Haben die Wasserfrösche bald ausgequakt?

Mehr Tümpel braucht’s im Land der Frösche

Amphibien haben es nicht leicht in Deutschland, denn ihr Lebensraum wird weiterhin und anwachsend bedroht. Da nutzen politische Absichtserklärungen wie eine Moorschutzstrategie oder das neue EU-Gesetz zur Renaturierung erstmal wenig. Seit Jahrzehnten wird die Zahl der Tümpel in unserem Land immer kleiner, Weiher, Teiche und kleine Seen werden von zahllosen Fischen bevölkert, die sich über den Nachwuchs von Fröschen und Kröten hermachen. In den zurückliegenden 50 Jahren sind 75 % der Kleingewässer in Deutschland verschwunden und mit ihnen viele Tiere und Pflanzen. Auf land- und forstwirtschaftlichen Flächen galten Tümpel und Vernässungen oder mäandrierende Bäche viel zu lange als ein Übel, das beseitigt werden musste. Bei so mancher Flurbereinigung verschwanden neben den kleinen Gewässern auch schützende Hecken oder Lesesteinriegel, insgesamt verarmte unsere Landschaft, sie wurde zunehmend konturloser. Und im urbanen Bereich galten künstlerisch gestaltete Wasserspiele als chic, selbst wenn sie für Wildtiere keinen Lebensraum boten und noch nicht einmal für durstige Vögel, Wildbienen oder Igel erreichbar waren. So war es für mich ein wahrer Glücksmoment, als ich bei einer Wanderung an einem Tümpel vorbeikam, aus dem ein lautes Froschkonzert ertönte: Wasserfrösche warben mit Hilfe ihrer Schallblasen lautstark um die Damenwelt in ihrem besonnten Paradies.

Ein grüner Frosch in einem Tümpel mit leicht braunem Wasser. Links und rechts sind seine hellen Schallblasen zu sehen, die sich im Wasser spiegeln.
Teichfrösche werben stimmgewaltig um die Weibchen, indem sie ihre Schallblasen einsetzen. (Bild: Ulsamer)

Ausgesetzte Fische zerstören Amphibienpopulationen

Die Wasserfrösche bevorzugen kleinere und nährstoffarme Gewässer, wobei sie sich mit Tümpeln genauso anfreunden können wie mit Moorweihern im Wald oder einem mit ausreichend Wasser gefüllten Graben. Der Kleine Wasserfrosch findet sich in der ‚Roten Liste‘ mit dem Zusatz einer „Gefährdung unbekannten Ausmaßes“, er gilt als selten und erlebt einen „Rückgang“, wobei das „Ausmaß unbekannt“ sei. Nicht nur der Kleine Wasserfrosch ist nach meiner Meinung bedroht, sondern auch der Teichfrosch, der immerhin noch als „ungefährdet“ in den Roten Listen geführt wird, doch es gebe eine „mäßige Abnahme“. Der Seefrosch, der ebenfalls zu den Wasserfröschen gehört, wurde in den Roten Listen (2009) noch als „ungefährdet“ geführt, in der aktuellen Fassung allerdings heißt es, dass die Datenlage ungenügend sei, und so findet er sich gewissermaßen in einer Grauzone. Der Leser der Roten Liste erfährt zwar nichts Konkretes über die Gefährdungslage, gleichwohl aber, dass man sich über seinen Namen und die Zuordnung zur entsprechenden Froschfamilie Gedanken gemacht habe. Sehr schön, ob allerdings diese wissenschaftlichen Details den Wasserfröschen die Existenz sichern? Wohl kaum! Nicht nur bei den Wasserfröschen, sondern desgleichen bei anderen Amphibien habe ich den Eindruck, dass sie längst als gefährdet gelten müssten, insbesondere dann, wenn sich eine Abnahme erkennen lässt. Trotz dieser kritischen Anmerkung kommt den Roten Listen im gesellschaftlichen Diskurs und in politischen Debatten eine wichtige Bedeutung zu, weil sie die Gefährdung einheimischer Tier-, Pflanzen- und Pilzarten erkennen lassen und den vordringlichen Handlungsbedarf darstellen. Wenn immer mehr Arten als gefährdet auf den Roten Listen genannt werden, dann darf uns das nicht ruhen lassen. Mehr zu diesem Thema finden Sie in meinem Beitrag ‘Tieren und Pflanzen beim Aussterben zusehen? Rote Listen: Die Biodiversität schmilzt dahin‘.

