Bringen uns die UN-Klimakonferenzen wirklich voran?
Keine Frage: Dialog ist wichtig! Dies gilt in besonderer Weise, wenn unzählige Partner einbezogen werden müssen. Letztendlich geht es um alle Erdenbürger und ganz speziell deren Nachfahren. Mag der eine oder andere Zeitgenosse – vielleicht auch Donald Trump – sagen „Mir reicht‘s noch“, so mag dies vielleicht sogar stimmen, aber wer an seine Kinder und Enkelkinder denkt, der kann die zögerlichen Aktivitäten bei der Verminderung des CO2-Ausstoßes nur immer wütender verfolgen. Es macht natürlich keinen echten Sinn, dass man selbst jede Autofahrt abwägt, um möglichst wenig Treibhausgase in unsere Welt zu pusten, wenn andererseits der Ausstieg aus der Kohleverstromung auf die lange Bank geschoben wird. Und dies gilt für Deutschland, genauso wie für andere Staaten, die die Kohleförderung sogar noch weiter ausbauen. Irregeführt werden wir, wenn in Nordrhein-Westfalen der Ausstieg aus der Steinkohleförderung gar mit dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier gefeiert wird, obwohl wir gleichzeitig Kohle aus Australien importieren! Damit wird der Kohleausstieg zur Farce.
Der zurückliegende Sommer sollte wirklich den letzten Skeptiker bekehrt haben, der am Klimawandel zweifelt. Und das Gefeilsche, welchen Prozentsatz an der Erderwärmung auf menschliches Handeln zurückgeht, bringt uns nicht weiter. Die absolute Mehrheit aller Wissenschaftler ist sich einig, dass die heutige Erwärmung der Erdatmosphäre auch auf den Ausstoß von Klimagasen wie Kohlenstoffdioxid – z.B. aus Kohlekraftwerken – oder Methan – aus der industriellen Haltung von Rindern, und zunehmend durch das Auftauen der Permafrostböden – zurückgeht. Also bleibt uns nach meiner Meinung nichts anderes übrig, als den menschgemachten Anteil an den Klimagasen zu reduzieren und somit auch den Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperaturen zu bremsen.
Wann schwappt das Wasser über Ihre Türschwelle?
Besonders trockene Phasen gehen zunehmend mit Starkregenereignissen einher und bedrohen alle Landesteile. Von besonderer Bedeutung ist dazuhin der Anstieg des Meeresspiegels, der nicht nur die Deichbauer auf Trapp halten wird. Neueste Studien, so z.B. die Langzeituntersuchung von Steve Nerem und Kollegen, die an der University of Colorado arbeiten, belegen die Beschleunigung des Meeresspiegelanstiegs. Nachwachsende Generationen werden auch in Europa zunehmend erleben, dass die eigenen Küsten überschwemmt werden, Häuser oder Kulturdenkmäler ins Meer stürzen und sich Millionen von Menschen aus anderen Regionen aufmachen, um ein trockenes Plätzchen zu finden. Die Migrationswelle von 2015 wird dann nur ein kleiner Vorgeschmack sein.
Es sei doch alles nicht so schlimm, ist in manchen Kommentaren zu lesen, denn Schwankungen des Meeresspiegels habe es doch in der Erdgeschichte immer wieder gegeben: Das stimmt, doch nützen solche Hinweise den zahlreichen Menschen nichts, die auf dann versinkenden Pazifikinseln oder im Süden von Bangladesch leben! Unsere Mitmenschen in diesen Regionen werden schon nasse Füße bekommen, während wir noch über die Realisierung der selbst gesetzten Klimaziele diskutieren. Manchmal frage ich mich schon, ob Massenveranstaltungen wie jetzt in Kattowitz – oder letztes Jahr in Bonn – wirklich von Nutzen sind. Es kommen jeweils um die 20 000 Teilnehmer zusammen, und die Mehrheit wird die Anreise kaum mit dem Fahrrad bewältigen. Wie kann es sein, dass jetzt in Kattowitz über die Details zur Umsetzung der Klimaziele von Paris aus dem Jahr 2015 gesprochen wird? Ja, es wird geredet und geredet, und prinzipiell ist der Dialog unerlässlich, allerdings stellt sich die Frage nach dem Format der Veranstaltungen mit dem Kürzel COP 24 – United Nations Framework Convention on Climate Change, 24th Conference of the Parties.
