Wenn Lernunfähigkeit und Inkompetenz zusammenkommen
In einer Pandemie kann kein Politiker bei seinen Entscheidungen immer richtig liegen, aber wer – wie Jens Spahn – von einer Fehleinschätzung zur nächsten torkelt, der ist als Bundesgesundheitsminister eine Fehlbesetzung. Hätte Spahn 2013 aufmerksam die Bundestagsdrucksache 17/12051 mit dem vielsagenden Titel „Pandemie durch Virus Modi-SARS“ gelesen, die allen Abgeordneten unseres XXL-Parlaments direkt auf den Schreibtisch flatterte, dann wäre ihm beim Aufflackern der Corona-Seuche aus dem chinesischen Wuhan mehr eingefallen als „Händewaschen“! Bundesgesundheitsminister Spahn wollte auch Krankenhausbetten abbauen, die wir nun dringend brauchen. Er quetschte sich in einen überfüllten Lift, um uns zum Abstand halten zu raten! Wenn dieser Minister meint, „Für übertriebene Sorge gibt es keinen Grund“, dann ist es höchste Zeit, sich zuhause einzuigeln! Und wer Jens Spahn, Angela Merkel und Ursula von der Leyen den Einkauf von Impfdosen überlässt, der muss sich im Grunde nicht wundern, dass unnötigerweise Knappheit herrscht. Völlig schleierhaft ist es mir, warum Jens Spahn im Politiker-Ranking der Forschungsgruppe Wahlen einen Spitzenplatz einnimmt!

Wissenschaftliche Warnungen negiert
Wären Politiker wie Jens Spahn in unserem Land für die Feuerwehr zuständig, dann würde eine verheerende Feuersbrunst die nächste jagen, denn die roten Fahrzeuge wären beim Ausbruch eines Brandes noch gar nicht bestellt und die Mannschaften nicht geschult! Ich konnte und wollte mir nie vorstellen, dass die Bundesregierung derart hilflos auf eine Pandemie reagieren würde. Aber das Grundübel bahnte sich seit Jahren an: Kein Material für den medizinischen Krisenfall wurde eingelagert, so dass zu Beginn noch nicht einmal genügend Schutzbekleidung für das medizinisch-pflegerische Personal vorhanden war – sei es in Krankenhäusern, Arztpraxen oder Pflege- und Behinderteneinrichtungen. Nachdem das gesellschaftliche Haus im Vollbrand stand, wollte Jens Spahn für die Anlage von Reserven für zukünftige Notlagen gelobt werden. Warum wurden Schutzbekleidung, Beatmungsgeräte, Medikamente, Spritzen, Kanülen usw. nicht bereits gebunkert, nachdem das Robert-Koch-Institut in der Bundestagsdrucksache 17/12051 mit dem Titel „Pandemie durch Virus Modi-SARS“ eindringlich vor neuen Seuchen gewarnt und konkrete Maßnahmen vorgeschlagen hatte? Jens Spahn, Angela Merkel, der jetzige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der Weltuntergangsspezialist Karl Lauterbach saßen bereits damals im Bundestag, doch sie wollten das Szenario der obersten deutschen Seuchenbehörde nicht lesen – oder sie zogen nicht die notwendigen Schlüsse.

Gleichfalls 2013 hätte eine weitere Studie der Fraunhofer-Gesellschaft selbst den letzten Entscheider in Bund und Land aufwecken müssen: „Pandemische Influenza in Deutschland 2020 – Szenarien und Handlungsoptionen“. Auch jetzt noch macht es Sinn, diese Szenarien zu lesen, die leider wahr wurden. Als Folge mangelnder Vorbereitung erkrankten in Deutschland Millionen Menschen an Covid-19 und inzwischen starben zehntausende von Mitbürgern. Die wirtschaftlichen Folgen sprengen alle Maßstäbe, von dahinsiechenden Branchen, von explodierender öffentlicher Verschuldung, dem Austrocknen ganzer Kulturbereiche und Beschränkungen für die Bürger, die wir so im Nachkriegsdeutschland bisher nicht kannten. Diese Folgen verantworten gerade die Politiker, die eindringliche wissenschaftliche Warnungen über Jahre in den Wind geschlagen haben. Und zu diesen gehört Jens Spahn!