Ein großer Fisch schwimmt mit geöffnetem Maul direkt unter der Wasseroberfläche.
Manche Mitmenschen setzen ihre zu groß oder zu zahlreich gewordenen Fische in Tümpeln, Weihern und kleinen Seen aus, worauf zumeist die Amphibienpopulationen zusammenbrechen, denn die geschuppten Mitbewohner fressen Laich und Kaulquappen. (Bild: Ulsamer)

Neben der abnehmenden Zahl von Tümpeln und Vernässungen stellen Fische, die sich über den Laich und die Kaulquappen von Fröschen und Kröten hermachen, in den verbliebenen Stillgewässern eine ernste Gefahr dar. Tümpel, Weiher und kleine Seen, in denen früher keine oder wenige Fische anzutreffen waren, gleichen verstärkt einer Fischzucht. So ist es kein Wunder, dass die Amphibienpopulationen selbst dort unter Druck geraten, wo ein Laichgewässer vorhanden wäre. Den Ursprung haben diese Fische nicht selten in heimischen Aquarien oder Zierteichen: Werden die Tiere zu groß oder die Halter verlieren den Spaß an ihren geschuppten Mitbewohnern, dann ‚entsorgen‘ sie manche Zeitgenossen im nächstgelegenen Gewässer, was ebenso etliche Schildkröten betrifft, die in Tümpeln auftauchen. Diese sind leider keine äußerst seltenen Europäischen Sumpfschildkröten, die vom Aussterben bedroht sind, sondern ausgesetztes ‚Spielzeug‘. Anmerken möchte ich, dass seit Jahrhunderten behauptet wird, Wasservögel würden Fischeier in Gewässer eintragen, wofür es aber nach einer Untersuchung der Universität Basel, auf die in der Zeitschrift Natur hingewiesen wurde, keine wissenschaftlichen Belege gibt. Bei entsprechender Gestaltung der Gewässer kann es zwar eine Koexistenz von Fischen und Amphibien geben, doch dies setzt Flachwasserzonen voraus, in denen die Fische nicht nach Beute jagen können. Generell gilt, so die im Auftrag des NABU erstellte Literaturstudie ‚Der Einfluss von Fischen auf Amphibienpopulationen – eine Literaturstudie‘: „Für viele Amphibienarten konnte belegt werden, dass sie signifikant seltener in Gewässern vorkommen, in denen es Fische gibt. Beispiele hierfür sind das Vorkommen des Springfroschs in Baden-Württemberg, des Laubfroschs in Auengewässern an der österreichischen Donau, des Teichmolchs in der Lombardei in Italien, des Fadenmolchs in Südfrankreich und das Vorkommen von Teich- und Fadenmolch in vielen untersuchten Populationen, die über ganz Mitteleuropa verteilt sind.“ Wer Lebensräume für Amphibien schützen möchte, der muss gegebenenfalls Fische abfangen, die vom Menschen in das jeweilige Gewässer eingetragen wurden.

Ein kleiner Tümpel mit relativ braunem Wasser. Er ist umgeben von Schilf und Büschen.
Selbst kleine Tümpel bieten Lebensraum für Wasserfrösche und andere Amphibien, wenn sie nicht durch Pestizide und Kunstdünger verunreinigt werden. Mehr zum traurigen Schicksal vieler Kleingewässer finden Sie in meinem Beitrag ‘Von Pfützen, Tümpeln, Weihern und Seen. Die kleinen Paradiese sind bedroht‘. (Bild: Ulsamer)

Lebensraum der Amphibien besser schützen!