Kattowitz: Das Treffen der Klimasünder
Alle TeilnehmerInnen werden versichern, ihr möglichstes zu tun, um den Temperaturanstieg zu bremsen. Der Ober-Spielverderber aus dem Weißen Haus, Donald Trump, hatte ja ohnehin verkündet, nicht mehr mitwirken zu wollen, da er das Gerede vom Klimawandel, den der Mensch verursache, für eine Erfindung der Chinesen hält. Wenn wir auf die letzten Jahre und den Diskussionsprozess bei den Klimakonferenzen schauen, dann kommen aber Zweifel, ob hier die USA oder mit den USA, wirklich etwas zum Besseren erreicht wird. Nicht nur Deutschland hinkt deutlich hinter den früheren Zusagen zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes her, sondern Polen – der Gastgeber – erzeugt 80 % des Stroms aus der Verbrennung von Kohle. Im Grunde ist eine solche Mammut-Konferenz ein Treffen von Klimasündern, die Besserung versprechen und bei der Heimkehr die Zusagen bereits vergessen haben.
Nochmals zurück ans Meer, denn die Präsidentschaft der COP-Treffen wechselte von Fidschi zu Polen. Die einen sehen ihre flachen Inseln untergehen, und die anderen setzen unverzagt auf Kohle. Schon bei einer solchen Stabübergabe kann ich nur den Kopf schütteln. So weiß die Fiji Times zu berichten, der Premierminister des Inselstaats im Pazifik, Voreqe Bainimarama, habe die führenden Politiker unserer Welt aufgefordert, die Anstrengungen zu erhöhen, um die Bedrohungen durch den Klimawandel beherzter zu bekämpfen. Sicherlich sprechen Politik und Medien in Fidschi ihren Landsleuten aus dem Herzen, wenn sie von ‚climate threat‘ sprechen: Es handelt sich tatsächlich um eine Bedrohung, wenn die Temperatur weltweit im Durchschnitt um zwei, drei oder gar fünf Prozent steigen sollte! Klimawandel klingt dagegen doch freundlich und normal, denn Wandel gibt es immer. Vielleicht sollten auch wir mehr von Bedrohung als von Wandel sprechen.
Reden und Handeln ist gefragt
“We are appealing to all nations to do the same; a call to action from the Pacific on behalf of some of the most vulnerable people on earth“, so der Premierminister der Fidschi-Inseln. Die Bewohner der pazifischen Inseln spüren die Dramatik der Veränderungen durch das sich verändernde Klima jeden Tag am eigenen Leib. Wo einst Hütten standen oder sich ein Sandstrand erstreckte, hat das Meer die Herrschaft übernommen. Die reicheren Staaten werden ihre Deiche an den Küsten und die Dämme an den Unterläufen der großen Flüsse erhöhen. In Miami werden dann eben im Erdgeschoss und der ersten Etage keine Menschen mehr leben und die Luxusboote legen dann dort an, wo bisher Autos parkten. Aber löst dies wirklich auch nur ein zentrales Problem, wenn der Meeresspiegel bis Ende des Jahrhunderts statt um die bisher angenommenen 30 Zentimeter um das doppelte ansteigen sollte? Nein, sicherlich nicht. Es geht im Grunde natürlich nicht darum, über einzelne Zentimeterangaben zu streiten, sondern mit offenen Augen die Veränderungen auch an unseren europäischen Küsten zu beobachten. Mögen Dünenbereiche in den Wellen verschwinden oder Gestein von der Brandung langsam abgetragen werden, so handelt es sich in vielen Fällen um natürliche Erosionsprozesse, aber gerade in stürmischen Zeiten dringt das Meer zunehmend in Bereiche vor, die bisher nicht als gefährdet galten.
