint die SPD. Vielleicht hat sie Recht, aber nur wenn die Parteiprogramme nicht überwiegend aus Allgemeinplätzen und Floskeln bestehen. Unser Deutschland-Dampfer braucht für die Fahrt in die Zukunft mehr als diese 220 Seiten Wahlprogramme von CDU/CSU und SPD: Das Festtagsmenü hatte ich mir anders vorgestellt.
3 Antworten auf „Kreuzfahrt ins Ungewisse: Zwischen gepflegter Langeweile und Chaos“