Die Schaffung neuer oder die Renaturierung früherer Tümpel, Weiher oder Seen hilft nicht nur den bedrängten Amphibien – wie z. B. den Wasserfröschen -, sondern in Dürrezeiten bieten sie Wasser für durstige Wildtiere und bei Starkregen dürfen selbst kleinere Stillgewässer, Flussauen oder Moore, Vernässungen und mäandrierende Bäche nicht unterschätzt werden, da sie Regenwasser aufnehmen oder seinen Abfluss verlangsamen können. Mehr Natur in unserer Landschaft, besonders angesichts der jüngsten Starkregenereignisse, und sicherlich auch in Bezug auf zukünftig zu erwartende Niederschlagsmengen, ist somit nicht nur wichtig für Naturfreunde, sondern für alle Bürger. So können wir nur hoffen, dass das neue EU-Gesetz zur Wiederherstellung von 20 % der geschädigten Landflächen und Meeresgebiete bis 2030 kein leeres Versprechen bleibt, sondern umgesetzt wird. Der holprige Start und die bereits auf Druck von Bauernverbänden erfolgte Abschwächung der Ziele und ihrer Umsetzung lässt allerdings wenig Gutes erwarten. Hoffentlich geht es nicht wie bei der Renaturierung von Fließgewässern, denn lediglich 8 % der deutschen Fließgewässer sind nach Angaben des Umweltbundesamts in einem ‚guten‘ oder ‚sehr guten‘ ökologischen Zustand. Für das Jahr 2021 war vorgesehen, dass alle Bäche und Flüsse in einem guten oder sehr guten Zustand sein sollten oder – bei künstlichen oder stark veränderten Gewässern – ein gutes oder sehr gutes ökologisches Potenzial erlangen. Davon sind wir Lichtjahre entfernt, und die Latte liegt jetzt auf dem Jahr 2027 und wird gleichfalls gerissen werden! In Deutschland und in der EU wird in Sachen Umwelt viel geredet, doch es fehlt an konsequentem Handeln.

Drei grüne Frösche mit dunklen Punkten auf dem Rücken im Wasser eines Tümpels.
Ein sonniger Tümpel im Wald – hier im Schönbuch in Baden-Württemberg – kann zu einem Paradies für Wasserfrösche werden. (Bild: Ulsamer)

Zur Verarmung der Landschaft trägt maßgeblich die Landwirtschaft bei, und wenn die Traktoren gen Berlin rollen oder die Innenstädte verstopfen, dann weicht die Politik zurück, und die Leidtragenden sind mal wieder die Wildtiere. So heißt es in den Roten Listen zum Kleinen Wasserfrosch: „In intensiv landwirtschaftlich genutzten Gebieten dürfte der regelmäßige Einsatz von Pestiziden und synthetischen Düngemitteln nicht unerheblich zum Rückgang der Art beitragen. Negative Effekte hat zudem die Umwandlung von artenreichen Wiesen in strukturarmes Grün- oder Ackerland.“ Die Schuld tragen dafür nicht einzelne Landwirte, sondern eine fehlgeleitete EU-Agrarpolitik, die weiter überwiegend auf Flächensubventionen ohne ökologische Komponente setzt. Bei langanhaltenden Dürreperioden wird der Lebensraum für Wasserfrösche und andere Amphibien weiter schrumpfen, wenn nicht gegen ein längerfristiges Austrocknen der Laichgewässer vorgegangen wird. Bei etlichen Tümpeln würde es bereits genügen, mehr Wasser aufzustauen, ohne natürlich dort Raum für Fische zu schaffen. Sind noch Tümpel vorhanden, dann fehlt es häufig an Wanderkorridoren für die Amphibien: Gräben mit Wasser, Hecken, Ackersäume, die nicht bearbeitet werden und Streifen mit Brachflächen oder mehrjährige Blühstreifen an Wegen sollten die Tümpel untereinander oder auch mit Waldgebieten verbinden. Wo Verkehrswege die Wanderrouten der Amphibien zerschneiden, müssen Querungshilfen vorgesehen werden! Im städtischen Bereich sollte auf naturnahe Gewässer geachtet werden, statt auf architektonische oder künstlerische Wasserbecken zu setzen, an denen weder Insekten noch Vögel trinken oder gar ein Wasserfrosch leben kann.

