Julia Klöckner: Von der Wolfsjägerin zum Nestlé-Model

Nicht jede Weinkönigin gibt eine gute Ministerin ab

An Politikerinnen – und ihren männlichen Pendants – schätze ich Geradlinigkeit und die Bereitschaft, sich auch für ein Anliegen in die Bresche zu werfen. Aber dabei sollten die Betreffenden darauf achten, wessen Fahne sie schwingen. Oder geht es nach dem Motto ‚wes Brot ich ess, des Lied ich sing‘? Bei Julia Klöckner würde dies in abgewandelter Form bedeuten, dass sie sich zur Lobbyistin des Deutschen Bauernverbands, eines Teils der Jägerschaft, der Glyphosat-Hersteller und jetzt auch noch von Nestlé macht. Eine Bundestagsabgeordnete und Ministerin sollte das Wohl der Allgemeinheit, also von uns allen, im Blick behalten. So habe ich mir zumindest den Auftrag einer gewählten Parlamentarierin vorgestellt. Doch die CDU-Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft lässt bei ihrem politischen Weg jedes Fingerspitzengefühl vermissen und marschiert geradlinig von einem Fettnäpfchen zum anderen. Leicht skurril wirkt es, wenn sie Kritiker in den sozialen Medien als „Hatespeaker“ abstempelt und in einem anderen Tweet von „Debattenkultur“ spricht.

Julia Klöckner macht Schleichwerbung für Nestlé - in: „Julia Klöckner: Von der Wolfsjägerin zum Nestlé-Model. Nicht jede Weinkönigin gibt eine gute Ministerin ab“ – www.deutschland-geliebte-bananenrepublik.de
Hätte Julia Klöckner nicht ein mittelständisches Ökounternehmen finden können, mit dem sie gemeinsam Erfolge im Kampf gegen Zucker, Salz und Fett verkünden kann? Musste es unbedingt der weltweit größte Nahrungsmittelkonzern Nestlé sein? Gemeinsam mit dem Deutschland-Chef Marc-Aurel Boersch verkündete sie Banalitäten, denn die Reduktion der genannten Bestandteile sollte zur Pflicht eines Nahrungsmittelherstellers gehören, wo immer dies möglich ist. (Bild: Screenshot, Twitter, 3.6.19)

Von Wölfen und Glyphosat-Sprühern

Kaum im Amt als Bundesministerin hat sich Julia Klöckner die Wölfe vorgeknöpft und fordert eifrig deren Abschuss. Und dabei gibt sie vor, die Schäferei vor dem bösen Isegrim schützen zu wollen, doch ganz ehrlich: Warum hat sich das Rotkäppchen aus Rheinland-Pfalz dann in ihrer Partei und im Deutschen Bundestag nicht für die Einführung der Weidetierprämie eingesetzt?  CDU, SPD und FDP lehnten eine Weidetierprämie ab, obwohl gerade diese den gebeutelten Weidetierhaltern geholfen hätte. Aus der Schafswolle ist kein Gewinn zu erzielen, die Fleischpreise stehen durch Billigimporte unter Druck, und die Zahlungen für Naturschutzleistungen sind nicht auskömmlich. Für all diese Probleme können die wenigen Wölfe in Deutschland wirklich nichts. Aber der Schießbefehl für Wölfe ist wohl preisgünstiger als die Weidetierprämie, die andere EU-Staaten im Übrigen bezahlen.

Julia Klöckner agitiert gegen Wölfe - "Die Irrwege der deutschen Politik: Diesel, Gender und Wölfe", in: www.deutschland-geliebte-bananenrepublik.de
Wird man so von der Weinkönigin zur Landwirtschaftsministerin? Die stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU, Julia Klöckner, rief in den Medien zur Dezimierung der Wölfe auf. So ganz scheint mir dies nicht zu ihrem Anspruch zu passen, das Landwirtschaftsministerium sei ein „Lebensministerium”. Und mehr Ehrlichkeit würde ich mir auch wünschen, denn „Entnahme” klingt so nett, doch der betroffene Wolf ist anschließend im Regelfall tot. (Bild: Screenshot, Facebook, 6.2.18)

