Union und SPD schaufelten sich ihr eigenes Polit-Grab
Vor einigen Monaten hätte sicherlich niemand mit einem solchen Absturz der CSU gerechnet, doch Wankelmütigkeit gemischt mit Großspurigkeit hat noch nie zum Wahlsieg geführt. So glaube ich auch nicht, dass die eine oder andere überzogene Aussage der CSU-Spitzen zur Migrationsfrage die Wählerinnen abgehalten hat, das Kreuzchen bei der CSU zu machen. Den Bürgerinnen und Bürgern fiel dann allerdings sehr schnell auf, dass z.B. den Forderungen von Horst Seehofer keine echten politischen Veränderungen folgten. Wenn man es als Regierungspartei auf einen Streit anlegt, dann muss man auch auf Sieg setzen. Doch bei der CSU war das Gegenteil der Fall: Getöse und Gebruddel ersetzt keine klare Strategie und konsequentes Handeln. Da haben es die Grünen bei ihrem kometenhaften Aufstieg natürlich leichter: Wenn man weder im Bund noch in Bayern in der Regierung sitzt, dann kann man sich sein Wolkenkuckucksheim ganz nach Belieben einrichten. Und die SPD – jetzt in Bayern auf Platz fünf – wankt weiterhin auf den Abgrund der Bedeutungslosigkeit zu.
Die CSU ohne festen Anker
Nehmen wir das Beispiel „Ankerzentren“. Bei aller Skepsis, die mich gleich beschlich, als der Horst aus Bayern mit den „Transitzentren“ ums Eck kam, hatte ich doch die kleine Hoffnung, dass er den Anstoß für eine inhaltliche Diskussion geben würde. Allerdings war der Große Umfaller Horst der Machtmatrone Angela Merkel nicht gewachsen, und den Rest gab ihm und der Diskussion dann „Pipi“-Andrea Nahles. Doch unverdrossen verkündete der Bayer: “Das ist alles von A bis Z so, wie man sich das als zuständiger Minister wünscht.” Für wie bekloppt hält Seehofer eigentlich die Wählerinnen und Wähler? Er hat nichts erreicht, noch nicht einmal die so wichtige Debatte über die Flüchtlingspolitik wirklich in Gang gebracht. Dann auch noch mit Rücktritt gedroht, sich am nächsten Tag wieder als Sieger gefühlt. Das Ganze erinnert mich an ‚Des Kaisers neue Kleider‘, denn die Bürgerinnen und Bürger sehen, dass alles beim Alten geblieben ist, und sich das Dreigestirn Angela Merkel – Horst Seehofer – Andrea Nahles im Evas- und Adamskostüm ganz wohl zu fühlen scheint. Den (Miss-) Erfolg sehen wir nicht nur bei der Wahl in Bayern, sondern auch bei der Sonntagsfrage für die ganze Republik: Union und SPD schmieren immer weiter ab. Und die Spitzen von CDU, CSU und SPD schauen hilflos zu.
In ganz besonders drastischer Weise hat das Geschacher um Hans-Georg Maaßen die Distanz zum Bürger gezeigt. Wie konnten denn allen Ernstes die Parteivorsitzenden von CSU und SPD glauben, dass sie Volkes Wille erfüllen, wenn sie den in Verruf geratenen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen auf Wunsch des CSU-Parteivorsitzenden zum – besser besoldeten – Staatssekretär im Bundesinnenministerium machen? Darf es wahr sein, dass Angela Merkel, Andrea Nahles und Horst Seehofer erst durch den Aufschrei der Bürgerschaft und der Medien erkannten, dass sie sich verrannt hatten? Wie weit abgehoben sind denn Teile der Politikerkaste in unserem Land? Kleinlaute Entschuldigungen und ein ungeordneter Rückzug konnten den Schaden nicht wiedergutmachen, den die drei ‚erfahrenen‘ PolitikerInnen angerichtet hatten. Eigentlich waren am Schluss alle verprellt, die, die Maaßen loswerden wollten und die, die ihn für untadelig hielten.
