SPD und CDU – Bundesspitze kein Wahlkampfhit
Wieder ist eine Landtagswahl vorbei, und CDU und SPD wurden gerupft. Allerdings hielt sich der Rückgang bei den Sozialdemokraten dank ihres Spitzenkandidaten Peter Tschentscher im Rahmen, die CDU stürzte dagegen unter Marcus Weinberg mit 11,2 % auf ein historisches Tief ab. Die Grünen frohlockten, obwohl Katharina Fegebank den angestrebten Posten des Ersten Bürgermeisters der Stadt Hamburg deutlich verfehlte. CDU und SPD verband in diesem Wahlkampf für die Bürgerschaft, dass mit ihren Spitzenkräften im Bund kein Staat zu machen war. Annegret Kramp-Karrenbauer konnte als Noch-CDU-Vorsitzende ihrer Partei in Hamburg keinerlei positive Impulse vermitteln, ganz im Gegenteil. Und der bisherige und auch zukünftige Erste Bürgermeister Peter Tschentscher hatte vorsichtshalber das neue SPD-Führungsduo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans von seiner Stadt ferngehalten. Das war sicherlich besser so. Hamburg zeigte, in welch verkehrten Parteiwelten wir leben. Das Führungspersonal im Bund wird als Belastung empfunden statt als Bereicherung.
CDU und SPD: Bundesvorsitzende nicht vorzeigbar
In Hamburg hat die SPD seit Jahrzehnten eine starke Stellung, doch Ole von Beust bewies 2004, dass die CDU mit 47,2 % in der Hansestadt auch siegen kann. Heute steht sie bei weniger als einem Viertel der Stimmanteile. Dies ist sicherlich nicht Marcus Weinberg vorzuwerfen, der sich emsig bemühte, den Schiffbruch seiner Partei zu verhindern, aber der Sturm aus Berlin und Thüringen trieb das CDU-Schiff auf die Klippen. Das komplette Führungsversagen von Annegret Kramp-Karrenbauer, die heillos überfordert ist, ihre Partei zusammen zu halten, kulminierte in Thüringen, wo die Landes-CDU zwischen gemeinsamen Aktivitäten mit der AfD oder wahlweise der Linken hin und her schlingert. Ordnungsrufe von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Parteivorsitzender Annegret Kramp-Karrenbauer und Generalsekretär Paul Ziemiak brachten keine Beruhigung, sondern wurden in Thüringen zum Teil als Wiederkehr der DDR-Methoden gedeutet: damals sagte auch die Parteiführung in Ost-Berlin, wo‘s langgeht. In einer solch trostlosen Gesamtlage ist es kein Wunder, dass die CDU in den politischen Untergang taumelte.
Die SPD hatte es besser erwischt, denn nach dem Abgang von Andrea Nahles hatte Deutschlands älteste Partei zwei neue Vorturner auserkoren, und dabei den früheren Ersten Bürgermeister Hamburgs und heutigen Bundesfinanzminister Olaf Scholz innerparteilich versenkt. Peter Tschentscher verzichtete aber ganz bewusst auf Wahlkampfauftritte des SPD-Führungsduos und bewies damit den richtigen Riecher. Weder die auf Sozialismus getrimmte Saskia Esken noch der frühere nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans, der das ‚Kunststück‘ fertigbrachte, drei Haushalte vorzulegen, die dann vom Verfassungsgerichtshof wegen zu hoher Verschuldung als verfassungswidrig kassiert wurden, hätten in Hamburg wohl Pluspunkte gebracht. So hat die SPD zwar eine Führungsspitze, die dem SPD-Spitzenkandidaten in Hamburg aber als nicht vorzeigbar erschien.
Bei den Grünen ging die Saat auf
Da taten sich die Grünen unter Katharina Fegebank leichter, denn Annalena Baerbock und Robert Habeck eilten nach Hamburg und brachten etwas Licht von ihrem derzeitigen ‚Heiligenschein‘ mit in die Stadt an der Elbe. Und ganz passend lief auch Greta Thunberg zu einer Demo ein! Was will man mehr? Es hat zwar nicht gereicht, um den Sessel des Ersten Bürgermeisters zu erobern, aber eine Verdopplung des Stimmanteils ist nun wirklich auch ein gelungener Coup. Es hat politisch schon Vorteile, wenn man sich nicht für die politische Hängepartie der ‚Großen Koalition‘ in Berlin schelten lassen muss. Wenn Bündnis90/Die Grünen mal wieder in der Bundesregierung sitzen, dann wird es sich zeigen, ob die politische Strahlkraft anhält. Da die einstigen Volksparteien CDU und SPD schwächeln, suchen viele WählerInnen eine neue Heimat und wandern zu einem Gutteil zu den Grünen ab. Die Schwäche der einen ist die Stärke der anderen. Die Wählerwanderungen in Hamburg zeigen dies mehr als deutlich.