Daseinsvorsorge – ein Fremdwort
Hätte sich Jens Spahn durchgesetzt, dann wäre Deutschland in Corona-Tagen noch schlechter dagestanden, denn im Oktober 2018 betonte er: „Wer zu wenig Pflegekräfte für zu viele Patienten hat, muss Betten abbauen.“ Der Gesundheitsminister, den ich für eine krasse Fehlbesetzung halte, hätte besser die Gewinnung von mehr Personal unterstützen und die optimale Ausstattung der Krankenhäuser vorantreiben sollen. Ende Januar 2020 meinte der überbezahlte Fachmann fürs Händewaschen: „Für übertriebene Sorge gibt es keinen Grund.“ Apropos Händewaschen: So ganz unbekannt war mir diese Gewohnheit nicht, die durchaus auch Teil unserer kulturellen Gepflogenheiten war und ist. Aber war es dann nicht schon fast Satire, wenn ausgerechnet Spahn vom Coronavirus infiziert wurde? Hat er nicht häufig genug die Hände gewaschen oder sich einmal zu oft in einen überfüllten Aufzug gequetscht? Dies zeigt überdeutlich, dass die aus einem chinesischen Wildtiermarkt stammende Seuche sich dank des politischen Versagens so verbreitet hat, und dass es jeden treffen kann. Der Grund dafür liegt wieder in der unzureichenden Vorbereitung auf Epidemien: Daseinsvorsorge ist nicht nur bei Covid-19, sondern auch bei der Afrikanischen Schweinepest ein Fremdwort. Leider. Und selbst der bundesweite ‚Warntag‘ ging daneben. Nun gut, dafür kann Jens Spahn mal nichts!

Während sich Bundeskanzlerin Merkel noch lobend über ihren Gesundheitsminister äußerte, versuchte sich die SPD mit einer Absetzbewegung und legte dem Kabinettskollegen Spahn eine umfangreiche Frageliste vor. Ein ungewöhnlicher Vorgang in einer Koalitionsregierung, dazuhin ist dieser Vorstoß äußerst pikant: Ausgerechnet Bundesfinanzminister Olaf Scholz sah Aufklärungsbedarf, der es als Erster Bürgermeister nicht verhindern konnte, dass der Schwarze Block aus Anlass des G20-Gipfels in Hamburg im Juli 2017 marodierend durch die Straßen zog. Nicht nur in Hamburg, sondern auch in Berlin würde ich mir einen Bundeskanzler wünschen, der, wie Helmut Schmidt als Innensenator bei der Sturmflut 1962, unzählige Menschenleben in Hamburg retten half, und dies ohne sich an Paragraphen oder Zuständigkeiten zu klammern. Jens Spahn, der sich selbst für die Impfstoffbeschaffung lobt, hätte deutlich früher auf den Ankauf größerer Mengen Impfdosen setzen müssen – auch mit dem Risiko, aufs falsche Impf-Pferd zu setzen. Und ich sage es ungern, aber bei diesem Thema muss ich dem Ex-Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert zustimmen, der in der ‚Rheinischen Post‘ betonte: „Es ist doch so: Wenn ich die Nadel im Heuhaufen noch nicht finden kann, sie aber dringend brauche, dann kaufe ich doch erstmal zur Sicherheit den Heuhaufen, und zwar komplett“. Das ist nun weder Spahns Ding noch von Merkel oder der EU-Kommission unter Ursula von der Leyen zu erwarten, denn dort wurde eifrig mit den potentiellen Impfstofflieferanten über Haftungsfragen verhandelt, als die Briten und die USA schon umfängliche Bestellungen aufgaben. Wir sind in die Hände von Bürokraten gefallen, die feilschen, wenn es gilt, Leben zu retten!

Bei Jens Spahn „ruckelt“ es ständig
In Deutschland leiden wir alle bereits fast ein Jahr unter der Corona-Pandemie und seit einem halben Jahr bereiten sich Politik und Bürokraten auf eine gewaltige Impfaktion vor: „Ja, es ruckelt an der einen oder anderen Stelle“, meinte Jens Spahn lakonisch, denn selbst die wenigen verfügbaren Impfdosen fanden schwer ihren Weg in die Oberarme Impfwilliger. Und dies liegt ganz gewiss nicht an den Mitstreitern vor Ort in mobilen Impfteams oder in den eilig hochgezogenen Impfzentren, sondern am Bund und den Ländern. Ich gewinne auch in der momentanen Krise immer mehr den Eindruck, dass wir zu viele politische ‚Entscheider‘ haben, die sich gegenseitig auf die Füße treten. Da erklang sogar die Stimme von Markus Söder in der ‚Bild am Sonntag‘: „Beim Impfstoff brauchen wir mehr Tempo”, und ganz nebenbei versetzte er seine überforderte Gesundheitsministerin Melanie Huml in die Staatskanzlei. Wäre das nicht auch noch eine Lösung für Jens Spahn? Aber im Kanzleramt sitzt ja schon Helge Braun, der uns rät, besser das Fahrrad zu benutzen, um dann in Gießen medienwirksam einige Bürger zu impfen. Ob er von Berlin aus wohl auf zwei Rädern dorthin unterwegs gewesen war? Wenn ich ihn mir so anschaue, glaube ich das kaum! Vielleicht könnte der Arzt Helge Braun allerdings im Betonkoloss Kanzleramt noch einen Azubi namens Jens Spahn brauchen?

