Ich möchte bunte Wiesen statt grüner Kreuze sehen
Manchmal frage ich mich schon, in welcher Welt ein Teil der Landwirte in Deutschland lebt? Es gibt keinen Berufsstand, der in gleich umfassender Weise mit unseren Steuergeldern bedacht wird, dennoch erhebt sich ständig eine laute Wehklage, wenn wir Bürger an ökologische Grundsätze erinnern. Schnell bekommt man völlig zu Unrecht das Etikett ‚Bauernfeind‘ angehängt, und so geht es auch mir als Reaktion auf meine Beiträge in Facebook. Aber zum Glück habe ich gleichfalls viele echte Bauern getroffen, denen Ökologie, Nachhaltigkeit und Tierwohl nicht egal sind. Gerade diese engagierten bäuerlichen Familienbetriebe kämpfen zunehmend ums Überleben, obwohl die EU, sowie Bund und Länder Subventionen verteilen. Landwirte in schwierigen geografischen Lagen, deren Milchkühe auf der Weide stehen, stellen sich schlechter als große Flächenbesitzer oder Massentierhalter. Grüne Kreuze, Subventionsjägerei und Gejammer sind der falsche Weg in die Zukunft: Gemeinsam mit den dafür zugänglichen Bauern müssen wir dafür sorgen, dass sie naturbezogener arbeiten können und dabei von uns Konsumenten durch den Kauf ihrer Erzeugnisse unterstützt werden. Dies gelingt nur, wenn die EU-Agrarpolitik neu ausgerichtet wird.
Kreuzzügler und die chemische Keule
Als ich die ersten grünen Kreuze sah, dachte ich, sie sollen an die schwindenden Schmetterlinge, Hummeln und Bienen oder an die verschwundenen Rebhühner erinnern. Doch schnell lässt sich erkennen, die Kreuze sind weder bedrohten Tierarten gewidmet noch eine Erinnerung an die bunten Wiesen, die zunehmend Maismonokulturen gewichen sind! Nein, Bauer Willi vom Niederrhein – bekannt aus den sozialen Medien – hat Mitstreiter für eine mehr als fragwürdige Aktion gefunden. „Die grünen Kreuze sollen als Mahnung an die Gesellschaft verstanden werden, sich dem Wert der heimischen Landwirtschaft bewusst zu werden.“ Da kann ich den Kreuzzüglern zustimmen, denn selbstredend wünschen wir uns möglichst naturnah erzeugte Lebensmittel aus der jeweiligen Region. Auch wenn die Versiegelung von Flächen beklagt wird, wer möchte da widersprechen? „Damit verschwindet für immer fruchtbarer Boden und Lebensraum für heimische Tiere und Pflanzen“, heißt es in einem Text, den der Bayerische Bauernverband zur Kreuz-Aktion verbreitet. Das stimmt, doch wie ist es denn um den Lebensraum für Insekten und Vögel auf intensiv genutzten landwirtschaftlichen Flächen bestellt? Die Insekten verzeichnen einen Rückgang von bis zu 75 %, und manchen Vogelarten geht es nicht viel besser!
Natürlich wäre es unsinnig, den Schwund der Artenvielfalt alleine der Landwirtschaft anzulasten, doch als größter Flächennutzer kann dieser Sektor ja wohl kaum aus einer Analyse ausgeklammert werden. „Ohne bäuerliche Landwirtschaft: Kein Erhalt von Feldern und Wiesen.“ Den Initiatoren dieses Kreuzzuges scheint entgangen zu sein, dass die blütenreichen Magerwiesen fast gänzlich aus dem Landschaftsbild verschwunden sind. Und dies nicht, weil sie überbaut worden wären, sondern weil sie umgepflügt wurden! Wärmstens ans Herz legen möchte ich den Kreuzzügler das Buch „Die Wiese“, geschrieben vom Naturfilmer Jan Haft. Die Lektüre wäre nützlicher, als auf dem Hof Kreuze zusammen zu nageln. „Landwirte schützen ihre Pflanzen vor Krankheiten und Umwelteinflüssen. Die Zulassung und Verwendung von Wirkstoffen unterliegt sehr strengen gesetzlichen Bestimmungen“, heißt es weiter beim Bayerischen Bauernverband. Ich wüsste dann schon gerne, für welche „Wirkstoffe“ sich die Kreuzzügler stark machen? Der Text klingt zumindest nach der chemischen Keule als bevorzugter Waffe bei diesem Kreuzzug. Dieser soll ja auch eine Reaktion auf Entscheidungen des Bundeskabinetts zu Landwirtschaft, Insektenschutz und Tierwohl vom September 2019 sein, die aus meiner Sicht nun wirklich keine Bedrohung der bäuerlichen Landwirtschaft darstellen. So soll es z. B. eine minimale Verschiebung von Agrarsubventionen geben: Sage und schreibe 1,5 % der rein flächenbezogenen Zahlungen sollen in den Fördertopf verschoben werden, der Bauern für ökologische Maßnahmen zugutekommt.
