Weidetiere tragen zur Humusbildung bei
Wann immer eine Konferenz die Gelegenheit bietet, sich in Szene zu setzen: Ursula von der Leyen ist nicht weit! Dies galt schon in ihrer Zeit als Bundesministerin und gleichermaßen als Präsidentin der Europäischen Kommission. Und bei der Weltklimakonferenz in Glasgow – COP 26 – zeigte sie wieder mal, dass ihr Reden besser liegt als konsequentes Handeln: „Die Senkung von Methanemissionen ist daher eines der wirksamsten Dinge, die wir zur Reduzierung der kurzfristigen Erderwärmung und zur Einhaltung des 1,5 %-Ziels tun können. Dieses Ziel ist am leichtesten zu erreichen.“ Nun haben wir in Deutschland oder der EU wenig marode Pipelines oder Bohrlöcher, die wir stopfen können, weshalb sich Ursula von der Leyen auf eine Reduzierung der Rinderzahl konzentrieren sollte, doch dazu hat die von ihr zu verantwortende EU-Agrarpolitik bisher nicht beigetragen, ganz im Gegenteil. Aber wenn sie schon mit US-Präsident Biden – ihrem „lieben Joe“ – gemeinsam vor die Weltöffentlichkeit treten kann, dann posaunt Ursula hehre Ziele hinaus, doch um die Umsetzung müssen sich erfahrungsgemäß andere kümmern.
EU-Agrarpolitik hat versagt
Selbstredend ist es richtig und wichtig, die Emissionen von Methan und CO2 zu reduzieren, um den Klimawandel abzubremsen. Daher möchte ich mit Johann Wolfgang Goethes ‚Faust‘ ausrufen: „Der Worte sind genug gewechselt, Laßt mich auch endlich Taten sehn“! Doch ausgerechnet Ursula von der Leyen wird es mal wieder beim Reden belassen, denn wer als deutsche Verteidigungsministerin bei der Bundeswehr nicht mal für warme Unterhosen für die ganze Truppe sorgen konnte, der wird auch kaum die Methanemissionen reduzieren. Beim ‚Green Deal‘, den die EU-Kommissionspräsidentin großmäulig anpries, hat sich längst jede Regierung eines Mitgliedsstaats ihre eigene Interpretation zurechtgebastelt: Für Frankreich und Polen zählt die Atomkraft zu den von der EU zu fördernden Energieträgern, in Deutschland geht bei den letzten dieser Anlagen das Licht aus. Joe Biden hat den Vorteil, zahllose Gaspipelines flicken und Bohrlöcher verschließen lassen zu können, aus denen Methan in die Atmosphäre gelangt, doch wie soll z. B. Deutschland bis 2030 eine Reduktion des Methanausstoßes um 30 % gegenüber dem Stand von 2020 erreichen? Da bleiben im Grunde nur die Rinder, die aus ihrem Verdauungstrakt Methan in die Luft entlassen. Oder natürlich der Verkehr und Raffinerien usw.
Schnell wurde das mediale Interesse auf die Bauern gelenkt, die nicht nur für so manchen Milchsee oder Fleischberg, sondern auch noch für die Ausdünstungen ihrer Kühe verantwortlich gemacht werden. Ja, die Landwirtschaft in Deutschland und der ganzen EU muss endlich neu ausgerichtet werden! Dabei kommt doch das Beharrungsvermögen, die Innovationsträgheit aus der Politik selbst und nicht von den Bauernhöfen. Wer trägt denn ganz maßgeblich zu einer Agrarpolitik bei, die Bienen und Bauern ihrer Lebensgrundlage beraubt? Die EU-Kommission, der europäische Rat und weite Teile des EU-Parlaments! Seit Jahren fordern Natur- und Umweltverbände und nicht wenige Landwirte selbst eine Abkehr von Flächensubventionen ohne Vorteile für Natur, Mensch und Tier sowie ein Ende für immer gigantischere Ställe. Wenn heute immer mehr Rinder – und Schweine oder Hühner – in der Massentierhaltung gehalten werden, damit zu billigsten Preisen ihre Erzeugnisse verhökert werden können, dann hat die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) diesen Irrweg mit Fördermitteln gepflastert. Und wenn in EU-Staaten Stallungen gebaut werden dürfen, in denen tausende, ja zehntausende von Tieren eingepfercht werden dürfen, dann trifft die Schuld die EU, die Agrarminister der Mitgliedsstaaten, aber auch nationale Genehmigungsbehörden.