Ursächlich für das rapide Abschmelzen des globalen Eispanzers ist die Erwärmung der Erde, die durch den Ausstoß von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen in die Atmosphäre hervorgerufen wird. Bereits die Erwärmung der Meere lässt das Wasser im Volumen zunehmen, und dies trägt zu einem Drittel zum Anstieg des Meeresspeigels bei, denn Wasser hat nun mal bei Erwärmung ein größeres Volumen. Dazuhin schmilzt in einer wärmeren Umwelt das Inlandeis z.B. in Grönland und der Antarktis ab. So ist der Meeresspiegel im letzten Jahrhundert um ca. 20 Zentimeter angestiegen. Was sind schon 20 Zentimeter, wenn man von einer hohen Klippe auf die anbrandenden Wellen schaut, aber ganz anders sieht dies in Gebieten aus, die unter dem Meeresspiegel liegen und nur dank entsprechender Deiche bewohnt werden können. Rund ein Drittel der Niederlande liegt unterhalb des Meeresspiegels, aber auch in Norddeutschland wurde seit Jahrhunderten dem Meer Land abgetrotzt. Eine Rückverlegung der Deiche würde wenig bringen, denn das Hinterland liegt gleichfalls tief unter dem normalen Meeresspiegel, und die Deiche müssten dann erneut sehr hoch gebaut werden. Mögen die gravierenden Folgen des Klimawandels an Europas Küsten noch nicht so groß sein, so ist der steigende Meeresspiegel in den pazifischen Inselstaaten schon heute zu einer dramatischen Gefahr geworden.
Nun aber zurück aus dem Pazifik und weg von den Küsten ins Binnenland: Die von der Bundesregierung unter Angela Merkel selbst gesetzten Klimaziele werden sich nur erreichen lassen, wenn wir den Ausstieg aus der Kohleverstromung baldmöglichst umsetzen.
Klimaschutz nur auf dem Papier
Seit Jahr und Tag verkündeten führende deutsche Politiker das Ende der Steinkohlebergwerke und allen war sicherlich klar, dass dies nur ein erster Schritt sein konnte. Aber selbst der Ausstieg aus der Steinkohle, den der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet im September 2018 theatralisch mit einigen Kumpels inszenierte, war nur halbherzig. Als Laschet ein letztes Mal in die Zeche Prosper-Haniel einfuhr, rollten zeitgleich die Steinkohlewaggons aus Polen zu deutschen Kraftwerken! Und noch perverser: Wir transportieren Steinkohle um die halbe Welt per Schiff nach Deutschland, um sie in Kohlekraftwerken zu verfeuern.
Folgt man der Statistik der Kohlewirtschaft, dann wurden allein im Jahr 2017 über 40 Mio. Tonnen Steinkohle und Steinkohlebriketts von Deutschland importiert. Davon kommen 16 Mio. Tonnen aus Russland, fast 8,5 Mio. Tonnen aus den USA und Kanada, und aus Australien 5 Mio. Tonnen, um nur diese Beispiele zu nennen. Was soll dann das Wortgeklingel der Bundesregierung, die vom Kohleausstieg phantasiert, obwohl die Kohle nur nicht mehr aus deutschen Bergwerken stammt. Völlig abstrus ist es, die Kohle aus Australien um den Globus zu schippern mit Schiffen, die von umweltschädlichstem Schweröl angetriebenen werden und zuhause mediengerecht die letzte Grube dichtzumachen. Im Berichtsjahr 2017 vermeldet die Statistik noch die Förderung von 14,7 Mio. Tonnen in deutschen Bergwerken. Wenn diese Tonnage dann durch zusätzliche Importe aufgefangen wird, dann zeigt sich, dass der Kohleausstieg eine Farce ist.
Leider ist sich unser Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wirklich für nichts zu schade, denn er kommt zum historischen Abschiednehmen von der Steinkohle noch vor Weihnachten ins Ruhrgebiet. Wäre ich ein Kumpel aus einem stillgelegten Bergwerk, würde ich mich verschaukelt fühlen: ich soll nicht mehr unter Tage arbeiten, aber an meinem Haus rattert die australische oder polnische Kohle auf Waggons vorbei!