Hohle Wort stärken Tierwohl nicht
Die gewohnte Reaktion des Deutschen Bauernverbands ließ nicht lange auf sich warten: „Wir wissen, dass es Veränderungen hin zu mehr Tierwohl und Insektenschutz geben muss, aber dieses Paket ist für die Landwirte toxisch”, sagte dessen Präsident, Joachim Rukwied laut ‚agrarheute‘. Die industrielle Landwirtschaft ist in Teilen wohl eher „toxisch“ für Tiere und Pflanzen – und letztendlich auch für uns Menschen. Ganz nach Gutsherrenart fordern die Kreuzritter auf dem Traktor „Düngen nach Bedarf statt nach Frist“. Als gäbe es keine zu hohe Nitratbelastung des Grundwassers, die gerade auch auf die überhöhten Güllegaben zurückgeht, sprechen Bauer Willi & Co. von einer „Kreislaufwirtschaft“. Da muss ich doch ein dickes Fragezeichen anfügen! Schweinezüchter verfüttern gerne Soja aus Südamerika, der Mist bleibt hier, und das Fleisch geht nicht selten nach China. Und Milchkühe stehen sich in engen Ställen die Beine in den Bauch, fristen in vielen Fällen angekettet ihr Dasein: Auf der Weide sehen wir nur noch wenige Tiere. Längst ist in einer ganzen Reihe von Betrieben das normale Verhältnis von Tieren und Fläche auseinandergedriftet, und daraus resultiert das Gülleproblem. Die Kreuzzügler, die Willi ins Land schickt, scheint dieses Thema nicht zu bedrücken: „Der anfallende Wirtschaftsdünger dient im Sinne der Kreislaufwirtschaft als Nährstoff für unsere Pflanzen – Wir brauchen Gülle und Mist für fruchtbare Böden“. Auch hier wird der Eindruck erweckt, als wolle irgendjemand den Bauern Gülle und Mist verbieten, dabei geht es doch nur um eine Dosierung, die für die Umwelt und insbesondere das Grundwasser verträglich ist.
Die Massentierhaltung lehne ich in der heutigen überzogenen Form ab. Doch muss ich – trotz aller freundlichen Facebook-Posts von Vegetariern und Veganern – gestehen, dass ich schon mal schwäbische Maultaschen mit darin verstecktem Hackfleisch oder ein Fleischküchle esse, außerhalb Schwabens beispielsweise als Bulette etc. bekannt. Deshalb geht es mir um die Haltung der Tiere! Dürftig sind die Aussagen beim Bayerischen Bauernverband im Begleittext für die grünen Kreuze: „Ohne bäuerliche Landwirtschaft: Keine verantwortungsbewusste regionale Tierhaltung“. In den letzten Jahren nahmen die Berichte zu, die belegen, dass es eben auch Tierhalter gibt, die Schweine und Rinder vernachlässigen und quälen. „Unsere Bauernfamilien halten ihre Tiere verantwortungsbewusst und mit großer Hingabe. Ihnen ist wichtig, dass es den Tieren gut geht.“ Das nehme ich der Mehrheit gewiss ab, aber die Bauernverbände müssen ihren Mitgliedern auch sagen, dass die Massentierhaltung zunehmend an Akzeptanz verliert. Wenn nach EU-Recht 26 Hühner mit je einem Kilogramm Lebendgewicht selbst in Bodenhaltung mit nur einem Quadratmeter Platz auskommen müssen, dann läuft doch etwas falsch! Und einem Schwein mit 100 Kilogramm steht ebenfalls ein Quadratmeter zu. Dies ist erneut kein Vorwurf an die Landwirte, denn diese Vorgaben schafft die Politik. In so manchem Stall – auch gerade bei den Biobauern – erhalten Tiere mehr Platz, aber wir brauchen endlich einen Gesetzesrahmen, der das Tierwohl in den Mittelpunkt stellt. Das jetzige Tierwohllabel von Bundesministerin Julia Klöckner greift auf jeden Fall zu kurz.