Die Linke verzeichnete einen leichten Zuwachs, und dies belegt, dass Hamburg eben nicht nur die Stadt wohlhabender Hanseaten ist. Rund die Hälfte aller Haushalte hat Anspruch auf eine Sozialwohnung. Und wenn wir auf den ausgelaufenen Länderfinanzausgleich alter Prägung schauen, dann zeigt sich auch, dass Hamburg hier nicht gerade als durchgängiger Nettozahler hervorgetreten ist. Es ist eben das eine, einen Prunkbau wie die Elbphilharmonie hinzustellen, das andere wirtschaftlich und sozial erfolgreich unterwegs zu sein.
FDP ging über Bord
Allerdings hat der Zulauf zur AfD in Hamburg abgenommen, dennoch schaffte sie mit 5,3 % den Wiedereinzug in die Bürgerschaft. Bei einer Nachwahlbefragung hielten nur fünf Prozent der Hamburger die Migrationsfrage für wichtig, und damit war das Stimmenpotential begrenzt. Rechtsextreme Äußerungen im Stile eines Björn Höcke aus Thüringen trieben sicherlich auch viele Wähler in die Flucht. Die FDP stolperte am Wahltag ebenfalls über die Vorgänge in Thüringen, die einen Kurzzeit-Ministerpräsidenten der FDP hervorbrachten, der mit Stimmen von AfD und CDU ins Amt kam – und alsbald das Handtuch warf. Christian Lindner, der Bundesvorsitzende der Liberalen, machte dabei keine gute Figur. So gelang es nur Anna von Treuenfels, der FDP-Spitzenkandidaten, einen Sitz direkt über ihren Wahlkreis zu erringen, die FDP scheiterte an der Fünf-Prozent-Hürde und ging über Bord.
Die Hamburger hatten bei der Auszählung Probleme, was nicht sonderlich überrascht, denn das Wahlsystem ist ziemlich kompliziert. Mich wundert allerdings, warum ein Stadtstaat mit gerade mal 1,8 Mio. Einwohnern eine Bürgerschaft mit 123 Abgeordneten braucht! Wir lassen uns den Föderalismus einiges kosten. Baden-Württemberg kommt bei 11 Mio. Einwohnern mit 143 Parlamentariern im Landtag aus. Unsere Kleinstaaterei sollten wir wirklich mal überdenken! Eine föderale Ordnung liegt mir sehr am Herzen, aber ich könnte mir durchaus eine Reduzierung der Bundesländer zu Gunsten etwas größerer Einheiten vorstellen.
SPD und CDU bundesweit in stürmischer See
Peter Tschentscher bewies in Hamburg Machtinstinkt und punktete auch bei grünen Themen. Bündnis90/Die Grünen schafften zwar nicht den Wechsel an der Spitze, doch sie ließen die CDU weit hinter sich, die zumindest in Hamburg den Status einer Volkspartei verloren hat. Trotz des Erfolgs der Sozialdemokraten müssen sie sich – genauso wie die Christdemokraten – fragen, wie es im Bund weitergehen soll. Die SPD hat dort zwar ein neues Führungsduo inthronisiert, doch zweifle ich sehr an deren Durchschlagskraft. Die CDU ist erst dabei, sich eine neue Führung zu geben, und ich kann auch im staatspolitischen Interesse nur hoffen, dass sie ein besseres Händchen bei der Auswahl des Zugpferds hat.
Die Hamburger Ergebnisse dürfen nicht vorschnell auf den Bund übertragen werden, wobei eines klar ist: die einstigen großen Volksparteien CDU und SPD haben noch viel zu tun, wenn sie in stürmischer See nicht endgültig ein Fall für die Seenotrettung werden wollen. Die Welt der Parteien ist im Umbruch – wie auch fortlaufend unsere gesamte Gesellschaft -, doch solche Probleme mit ihrem Führungspersonal wie derzeit bei CDU und SPD gab es bisher kaum. CDU und SPD waren wichtige Stabilisatoren für die Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland, und sie sollten sich endlich selbst am Schopfe aus dem Sumpf ziehen! Ich habe den Eindruck, dass den Grünen ansonsten ein wichtiger Widerpart fehlt. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass in Hamburg Linke und AfD zusammen bei rd. 15 % liegen, und nicht wie in Thüringen bei über der Hälfte der abgegebenen Stimmen! Dies ist allemal ein tröstlicher Schluss.