Rinder gehören auf die Weide
Nun produzieren Rinder im Stall und auf der Weide gleichermaßen Methan, doch möchte ich schon darauf hinweisen, dass sie in viel zu engen Ställen nur noch als Milch- oder Fleischlieferanten betrachtet werden. Die Gülle überschwemmt danach Felder und Grünland und landet als Nitrat im Grundwasser. Für die Massentierhaltung wird das Futter häufig von anderen Kontinenten herbeigeschippert, und Kunstdünger soll dafür sorgen, dass das Grünland fünf- oder sechsmal im Jahr gemäht werden kann. Wer sich mit Rindern und Methan befasst, der erkennt schnell, dass eine notwendige Verringerung der Zahl an Rindern einhergehen muss mit einer verstärkten Haltung auf der Weide. Wer das Gras ganzjährig in die Ställe karrt, der gibt eine Chance aus der Hand, die Rinder auf der Weide bieten: sie tragen dort zur Humusbildung bei. Und Humus ist nicht nur für die langfristige Fruchtbarkeit des Bodens wichtig, sondern bindet eben auch das klimaschädliche Kohlendioxid.
Früher gab es selten Fleisch auf dem Mittagstisch, daher stammt der Begriff ‚Sonntagsbraten‘, und dies muss in Zukunft wieder gelten: Weniger Fleisch, aber von Tieren, die nicht dauerhaft in enge Ställe gesperrt werden, sondern auf der Weide grasen dürfen. Zu vielen Politikerinnen und Politikern ist das Leid, das Tiere in qualvoller Enge erleben müssen, gleichgültig. Ansonsten hätten die Entscheidungsträger längst die Platzvorgaben verändert: Noch immer muss ein 100 Kilogramm schweres Schwein nach EU-Richtlinien mit einem Quadratmeter zufrieden sein! Lasst Rinder, Schweine und Hühner endlich wieder auf die Weide! Dort schaffen gerade auch Rinder mit ihren Kuhfladen die Nahrungsbasis für zahlreiche Insektenarten. Wer die Felder und Wiesen mit Gülle flutet, der zerstört damit die Artenvielfalt im Reich der Insekten. Der dramatische Insektenschwund wird durch zahlreiche Studien belegt, doch es fehlt an einer klaren Neuorientierung, gerade in der Landwirtschaft.
Kühe tragen zur Humusbildung bei
„Der Wachstumsimpuls, den der Biss beim Gras auslöst, kann auch durch Mähen imitiert werden, nicht aber der Beitrag der Beweidung zur biologischen Vielfalt“, betonte Dr. Anita Idel bei einer BUND-Fachtagung mit dem Titel ‚Humusaufbau – Chance für Landwirtschaft und Gartenbau gegen den Klimawandel‘. Die Erzeugung von Kraftfutter für Rinder, Stickstoffdünger auf die Äcker, dies entfällt als Emissionsquellen, wenn die Kühe, Kälber, Bullen und Ochsen möglichst lange auf echten Weiden gehalten werden, die sie auch ernähren und nicht nur Bewegungsfreiheit gewährleisten. „Das macht die gesunde grasende Kuh, die Bodenfruchtbarkeit generiert und das Klima entlastet, zu einer Konkurrentin der chemischen Industrie. Diese zielt auf intensiven Ackerbau, da sie immer mehr Saatgut, chemischen Dünger, Pestizide und Veterinärpharmaka sowie Agrartechnik verkaufen will“, so nochmals Idel, eine der Lead-Autoren des ‚International Assessment of Agricultural Knowledge, Science and Technology for Development‘, eines Berichts des Weltagrarrats. „Wird Boden nachhaltig bewirtschaftet bzw. ist das Beweidungsmanagement nachhaltig, überwiegt der Bodenaufbau. Infolge der Photosynthese stammt mehr als die Hälfte der entstehenden Biomasse aus Kohlenstoff – dem C aus dem CO2 der Luft. Deshalb entlastet jede zusätzliche Tonne Humus (OBS) im Boden die Atmosphäre um circa 1,8 Tonnen Kohlendioxid (CO2) … Und umgekehrt belastet jeder Schwund von Humus durch nicht angemessene Bodennutzung die Atmosphäre entsprechend mit CO2“. Bei der Einschätzung der Rinderhaltung darf nicht nur das von den Wiederkäuern ausgeblasene Methan berücksichtigt werden, sondern ebenfalls ihr Beitrag zur Humusbildung. Diesen können sie nur auf der Weide und eben nicht im Stall leisten! Insekten freuen sich über die Hinterlassenschaften der Rinder, Vögel sind dankbar für die fliegende Nahrungsquelle und nicht vergessen dürfen wir die Regenwürmer, die im Boden ihren unerlässlichen Beitrag zur Humusbildung leisten.
