Irland: Moore verbrennen – über Feuer am Amazonas schimpfen

Wer wie die Europäer im klimapolitischen Glashaus sitzt …

Beim brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro weiß man nie so genau, ob er die Brandstifter wirklich aufhalten möchte, die am Amazonas Feuer legen, um Weideflächen oder Äcker anzulegen. Eines weiß ich jedoch sicher: Wir tragen in Europa eine Mitschuld am Desaster. Wer importiert denn Rindfleisch aus Brasilien und aus anderen südamerikanischen Staaten, obwohl wir uns auch gut selbst ernähren könnten? Wer verfüttert denn Soja aus Brasilien an Schweine in deutschen Massenställen, um das Fleisch dann nach China zu verhökern? Wir Deutschen, wir Europäer, wir sorgen mit unserer Nachfrage dafür, dass in Brasilien korrupte Geschäftemacher den Regenwald vernichten. Und sollten doch lieber vor unserer eigenen Türe kehren: In Irland werden Moore noch immer im Ofen verfeuert oder zur Energiegewinnung verbrannt. In Deutschland wandert der Torf in Säcke mit Gartenerde, und unser Ausstieg aus der Braunkohle kommt auch eher holprig daher. Der Blender aus dem Elysée Palast, Emmanuel Macron, philosophiert schon mal in neokolonialistischer Weise über das ‚Gemeingut‘ Amazonas und erweckt den Eindruck, als wollten die Europäer den Brasilianern sagen, was sie zu tun hätten.

Satellitenaufnahme vom Amazonas-Gebiet. Die Feuer als rote Punkte. Städte als weiße Punkte.
Das Ausmaß der Feuer im Amazonas-Regenwald ist erschreckend. Wenn dort immer wieder Waldflächen durch Brandrodung freigemacht werden, dann sind wir als Abnehmer von Soja für die Schweinemästereien oder Steak-Liebhaber mitschuldig. Unsere Nachfrage lockt dort Landbesitzer und korrupte Geschäftemacher, die dann als Brandstifter durchs Land ziehen. (Bild: Screenshot, Twitter, NASA Earth, 28.8.19)

Zählen Moore weniger als Regenwald?

Damit wir uns nicht missverstehen: Ich halte es für einen Skandal, dass der brasilianische Präsident den Regenwald als reine Wirtschaftsquelle sieht und die Folgen von Abholzung oder Brandrodung für die globale Umwelt negiert. Deutlich wird aber auch, dass es durchaus in Brasilien Stimmen gibt, die sich für den Schutz des Regenwaldes einsetzen. Und gerade diese Menschen müssten wir unterstützen. Besserwisserei von außen wird dabei gewiss nicht zielführend sein, gezielter politischer Druck jedoch sehr wohl! Dies zeigen die Reaktionen des brasilianischen Präsidenten. Er hat nun zumindest auf dem Papier Brandrodungen in der Trockenzeit für die nächsten zwei Monate untersagt.

Ein entwässertes Moor. Der Torf wurde zum Trocknen bereits herausgestochen.
Noch immer werden in Irland Moore für die Torfgewinnung zerstört. Mal wandert das Moor gewissermaßen in den privaten Kamin, mal in Kraftwerke zur Stromerzeugung. Wie glaubwürdig ist dann Leo Varadkar, wenn er als irischer Premierminister einen Stopp des Mercorsur-Handelsabkommens fordert, um den brasilianischen Präsidenten Bolsonaro zu mehr Engagement beim Schutz des Regenwalds zu zwingen? (Bild: Ulsamer)