Ein grüner Frosch mit dunklen Punkten auf dem Rücken sitzt auf dem Blatt einer Seerose.
Amphibien haben es nicht leicht in unserer verarmten Landschaft, wo Tümpel, Weiher ohne menschliche Nutzung oder kleine Moorseen zur Seltenheit geworden sind. Es fehlt aber auch an Laubmischwäldern in den Mittelgebirgen mit sauberen, mäandrierenden Quellbächen und mit Quellwasser gespeisten Kleingewässern. Feuersalamander benötigen Stillwasserzonen, da sie darin ihre voll entwickelten Larven absetzen, die über Kiemen verfügen. Am Feuersalamander lässt sich auch erkennen, wie schnell eine Krankheit wie die Salamanderpest den Bestand bedrohen kann, der bereits durch die Begradigung von Bächen, die Gewässerverschmutzung oder den Straßenverkehr gefährdet ist. Weitere Informationen hierzu finden Sie in meinem Artikel ‚Lebensraumverluste und ein Hautpilz bedrohen die Feuersalamander. Die Politik muss mehr für den Artenschutz tun‘. (Bild: Ulsamer)

Den Wasserfröschen bei ihrem Konzert zuzuhören, ist für mich eine Bereicherung meines Lebens. Ich würde mir wünschen, dass die Politik deutlich mehr für den Schutz von Amphibien tut, ansonsten haben die Frösche bald ausgequakt! Wasserfrösche sind nur ein Beispiel für Wildtiere, die durch menschliches Handeln immer stärker unter Druck geraten sind. Die politisch Verantwortlichen in Deutschland und der EU sollten sich nicht durch lautstarke Traktorkolonnen beeindrucken lassen, sondern besser mal auf das Froschorchester hören. Mehr Tümpel braucht’s im ‚Land der Frösche‘, ja in ganz Deutschland!

 

Ein grünlicher Frosch schwimmt in einem Tümpel. Seine Hinterbeine sind abgewinkelt.
Auf den hier gezeigten Fotos dürften sich Teichfrösche tummeln, aber so ganz sicher sind sich auch Fachkenner bei der Zuordnung nicht immer. Teichfrösche sind eine Hybridform, die ursprünglich aus Kreuzungen von Kleinem Wasserfrosch und Seefrosch hervorgegangen ist. Teichfrösche müssen sich nicht durch erneute Kreuzung der Elternarten fortpflanzen, sondern der Teichfrosch kann dies mit dem Kleinen Wasserfrosch bzw. dem Seefrosch erfolgreich tun. „Darüber hinaus ist der Teichfrosch in der Lage, reine Hybridpopulationen zu bilden, in denen triploide Individuen (Tiere mit drei Chromosomensätzen) die Elternarten funktionell-genetisch ersetzen“, so die Roten Listen. Ich halte mich lieber bei der Zuordnung nicht auf und habe mich gewissermaßen auf den Familiennamen ‚Wasserfrosch‘ zurückgezogen. Den Amphibien nutzen wissenschaftliche Definitionswettkämpfe ohnehin nichts, sie brauchen einen besseren Schutz ihres Lebensraums! (Bild: Ulsamer)

 

Ein Teichfrosch - grün mit dunklen Punkten - sitzt auf grünen Blättern.
Bewuchs am Rande des Gewässers bietet Schutz, und gut getarnt sind die Teichfrösche allemal. Einen besseren Schutz verdienen Amphibien auch in unserer Landschaft. Bei Baumaßnahmen sind Amphibien häufig die Leidtragenden. Auf ein trauriges Beispiel bin ich in meinem Blog-Beitrag eingegangen: ‚Hat die Deutsche Bahn kein Herz für Frösche und Molche? Arbeiten an der Dreiseenbahn als Todesfalle für Amphibien‘. (Bild: Ulsamer)

 

Ein grüner Frosch mit bräunlichen Hinterbeinen sitzt auf einem im Wasser schwimmenden Ast.
Kein Wunder, dass es Amphibien in Deutschland schwer haben, denn über Jahrzehnte wurden Tümpel zugeschüttet und Moore trockengelegt. Mehr dazu in: ‚Feuchtgebiete müssen geschützt und renaturiert werden. UNESCO World Wetlands Day‘. Wir müssen diese Negativentwicklung umkehren! Dafür sind ökologisch wertvolle Tümpel und andere Stillgewässer unerlässlich. (Bild: Ulsamer)

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