Bauer Willi und die Agrarchemie
Wilhelm Kremer-Schillings, alias Bauer Willi, der Initiator der grünen Kreuze, verkennt bei seinen multimedialen Äußerungen leider die bittere Realität unserer Tage: „Bauern machen Artenvielfalt“. Der Insektenschwund wird einfach negiert, aber darin ist Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied ein Meister. Er betonte, „Wir brauchen keine Agrarwende.“ Und bei den Kreuzzüglern hat er Gleichgesinnte gefunden. „Gehen die Bauern, gehen auch die Insekten“, setzt Bauer Willi noch eins drauf. Mögen auch Bauern aufgeben – Höfesterben! -, so ändert dies nichts an der Bearbeitung der Flächen, denn andere Betriebe werden größer. Wer heute noch behauptet, die intensive Nutzung der Flächen und die kasernierte Tierhaltung würden zum Erhalt der Arten beitragen, der lebt wirklich in einer eigenen Welt – ohne Bezug zur traurigen Realität.
Bauer Willi klingt nach Landwirtschaft, doch die TAZ hat recherchiert: „Der als unabhängiger Landwirt bekannte Blogger „Bauer Willi“ ist in Wirklichkeit Teil der Agrarchemiebranche. Wilhelm Kremer-Schillings fungiert laut Firmenangaben als Vize-Vorstandschef der Buir-Bliesheimer Agrargenossenschaft, die auch in erheblichem Umfang mit Pestiziden und Düngern handelt. Vor seiner Zeit als Blogger war er als Projektmanager in der Chemiesparte des damaligen Schering-Konzerns zuständig für den vermutlich krebserregenden Unkrautvernichter Betanal, wie er der taz mitteilte. Bis zu seiner Pensionierung 2014 arbeitete er beim Zuckerhersteller Pfeifer & Langen, wo er Landwirten zu Pestiziden riet. Auf seiner Internetseite „Zur Person“ und in der Autorenbiografie seines Buches „Sauerei!“ fehlen diese Angaben.“ Kein Wunder, dass sich Bauer Willi für Glyphosat und genverändertes Saatgut einsetzt! Und ausgerechnet Bauer Willi hat nun zum Kreuzzug geblasen.
Grüne Kreuze stoppen den Imageverfall nicht
Wer für sein Produkt einen angemessenen Preis erzielen möchte, der muss sich am Markt orientieren und nicht an den EU-Subventionen. Zu lange haben sich manche Landwirte daran gewöhnt, dass sie pro Hektar Fläche schon mal Zuschüsse einplanen können, egal wie es den Pflanzen und Tieren geht. Und wer heute über sinkende Nahrungsmittelpreise klagt, der muss die Ursache zwar auch bei knauserigen Konsumenten und einem harten Wettbewerb der Discounter suchen, aber gleichzeitig zugeben, dass das Image von landwirtschaftlichen Produkten wie Fleisch, Milch oder Eiern gelitten hat. Wer die Bilder aus der extremen Massentierhaltung sieht, dem vergeht nicht nur der Appetit, sondern er verliert auch das Vertrauen in die Landwirtschaft, die zur Agrarindustrie geworden ist. Es wäre höchste Zeit, durch einheitliche Labels dem Konsumenten beim Einkauf einen schnellen Überblick über die Art der Erzeugung des Schnitzels oder der Eier zu vermitteln. Hier haben die Landwirtschaftsminister seit Jahren versagt.
Nicht nur der leichte Rückgang des Fleischkonsums in Deutschland sollte die Bauern alarmieren, sondern auch das sinkende Ansehen. Ein Musterbeispiel dafür ist u.a. die Werbung für einen veganen Snack von Katjes. „Jedes Leben ist wertvoll, und Kühe sind auch keine Milchmaschinen“, so der TV-Werbespot. Da kann ich nur zustimmen! Es gehe auch ohne Kühe, so die Aussage, zu welcher im Gleichschritt ein Heer von Kühen vorbeimarschiert: dunkelgraue Körper mit riesigen rötlichen Eutern dominieren. Dieser Spot sollte den Milchbauern zu denken geben, denn er wäre ohne das angekratzte Image der Milchwirtschaft so sicherlich nicht entstanden. Da nützt es auch nichts, grüne „Mahn-Kreuze“ – so Bauer Willi – aufzustellen.