Bauerntheater statt klarer Konzepte
Horst Seehofer verspielte weitere Glaubwürdigkeit, als er beständig von irgendwelchen Übereinkünften zur Rücknahme von Migranten berichtete, die bereits in einem anderen EU-Land einen Asylantrag gestellt haben. Erstens handelt es sich um relativ wenige Personen und zweitens beginnt dann im Regelfall erst der ‚Tauschhandel‘: Für einen von Italien zurückgenommenen Asylbewerber übernimmt Deutschland als Ausgleich einen anderen Flüchtling. Die deutschen Bürger werden mit diesen kosmetischen Veränderungen an der Flüchtlingspolitik nur an der Nase herumgeführt, und dies ist sicherlich auch vielen Wählerinnen und Wählern in Bayern aufgefallen. Dafür haben sie der CSU und der SPD nun die Quittung verpasst. Außerdem sollte man nicht vergessen, dass es sich um Menschen und nicht um ‚Fälle‘ handelt. Aber auch bei diesem Thema haben es die Grünen natürlich leichter: Da werden weiterhin offene Grenzen hochgehalten, ohne zu sagen, wie wir denn die nächsten Millionen von Wirtschafts- oder Klimaflüchtlingen behandeln wollen.
Viele PolitikerInnen haben es sich bequem gemacht, schauen mehr auf den eigenen Machterhalt als auf die Umsetzung von sachgerechten Konzepten. Letztendlich verlieren sie auch immer mehr den unmittelbaren Kontakt zum Denken und den Wünschen der Menschen. Immer häufiger wird das Fähnchen so ausgerichtet, dass es schön im Meinungswind flattert. Bundeskanzlerin Angela Merkel drückte den Aus-Knopf bei den Kernkraftwerken, obwohl sie sich kurz zuvor noch ganz anders geäußert hatte. Die Abschaffung der Wehrpflicht oder die Ehe für alle zog sie durch, und die CSU stolperte maulend hinter ihr her. Bei der Grenzöffnung durch Merkel im Jahr 2015 – und dieser kam der Aushebelung des Dublin-Abkommens gleich – schimpfte die CSU lauthals über die ungeregelte Flüchtlingswelle und warf der Unions-Kanzlerin Verfassungsbruch vor, doch sie trat weder aus der Regierung aus noch setzte sie Änderungen der Flüchtlingspolitik durch. Wie kann man eigentlich in Unions-Kreisen annehmen, dass die eigne Wählerschaft diesen Zick-Zack-Kurs mitgehen möchte?
Die alten Volksparteien im Abwind
Manchmal frage ich mich schon, warum die früheren Volksparteien immer über Populisten schimpfen, denn CDU, CSU und SPD leben doch auch immer weniger ihre grundlegenden Parteiwerte in der täglichen Realität. Stattdessen wird dem Volk nach dem Maul geredet, doch kaum haben sich Bürgerinnen und Bürger wieder ihrer Tagesarbeit zugewandt, da sind die freundlichen Zusagen gleich wieder vergessen. Populisten sind für mich nicht nur die Parteien, die die demokratische Gesellschaft attackieren und einem selbst entwickelten ‚Volkswillen‘ huldigen, sondern auch die, die ohne klare Wertebasis uns allen vorgaukeln, sie würden sich für unsere Anliegen einsetzen.
Natürlich hat es auch die CSU in Bayern heute schwerer als z.B. in der Wahlperiode 1974/78 als sie über 60 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte. Damals kamen auch nur die SPD mit über 30 % und die FDP mit gut 5 % in den bayerischen Landtag. 2018 ist die Lage wirklich anders: Sechs Parteien übersprangen nun die 5-Prozent-Hürde. Dennoch ist es ein Trauerspiel, wenn die CSU sich mit gut 37 % begnügen musste und die SPD die 10-Prozent-Hürde riss. Der Höhenflug der Grünen setzte sich mit 17,5 % fort. Und es zeigt sich wieder einmal, dass die Grünen – siehe Baden-Württemberg – nicht unterschätzt werden dürfen. Zum Vorteil gereicht es Bündnis 90/ Die Grünen aber auch, dass sie im Bund nicht in Regierungsverantwortung stehen und sie daher auch den Unmut vieler Bürgerinnen und Bürger nicht frontal abbekommen. Mit Redensarten wie „Herz statt Hetze“ – so die Spitzenkandidatin der Grünen Katharina Schulze am Wahlabend im ZDF – bekomme ich einen leichten Schauer auf den Rücken: Schlagworte ersetzen keine sachorientierte Politik.