Wie jeder weiß, der sich mit Viren beschäftigt, neigen diese zu Mutationen. Wenn man den Viren mit medizinischen Mitteln auf die Pelle rückt, dann verändern sie ihre Angriffstechnik. So wurde eine noch ansteckendere Variante von Covid-19 in England entdeckt, und längst ist sie bereits auf unserer Seite des Ärmelkanals unterwegs und in Deutschland angekommen. Niemand hatte sie zunächst bemerkt, weil wir vor lauter Sparsamkeit zu wenige positive Corona-Tests auf solche Veränderungen analysieren. Man glaubt es kaum, aber die Briten und ihr maroder National Health Service untersuchen jeden 15. Test, in deutschen Landen wird nur jeder 900. Test im Detail untersucht! Bereits am 19. November 2019, also vor der Einschleppung des Coronavirus nach Deutschland, hatte die Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie Gesundheitsminister Spahn brieflich mitgeteilt, dass “ein beträchtlicher Teil der aktuell berufenen Expertenlabore seine Aufgaben nicht mehr erfüllen kann”. Auf dieses Schreiben, das NDR, WDR und ‚Süddeutscher Zeitung‘ vorliegt, erhielten die Wissenschaftler nie eine Antwort, und selbstredend wurden auch keine Verbesserungen eingeleitet. “Wir sind in Deutschland, was die molekulare Überwachung des Coronavirus angeht, wirklich miserabel”, so der Leiter der Virologie der Universität Freiburg, Hartmut Hengel: “Wir sequenzieren ohne repräsentative Probenerfassung auf dem Niveau eines Entwicklungslandes.” Jens Spahn und seine Mitstreiter, die schon aus der Bundestagsdrucksache 2013 keine sachgerechten Schlüsse zogen, wurden auch durch das Schreiben der Virologen kurz vor Covid-19 nicht wachgerüttelt!

Im Dschungel der Irrtümer
Als Menschen sind wir alle fehlbar, wer möchte das bestreiten. In einem ‚Focus online‘-Interview rekurriert Jens Spahn darauf und sagt, wir müssten „uns untereinander zugestehen, sich mal geirrt zu haben, dass wir nicht so unerbittlich werden. Mir ist wichtig, dass wir in dieser Pandemie im Umgang miteinander Maß halten. Wir sollten vielmehr aus Fehlern lernen. Das gilt übrigens nicht nur für Politiker.“ Völlig richtig, aber das kann doch die Frage nicht beantworten, warum wir unvorbereitet in die Corona-Pandemie geraten sind! Jens Spahn & Co. haben nichts aus den wissenschaftlichen Warnungen des Jahres 2013 oder dem Brief der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie gelernt, jedoch hat keiner dieser Politiker die Fehler eingestanden. Einsicht blitzte in einem Videogespräch von Angela Merkel mit Studenten einmal kurz auf, aber ansonsten wurden keine Schlüsse aus den eigenen Fehlleistungen gezogen, und so geht das Gewurschtel immer weiter. Kommen Sie sich auch immer öfter wie das Versuchskaninchen im Polit-Labor von Jens Spahn und seinen Kollegen vor?