Landwirtschaft muss ökologischer werden
Die Politik und wir alle sind gefordert, wenn es um einen Rahmen für die Landwirtschaft geht. Eine Orientierung der Agrarförderung an ökologischen Grundsätzen ist zwingend, denn nur dann landen die 58 Mrd. EURO, die die EU pro Jahr ausschüttet, auch an der richtigen Stelle. Sie müssen den Bauern helfen, die sich am Wohl von Tieren und Pflanzen ebenso orientieren wie an marktfähigen Erzeugnissen. Die politischen Vorgaben zum Tierwohl und der Nutzung der Agrarflächen haben sich an der Nachhaltigkeit zu orientieren, und dies schließt die Massentierhaltung in extremen Formen ebenso aus wie die ständige weitere Intensivierung der Flächennutzung. Die Tierhaltung macht ökologisch nur Sinn, wenn die Zahl der Tiere in einem vernünftigen Verhältnis zur vorhandenen Futterfläche steht. Die von den Kreuzzüglern erwähnte „Kreislaufwirtschaft“ muss das Ziel sein, doch sind wir derzeit weit davon entfernt.
Grüne Kreuze bringen uns weder Insekten noch Vögel zurück, sondern sie machen mich ärgerlich. Insbesondere die von Bauer Willi und seinen Mitstreitern vorgetragenen Aussagen sind beschämend. Die Landwirtschaft hat in unserem Land doch nur eine Chance, wenn sie ökologischer wird und die heutige Realität nicht leugnet. Diese Kampagne dient nicht dem Dialog, der so wichtig wäre, sondern zeigt nur, dass sich manche Gruppen von Landwirten und ihre Verbandslobbyisten in einer Wagenburg einigeln, anstatt offen über die Probleme zu diskutieren. Wir brauchen mehr Natur- und Umweltschutz, wenn wir die Artenvielfalt erhalten wollen. Wer grüne Kreuze auf die abgeernteten Maisfelder stellt, der verkennt die Lage und trägt ganz gewiss nicht zu einem besseren Image der Landwirte bei. Zum Glück gibt es aber auch die zahlreichen Bauern, die längst erkannt haben, dass sie die Zukunft nur gewinnen können, wenn sie möglichst ökologisch und am Tierwohl orientiert arbeiten und so ganz ‚nebenbei‘ auch der Artenvielfalt dienen.
Sehr geehrter Herr Dr. Lothar Ulsamer,
mit großem Interesse habe ich Ihren Blogbeitrag hier gelesen und muss sagen, ich bin entsetzt!!
Gerne stelle ich mich Ihnen vor. Ich bin 40 jahre alt und bewirtschafte zusammen mit meinem Mann einen mittelständischen land- und weinbaulichem Gemischtbetrieb. Schon seit Generationen bin ich mit der Landwirtschaft verbunden und bereits in einem landwirtschaftlichem Betrieb aufgewachsen. Nach meinem Abitur entschloss ich mich für das Studium der Agrarbiologie. Ich spezialisierte mich im Bereich des Pflanzenschutzes, der Phytomedizin und der Pflanzenzüchtung. Meine Diplomarbeit entstand in Zusammenarbeit mit einem großem Pflanzenschutzmittelhersteller in Deutschland. Anschließend spezialiserte ich mich zusätzlich im Bereich als Agarbetriebsfachwirt. Ich kann also profunde Fachkenntnisse vorweisen und bitte Sie nun, trotzdem hier weiterzulesen. Sie dagegen sind Soziologe, Wirtschaftswissenschafter, Politikwissenschaftler und Volkskundler. Geben selbst an dem “dem gedruckten Wort verfallen” zu sein, nehmen sich aber raus, über uns Landwirte zu urteilen.