Wir Europäer sitzen überwiegend selbst im Glashaus und sollten daher mit allzu harscher Kritik vorsichtig sein. Da sitze ich im Südwesten Irlands am Frühstückstisch und lese in den Irish Independent hinein: Der irische Premierminister Leo Varadkar fordert, das Mercosur-Handelsabkommen zu stoppen, da Brasilien die Zusagen zum Schutz des Regenwalds nicht einhalte. Prinzipiell hat er Recht! Und seine Wortmeldung schallt auch durch andere europäische Staaten. Doch in der Republik Irland werden weiterhin Moore zerstört, um aus dem Torf Strom herzustellen oder damit den eigenen Kamin zu heizen. So war es für mich schon frappierend, dass die irische Regierung den Klimanotstand ausrief, ohne umgehend die Vernichtung von Moorflächen zu stoppen. Aber die Regierung von Leo Varadkar konnte noch nicht einmal Gebühren einführen, um die Ressource Wasser besser zu schützen. So versickern weiterhin 50 % des aufbereiteten Trinkwassers durch marode Leitungssysteme auf dem Weg zum Nutzer. Es wird kaum jemand ernsthaft meinen, dass die Entwässerung und der Abbau von Mooren weniger problematisch sei als die Vernichtung von Wäldern!

Emmanuel Macron betont in einem Tweet zum Amazonas: 'Unser Haus brennt".
Frankreich bezieht noch immer 70 % seines Stroms aus Kernkraftwerken. Da tut sich der französische Präsident Emmanuel Macron natürlich leichter in Sachen CO2. Aber dem gemeinsamen Vorgehen gegen die Vernichtung von Wäldern hat Macron keinen guten Dienst erwiesen, als er den Amazonas-Regenwald in einer TV-Ansprache zum ‚Gemeingut‘ erklärte. So bekommt man sehr schnell das Etikett ‚Kolonialist‘ aufgeklebt. (Bild: Ulsamer)

Atomkraft statt Kohle?

In Deutschland tun wir uns schwer mit dem Ausstieg aus der Kohle, und so werden zuerst Beihilfen für die Bundesländer beschlossen, die über Braunkohletagebau verfügen, obwohl das eigentliche Ausstiegsgesetz noch auf sich warten lässt. Trotz der Einstellung des Steinkohlebergbaus nutzen wir Steinkohle für die Energieerzeugung: Allerdings kommt sie jetzt aus Australien! Ich halte dies für skandalös! Und in deutschen Landen wandert auch weiterhin Torf in die Gartenerde – sei es aus heimischen Mooren oder aus den baltischen Staaten. Schweine werden häufig nicht mit Futter vom eigenen Acker gefüttert, sondern mit Soja aus Lateinamerika. Und es kommt nicht nur Viehfutter aus Brasilien, sondern auch so manches Steak für das Grillfest im heimischen Garten. Trotzdem müssen wir ganz gewiss nicht das Abfackeln von Regenwald wortlos hinnehmen, sondern die Ursachen für die Vernichtung der Lunge der Welt im eigenen Land angehen.

Emmanuel Macron, der immer mehr napoleonische Züge erkennen lässt, tut sich bei den Klimagasen wie CO2 leichter. Aber nicht, weil er Frankreich schon auf regenerative Energien umgestellt hätte, sondern dank des Atomstroms. Über 70 % der in unserem Nachbarland erzeugten Elektrizität stammt aus Kernkraftwerken. Ist es nicht leicht abstrus, wenn Macron immer mal wieder für sein umweltpolitisches Engagement mit Vorschusslorbeeren bekränzt wird, obwohl die Kernkraftwerke ihm bisher energiepolitische Einschränkungen erspart haben? Und ob es Konflikte entschärft, wenn Macron schon mal den Amazonas als ‚Gemeingut‘ bezeichnet? Wohl kaum. Was würden wohl er und viele Franzosen sagen, wenn andere Staatschefs in kolonialistischer Manier so über französische Regionen sprechen würden? Wir brauchen dringend eine abgestimmte europäische Energiestrategie, denn ansonsten macht der deutsche Ausstieg aus der Kernkraft wenig Sinn.

