Israel: Solidarität geht über „Staatsräson“ hinaus

Hamas und andere islamistische Terroristen greifen unseren freiheitlichen Lebensstil an

Mir ist es zu wenig, wenn Bundeskanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock bekunden „die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson“. Angela Merkel führte diesen nicht unproblematischen Begriff ebenfalls im Munde, und was hätten die deutschen Regierungen bisher unternommen, wenn die Existenz Israels in letzter Konsequenz bedroht worden wäre? Letztendlich müssen wir uns ehrlicherweise eingestehen, dass in einer existenzbedrohenden Lage nur die USA eine echte Schutzfunktion übernehmen könnten, die jetzt bereits den zweiten Flugzeugträger entsenden. Dies gilt in geringerem Maße für das Vereinigte Königreich und für Frankreich, aber – bei Betrachtung militärischer Hilfsleistungen – kaum für Deutschland. Das gleiche mussten wir schon beim russischen Angriffskrieg auf die Ukraine erleben: diese hätte Wladimir Putin in sein Reich einverleibt, wenn nicht die USA ihre Arsenale für schnelle Hilfe geöffnet hätten. So bleibt nur die Hoffnung, dass Israel selbst stark genug ist, seinen Feinden entgegenzutreten. Die Terroristen, die Israel attackieren, sind allerdings auch unsere Feinde, zumindest was Hamas, Hisbollah oder Islamischer Dschihad usw. angeht. Unsere Solidarität geht daher weit über eine irgendwie geartete ‚Staatsräson‘ hinaus und speist sich nicht nur aus der Scham über unsere dunkelsten Jahre, der NS-Diktatur, dem Holocaust oder der Ermordung von sechs Millionen Juden. Es geht um die Verteidigung eines freiheitlichen und demokratischen Lebensstils, der letztendlich auf die christlich-jüdische Geschichte in Europa zurückgeht. Hamas und andere islamistische Terroristen zielen mit ihren brutalen Anschlägen auf alle Bürgerinnen und Bürger, die die Menschenrechte als Leitschnur betrachten, die Gleichberechtigung von Frau und Mann als richtig ansehen und an denen die um 1700 einsetzende Aufklärung nicht vorbeigegangen ist.

Die blau-goldfarbene Kuppel auf einem Gebäude und zwei kleine Türme mit Kuppeln gehören zum Gebäude der Stiftung Neue Synagoge in Berlin.
Eingeweiht wurde die Neue Synagoge Berlin zum jüdischen Neujahrsfest 1866. Mit 3200 Sitzplätzen war sie die größte Synagoge Deutschlands. „Religiöse Auslegung und Praxis in der Neuen Synagoge entsprachen dem liberalen Judentum, das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland zur dominierenden Richtung wurde“, so die Internetseite Centrum Judaicum. „Während der Novemberpogrome 1938 wurde in der Neuen Synagoge Feuer gelegt; durch das Eingreifen von Polizisten am Hackeschen Markt unter Reviervorsteher Wilhelm Krützfeld wurde sie aber vor größeren Schäden bewahrt.“ Die Nationalsozialisten missbrauchten das Archiv für Abstammungsprüfungen (sogenannte „Ariernachweise“), die Wehrmacht zweckentfremdete die Synagoge als Lagerhalle. Im November 1943 wurde der Gebäudekomplex von Bomben schwer getroffen. Heute nutzt die Jüdische Gemeinde die frühere Synagoge für Veranstaltungen und Verwaltungsaufgaben. Außerdem finden in den Räumen der Stiftung Neue Synagoge – Centrum Judaicum verschiedene Ausstellungen und ein historisches Archiv Platz. Die Kuppel der früheren Synagoge über Berlin ist ein Zeichen jüdischer Kultur und Religion. (Bild: Ulsamer)