Wir werden als Sündenbock durch das Land getrieben, Mobbing in der Schule stehen an der Tagesordnung und ihrer Blogbeitrag und viele Medienbeträge journalistischer Kollegen gleichen Hetzkommentaren. Wir waren lange bereit zu diskutieren, aber leider erhalten wir überhaupt kein Gehör mehr. Als Landwirte denken wir schon längst in Generationen und nicht kurzfristig, uns ist es keinesfalls egal, was mit unserer Natur und Umwelt geschieht. Kein Berufsstand wird so stark reglementiert, wie wir, wie unsere Produktion aussehen soll, wie wir unsere Produkte erzeugen sollen etc. Wenn die Landwirtschaft ökologischer werden soll, dann aber bitte schön die gesamte Gesellschaft. Insekten und Vögel brauchen keine Kreuzzügler, wie sie so schön formulieren, sie brauchen aber auch keine Steingärten, in denen verwaiste Insektenhäuser hängen, sie brauchen keine Ausweitung der Industrie- und Wohnflächen, sie brauchen nicht noch mehr Flugverkehr und Lichtreklame in den Großstädten. Auch muss der Bevölkerung dann auch klar sein, dass eine ökologische Landwirtschaft in Deutschland den Selbstversorgungsgrad an Lebensmitteln lange nicht mehr decken wird. Dann muss der Verbraucher bereit sein, verschrumpelte Äpfel im Supermarkt zu kaufen und generell mit weniger zufrieden zu sein, denn die Ernte werden kleiner werden. Weniger Fleisch zu essen, wird gefordert, das bedeutet aber auch gleichzeitig weniger Tiere zu halten und somit weniger tierischen Dünger zu produzieren. Aber gerade eine ökologische Landwirtschaft braucht tierischen Dünger, um ihre Felder zu düngen. Denn nur mit dem zu tun des lieben Gottes, werden wir eine immer mehr fordernde Gesellschaft nicht satt bekommen. Wo kommen unsere Lebensmittel dann her? Ökologisch-biologisch produziert aus dem Ausland? Wir werden für viel Geld unsere Lebensmittel importieren müssen und nehmen den Ärmsten der Armen noch mehr weg. Außerdem gelten gerade in afrikanischen oder südamerikanischen Ländern nicht solch hohe Auflagen wie bei uns. Pflanzenschutzmittel, die bei uns auf dem Index landen, verschwinden nicht gänzlich vom Markt, sie dürfen in anderen Ländern oft noch jahrelang verwendet und eingesetzt werden. Vom Anwenderschutz und Kinderarbeit wollen wir hier gar nicht sprechen. Sie wollen in Deutschland wieder “bunte Wiesen” und “glückliche Kühe” sehen, aber davor was im Ausland passiert verschließen sie die Augen, insbesondere ein Großteil der Bevölkerung hat diese Mentalität momentan. Für mich ist das eine Augenwicherei. Mit dem SUV das Kind in die Ganztagsschule fahren und dann schnell bei Aldi vorbei, um Bioprodukte zu kaufen. Um das Gewissen zu beruhigen. Ist es Ihnen eigentlich bewußt, dass die Land- und Forstwirstschaft, der einzige Zweig der Volkswirtschaft ist, der CO2 bindet?
“Jedes Leben ist wertvoll” fordern sie, aber auch das Leben der Menschen in der Landwirtschaft ist wertvoll. Aber gerade sie werden an den Rand der Gesellschaft gerückt und ausgebuht. Momentan haben wir 98% Experten in der Gesellschaft, die uns 2% “dummer Bauern” sagen können, wie wir es besser machen. Ich bin gespannt, welche Branche als nächstes an den Pranger gestellt wird, wenn man irgendwann feststellt, dass sich trotz einer Ökologisierung der Landwirtschaft nicht ändert.
Gerne bin ich zu einer Diskussion mit Ihnen bereit und erwarte deshalb Ihre Antwort.
Hochachtungsvoll
Melanie Ebling
Sehr geehrte Frau Ebling,
vielen Dank für Ihren Kommentar. Leider teile ich Ihre Einschätzungen nicht.
Wenn ich Ihrer Denkweise folgen würde, dann hätten ich und meine Frau auch kein Buch über „Schottland“ schreiben dürfen, da wir beide keine Schotten sind. Jahrzehnte Erfahrung spielen bei Ihnen ja keine Rolle, denn einmal Landwirt immer Landwirt. Kein Historiker könnte dann über geschichtliche Themen schreiben …
Aber diese Scheinargumentation kenne ich seit Jahren: Manche Landwirte haben das Wissen gepachtet, und wehe eine andere Person schreibt über Agrarfragen. So entsteht natürlich kein echter Dialog, aber den möchte der Deutsche Bauernverband auch nicht. Und dies scheint auch auf Sie zuzutreffen. Leider! Zum Glück durfte ich auch zahlreiche andere Landwirte kennenlernen, die sich um ökologische Fragen wirklich kümmern.