Nun gut, so könnte man sagen, auch eine Politikerin kann mal daneben liegen, aber vielleicht nicht bei jedem Thema! Ich vermisse ein konsequentes Vorgehen gegen den Einsatz von Insektiziden und Pestiziden in der Landwirtschaft. Manchmal habe ich den Eindruck, dass die Ex-Weinkönigin meint, so ein bisschen Glyphosat könne ja nicht schaden. Vielleicht verwechselt sie Glyphosat mit Glykol, das im Weinbaubetrieb des CDU-Politikers Elmar Pieroth Mitte der 1980er Jahre auf ‚mysteriöse‘ Weise in die Flaschen gelangt war! Glykol sorgt für zusätzliche Süße im Wein, doch rein gehört es nicht. Und Glyphosat gehört gleichfalls gewiss nicht in unsere Natur, auch wenn Bayer-Monsanto den Anschein erweckt, es handle sich um eine völlig harmlose Substanz. Immer mehr Gerichte in den USA sehen dies allerdings ganz anders. Selbstredend kann eine Ministerin Glyphosat nicht von heute auf morgen vom Markt verbannen, doch klare Worte und Handlungen würden für einen Sinneswandel sprechen. Unsere Schmetterlinge, Hummeln und Wildbienen haben nichts davon, wenn sie nur in Sonntagsreden genannt werden.

Die Insekten - hier ein Schwalbenschwanz - sind die Opfer der industrialisierten Landwirtschaft -in: „Julia Klöckner: Von der Wolfsjägerin zum Nestlé-Model. Nicht jede Weinkönigin gibt eine gute Ministerin ab“ – www.deutschland-geliebte-bananenrepublik.de
Julia Klöckner legt mehr Eifer an den Tag, wenn sie zur Wolfshatz aufruft als beim Schutz der Wiesen und damit auch der Insekten. Sie ist nicht bereit, eine Neuausrichtung der EU-Agrarförderung und der deutschen Maßnahmen einzufordern. Nicht nur der Schwalbenschwanz – hier auf dem Ipf in Baden-Württemberg – ist durch die industrialisierte Landwirtschaft gefährdet. (Bild: Ulsamer)

Revolution in der EU-Agrarförderung notwendig

Bei der Landwirtschaft geht es nicht nur um die chemische Keule, sondern um eine grundsätzliche Neuorientierung der EU-Agrarförderung. Das grüne Mäntelchen ist bereits so fadenscheinig, dass nicht nur Naturschützer eine stärkere ökologische Komponente fordern. Dies lässt sich nicht im deutschen Alleingang bewerkstelligen, dessen bin ich mir bewusst, da die zentralen Kompetenzen bei der Europäischen Union liegen. Aber die Bundesregierung – und allen voran Julia Klöckner als zuständige Fachministerin – lässt nicht erkennen, dass sie sich in Brüssel und Straßburg für eine nachhaltige EU-Agrarpolitik einsetzen würde. So hat der zuständige EU-Agrarausschuss in der letzten Legislaturperiode den Weg nicht in Richtung Ökologie eingeschlagen, sondern eher im Gegenteil das ‚Greening‘ noch zurückgeschraubt. Mal sehen, ob das neue EU-Parlament hier die Weichenstellung revidiert. Wer weiterhin in erster Linie auf Flächenprämien setzt, ruiniert nicht nur die letzten Reste an Natur, sondern zerstört auch weitere bäuerliche Familienbetriebe. Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass eine Bundesministerin sich in unserer Zeit als Sprachrohr des Deutschen Bauernverbands missbrauchen lässt. Und einige Blühstreifen ersetzen keine Revolution in der EU-Agrarförderung: Reförmchen sind keine Lösung.

Wenn wir die Biodiversität erhalten wollen, dann müssen wir umfassender als bisher vorgehen: Der ökologische Landbau muss ausgeweitet und die konventionelle Agrarproduktion stärker nach ökologischen Maßstäben erfolgen. Die Agrarförderung muss weit mehr als bisher an ökologischen Kriterien ausgerichtet werden und nicht mehr an der Fläche. Wo dies noch nicht gegeben ist, muss ein Umbruchverbot durchgesetzt werden, damit wir keine weiteren Wiesen verlieren. Auch die fortschreitende Intensivierung der Nutzung von Mähwiesen und Weiden muss beendet werden: Wenn Wiesen statt ein- bis zweimal im Jahr heute bis zu sechsmal gemäht werden, dann gelingt dies nur mit der Zufuhr von zu viel Dünger, und am Ende kommt es zu einer Reduzierung der Pflanzenvielfalt.