Zwischen Holzhammer und Feingefühl
Auffällig ist es für mich, der ich ja in Baden-Württemberg wohne, dass die CSU sehr stark auf bundespolitische Themen – und damit Konflikte – Bezug genommen hat. Sicherlich wäre sie besser gefahren, hätte sie die überaus positive wirtschaftliche und technologische Entwicklung ins Blickfeld gerückt. Bayern ist neben Baden-Württemberg und zum Teil Hessen das wirtschaftliche Zugpferd in Deutschland. Und ohne den Erfolg Bayerns würde auch der Länderfinanzausgleich mager ausfallen, der so manches Nehmerland am Leben hält. Selbst bei Natur- und Umweltschutz schneidet Bayern nicht schlecht ab, zumindest nicht schlechter als das vom grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann geführte Nachbarland Baden-Württemberg. Wer Erfolge gemeinsam mit der Bürgerschaft einfährt, der sollte den Erfolg auch loben und nicht ständig nur durch konfliktbeladene Sümpfe stapfen.
War schon der Übergang von Horst Seehofer auf Markus Söder im Amt des Ministerpräsidenten ein bajuwarisches Drama, so waren auch die Kursänderungen des neuen Chefs in der Staatskanzlei nicht zielführend: Mal zog Söder den Holzhammer heraus, um der AfD WählerInnen abzujagen, dann versuchte er es wieder mit Feingefühl. Die Wählerschaft erwartet aber kein Kneipp-Bad, sondern eine klare Linie. Dennoch ist – aus meiner Sicht – der Grundsatz von Franz-Josef Strauß auch heute noch ein wichtiges Ziel „Es darf rechts von der CSU keine demokratisch legitimierte Gruppierung von politischer Relevanz geben.“ Wer ein Ausfransen der Demokratie an den Rändern verhindern möchte, der sollte sich mit einer klaren Politik dafür einsetzen, dass weder rechts noch links Parteien sich festsetzen, die durch Wählerstimmen legitimiert sind, aber wenig zur Fortentwicklung unseres demokratischen Rechtsstaats beitragen. Dass die AfD beim ersten Anlauf in Bayern ‚nur‘ gut 10 % erreichte, halte ich durchaus auch für einen Erfolg der anderen Parteien, denn bei den Landtagswahlen in Sachsen im kommenden Jahr drohen ganz andere Ergebnisse. Und zumindest die Bayern zeigen der Linken auch weiterhin die kalte Schulter.
Bundespolitik: Versengt oder verleiht Flügel
Nicht nur die CSU tut sich immer häufiger schwer mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und lud sich zum Wahlkampffinale lieber den österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz ein. Auch die bayerische SPD-Spitzenkandidatin Natascha Kohnen hat ihre liebe Not mit ihrer Bundesvorsitzenden Andrea Nahles – und sie machte dies nach dem Maaßen-Fiasko auch öffentlich deutlich. Zum Erfolg des Spitzenduos Katharina Schulze und Ludwig Hartmann trug auch eine nicht immer anzutreffende Geschlossenheit bei Bündnis90/Die Grünen bei. Nicht nur das Spitzenpersonal in Bayern, sondern auch Annalena Baerbock und Robert Habeck lassen sich gut verkaufen. Und sie haben den Vorteil, dass sie sich nicht an der täglichen Regierungspolitik messen lassen müssen. Wer abseits steht, der hat es beim Wählerfang leichter. Und dann kann man sich wie Katharina Schulze auch um die Antwort auf die Frage der Abschiebung von abgelehnten oder kriminellen Flüchtlingen nach Afghanistan drücken. Oder Ludwig Hartmann kann wortreich gegen den Flächenfraß kämpfen, ohne sagen zu müssen, wo denn die Wohnungen für Migranten gebaut werden und wo neue Gewerbeflächen im prosperierenden Freistaat entstehen sollen.
Die Freien Wähler, die im Rest der Republik eher die kommunale und regionale Ebene bevölkern, haben in Bayern seit 2008 auch im Landtag Fuß gefasst. Und dies verdanken die Freien Wähler nicht zuletzt ihrem Vorsitzenden Hubert Aiwanger. Er ist nicht nur Landwirt, sondern verkörpert mit seinem Dialekt auch die Verwurzelung im ländlichen Raum. Und dies macht ihn für die CSU gefährlich. Andererseits könnte er auch der Helfer in der Not sein, der der CSU das Ministerpräsidentenamt sichert. Der Ausgangspunkt ist mit 11,5 Prozent bei der Landtagswahl nicht schlecht. Sollte eine größere Mehrheit angestrebt werden, dann stünde vielleicht noch die FDP mit 5,1 % als dritter Koalitionär zur Verfügung. Selbst eine Zweierbeziehung ist für die CSU zwar nur schwer zu ertragen, da man doch gerne wieder nur mit sich selbst gerungen hätte. Aber mit den Grünen würde es auf jeden Fall nicht leichter, und die Zwangsehe von Union und SPD im Bund macht sicherlich auch keine Lust auf eine solche Verbindung.