Antisemitismus entgegentreten

Wenn Hamas-Terroristen unschuldige Kinder, Jugendliche, Frauen und Männer, alte und junge Menschen erbarmungslos abschlachten, dann bekommen sie Beifall von den Ajatollahs, die im Iran nicht nur emanzipierte Frauen bzw. die Menschenrechte insgesamt mit Füßen treten, sondern selbst beim NATO-Mitglied Türkei wartet man bei Präsident Erdogan vergeblich auf eine Verurteilung der mörderischen Hamas-Attacken. Aber im Grunde war nichts anderes zu erwarten, denn Erdogan lässt gerne völkerrechtswidrig kurdische Ziele außerhalb seiner Landesgrenzen angreifen. Die Morde, Vergewaltigungen und Entführungen, mit der die Hamas die freiheitlich denkenden Menschen aufschreckte, fanden Applaus auch im Irak und in Syrien bzw. bei der Hisbollah im Libanon und im Westjordanland. Dieser Jubel ist erschreckend, noch mehr, wenn er von palästinensischen Organisationen zunehmend in deutschen Städten angestimmt wird. Selbstredend darf man auf unseren Straßen gewaltfrei auch für die Belange der Palästinenser demonstrieren, wer jedoch wie in Berlin-Neukölln die pro-palästinensische Organisation ‚Samidoun‘, die Terroristen glorifiziert und ihre widerlichen Schandtaten mit Süßigkeiten feiert, der muss verboten werden. Und ganz nebenbei: Wer sich an solchen beschämenden Aktivitäten beteiligt und keinen deutschen Pass besitzt, der muss unser Land umgehend verlassen.

Ein Gedenkstein auf grünem Rasen. In der Mitte der Text, darüber ein siebenarmiger Leuchter. „Zum Gedenken an die mehr als 2000 jüdischen Mitbürger, die während der Zeit des Unheils in den Jahren 1941 und 1942 von hier aus ihren Leidensweg in die Konzentrationslager und in den Tod antraten“, Unten findet sich die Inschrift: "Errichtet von der Stadt Stuttgart".
Stolpersteine erinnern uns in deutschen Städten an das schreckliche Unrecht, das Juden in Deutschland während der NS-Diktatur angetan wurde. „Zum Gedenken an die mehr als 2000 jüdischen Mitbürger, die während der Zeit des Unheils in den Jahren 1941 und 1942 von hier aus ihren Leidensweg in die Konzentrationslager und in den Tod antraten“, so die Inschrift an einem Gedenkstein auf dem Killesberg in Stuttgart. Dieser Gedenkstein ist Erinnerung und Mahnung zugleich. Der Chefredakteur der Jüdischen Allgemeinen machte klar, dass seit dem Holocaust noch nie so viele Juden an einem Tag ermordet wurden wie während des Terrorangriffs durch die Hamas im Süden Israels am 7. Oktober 2023. 1400 Menschen wurden getötet, tausende verletzt und 200 in den Gazastreifen verschleppt. (Bild: Ulsamer)