So müssen wieder mehr Wiesen aussehen: Blütenangebot für Insekten - in: „Julia Klöckner: Von der Wolfsjägerin zum Nestlé-Model. Nicht jede Weinkönigin gibt eine gute Ministerin ab“ – www.deutschland-geliebte-bananenrepublik.de
Blühende Wiesen brauchen wieder eine Chance in unserer Landschaft. Aber Julia Klöckner folgt weiter den ausgetretenen Pfaden der industrialisierten Landwirtschaft. Diese herrlich blühenden Wiesenblumen habe ich in der Nähe von Bopfingen in Baden-Württemberg aufgenommen. (Bild: Ulsamer)

Wenn Kleingewässer noch immer verschwinden oder als Insel in einem trostlosen Umfeld ihr Dasein fristen, dann fehlen diese Wasserflächen für die Pflanzen- und Tierwelt. Hecken, Feldgehölze, Lesesteinhaufen oder Totholz müssen Bestandteil unserer Landschaft bleiben oder wieder werden. Und einzelne Biotope müssen wie Trittsteine miteinander verbunden werden, wenn sie einen Sinn machen sollen. Hierbei vermisse ich jeden positiven Gestaltungswillen in der Bundesregierung und in den EU-Institutionen.

Julia Klöckner diffamiert Kritiker als "Hatespeaker" - in: „Julia Klöckner: Von der Wolfsjägerin zum Nestlé-Model. Nicht jede Weinkönigin gibt eine gute Ministerin ab“ – www.deutschland-geliebte-bananenrepublik.de
Julia Klöckner versteht die Welt nicht, wenn sich Kritiker melden: „An die Hatespeaker, weil ich mit Nestlé gesprochen habe”, schreibt sie in einem Tweet. Es hat doch fürwahr niemand etwas dagegen, wenn die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft mit Unternehmen spricht. Ganz im Gegenteil: Der Dialog zwischen Politik und Wirtschaft ist von großer Bedeutung. Aber auch meine Kritik richtet sich nicht gegen solche Treffen wie mit dem Deutschland-Chef von Nestlé Marc-Aurel Boersch, sondern gegen ein gemeinsames Video, das vom Bundesministerium per Twitter unter die Leute gebracht wird. Dieses Video ist eindeutig Schleichwerbung! (Bild: Screenshot, Twitter, 4.6.19)

Von der Weinkönigin zum Nestlé-Model

Nicht erst Julia Klöckner versteht sich als Sprachrohr der industrialisierten Landwirtschaft. Apropos Sprachrohr: Dem Fass den Boden schlug die frühere Weinkönigin – um im Metier zu bleiben – aus, als sie sich nicht zu schade war, mit dem Deutschland-Chef von Nestlé , Marc-Aurel Boersch, in einem per Twitter verbreiteten Video zu posieren und den weltgrößten Nahrungsmittelkonzern für die Reduktion von Zucker, Salz und Fett in einigen seiner Produkte zu loben. Nun habe ich Jahrzehnte in Wirtschaftsunternehmen u.a. die Kontakte zur Politik gepflegt, und ich halte es auch für völlig normal, dass die Industrie ihre Informationen und Anregungen in die Politik hineinträgt. Aber ich hätte schon erwartet, dass bei Julia Klöckner alle Alarmglocken geläutet hätten, wenn sie sich mit einem Branchenriesen auf diese Weise einlässt. Wäre nicht ein mittelständisches, ökologisch orientiertes Unternehmen auffindbar gewesen, mit dem sie die Fortschritte bei der Produktion von gesünderen, salz- und zuckerärmeren Nahrungsmitteln hätte verkünden können?