Die Bundespolitik hat die SPD, aber auch die Union, gewaltig heruntergezogen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich längst für Landespolitiker zu einer Belastung entwickelt – und dies nicht nur für die Unionisten, sondern auch für die Sozialdemokraten.
Aufbruch statt Abbruch
Nach der Wahl ist vor der Wahl. Dies trifft auf die Landtagswahlen in Bayern zu, denn in bereits zwei Wochen gehen die WählerInnen in Hessen an die Urne. Auch in Bayern hat es sich wieder gezeigt, dass die alten Volksparteien – wie CSU und SPD – europaweit unter Druck stehen. Die sozialen Milieus und damit verbundene Präferenzen für Parteien lösen sich immer mehr auf. In Bayern hat sicherlich auch der von Edmund Stoiber erwähnte Zuzug von einer Million Deutschen aus anderen Bundesländern zu Veränderungen im Wahlverhalten geführt. Innerparteiliche Streitereien haben allerdings noch nie zu einem besseren Wahlergebnis beigetragen, dies sollten auch die CSU-Vorreiter wissen.
Der heftige Gegenwind aus Berlin hat die CSU und die SPD ausgebremst. Gleichzeitig hatten die Grünen Aufwind, da sie im Bundestag als Opposition auf Distanz zur Politik der Bundeskanzlerin gehen konnten. Mehr als störend empfinde ich es allerdings, dass Robert Habeck über Twitter in Text und Ton meinte: „Endlich gibt es wieder Demokratie in Bayern. Alleinherrschaft wird beendet. Demokratie atmet wieder auf.“ Zwar gab es anschließend eine lauwarme Entschuldigung, doch solche Tweets erinnern mich doch eher an Donald Trump. Und Katharina Schulze betonte, dass man dieses gute Ergebnis der Grünen erreicht habe, da man sich nicht „ständig in Hass und Hetze ergießt“. Diese Äußerung machte sie im Bayerischen Rundfunk, somit war das bereits erwähnte Zitat kein Einzelfall. Aus meiner Sicht deutlich zu wenig für eine zukunftsorientierte Politik. Auch das Gerede vieler grünen Aktivisten, die sich als Pro-Europäer im Kampf gegen die antieuropäische CSU sehen, geht mir echt auf den Geist. Wo haben sich denn die Grünen bisher für ein zukunftsorientiertes Europa mit sachgerechten Vorschlägen hervorgetan? Reden ist das eine und politisches Handeln das andere.
Bayern hat eine ausgezeichnete wirtschaftliche Grundlage und auch viel in Sachen Infrastruktur getan. Und dabei auch die Ökologie nicht vergessen. So sieht sich z.B. Christian Eichert – in einem Interview der Stuttgarter Zeitung – als Geschäftsführer von Bioland Baden-Württemberg von den Grünen „im Stich gelassen“. Und dies in einem Bundesland, bei dem der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann das Zepter in der Hand hält. „Wir verweisen immer gerne auf Bayern, wo die Landesregierung aus ihrem Konservativismus heraus Bio als etwas Zukunftsfähiges erkannt hat und womöglich auch als einzige Chance, die klein strukturierte Landwirtschaft zu erhalten.“ Die CSU hätte hier aus den eigenen Leistungen Profit ziehen müssen. Die recht einseitige Konzentration auf das Thema Migration hat sich auf jeden Fall nicht ausgezahlt.
Die Bürgerinnen und Bürger erwarten nicht nur in Bayern, sondern in der ganzen Republik klare Antworten auf die Fragen unserer Tage: Es macht keinen Sinn über Diesel oder Migration zu palavern, sondern wir erwarten eine sachorientierte und wertebezogene Politik. Das Wischi-waschi von Angela Merkel in Berlin oder das Seehofer-Söder-Duell bringt uns nicht voran. Aber mit „Herz statt Hetze“ à la Katharina Schulze können wir die Zukunft auch nicht meistern. Aufbruch statt Abbruch ist gefragt: In München, in Berlin, überall in unserer Republik.
Die Mehrheit der CSU-Wähler wünscht sich eine Koalition – wenn schon notwendig – mit den Freien Wählern und notfalls auch noch mit der FDP. Die Grünen haben damit einen traumhaften Zuwachs, aber in der Regierung werden sie wohl keinen Platz finden.
6 Antworten auf „Historisches CSU-Desaster: Großspurigkeit kam in Bayern vor dem Fal“