Am Rande bemerkt: Mit Jens Spahn und seinen Einschätzungen habe ich nicht erst seit seinem Dilettantismus während der Corona-Pandemie so meine Probleme. “Hartz IV bedeutet keine Armut”, betonte Jens Spahn 2018, doch er lehnte es ab, auf Einladung einer Hartz-Empfängerin mal einige Zeit in ihrem Haushalt mit zu leben. Vielleicht kein Wunder, denn zusammen mit seinem Ehemann kaufte sich Spahn in Berlin-Zehlendorf eine Villa, „laut Grundbuchamt für mehrere Millionen Euro“, so das Magazin ‚stern‘. Wer möchte dann schon in einem Hartz-IV-Haushalt die für viele Menschen doch etwas dünnere Bürgerluft schnuppern? Spahn besitzt zwei weitere Immobilien in Berlin, wobei in einer der FDP-Chef Christian Lindner als Mieter wohnt. Der Zuschnitt ist mit über 170 m² auch nicht gerade Hartz-tauglich – wie ‚stern‘ und ‚Tagesspiegel‘ erfuhren. Interessant ist die Geschichte des Kaufs dieser Wohnung ebenfalls: „Fragen wirft der Name des Verkäufers im Fall der von Spahn 2017 erworbenen Immobilie auf. Es war der bereits damals mit Spahn persönlich bekannte seinerzeitige Pharmamanager Markus Guilherme Leyck Dieken. Ausgerechnet unter Spahns Ägide wurde der heute 56-Jährige Leyck Dieken im Jahr 2019 Geschäftsführer der mehrheitlich vom Gesundheitsministerium kontrollierten Gematik GmbH“, so der ‚stern‘. „Diese Gesellschaft soll mit Projekten wie der elektronischen Patientenakte und dem E-Rezept die Digitalisierung des Gesundheitswesens vorantreiben.“ Und ganz passend wurde auch das Gehalt des Geschäftsführers erhöht. Nichts gegen Wohnungs- oder Villenbesitz, und fern allen Neides, doch Politiker sollten beim Erwerb auf mögliche ‚Fehlinterpretationen‘ achten.

Offene Debatten notwendig
Natürlich trägt Jens Spahn nicht die Alleinschuld am Corona-Desaster, das ist ja klar. Aber er trägt auch nichts zu einer besseren Mannschaftsleistung der Bundesregierung bei. Im Grunde sind wir von einem Lockdown oder seinen Unterformen zum anderen getrieben worden, ohne dass wir nach fast einem Jahr mehr über die gesellschaftlichen Hintergründe der Verbreitung wissen. Die Mediziner sind in der Behandlung vorangekommen, doch letztendlich hängen wir alle davon ab, dass die Impfstoffe die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen. Eine Gesellschaft sollte nie in eine solche Gemengelage geraten, in der es nur eine Abhilfe für eine Krise gibt. Ich mag mir nicht vorstellen, was passieren könnte, wenn das Coronavirus in einer Weise mutiert, die vorhandene Impfstoffe hinfällig machen würde. Aber nun hoffen wir das Beste.

Zwar gefällt es Jens Spahn oder Angela Merkel nicht, wenn die Ursachen dieser Katastrophe mit Ansage ausgeleuchtet werden. Doch wer in Zukunft besser gerüstet sein will, der muss auch schonungslos die Fehler aufzeigen. Keine adäquate Vorbereitung auf Pandemien, unkoordinierte Gegenmaßnahmen, zögerliche Impfstoffbestellungen, dies alles darf nicht unter den Teppich des Schweigens gekehrt werden. Offene Debatten sind gefragt und die stärkere Einbeziehung sozialwissenschaftlicher Institute, um mehr über Gruppen und Ereignisse zu erfahren, die besonders zur Verbreitung von Covid-19 beitragen. Im Grunde scheinen weder die Bundesregierung noch die Länder wirklich wissen zu wollen, warum es in bestimmten Regionen oder Personengruppen mehr und in anderen weniger Corona-Infizierte gibt. Aber Debatten lösten bei Bundeskanzlerin Merkel noch nie Begeisterung aus, und so werden ganz passend Bundestag und Länderparlamente stets erst nach der Entscheidungsfindung informiert. So habe ich mir unsere Demokratie nicht vorgestellt.

Jens Spahn, der uns so sachkundig über das Händewaschen informierte und zum Abstandhalten riet, konnte mit all seinen Beamten keine sachgerechte Strategie gegen die Corona-Pandemie entwickeln. Leider änderte sich auch nichts daran, wenn sich die Bundeskanzlerin und die Länderchefs versammelten. Kaum waren Beschlüsse getroffen, da wurden sie wieder modifiziert. Besser wurden sie dadurch nicht. Und mal ganz ehrlich: Welchen gesellschaftlichen Mehrwert schaffen Politiker, die – wie Jens Spahn – von einer Fehleinschätzung zur anderen stolpern? Keinen!

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