Steinkohle war ein Subventionsempfänger
In den Steinkohlebergwerken arbeiteten 1957 in der Bundesrepublik Deutschland über 600 000 Mitarbeiter, 60 Jahre später, 2017, waren es noch 5 711. Strukturwandel ist also durchaus möglich, und dies gilt in gleichem Maße für die Braunkohletagebaue. Aber wir sollten uns nicht in die Tasche lügen: Für das Klima ist nichts gewonnen, wenn wir die Kohle importieren, statt sie zu ersetzen. Und wenn ich dann an die Lieferungen aus Australien oder Kolumbien denke, dann läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken. Die Emissionen aus den Schiffsdieseln tragen auch nicht dazu bei, dass wir einen möglichst geringen Temperaturanstieg des Weltklimas erreichen.
Betrachtet man die wirtschaftlichen Kennziffern, dann wird deutlich, dass die Steinkohle in Deutschland über 50 Jahre rd. 130 bis über 300 Mrd. EURO an Subventionen verschlungen hat, denn die geförderte Kohle ist doppelt so teuer wie die importierte. Vor diesem Hintergrund machte die Schließung der Zechen auch für den Steuerzahler Sinn, doch das Klima hat nichts davon, wenn wir die Kohle importieren.
Zur ‚Ehrenrettung‘ der Braunkohle muss ich darauf hinweisen, dass sie ohne staatliche Subventionen gefördert wird, doch dieses wirtschaftliche Argument darf natürlich nicht über die Klimaschäden hinwegtäuschen. Diese schlagen nicht nur durch menschliches Leid, sondern auch finanziell zu Buche.
Angela Merkel: Braunkohleausstieg verschlafen
Alternative Erwerbstätigkeiten hätten längst auch für die Braunkohleregionen erarbeitet werden müssen! Warum hat die Bundeskanzlerin nicht die letzten drei Amtsperioden für einen Richtungswechsel genutzt? Arbeitnehmer und Natur dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Und wie immer, wenn die Bundesregierung sich um eine Entscheidung drücken möchte, wird eine Kommission ins Leben gerufen. Ich bin gespannt auf welche Vorschläge sich die Kohlekommission bis nächstes Jahr einigen wird.
Zwar versprechen gleich zwei deutsche Minister in Kattowitz einen höheren finanziellen Beitrag unseres Landes zum Klimafonds, doch Deutschland ist bei der Reduzierung der Treibhausgase selbst vom Weg abgekommen. SPD-Umweltministerin Svenja Schulze und CSU-Entwicklungshilfeminister Gerd Müller lächeln ganz fröhlich, obwohl unsere Performance wirklich zu wünschen übriglässt. „Beim Klimaschutz voranzukommen“, ist das hehre Ziel von Ministerin Schulze, aber daheim beißen sich die Schaufelradbagger in den Braunkohletagebauen weiter in die Landschaft.
Wenn es nicht so traurig wäre, dann müsste man über das Klima-Palaver lachen, denn der deutschen Politik geht es beispielsweise auch um den Erhalt der Regenwälder – in anderen Staaten selbstverständlich -, während die Reste des Hambacher Forsts bereits den Vollerntern zum Opfer gefallen wären, wenn nicht ein Gericht einen vorläufigen Stopp verkündet hätte. Die Perversion eines solchen Denkens lässt sich auch in anderen politischen Fragen feststellen: Wenn in Afrika Nashörner oder Löwen abgeschossen werden, dann rümpfen viele Bürger die Nase, doch wenn ein Wolf durch den deutschen Wald pirscht, dann wird der Abschuss gefordert.