Antisemitismus hat in Deutschland keinen Platz! Nicht nur wegen der Shoa, des nationalsozialistischen Völkermords, der uns noch heute als Deutsche zurecht mit Scham erfüllt. Es geht mir auch um die lange Geschichte von Juden und Christen in Deutschland und Europa, die Höhen und Tiefen, und um die vielen Gemeinsamkeiten. Ein Beispiel ist der älteste jüdische Friedhof in Europa, der Heilige Sand in Worms. Hierzu mehr in meinem Blog-Beitrag ‚Worms: Friedhof Heiliger Sand und Dom St. Peter. 1000 Jahre christlich-jüdische Stadtgeschichte‘. Der freiheitliche und demokratische Lebensstil, der auch mit der Epoche der Aufklärung verbunden ist, hat europäische, jüdische und christliche Wurzeln. Natürlich hat diese Hinwendung zur Moderne zahlreiche Verästelungen in anderen Regionen unserer Welt und sie schließt gleichfalls Muslime ein, die bereit sind, zwischen Staat und Religion zu trennen. Die Anschläge islamistischer Terroristen auf Ziele in unterschiedlichsten Weltgegenden machen deutlich, dass sie einen Kampf gegen unsere Kultur und freiheitsorientierte Menschen überall auf dem Globus führen. So stellen Hamas, Hisbollah & Co. nicht nur das Existenzrecht Israels in Frage und sprechen Juden im Grunde das Lebensrecht ab, sondern sie greifen ganz bewusst alle Menschen an, die sich nicht unter die islamistische Knute beugen wollen oder ganz einfach – aus ihrer Sicht – zu den ‚Ungläubigen‘ gehören. Wenn im Iran junge Frauen von der Religionspolizei getötet werden, weil sie ihr Kopfhaar nicht vollständig bedecken, wenn in Israel junge Menschen abgeschlachtet werden, die sich zu einem Festival zusammengefunden haben, wenn Anis Amri mit einem Lkw in Berlin Besucher eines Weihnachtsmarkts niederwalzt, wenn in Paris Karikaturisten bei Charlie Hebdo oder Tanzende im Musikclub Bataclan erschossen werden oder Terroristen Flugzeuge ins New Yorker World Trade Center steuern, um nur diese wenigen Beispiele zu nennen, dann gelten solche Anschläge allen freiheitsliebenden Menschen. Die islamistischen Terroristen greifen ganz bewusst ‚weiche‘ Ziele an, weil sie so möglichst umfassend Angst und Schrecken verbreiten können. Da passen für die islamistischen Terroristen ein Musikfestival im Süden Israels ebenso ins bestialische Konzept wie der Musikclub in Paris. Einzeltäter, aufgeputscht und fehlgeleitet durch islamistische Prediger der Gewalt ermorden Menschen ohne Ansehen der Person in Zügen, Kaufhäusern, Schulen oder Kirchen. Wer glaubt, es ginge der Hamas und anderen islamistischen Terroristen nur um Israel oder Juden, der irrt sich gewaltig. Die Islamisten fühlen sich im Krieg gegen die westliche und freiheitliche Lebensweise, sie sehen sich im Kampf gegen staatliche Ordnungen, die sich an den Menschenrechten und an demokratischen Werten orientieren. Nach dem Massaker, das die Terroristen der Hamas in Israel angerichtet haben, hätte ich mir klarere Worte der Islamverbände in Deutschland zu diesen brutalen Verbrechen gewünscht. Eine deutliche Distanzierung blieb, abgesehen von einzelnen Ausnahmen, aus.

Vor einem mit Blumen geschmückten rötlich schimmernden Gebäude wehen die Flaggen Israels (blau-weiß mit Davidstern) und der Ukraine (Blau und Gelb) neben der Fahne der Stadt Esslingen (grün-rot mit Reichsadler).
Im Kampf Israels gegen die islamistischen Terroristen der Hamas und der Ukraine gegen den Angriffskrieg Putins geht es auch um unseren freiheitlichen Lebensstil. Unsere Solidarität gebührt Israelis und Ukrainern! Somit ist es symbolträchtig, dass vor dem Neuen Rathaus in Esslingen am Neckar neben der Stadtfahne auch die Flaggen Israels und der Ukraine aufgezogen wurden. (Bild: Ulsamer)

Die freiheitliche Kultur verteidigen

Wladimir Putin, der Kriegsherr im Kreml, der ohne den Hauch einer sachlichen Begründung das Nachbarland Ukraine überfallen ließ, kann sich die Hände reiben, denn die beispiellosen Terrorangriffe der Hamas in Israel lenken zumindest zeitweise von seinen Untaten ab. Letztendlich tut sich eine Achse des Bösen auf, die unmittelbar zum islamistischen Regime im Iran führt, welches Putin mit Drohnen versorgt und militärisch sowohl die Hamas als auch die Hisbollah über ihre Revolutionsgarden fördert und deren militärische Präsenz maßgeblich unterstützt. Nicht vergessen sollten wir, dass der Emir von Katar zu den zentralen Geldgebern der Hamas gehört. Wir können nur hoffen, dass Olaf Scholz den Emir beim jüngsten Mittagessen in Berlin auf dessen fragwürdige Freunde im Gazastreifen angesprochen hat. Daran habe ich allerdings Zweifel, denn viel zu lange lavierte der Bundeskanzler auch bei der Unterstützung der Ukraine. Viele Opfer könnten dort noch leben, wenn von Beginn an die Lieferungen militärischer Güter aus Deutschland für den Freiheitskampf der Ukraine in die Gänge gekommen wären. Zum Verzweifeln war es auch, dass Außenministerin Baerbock nicht einmal in der Lage war, eine zeitnahe Evakuierung deutscher Staatsbürger zu ermöglichen, die Israel nach den blutigen Terroranschlägen der Hamas verlassen wollten. Da flogen längst deutsche Schüler mit einem isländischen Flugzeug gen Heimat, als man im Außenamt wohl noch bürokratische Hürden aufbaute, anstatt Landsleute abzuholen!

