„Manillas“ aus Kupfer als „Sklavenwährung“
Aus dem Greenfield Valley in Nordwales wurden nicht nur große, flache Pfannen aus Kupfer zum Salzsieden nach Afrika geliefert, sondern auch Haushaltsgegenstände aus Messing oder allerlei Tauschartikel für den Sklavenhandel, wie z.B. „Manillas“ (nicht ganz geschlossene Armreife). Wer heute in diese Region kommt, der findet eindrucksvolle Überbleibsel einer frühindustriellen Erfolgsgeschichte. Holywell und das Greenfield Valley sind somit historische Orte, die einen Besuch wert sind. Im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert waren Swansea (in Südwales) und Holywell Synonyme für die Metallverarbeitung und aufs Engste verbunden mit der Halbinsel Anglesey: Die Minen am Parys Mountain, über die ich bereits berichtet habe, lieferten einen Grundstoff, der vielfältig einsetzbar war: Kupfer.
Schon vor 4 000 Jahren gruben unsere Vorfahren in der Bronzezeit am Parys Mountain nach Kupfererz, doch die Hochzeit des Abbaus begann im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts. So kam der kleinen Gemeinde Amlwch um 1800 mit einer Einwohnerzahl von 10 000 in Wales eine Bedeutung zu, die sich heute – wie auch in Holywell – nicht mehr erkennen lässt. Thomas Williams, ein Anwalt und Unternehmer, verband seine geschäftlichen Interessen im Bereich der Kupferminen am Parys Mountain mit Hüttenbetrieben in Swansea und Lancashire sowie Metallwalzwerken im Greenfiled Valley, Flintshire, oder auch im südlichen England. In Flintshire wurde dazuhin die benötigte Kohle gewonnen, aber auch Bleierz gefördert.
Große Nachfrage befeuert Kupferproduktion
Als um 1750 in Holywell die Kupferverarbeitung aufgebaut wurde, profitierte sie von der großen Nachfrage bei Armee und Flotte. Ausgehend von der Erzförderung bei Amlwch und z.B. den Schmelzöfen in Swansea, die Kupferbarren gossen, entwickelte sich auch durch die Impulse von Thomas Williams im Greenfield Valley bei Holywell eine verarbeitende Industrie, die höhere Gewinne ermöglichte. Im Greenfield Valley hatten sich dank der vorhandenen Wasserkraft bereits andere Betriebe, z.B. für die Baumwollverarbeitung angesiedelt.
Hergestellt wurden in den Walzwerken u.a. Kupferplatten, die die hölzernen Schiffe vor den zerstörerischen Schiffswürmern und vor dem Besatz mit Seepocken oder Entenmuscheln schützen sollten. Aber auch im Innern der Segelschiffe jener Zeit kam Kupfer eine wichtige Bedeutung zu: So wurden bei der Restaurierung des ältesten noch seetüchtigen Kriegsschiffs der Welt, der US-Fregatte „Constitution“ jüngst Bolzen aus Kupfer entdeckt, die durch die eingeschlagene Bezeichnung eindeutig der „Parys Mine Company“ im Greenfield Valley, Holywell, zugerechnet werden können. Diese Bolzen wurden in den 1797 vom Stapel gelaufenen Dreimaster „Constitution“ in der Kielstruktur eingebaut. Ein solcher Kupferbolzen bringt es immerhin auf die respektable Länge von über 130 Zentimetern.
Auch die erwähnten Kupferplatten für die „Constitution“ und ihre Schwesterschiffe wurden damals im Vereinigten Königreich beschafft, da die aufkommende US-Industrie solche Produkte noch nicht walzen konnte.