Bei Nestlé fallen eben vielen Menschen fragwürdige Geschäftsmethoden ein: Da wird schon mal fleißig in ärmeren Regionen Grundwasser abgepumpt, um es den Menschen dann in Flaschen teuer zu verkaufen. Da wird Palmöl den Erzeugnissen beigemischt, obwohl dafür der Regenwald gerodet wird. Da wurde auch vor Jahren Milchpulver in Staaten verkauft, in denen für die Zubereitung der Babynahrung kein sauberes Wasser zur Verfügung stand: Tausende Kinder sollen dann gestorben sein.

Hätte Julia Klöckner nicht ein wenig nachdenken sollen, ehe sie sich für die Nestlé-Schleichwerbung zur Verfügung stellte? Und dies gerade in Zeiten, in der ihre Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer neue Regeln für die sozialen Medien fordert? Neue Regeln braucht es allerdings nicht, um dieses Werbevideo richtig einzuschätzen. Da bekam schon manche Influencerin für weniger eklatante Schleichwerbung Ärger mit der Justiz. Nun glaube ich kaum, dass ein Konkurrenzunternehmen gegen Klöckner vorgehen wird, doch ein bitteres G’schmäckle bleibt dennoch.

Traktor beim Versprühen chemischer Hilfsmittel. Im Hintergrund ein mahnendes weißes Steinkreuz.
Fluginsekten sind in weiten Regionen um 75 % zurückgegangen, und dies nicht nur in der landwirtschaftlich intensiv genutzten Feldflur, sondern auch in Naturschutzgebieten. Insektizide, Herbizide, Pestizide, Neonics usw., die chemische Keule schlägt noch immer zu. Aber die Landwirtschaftspolitik in Deutschland und der EU lässt eine Neuorientierung an Ökologie und Nachhaltigkeit vermissen. (Bild: Ulsamer)

Lob für Alltägliches

Eine Ministerin, die ein umstrittenes Unternehmen für den vorgeblichen Einsatz von „weniger Zucker, weniger Salz, weniger Fett“ lobt und diese Aussage auch noch über den Twitter-Account des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft verbreiten lässt, die hat noch nicht so richtig verstanden, was sich gehört und was nicht. Eine Reduktion solcher Stoffe ist für mich eine Banalität, die sich aus den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen zwingend ergibt. Aber es werden ja auch Landwirte gelobt, die mit der chemischen Keule etwas weniger zuschlagen. Und sie bekommen dann noch für ihre Flächen Prämien und Zusatzzahlungen für Blühstreifen. Ausdrücklich möchte ich betonen, dass ich die Schuld an der Zerstörung der Natur durch die industrialisierte Landwirtschaft nicht bei den Bauern sehe, sondern bei denjenigen Politikern, die eine ökologische Ausrichtung der EU-Agrarförderung bisher verhindern.

Und wenn ich mir die Bilanz der Ministerin beim Tierwohl anschaue, dann gibt es weiterhin überlange Tiertransporte ins EU-Ausland, die betäubungslose Ferkelkastration, das Schreddern von männlichen Küken und die drangvolle Enge in der Massentierhaltung. Solche Themen können natürlich nicht im Schweinsgalopp gelöst werden, aber ich erkenne bei Julia Klöckner noch nicht einmal, dass sie kleine Ansätze für eine bessere Tierhaltung umsetzt. Und wenn etwas geschehen soll, so z.B. bei der Abschaffung des Kastenstands für Schweine, dann ist eine skandalöse Übergangsfrist von 15 Jahren geplant! So dürfen wir nicht mit unseren Nutztieren umgehen!

Um nochmals das Bild vom Fass zu strapazieren: Für mich ist das Fass des Unmuts über die politischen Aussagen und Handlungen von Julia Klöckner längst übergelaufen. Allerdings tut sie es ihrer Ministerkollegin Ursula von der Leyen gleich und versucht alle Probleme wegzulächeln. Wer in einseitiger Weise gegen Wölfe hetzt, den Weidetierhaltern aber nicht hilft, wer sich zum Sprachrohr des Deutschen Bauernverbands macht und dann noch Schleichwerbung für einen umstrittenen Nahrungsmittelkonzern wie Nestlé betreibt, der sollte von der Ministerbank verbannt werden.

 

 

 

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