Braunkohle vom Tagebau ins Kraftwerk.
Wir brauchen in Deutschland eine umfassende Energiestrategie: Das Abschalten von Kernreaktoren oder Kohlekraftwerken und die Installation weiterer Windenergie- oder Solaranlagen reicht nicht. Zwingend ist eine Gesamtplanung auch für Speicherkapazitäten und eine Wasserstoffinfrastruktur sowie eine Batteriezellenfertigung. Das Foto zeigt einen Braunkohletagebau und das dazugehörige Kraftwerk im Rheinischen Braunkohlerevier. (Bild: Ulsamer)

Glaubwürdig bleiben

Nicht nur im brasilianischen Regenwald lodern mehr Feuer als früher, sondern auch in Sibirien und der Arktis. Dies sind u.a. Folgen der Erderwärmung und längerer Trockenperioden. Aber auch in Europa brennt es, allerdings – und zum Glück – in kleinerem Umfang. Der Wald siecht dahin, denn ihm macht der Klimawandel zu schaffen. Mit diesen wenigen Sätzen wird klar, dass wir nur alle gemeinsam vorankommen können. Das ‚Schwarze Peter Spiel‘ muss beendet werden! Wir müssen politischen Druck ausüben, um das Schlimmste – auch im Amazonasgebiet – zu verhindern, doch bleiben wir nur glaubhaft, wenn wir uns im eigenen Land mehr für Umwelt-, Natur- und Klimaschutz engagieren. Es reicht eben nicht aus, über den jeweils anderen zu schimpfen, sondern wir müssen handeln. Von der Dimension her ist der Regenwald am Amazonas für unsere Welt unverzichtbar, aber im Grunde zählt jeder Baum – auch der in unserem Vorgarten. Mehr Bäume pflanzen möchte ich besonders den Politikern zurufen, die sich zu einer endlosen Kette von Klimakonferenzen, mal in Paris oder Kattowitz, in Bonn oder bald in Santiago de Chile versammeln.

WWF-Aufruf "Der Amazonas brennt".
Der WWF, der NABU und der BUND sowie andere Umwelt- und Naturschutzorganisationen schlagen zurecht Alarm! Wir müssen den Regenwald am Amazonas schützen! Wir brauchen mehr Wald und nicht weniger, wenn wir den Klimawandel zumindest abbremsen wollen. Der Regenwald am Amazonas brennt, in Sibirien und der Arktis lodern gewaltige Feuer – und Donald Trump hat die Idee, Teile des Tongass Nationalparks in Alaska abholzen zu lassen. Kein Wunder, dass der US-Präsident auch Gefallen an Jair Bolsonaro findet. Dieser hat unter internationalem Druck zumindest Brandrodungen für die nächsten zwei Monate der Trockenperiode untersagt. Ob es hilft? Besonders angetan ist Trump ja auch von Boris Johnson, doch der legt derzeit Feuer in der britischen Demokratie. (Bild: Screenshot, Facebook, WWF Deutschland, 29.8.19)

Wer zuhause Moore in den Ofen oder in die Gartenerde verfrachtet, der ist nicht sonderlich glaubwürdig, wenn er anderen Staaten Vorhaltungen macht, sie müssten die Umwelt besser schützen. Wer Kohle abbaut und verfeuert, der sitzt ebenso im klimapolitischen Glashaus wie die Fans der Atomkraft, die Risiken im Ausmaß von Tschernobyl oder Fukushima nicht zum Umdenken angeregt haben. Hin und wieder eine Kernschmelze ist auch nicht besser als brennende Wälder! Die Brände am Amazonas, in Sibirien und der Arktis – oder wo immer – müssen gelöscht und die möglichen Brandstifter verfolgt werden. Präsidenten wie Bolsonaro müssen spüren, dass die Weltgemeinschaft diejenigen Bürger in seinem Land unterstützt, die den Brandstiftern in den Arm fallen. Wenn wir unsere Glaubwürdigkeit behalten wollen, dann müssen wir konsequenter als bisher Umwelt und Natur im eigenen Land schützen. Und jeder noch so kleine Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels und der Erderwärmung ist wichtig. Wenig bringt es, wenn alle, die ‚gemütlich‘ im Glashaus sitzen, auch noch Steine nach anderen werfen.

 

Lichter Mischwald mit Wiese am Rand.
Die Reduktion klimaschädlicher Emissionen ist unerlässlich. Und parallel müssen wir mehr Bäume gegen den Klimawandel pflanzen, um so CO2 aus der Atmosphäre zu binden. Und dies gilt auch für Deutschland – trotz eines Waldanteils von einem Drittel der Landfläche. (Bild: Ulsamer)

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