Perverser Kreislauf: Kupfer – Sklaven – Baumwolle
Bis zu 40 Schiffe transportierten im Umlauf Kupfererz vom kleinen Hafen in Amlwch nach Swansea oder zum Greenfield Dock bei Flint. Dort entwickelten sich aus einem kleinen natürlichen Hafen die Greenfield Docks mit zwei Kais zu einem wichtigen Umschlagplatz. Das Kupfer wurde zur Weiterverarbeitung zu den Parys Mills transportiert, und die produzierten Waren fanden ihre Abnehmer in Großbritannien, anderen europäischen Staaten, aber auch auf den Schiffen der Sklavenhändler, die in Liverpool nach Westafrika in See stachen. Deren Schiffe wurden zunehmend gegen den in tropischen Gewässern auftretenden Schiffswurm mit den erwähnten Kupferplatten geschützt. Nicht nur diese, sondern auch die benötigten Befestigungsbolzen aus Kupfer kamen aus dem Greenfield Valley. Williams hatte sich die Befestigungsbolzen patentieren lassen, und somit war jeder Schiffseigner, der diese moderne Technik einsetzen wollte, gezwungenermaßen sein Kunde.
Die bereits erwähnten „Manillas“ aus dem Greenfield Valley dienten als eine Art Währung beim Kauf von Sklaven in Afrika. Die Händler tauschten die Sklaven dann gegen Baumwollballen in Amerika ein. Diese Baumwolle – wiederum von Liverpool per Schiff zu den Greenfield Docks transportiert – wurde anschließend im Greenfield Valley in Spinnereien verarbeitet.
Ein infamer Kreislauf, der einige der Kupfer- und Baumwollbarone zu reichen Männern machte – bis der Sklavenhandel 1807 vom britischen Parlament verboten wurde. Ein Verbot der Sklaverei als solcher folgte 1834.
Kupferkönig von Wales
Kupfer- und Messingprodukten kam in jenen Zeiten eine Bedeutung zu, die man heute kaum noch in unseren modernen Haushalten nachvollziehen kann. Produktionsstätten für Zink, das in einer Legierung mit Kupfer zu Messing wird, gab es in jenen Tagen auch in Cornwall.
Wales entwickelte sich zum Zentrum der Kupferproduktion und machte Williams zum „Kupferkönig“ seiner Zeit. So stammten am Beginn des 19. Jahrhunderts über 50 % des in der Welt erzeugten Kupfers aus Wales, das zu einem Vorreiter der Industrialisierung wurde. Kanäle und Eisenbahnlinien wurden zu den Transportadern des neuen Zeitalters.
Nach Australien, in die USA und nach Chile wanderten im Laufe der Jahre nicht nur viele Waliser aus, sondern mit ihnen auch technisches Wissen aus der Kupferverarbeitung. Gerade die emigrierten Waliser wurden in vielfältiger Weise in ihrem erlernten Gewerbe tätig und schufen dank der viel größeren Kupfervorkommen in den neuen Heimatländern eine harte Konkurrenz für die angestammten Betriebe in Wales.
Niedergang statt Neuorientierung
Der Niedergang der Förderung und Verarbeitung von Kupfer in Wales war somit vorgezeichnet, und damit wurde die Kupferproduktion vom Mitinitiator der industriellen Revolution zum musealen Gegenstand. Unerklärlich ist es für mich, warum sich aus den innovativen Ansätzen kaum Nachfolgeindustrien entwickeln konnten. Die technischen Fähigkeiten der Arbeiter und Unternehmer hätten eigentlich eine gute Grundlage für Maschinenbau oder Feinwerktechnik bieten können.
Vielleicht hat man aber im 19. und 20. Jahrhundert auch zu lange der Industrie der frühen Jahre nachgeweint, statt sich neuen Aufgabenfeldern zu widmen. Manche Parallelen lassen sich – wenn auch zeitversetzt – zum Ruhrgebiet ziehen: Im Ruhrgebiet mangelte es wie in Wales nicht an materieller Förderung für den Aufbau neuer Technologien und Industrien, doch es fehlte das unternehmerische Engagement, Neues anzupacken. Museen sind natürlich wichtig, aber sie ersetzen nicht den ständigen Willen zur Veränderung.
Highly descriptive post, I enjoyed that bit. Will there
be a part 2?
Many thanks for your friendly reply. At the moment we haven’t planned a second part. But there is another post which may be of interest for you concerning industrial history in Wales. https://deutschland-geliebte-bananenrepublik.de/parys-mountain-einst-groesste-kupfermine-der-welt/