Mir geht auch das Gejammer auf den Geist, die armen Bauern würden an den Pranger gestellt. Sie selbst stellen sich an den Pranger – und niemand sonst. Sie sprechen von „Hetzkommentaren“, und da würde ich schon darum bitten, dass Sie dies in einem meiner Blog-Beiträge belegen! Hätten Sie die Beiträge wirklich gelesen, dann würde Ihnen auch aufgefallen sein, dass sich meine Kritik nicht gegen einzelne Landwirte richtet, sondern gegen die Fehlorientierung durch die EU-Agrarpolitik. „Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU: Neuorientierung zwingend. Ökologie und Nachhaltigkeit drohen wieder zu kurz zu kommen“ – https://deutschland-geliebte-bananenrepublik.de/gemeinsame-agrarpolitik-gap-der-eu-neuorientierung-zwingend/
Sie schreiben: „Als Landwirte denken wir schon längst in Generationen und nicht kurzfristig, uns ist es keinesfalls egal, was mit unserer Natur und Umwelt geschieht.“ Das mag für Sie und Ihren Betrieb stimmen, das kann und will ich nicht beurteilen. Aber halten Sie die industrielle Massentierhaltung für normal und zukunftsorientiert? Ich nicht! Mehr dazu in: „Tiere sind Lebewesen. Für eine ökologische und tiergerechte EU-Agrarpolitik“ – https://deutschland-geliebte-bananenrepublik.de/tiere-sind-lebewesen/
„Wenn die Landwirtschaft ökologischer werden soll, dann aber bitte schön die gesamte Gesellschaft. Insekten und Vögel brauchen keine Kreuzzügler, wie sie so schön formulieren, sie brauchen aber auch keine Steingärten, in denen verwaiste Insektenhäuser hängen, sie brauchen keine Ausweitung der Industrie- und Wohnflächen, sie brauchen nicht noch mehr Flugverkehr und Lichtreklame in den Großstädten.“ Da kann ich zustimmen. Aber die Relation der Schottergärten, die ich kritisiert habe, sind doch von der Fläche her weit kleiner als die landwirtschaftlichen Areale. Daher kann sich auch die Landwirtschaft nicht um Reformen drücken. Alle Studien zum Insektenschwund nennen die Landwirtschaft als einen zentralen Faktor. „Die Insekten brauchen unsere Hilfe – und wir brauchen die Insekten. Artenschutz ist eine Aufgabe für uns alle“ – https://deutschland-geliebte-bananenrepublik.de/die-insekten-brauchen-unsere-hilfe-und-wir-brauchen-die-insekten/
Es droht auch keine Versorgungskrise, wenn die Landwirtschaft neu ausgerichtet wird, und es drohen dann auch keine „verschrumpelten“ Äpfel aus Übersee. In weiten Bereichen haben wir eine Überproduktion!
Ich kann Ihnen auch nicht folgen, wenn Sie schon einen Dünger-Notstand ausrufen, sollten in Deutschland weniger Tiere gehalten werden. Unser Problem ist doch ein Überschuss an Gülle, die als Nitrat unser Grundwasser gefährdet. „Die Gülleflut schwappt als Nitrat in unser Grundwasser – Industrielle Massentierhaltung verseucht die Ressource Wasser“ https://deutschland-geliebte-bananenrepublik.de/die-guelleflut-schwappt-als-nitrat-in-unser-grundwasser/
Bitte entschuldigen Sie, dass ich nicht all Ihre Punkte anspreche, aber Sie finden die Antworten in meinen Blog-Beiträgen.
Ich erlaube mir den Hinweis, dass die bäuerliche Landwirtschaft nur eine Chance in der Zukunft hat, wenn sie sich offen zeigt für Veränderungen. Das Wegdrücken von Kritik führt nicht weiter.
Mit besten Grüßen
Lothar Ulsamer
Zitat: “.. Wegdrücken von Kritik führt nicht weiter”, aber dann bitte vor der Kritik richtig recherchieren, sich mit dem Thema auseinandersetzen, und nicht nur aufgeschnappte, ungeprüfte Meinungen wiedergeben, Herr Ulsamer.