Blick vom sogenannten Martin-Buber-Blick über die Grabsteine des jüdischen Friedhofs Heiliger Sand zum christlichen Dom St. Peter in Worms.
Der Martin-Buber-Blick verbindet den Heiligen Sand, den ältesten jüdischen Friedhof in Europa, mit dem christlichem Dom in Worms: 1000 Jahre gemeinsame jüdische und christliche Geschichte werden hier spürbar. Gewidmet ist diese Aussicht dem berühmtesten jüdisch-deutschen Philosophen und Autor Martin Buber. Zum Glück für uns alle setzte sich nicht das von den Nationalsozialisten propagierte ‚tausendjährige Reich‘ durch, sondern trotz der nationalsozialistischen Verbrechen, der Ermordung von sechs Millionen Juden, überlebte die jüdische Kultur in Deutschland. (Bild: Ulsamer)

Unsere Solidarität gilt dem israelischen Volk, das die Hamas so brutal und blutrünstig angegriffen hat und weiter attackiert. Wenn wir auf Dauer in der Region Frieden schaffen und sichern wollen, dann dürfen wir aber auch das palästinensische und iranische Volk, den Libanon, den Irak oder Syrien nicht vergessen, die die freie Welt dabei unterstützen muss, politische Ordnungen zu schaffen, die auf demokratischen und rechtsstaatlichen Fundamenten stehen und gerade auch die Rechte der Frauen, Andersdenkender und Andersgläubiger achten. Verhandlungen mit islamistischen Terroristen aller Art werden leider zu keinem dauerhaften Frieden beitragen, dies haben die letzten Jahre und Jahrzehnte gezeigt. Ein unabhängiger Staat für die Palästinenser lässt sich nur dann realisieren, wenn dort keine Terroristen wie die Hamas herrschen, sondern demokratische Kräfte das Sagen haben. Zu begrüßen ist es, dass Palästinenserpräsident Mahmud Abbas betonte, die Handlungen und die Politik von Hamas “repräsentieren nicht das palästinensische Volk”, allerdings hatte die Hamas seiner Fatah-Bewegung die Vorherrschaft in Gaza entrissen.

Israel hat ohne jeden Zweifel das Recht, sich nach den barbarischen Morden und Vergewaltigungen der islamistischen Terroristen zu wehren und die Hamas, die Unschuldige verschleppt hat, zu zerschlagen. Den Israelis gehört unsere volle Solidarität! „Staatsräson“ als Beweggrund für unsere Unterstützung ist mir deutlich zu wenig, denn dieser technokratisch anmutende Begriff, der zu Angela Merkel und Olaf Scholz passt, lässt jede Emotion vermissen. Nochmals möchte ich betonen, dass sowohl die Ukrainer mit ihrem Widerstand gegen Putins erbarmungslosen Angriffskrieg für den freien Westen kämpfen als auch die Israelis, die sich dem menschenverachtenden Terror der islamistischen Hamas entgegenstellen und zurecht weitere Massaker verhindern wollen. Ob uns dies behagt oder nicht: Israel und die Ukraine müssen gewinnen, denn ansonsten wachsen der Hydra der Gewalt ständig neue Köpfe, die sich allesamt gegen die freiheitliche und demokratische Lebensart wenden. Wer dem Terrorismus der Hamas und anderer islamistischer Organisationen und Putins Angriffskrieg nicht solidarisch entgegentritt, der muss sich nicht wundern, wenn die Gewalttäter die Oberhand gewinnen. Und wenn wir uns heute solidarisch erklären mit Israel und der Ukraine, dann müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass der Weg bis zu einem tragfähigen Frieden noch steinig ist.

 

 

 

 

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