Braunkohle: Wenn Menschen die Heimat verlieren
„Allein die Braunkohlekraftwerke in NRW sorgten 2014 für zehn Prozent der gesamten deutschen CO-Emissionen“, so das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Bei solchen Zahlen wundere ich mich auch immer wieder über den Eifer bei der Jagd auf Diesel-Fahrer, denn gerade Dieselfahrzeuge emittieren relativ gesehen weniger CO2 als vergleichbare Benziner. Aber der Mini-Verein der Deutschen Umwelthilfe (DUH) mit seinem Streithansel Jürgen Resch an der Spitze hat längst die Problemdefinition in unserem Land übernommen – und einige Verwaltungsrichter helfen ihm bei seinem Kreuzzug. Ein Mikrogramm Feinstaub an einer Straßenecke gewinnt so gewichtigere Bedeutung als Klimagase aus riesigen Kraftwerksschloten. Das DIW macht die Bedeutung der Reduktion des Kohleeinsatzes mehr als deutlich: „Ohne den Kohleausstieg werden in Deutschland weder die Klimaziele erreicht noch kann der notwendige Umbau hin zu einem weitestgehend auf erneuerbaren Energien basierten Strom- und Energiesystem gelingen.“
Nicht vergessen dürfen wir auch, dass seit Jahrzehnten viele Menschen ihre Heimat durch den Abbau der Braunkohle verlieren. Die Schaufelradbagger und die nachfolgende Verstromung von Braunkohle nehmen nicht nur den Anwohnern der Tagebaue ihre Heimat, sondern es müssen immer mehr Menschen im Zeichen des Klimawandels wegen des ansteigenden Meeresspiegels ebenfalls ihre Heimat verlassen. Es nutzt dem Klima nichts, wenn Kommissionen zum Kohleausstieg tagen und Entscheidungen verschoben werden. Von der Bundesregierung hätte ich bereits vor Jahren eine klare Haltung erwartet, spätestens in den Koalitionsvertrag von Union und SPD hätte ein Ausstiegsdatum gehört. Aber es ist ja so einfach, umstrittene Themen an Kommissionen abzudrücken, denn dann kann die Bundesregierung beim Schwarze-Peter-Spiel die missliebige Karte an die Fachleute weiterreichen. Irgendwann muss man sich fragen, ob man statt eines Parlaments und einer Regierung gleich Kommissionen einsetzt. Mein Fall wäre dies allerdings nicht.
Grüne: Alte Genehmigungen als paradoxe Entschuldigung
Und nicht übersehen werden darf, dass die Grünen, die in Ländern und im Bund zum Höhenflug angesetzt haben, bei Regierungsbeteiligungen weit weniger umweltpolitisch agieren als in ihren Wahlkämpfen. Als Teil der rot-grünen Landesregierung in Nordrhein-Westfalen ist außer der überschaubaren Verkleinerung von potenziellen Abbaugebieten für Garzweiler II nichts passiert. Natürlich haben die Grünen dafür auch eine Antwort, wenn sie wegen des Hambacher Forsts angegriffen werden: „Die Genehmigungen wurden bereits in den 1970er Jahren erteilt – da gab es die GRÜNEN noch gar nicht.“ Wenn wir dieser ulkigen Erklärung für Nichthandeln folgen würden, dann gäbe es keinen Fortschritt in unserer Welt. Nur gut, dass die Bundesregierung diesen Satz noch nicht in ihren Wortschatz aufgenommen hat, ansonsten hätte sie sich auch die Kohlekommission sparen können.
Unverständlich ist es für mich, in welch kurzer Zeit Bundeskanzlerin Angela Merkel quasi im Alleingang das Licht bei den Kernreaktoren ausknipste. Da machte sie eine komplette Kehrtwende. Den Grünen entriss sie 2011 mit dem Atomausstieg deren langjährigen Quotenbringer. Gewissermaßen über Nacht, denn noch ein Jahr zuvor hatte sie im Sinne der CDU-Politik eine Laufzeitverlängerung durchgesetzt. In Kreisen der Wirtschaft und anderer Kernkraftbefürworter hat man ihr diese abrupte Wendung wohl verziehen und die Grünen waren im Bund lange auf der Suche nach einem zentralen Parteiziel. Ob sie dies wirklich gefunden haben, das wage ich zu bezweifeln, doch mit frischem Personal sind sie in Bund und Ländern wie Bayern und Hessen durchgestartet. Völlig anders die Situation beim Kohleausstieg, da ist von einer Kehrtwende bei Angela Merkel nichts zu spüren.
Energiewende – aber wie?