Nutzen Sie das intensive Fachwissen von Frau Ebling, tauschen Sie sich aus, seien Sie reflektiert und offen für’s dazulernen.
Ich lerne immer gerne dazu, aber ganz ehrlich: Wer grüne Kreuze aufstellt, der sucht doch keinen Dialog. Wenn die Landwirtschaft sich nicht neu orientiert, dann geht das Höfesterben weiter und Insekten verschwinden in noch größerem Maß. Und wer – wie Frau Ebling – meint, sachorientierte Kritik seien “Hetzkommentare”, der zeigt, dass ihm der Dialog nicht wirklich wichtig ist.
Für offene Gespräche bin ich immer zu haben, aber ich zweifle doch sehr, dass diese hier viel Sinn machen. Wer von “Hetzkommentaren” spricht, der verhindert die notwendige Diskussion.
Herr Dr.Ulsamer, in Deutschland besteht keine Überproduktion!
Ist der Verbraucher bereit, statt 8 bis 10 % seines Einkommens, 25% für Lebensmittel auszugeben ? Der Grossteil sicher nicht.
Schauen Sie mal bei den Discountern, Hokkaido aus Demeteranbau, 2._€/Stück,
Hokkaido aus Konventionellen Anbau, nicht aus Deutschland, 0,89 €/Stück. Was denken Sie wo der Grossteil der Verbraucher zugreift. Genauso bei Äpfel aus Übersee die nicht den Standard Deutschlands erfüllen.
Sehr geehrte Frau Läpple oder sehr geehrter Herr Läpple,
natürlich sehe auch ich zentrale Probleme in unserem Konsum. Ich bin aber der Meinung, dass bei einer kompletten Neuorientierung der EU-Agrarpolitik diese Gelder anders eingesetzt werden können. Damit ließen sich auch Preissteigerungen verringern. Selbstredend kann das jetzige flächenorientierte System nicht weiterlaufen! Es schadet aber auch den kleineren Betrieben. EU-Mittel dürfen nur noch für ökologische und nachhaltige Produktion eingesetzt werden. Der Bürger kann nicht über seine Steuern für den Agrarbereich bezahlen und dann als Konsument für ökologischere Produkte nochmals zur Kasse gebeten werden.
Das jetzige EU-Agrarsystem schadet den bäuerlichen Familienbetrieben – Höfesterben! – und der Natur. Daher setze ich auch auf einen Dialog mit den Landwirten und mehr Gespräche zwischen Naturschützern und der Landwirtschaft. Ich möchte sowohl die bäuerlichen Betriebe stärken als auch den Naturschutz fördern. Meine Kritik, dies möchte ich erneut unterstreichen, richtet sich nicht gegen Landwirte, sondern gegen das EU-Agrarsystem.
Zum Thema Überproduktion: Schweinefleisch geht in erheblichem Umfang nach China, Hühnerteile drücken wir über die EU in afrikanische Märkte und zerstören die lokale Produktion, der sinkende Milchpreis spricht auch für eine zu hohe Produktion usw. Generell ist eine Eigenversorgung in einem Binnenmarkt weder das Ziel noch sinnvoll möglich. Ich bevorzuge Äpfel aus deutschen Landen, doch ganz ehrlich: Sind die weniger häufiger gespritzt worden?
Mit besten Grüßen
Lothar Ulsamer
Melanie Ebling, vielen Dank für dieses tolle Statement. Sehr gut.
Sehr geehrter Herr Dr. Ulsamer,
Ich habe von einem Freund ihren Beitrag gesendet bekommen und mit Interesse gelesen.
Ich bin 42 Jahre und bewirtschafte einen 7 HA Betrieb im Münsterland. Viele denken wahrscheinlich jetzt, ach Gott 7 Ha!!!Hier ist die große Landwirtschaft zuhause. Wir sind auch der einzigste Betrieb in der Größe, auf dem Landwirtschaft betrieben wird. Seit 2016 haben wir den Betrieb auf ökologischen Landbau umgestellt.
Für uns als Familie war klar, das dies ein Weg ist, unseren Hof zu erhalten und in eine weitere Generation geben zu können. Unser Betrieb hat schon seit Jahren keinen Zusammenhalt der Landwirtschaft gespürt. Außer das ewige Fragen, ob wir nicht verpachten wollen, hat sich niemand für uns interessiert, da wir die kleinen sind ..Stimmt ja auch… aber so sind diese Betriebe auch behandelt worden und in den letzten 2 Jahrzehnten auch dazu beraten worden von Kammer und Co. den Betrieb zu verpachten, damit der Nachbarbetrieb weltmarktfähig wird…und wo sind wir jetzt? Grüne Kreuze?? Ich könnte Jetzt noch weiter ausholen, was aber den Ramen deutlich sprengen würde.