Wenn schon Fleisch, dann von Weidetieren
Es wird nicht ohne die Einsicht gehen, dass die Konsumenten weniger Fleisch essen sollten, wenn wir das klimaschädliche Methan eindämmen wollen. Es geht aber auch um Milchprodukte, denn inzwischen sind Kälbchen nahezu ‚wertlos‘, wenn man sie nur als Verkaufsobjekt betrachtet, denn in der Milchwirtschaft kommen so viele zur Welt, dass ihr Absatz stockt. Dies ist wiederum ein Beleg dafür, dass vor allem im Agrarbereich zu wenig in Kreisläufen gedacht wird, es fehlt dazuhin häufig die Orientierung an Ökologie und Nachhaltigkeit. Leider tragen die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und ihre Partner bei den Weltklimakonferenzen selbst nichts zur Vermeidung von Klimagasen bei, was ganz augenfällig wird z.B. beim großen Reiseaufgebot zu solchen Veranstaltungen und zum anderen auch bei den kleinen Details des politischen Lebens. In Glasgow rief Ursula von der Leyen den Zuhörern zu: „Deshalb rufe ich uns alle dazu auf, jetzt alles in unserer Macht Stehende zu tun, um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken. Und wir sind dazu in der Lage, weil der Klimawandel durch Menschen verursacht wird, wie uns die Wissenschaft bestätigt. Und daher können wir etwas dagegen tun. Das ist unsere Gelegenheit, Geschichte zu schreiben.“ Warum nahm die EU-Kommissionspräsidentin dann im Juni 2021 einen Privatjet, um von Wien ins nur 50 km entfernte Bratislava zu fliegen, wie das ‚Redaktionsnetzwerk Deutschland‘ vermeldete?
Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat bisher – wie auch ihr Vorgänger Jean-Claude Juncker – nichts getan, um eine echte Neuorientierung der EU-Agrarsubventionen einzuleiten. So ist es wenig glaubwürdig, wenn sie in Glasgow über die Reduzierung des Methans philosophiert und dabei ausdrücklich die Landwirtschaft erwähnt. Von der Leyen hätte in ihrem eigenen Verantwortungsbereich – innerhalb der EU-Kommission, im Rat der zuständigen Minister oder im Parlament – alle Chancen für mehr Nachhaltigkeit auch im Agrarsektor zu werben, doch sie belässt es bei Seifenblasen wie dem ‚Green Deal‘, die zerplatzen noch ehe sie Wirkung zeigen können.
Die Reduzierung des Tierbestands bei Rindern, Schweinen und Hühnern ist unerlässlich, und sie alle gehören – solange es die Witterung zulässt – auf die Weide! Wer Kühe nur für ihre Milch preist und wegen des Methans an den Pranger stellt, der hat ohnehin nichts begriffen: Es geht darum, Tieren Leid in engen Ställen und durch nicht artgerechtes Futter zu ersparen, welches sie auf der Weide nie gefressen hätten. Wenn nur so viele Tiere pro Hektar zugelassen werden wie sich dort auch ernähren können – einschließlich des Winterfutters -, dann gibt es weniger Tierleid und Methanemissionen. Diese Vorgehensweise muss im internationalen Handel abgesichert werden, denn ansonsten kommen wieder tierische Produkte ins Land, die unter schlechteren Bedingungen erzeugt wurden. Tiere sind Lebewesen, dies scheint so manchem politischen Entscheidungsträger leider nicht bewusst zu sein.