Ich befürchte, dass die zahllosen Teilnehmer des Treffens in Kattowitz wieder mit halbseidenen Erklärungen in ihre Heimatländer zurückkehren. Eine Energiewende tut weh, dessen müssen wir uns alle bewusst sein. Es macht aber überhaupt keinen Sinn, vorbildhafte Sprüche in die Welt zu blasen, denen keine adäquaten Handlungen folgen. So schreiben Jan Dams u.a. in ihrem Beitrag „Probleme die bleiben“: „Öde und unwirtlich hinterlässt Merkel auch das weite Feld der Energiepolitik.“ Dem kann ich nur zustimmen, denn auch mir fehlt der rote – oder schwarze – Faden in der Energiepolitik der von Angela Merkel geführten vier Bundesregierungen. Und die Autoren der Welt am Sonntag fahren fort: „Nach der radikalen energiepolitischen Kehrtwende der Physikerin im Fukushima-Jahr 2011 zerfaserte die Energiepolitik im Klein-Klein zahlloser Programme und Regularien, die sich in ihrer Gesamtheit weder den Ansprüchen des Klimaschutzes noch den wirtschaftlichen Anforderungen der Effizienz und Planbarkeit gerecht wurden.“
Zu einem solchen Gesamtkonzept würden nicht nur praktikable Ausstiegsszenarien für Kohle und nachträglich für die Kernenergie zählen, die sowohl unsere Umwelt als auch die Kosten berücksichtigen. Damit meine ich natürlich nicht, dass wir aus Kostengründen auf den Kohleausstieg verzichten sollten, doch müssen wir überlegen, mit welchem Budget jeweils am meisten für die Umwelt getan werden kann. Gleichzeitig sollten wir einen Blick auf unser Umfeld werfen: Welchen Sinn macht eigentlich der rasche Ausstieg aus der Atomkraft, wenn in Frankreich 70 % des Stroms aus Kernreaktoren kommt? Und im Vereinigten Königreich wird erwogen, weitere Kernkraftwerke durch chinesische Investoren bauen zu lassen: Errichtet werden sollen dann die entsprechenden Anlagen natürlich nach den chinesischen Standards. Blicken wir zu unseren östlichen Nachbarn, dann sehen wir Kohle in Kraftwerken und privaten Kohleöfen verschwinden. Wäre es nicht an der Zeit, hier stärker in europäischen Kategorien zu denken? Warum kümmert sich die EU nicht intensiver um eine gemeinsame Strategie? Diese wäre wichtiger als der Fehlschuss einer Datenschutz-Grundverordnung.
Regenerative Stromerzeugung funktioniert nur mit Speichern
Ich bekenne mich zur regenerativen Energiegewinnung, doch fehlt mir nicht nur die Gesamtstrategie, sondern auch der konsequente Aufbau von Speicherkapazitäten. Dabei denke ich an Wasserstoff als Speichermedium, an Speicherkraftwerke und Batterieparks. Es fehlt aber auch seit Jahren an ausreichender Forschung und Umsetzung bei regenerativ erzeugten Treibstoffen für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren. Und erst neuerdings werden öffentlich synthetische Kraftstoffe vorgestellt. Viel zu zögerlich keimte dazuhin die Erkenntnis, dass wir eine eigene europäische Batteriezellenproduktion aufbauen müssen. Der Ausbau der Stromtrassen kommt ebenso langsam voran wie der Aufbau regionaler Konzepte für Energiegewinnung und -verteilung. Dazuhin müssen wir alle Chancen der regenerativen Energieerzeugung nutzen, z.B. Wärmetauscher im Abwasser, und uns nicht nur auf Wind und Sonne verlassen. Wenn Speicherkapazitäten – wie einst im baden-württembergischen Hotzenwald geplant – sich betriebswirtschaftlich für einzelne Unternehmen nicht rechnen, dann müsste dies Teil der staatlichen Daseinsvorsorge werden. Wer gleichzeitig aus Kernenergie und Kohle aussteigen möchte, der muss mehr Initiative zeigen als die Bundesregierung. Ohne Innovationen wird es nicht gehen.
Es gibt bei der Energiewende genügend zu tun! Es ist an der Zeit Massenaufläufe wie bei den UN-Klimakonferenzen durch Treffen zu ersetzen, bei denen umsetzbare Konzepte erarbeitet werden. Sprechblasen helfen weder den Menschen auf den pazifischen Inseln, denen das Wasser bald bis zum Hals stehen könnte, noch uns Mitteleuropäern, die abwechselnd von Hitze und Starkregen geplagt werden.
5 Antworten auf „Kattowitz: Mit Sprechblasen gegen den Klimawandel“