Da wir unser Einkommen nicht gänzlich aus 7 Ha bewirtschaften können, arbeite ich zudem für einen Hersteller von Hack- und Striegeltechnik.( mechanische Beikrautbekämpfung)
Hier ist erkennbar, dass sich der Bioanbau stetig aber nicht übermäßig ausbaut, aber auch im konventionellen Bereich die Nachfrage und das probieren von dieser Technik, um Pflanzenschutzmittel einzusparen, gefragt ist. Das zeigt auch dass große Technikhersteller zu ihren Spritzen auch diese mechanische Technik ins Programm aufgenommen haben, was vor 2- 3 Jahren noch undenkbar war. Hier erkennt man, wo die Technik sich hinbewegt und wie erstaunlich schnell hier von Landmaschinenherstellern gehandelt wurde.
Auch hier gibt es noch vieles mehr zu berichten, was ebenfalls den Rahmen sprengt.
Ich nehme von der Veränderung mit, dass es nicht darum geht, wer aktuell am meisten Wissen hat und viel redet, sonder wer am schnellsten handelt und sein Ding durchzieht. Das Leben besteht immer aus Wandel.
Sehr geehrter Herr Halsbenning,
mit Ihnen bin ich der Überzeugung, dass nur die Betriebe langfristig überleben werden, die den Wandel mitgestalten. Daher wünsche ich auch Ihnen, Ihrer Familie und Ihrem Betrieb alles Gute. Aus meiner Sicht ist die Umstellung auf Bioanbau ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung gewesen. Schade, dass wir nicht in Ihrer Nähe wohnen: Sie könnten mit uns als Käufer rechnen, gerade auch bei Ihren Bioeiern aus Freilandhaltung.
Wir brauchen eine ökologischere und nachhaltigere Landwirtschaft, und Sie leisten hierzu einen wichtigen Beitrag. Ich hoffe sehr, dass engagierte Landwirte und Verbraucher gemeinsam eine Neuorientierung der EU-Agrarpolitik erreichen können, die bisher dem Höfesterben Vorschub leistet. Viel zu lange hat die Agrarpolitik nur auf die Betriebe mit großen Flächen geschaut, doch dies ist falsch, denn es kommt gerade auch auf die Anbaumethoden und die Feldfrüchte an. Und bei der Tierhaltung sollte auch das Tierwohl im Mittelpunkt stehen.
Mit besten Grüßen und allen guten Wünschen
Ihr
Lothar Ulsamer
Ich schließe mich allen Ausführungen von Herrn Dr. Lothar Ulsamer an. Wenn Landwirte weiter mit Druck und Augen zu eine völlig fehlgeleitete EU Agrarpolitik stützen, werden sie verschwinden und eine neue Generation, hoffentlich nachhaltig wirtschaftenderen Betrieben wird durch den wachsenden öffentlichen Druck nachkommen.
Die Frage ist nur, wie lange der Prozess dauert und wie viele Schäden am Ökosystem bis dahin entstehen.
Der schlaue Landwirt richtet sich jetzt nach den Zeichen der Zeit. Er verbündet sich mit denen, die bereits jetzt doppelt zahlen für Qualität und Artenschutz anstelle auf die Taubstummen und blinden Konsumenten von Billigwaren zu stieren und zu behaupten, dass kein Wandel möglich sei.
Sehr geehrter Herr Seifert,
Vielen Dank für Ihre freundliche Rückmeldung.
Ja, wir Verbraucher, die bereit sind für Qualität und Ökologie zu bezahlen, müssen uns mit den engagierten Landwirten zusammentun, die Natur und Tierwohl im Blick haben. Gemeinsam sollte es uns auch gelingen, die Agrarpolitik in der EU und in Deutschland zu einer Neuorientierung zu bewegen. Es ist aus meiner Sicht katastrophal, dass die EU-Agrarsubventionen zugleich die Natur und die kleineren bäuerlichen Betriebe zerstören.
Mit besten Grüßen
Lothar Ulsamer